Karl Franz Reisner von Lichtenstern

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Freiherr Karl Franz Reisner von Lichtenstern
Wappen der Freiherrn von Lichtenstern nach Siebmachers Wappenbuch

Karl Franz Freiherr Reisner von Lichtenstern (* 12. August 1776 auf Burg Treswitz; † 24. März 1866 in Amberg) war ein Landrichter in der Oberpfalz mit beeindruckend langer Dienstzeit.

Leben

Er stammte aus dem in der Oberen Pfalz angesiedelten Geschlecht der Reisner von Lichtenstern, die am 9. März 1753 in den Freiherrenstand erhoben worden waren.[1] Seine Eltern waren Franz Marquard von Lichtenstern (* 1748; † 1807 in Nabburg), Pfleger in Treswitz, seine Mutter war Freifrau Meichsner von Alkofen.

Nach dem Besuch von Gymnasien in Amberg und Regensburg begann er 1797 an der Universität Ingolstadt sein juristisches Studium. Danach arbeitete er bei seinem Vater im Landgericht Treswitz und legte dort am 19. September 1803 die Staatsdienstprüfung ab. Mit 27 Jahren wurde ihm das Landgericht von Nabburg übertragen; am 9. Mai 1806 wurde er nach Parkstein versetzt, dort übernahm er auch das Hochgericht. Nach Verlegung des Amtes am 17. Mai 1808 nach Neustadt an der Waldnaab residierte er von 1808 bis 1862 in dem dortigen Schloss und trat 1862 mit 86 Jahren in den Ruhestand. Danach zog er in sein Haus in Amberg, wo er im 90. Lebensjahr verstarb. Er wurde auf seinen Wunsch in Neustadt an der Waldnaab begraben. Seine 1850 verstorbene Frau war die Schwester des Windischeschenbacher Pfarrers Dr. Johann Nepomuk Hortig.

Wirken

Karl Franz Reisner von Lichtenstern wurde durch seine überlange Amtszeit und durch seine eigenwillige Amtsführung bekannt.

Funktion als Kommandierender der Bürgerwehr

In Bayern wurde 1801 die Bürgerwehr eingeführt. Freiherr Reisner von Lichtenstern ließ in seinem Amtsbezirk 12 Kompanien aufstellen, deren Kommandierender er mit dem Dienstgrad eines Obersts war. Zudem ließ er Bürgerwehrmänner auch in den Dörfern aufstellen. Es war ihm ein Anliegen, diese etwa 1500 Mann umfassende Truppe am Sonntag zu inspizieren und beim Exerzieren zu besuchen. Für die Offiziere und Chargen der Bürgerwehren gab es Uniformen, für die einfachen Bürgerwehrmänner reichte eine blau-weiße Armbinde. Diese Bürgerwehren waren mit Gewehr, Seitengewehr, Koppel und Patronentasche ausgerüstet, sie hatten aber weniger militärische als polizeiliche Aufgaben zu erfüllen. Neben dem Streifendienst mit Gendarmen oder Forstbeamten war auch ihr Einsatz bei Brandfällen ganz wesentlich, da es damals noch keine Feuerwehren gab. Bei Kirchenparaden, etwa zum Geburts- oder Namenstag des Königs und der Königin, nahmen sie ebenfalls teil. Für die Teilnahme wurde kein Sold bezahlt, ein Fehlen hingegen mit einer sich steigernden Geldstrafe geahndet (6, 18 und 42 Kreuzer). Dienstuntaugliche Männer mussten eine Bürgerwehrabgabe in die Bürgerwehrkasse bezahlen.

In dieser Funktion unterstand dem Landrichter auch die Bürgerwehr in Weiden in der Oberpfalz als Teil des Landgerichtsbezirks Neustadt. Dabei soll es zu einem Vorfall gekommen sein, der letztlich zur Einstellung der dortigen Bürgerwehr führte. Jeden Morgen schickte der Landrichter einen Gendarm nach Weiden, um den Rapport des Leiters der Bürgerwehr, welche mit sechs Mann und einem Korporal vor dem Rathaus von Weiden Wache leistete, entgegenzunehmen. Der Rapport lautet fast immer, „Auf der Wache nichts Neues“. Einmal war der Leiter der Wache der Weidener Bürgerwehrleutnant und Apotheker Heinrich Vierling, nicht bereit, dem Gendarm den Rapport zu leisten, er ließ sogar den ausgesandten Gendarm wegen Insubordination einsperren. Als der als streng bekannte Landrichter nicht wie gewohnt um 9 ½ Uhr den Rapport erhielt, schickte er einen zweiten Gendarm nach Weiden. Resultat war, dass die Bürgerwehr zu Weiden eingestellt wurde.

