Atomarer Transistor

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Ein atomarer Transistor, auch Einzelatomtransistor genannt, ist ein elektrisches Bauelement mit dem sich ein elektrischer Schaltkreis ähnlich wie mit einem Relais öffnen und schließen lässt. Ermöglicht wird dies durch die kontrollierte und reversible Umpositionierung eines einzelnen Atoms oder Moleküls.

Herkömmliche Transistoren werden zum einen als Verstärker eingesetzt, zum anderen sind sie die Schalter, die in Computern 0 und 1 darstellen. Einzelatomtransistoren sind nur im zweiten Sinne Transistoren. Bei manchen Realisierungen tragen sie nicht die digitale Information , sondern die eines Qubits.

Verschiedene Varianten von Einzelatomtransistoren

Polypyridin-Aufhängung

2002 realisierte die Forschungsgruppe von Paul McEuen an der Cornell University einen Einzelatomtransistor, bei dem ein Kobalt-Atom in einem Poly-Pyridin-Molekül zwischen zwei Goldelektroden aufgehängt wurde. Durch die Gatterspannung kann das Kobalt-Atom zwischen den Ladungszuständen Co2+ und Co3+ gesteuert werden.[1][2]

Graphen

Kostya Novoselov und Andre Geim von der Manchester University gelang es 2004 Transistoren zu bauen, indem sie eine Graphen-schicht auf Silizium aufbrachten. Der Transistor war eine Atomlage dick und in der Größenordnung weniger Atome.[3][4] Für ihre Arbeiten über Graphen erhielten Kostya Novoselov und Andre Geim 2010 den Nobelpreis für Physik.[5]

Silberatom in Elektrolytlösung

Aufbau des atomaren Transistors

Die seit 2004 vom Karlsruher Institut für Technologie hergestellten Prototypen bestehen aus Goldelektroden, die auf ein Trägermaterial wie z. B. Glas oder Silizium aufgebracht wurden. Durch Anlegen einer kleinen elektrischen Spannung an eine Kontrollelektrode, die sogenannte Gateelektrode, wird ein einzelnes Silberatom reversibel zu einer winzigen Kontaktstelle hin- und von dieser wegbewegt, sodass sich ein elektrischer Kontakt schließt und öffnet. Auf diese Weise funktioniert der Einzelatomtransistor als atomarer Schalter oder atomares Relais, wobei das schaltbare Atom die Lücke zwischen zwei winzig kleinen Elektroden, Source und Drain, öffnet und schließt.[6][7][8]

Zwischen den Anschlüssen besteht dabei ein Abstand von 50 bis 100 nm. Zur Produktion wird auf den beiden Elektroden solange Silber abgeschieden, bis ihr Kontakt durch ein Silberatom hergestellt wird. Dieses Atom wird so ausgerichtet, dass es sich zwischen zwei stabilen Positionen bewegen kann, damit der Kontakt entweder vollständig geöffnet oder geschlossen ist. Mithilfe der Spannung zwischen den Anschlüssen Source und Gate kann die Position des Silberatoms derart gesteuert werden, dass sich der Laststromkreis zwischen den Elektroden Drain und Source öffnet oder schließt.

Zugleich markiert das Bauelement des Karlsruher Forscherteams die untere Grenze der Miniaturisierung, da Strukturgrößen, die kleiner als ein Atom sind, nicht hergestellt werden können. Das Bauelement stellt einen Quantentransistor dar, der Leitwert des Source-Drain-Kanals wird über die Gesetze der Quantenmechanik festgelegt. Es kann bei Raumtemperatur und unter realen Umgebungsbedingungen betrieben werden, das heißt weder Kühlung noch Vakuum werden benötigt.[9][10][11][12]

Phosphordotierung von Siliciumoberflächen

2011 gelang einer Kooperation aus australischen, südkoreanischen, US-amerikanischen und deutschen Wissenschaftlern der Bau eines Transistors an der Oberfläche von Silizium. Sowohl für die Elektroden, als auch für den eigentlichen Transistor wurde die Oberfläche mit Phosphor dotiert. Dadurch ist das schaltende Atom an einer Gitterstelle des Siliziums fixiert (ca. 1 nm), während bei den bisherigen Versuchsaufbauten Ortsungenauigkeiten von ca. 10 nm in Kauf genommen werden mussten.[13]

