Anglo-amerikanische Kirche

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Anglo-amerikanische Kirche in Leipzig, um 1900

Die Anglo-amerikanische Kirche (auch Anglikanische Kirche, All Saints Church, Church of the Ascension, All Saints’ English, American Episcopal Church) war ein anglikanisches Gotteshaus im Leipziger Bachviertel.[1]

Geschichte der Kirche

Anglo-amerikanische Gemeinde

Im 19. Jahrhundert lebten in der Kultur- und Messestadt Leipzig eine große Anzahl englischer und US-amerikanischer Künstler, Studenten[2] und Geschäftsleute. Daher gab es bereits ab 1862/64 für die anglo-amerikanische Community erste bzw. regelmäßige anglikanische Gottesdienste.[3] Anfangs wurden dafür noch die evangelisch-lutherische Thomaskirche am Thomaskirchhof und das Conservatorium der Musik im Musikviertel in Anspruch genommen.[4] Um dem Abhilfe zu schaffen, wurde 1870 der sächsische Architekt Oskar Mothes mit Kirchenbauplanungen beauftragt. Gleichwohl wurden seine Leipziger Entwürfe für ein Bauvorhaben im böhmischen Karlsbad herangezogen, sodass sich der Baubeginn in Sachsen verzögerte.

Die Stadt Leipzig überließ der anglikanischen Gemeinde 1883 Baugrund in der Bismarckstraße (nachmalige Ferdinand-Lassalle-Straße) am nordwestlichen Ende des Johannaparks.[3] Aufgrund der repräsentativen Lage aber tauschten die Verantwortlichen den Bauplatz wenig später mit dem Platz der nahe gelegenen[5] und gleichzeitig entstandenen evangelisch-lutherischen Lutherkirche an der Ecke Sebastian-Bach-Straße/Schreberstraße. Im Mai 1884 erfolgte schließlich unter Anwesenheit des anglikanischen Bischofs für Nord- und Zentraleuropa, Jonathan Titcomb, und Persönlichkeiten der Stadt die feierliche Grundsteinlegung.[3] Die anglo-amerikanische Kirche wurde mit Unterstützung des britischen und des US-amerikanischen Konsulats[4] verwirklicht. Im Juni 1885 fand die Kirchweihe für Church of the Ascension (Himmelfahrtskirche) statt, später wurde der Name in All Saints Church (Allerheiligenkirche) geändert.[3]

Mothes orientierte sich bei seinen Plänen am Early English Style, der englischen Frühgotik. Der Grundriss der Kirche war einem lateinischen Kreuz ähnlich. Im Langhaus befanden sich Seitenschiffe. Über dem Kirchenschiff ragte ein hoher hölzerner Dachstuhl. Die Front an der Sebastian-Bach-Straße war mit einer Fensterrose ausgeschmückt, eine lange Vorhalle schloss sich an den Eingangsbereich an. Ein ursprünglich angedachter Kirchturm im linken Eingangsbereich wurde nicht mehr verwirklicht.[3]

Die Anglo-amerikanische Kirche beherbergte eine Orgel.[6] Von 1894 bis 1898 war Thomas James Crawford hier Organist.[7]

Mit Kriegsausbruch 1914 löste sich die aktive Gemeinde auf.[4]

Nachnutzung und Kriegszerstörung

In der Weimarer Republik wurde das Gebäude durch eine deutsche Freikirche genutzt.[4] Bei den alliierten Luftangriffen auf Leipzig vom 4. Dezember 1943 und im Frühjahr 1945 wurde die Kirche schließlich ebenso wie auch andere Bereiche des südlichen Bachstraßenviertels zerstört.[8] Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Ruine bis zum Abriss noch kurzzeitig als Materiallager genutzt.[4] Sie teilt somit das Schicksal von einigen Ehemaligen Kirchen in Leipzig.

Gegenwart: Forum Thomanum

Seit den 2000er Jahren wird das einstige Kirchengelände, wo bis 2015 eine auf Sprachen, Religion und Musik spezialisierte Grundschule gebaut wurde, in den Bildungscampus Forum Thomanum integriert.