In den Orten, in denen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Feuerwehren gegründet wurden, wurden die Bürgerwehren aufgelöst; auch hier mussten die männlichen Bürger, die nicht an dem Dienst teilnahmen, eine Abgabe zahlen. Diese wurde in Bayern erst 1995 abgeschafft.

Karl Franz Reisner von Lichtenstern erwarb sich große Verdienste um den Wiederaufbau von Floß nach dem Brand von 1813 und in Windischeschenbach nach dem Brand von 1848, sodass er in beiden Orten als zweiter Stadtgründer gilt. Beim Wiederaufbau von Floß ließ er, da sich die Bürger nicht einigen konnten, kurzerhand Grund und Boden enteignen und befahl, große und breite Straßen anzulegen, einheitliche Grundstücke an die Brandgeschädigten zu verteilen und alle Städel an den Ortsrand zu verlegen, um einem erneuten Brand vorzubeugen.[2]

Besonderheiten seiner Rechtsprechung

Reisner von Lichtenstern wurde auch durch seine eigenwillige Rechtsprechung bekannt: Einmal gerieten zwei reichlich bezechte Bauern in der Nähe von Floß wegen einer Kuh in Streit, bei dem einer den anderen bei der Rauferei erschlug. Der Totschläger wurde inhaftiert, obwohl er immer wieder beteuerte, nicht mit Absicht gehandelt zu haben. Eines Tages kam die Witwe des Erschlagenen zu dem Landrichter und beklagte, dass sie nun niemand mehr für die Feldarbeit hatte. Deshalb übergab der Landrichter zur Strafe den Verurteilten als Knecht an die Witwe des Erschlagenen, um die Feldarbeit zu verrichten. Dann stellte er dem Verurteilten die Frage, ob er bereit sei, die Witwe auch zu heiraten, was dieser bejahte. Nachdem auch die Bäuerin damit einverstanden war, gab er den beiden seinen Segen und erließ dem Täter die Strafe.

Der Landrichter war dafür bekannt, dass er keine Vollbärte leiden konnte. Nun hatte er jungen einen Beamten, der trotz seiner Vorhalte nicht bereit war, seinen Vollbart abzunehmen. Als eines Tages ein Vagabund mit einem respektablen Vollbart vor den Landrichter gebracht wurde, ließ dieser einen Bader holen, der ihm kurzerhand den Bart scheren musste. Tags darauf soll auch der junge Beamte ohne Vollbart erschienen sein.

In Bayern wurde die Prügelstrafe 1848 abgeschafft. Das hielt den Landrichter aber nicht davon ab, Delinquenten, die ihn erzürnt hatten, verprügeln zu lassen. Ein Verurteilter hat deswegen Beschwerde bei der Regierung eingereicht und der Landrichter wurde deswegen gerügt (ihm wurde, wie es damals hieß, „eine Nase gezeigt“). Darauf soll er zu dem Geprügelten gesagt haben: „Wenn Sie wieder etwas anfangen, lasse ich Sie wieder prügeln, dann wollen wir sehen, wer’s länger aushält, Sie mit den Prügeln oder ich mit den Nasen!“ Hingegen war er großzügig, wenn Notleidende Feldfrüchte gestohlen hatten.

Ehrungen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Otto Titan von Hefner; Gustav Adelbert Seyler: Die Wappen des bayerischen Adels. Repro. J. Siebmacher’s großes Wappenbuch. II. Band. Nürnberg 1856 Band 22. Bauer & Raspe, Neustadt an der Aisch, 1971. ISBN 3-87947-022-7.
  2. Adolf Wolfgang Schuster: 100 Jahre Floss. Zum Heimatfest des Marktes Floß im Oberpfälzer Wald. Marktgemeinde Floß, Floß 1976, S. von 291–292.