Verwendungszwecke und Vorteile

  • Atomare Transistoren werden durch wenige Atome geschaltet, wodurch die Schaltzeiten wesentlich kürzer als bei herkömmlichen Transistoren sind und der Einsatz in der Hochfrequenztechnik ermöglicht wird.
  • Das Schalten eines atomaren Transistors ist schon bei Spannungen von einigen Millivolt möglich. Dadurch ist die Leistungsaufnahme dieser elektronischen Bauelemente sehr gering.
  • Weil nur wenige Atome oder Moleküle zum Schalten verwendet werden, kann es nur die zwei Schaltzustände „durchlässig“ und „undurchlässig“ geben. Gegenüber stufenlos schaltbaren, halbleiterbasierten Transistoren ist das ein Vorteil bei der Konstruktion von Quantenbauelementen und Quantencomputern.

Einzelnachweise

  1. David Brand: Cornell scientists create single-atom transistor by implanting molecule between wires, enabling 'virtual dance of electrons'. Cornell News Service, 12. Juni 2002, abgerufen am 2. Dezember 2012.
  2. Jiwoong Park et al.: Coulomb blockade and the Kondo effect in single-atom transistors. In: Nature. Band 417, 2002, S. 722–725, doi:10.1038/nature00791 (PDF auf der Website von Paul McEuen [abgerufen am 2. Dezember 2012]).
  3. David Manners: Manchester University makes single atom graphene transistor. ElectronicsWeekly.com, 18. April 2008, abgerufen am 31. Mai 2021.
  4. K. S. Novoselov, A. K. Geim et al.: Electric Field Effect in Atomically Thin Carbon Films. In: Science. Band 306, 2004, S. 666–669 (PDF auf der Website der Manchester University [abgerufen am 2. Dezember 2012]).
  5. Paul Rincon: Materials breakthrough wins Nobel. BBC News, 5. Oktober 2010, abgerufen am 2. Dezember 2012.
  6. Fang-Qing Xie, Christian Obermair, Thomas Schimmel: Switching an electrical current with atoms: the reproducible operation of a multi-atom relay. In: Solid State Communications. Band 132, Nr. 7, November 2004, S. 437–442, doi:10.1016/j.ssc.2004.08.024.
  7. F.-Q. Xie u. a.: Independently Switchable Atomic Quantum Transistors by Reversible Contact Reconstruction. In: Nano Lett. Band 8, Nr. 12, 2008, S. 4493–4497, doi:10.1021/nl802438c.
  8. C. Obermair, F.Q. Xie, T. Schimmel: The Single-Atom Transistor: perspectives for quantum electronics on the atomic-scale. In: Europhysics News. Band 41, Nr. 4, 2010, S. 25–28 (PDF).
  9. Fangqing Xie, Robert Maul, Christian Obermair, Wolfgang Wenzel, Gerd Schön, Thomas Schimmel: Multilevel Atomic‐Scale Transistors Based on Metallic Quantum Point Contacts. In: Advanced Materials. Band 22, Nr. 18, 11. Mai 2010, S. 2033–2036, doi:10.1002/adma.200902953.
  10. F.-Q. Xie, L. Nittler, Ch. Obermair, Th. Schimmel: Gate-Controlled Atomic Quantum Switch. In: Physical Review Letters. Band 93, Nr. 12, 2004, S. 128303, doi:10.1103/PhysRevLett.93.128303.
  11. Thomas Schimmel, Christian Obermair, Fangqing Xie: Atomare Elektronik. Mit einzelnen Atomen elektrische Ströme schalten. In: Nanotechnik. Nr. 6, Dezember 2005 (kit.edu [PDF]).
  12. Th. Schimmel: The single-atom transistor. (Video) perspectives for quantum electronics at room temperature. Beilstein-TV, 11. April 2012, abgerufen am 1. Januar 2013 (englisch).
  13. Martin Fuechsle u. a.: A single-atom transistor. In: Nature Nanotechnology. Band 7, Nr. 4, 2012, S. 242–246, doi:10.1038/nnano.2012.21.