Gemeinde „Leipzig English Church“

Erst nach der Wende gründete sich 1995 mithilfe der britischen Missionsgesellschaft wieder eine neue Gemeinde englischsprachiger Christen[4] unter dem Namen Leipzig English Church (LEC), die der Church of England zugehörig ist und von der Intercontinental Church Society unterstützt wird.[9] Außerdem ist sie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Anglikanisch-Episkopaler Gemeinden in Deutschland, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland und der Deutschen Evangelischen Allianz.[10]

Die Kirche hält ihre Gottesdienste seit 2012 wieder im Gemeindehaus der Andreaskirche. Seit 2014 findet außer dem englischsprachigen auch ein deutschsprachiger Gottesdienst statt.[11] Treibende Kraft hierbei war Revd. Canon Martin Reakes-Williams, der bis November 2021 Pastor dieser Gemeinde war.[12][13] Der Verein der Freunde der anglikanischen Gemeinde in Leipzig e.V. sitzt in der Shakespearestraße 53, wo sich auch das Gemeindebüro befindet.[14]

Literatur

  • Himmelsfahrtskirche der Anglo-amerikanischen Gemeinde zu Leipzig. In: Wochenblatt für Baukunde, Jahrgang 1885, S. 251 f.
  • Matthias Gretzschel, Hartmut Mai: Kirchen in Leipzig. (= Schriften des Leipziger Geschichtsvereins, Neue Folge, Band 2.) Sax-Verlag, Beucha 1993, S. 32 f.
  • Hartmut Mai, Matthias Gretzschel (Bearb.): Anglo-amerikanische Kirche. In: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmäler von Sachsen. Stadt Leipzig. Deutscher Kunstverlag, München 1995, S. 783–786.
  • Verein der Freunde der anglikanischen Gemeinde in Leipzig e.V., Manfred Stedler (Hrsg.): Von „All Saints“ zu „Leipzig English Church“. Zwei Jahrhunderte anglikanischer Tradition in Leipzig. Mammendorf 2006, ISBN 3-86611-150-9. (deutsch / englisch)

Weblinks

Commons: Anglo-amerikanische Kirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Christoph Kühn: Bachstraßenviertel und Musikviertel: eine historische und städtebauliche Studie, im Auftrag des Stadtplanungsamtes hrsg. von Pro Leipzig, Leipzig 1999, S. 14.
  2. Die studentischen bzw. akademischen Netzwerke von Amerikanern, die in Leipzig studierten, blieben auch nach dem Weggang aus Leipzig noch bestehen. Charles Forster Smith: Reminiscences and Scetches, Nashville 1908.-Anja Becker: "Southern academic ambitions meet German scolarship: the LeipzigNetworks of Vanderbilt University's James H. Kirkland in the late 19. century", in: Journal of Southern History vom 1. November 2008. -Anja Becker: For the Sake of Old Leipzig Days....Academic Networks of American Students at the German University, 1781–1914, Diss. Leipzig 2005. -Anja Werner: The Transatlandic World of Higher Education: Americans at German Universities, 1776–1916, Oxford-New York 2013.
  3. a b c d e Matthias Gretzschel, Hartmut Mai: Kirchen in Leipzig, Schriften des Leipziger Geschichtsvereins N.F./Bd. 2, Sax-Verlag, Beucha 1993, S. 32 f.
  4. a b c d e f Cornelia Kästner: Leipzig English Church feiert 10 Jahre Gemeindeleben und 120 Jahre Existenz an der Pleiße, in: Leipziger Volkszeitung vom 17. Oktober 2005, S. 16.
  5. Vera Denzer/Andreas Dix/Haik Thomas Porada (Hrsgg.): Leipzig: eine landeskundliche Bestandsaufnahme, Landschaften in Deutschland Bd. 78, Böhlau, Köln 2015, S. 188.
  6. Hartmut Mai unter Beteiligung von Matthias Gretzschel (Bearb.): Anglo-amerikanische Kirche, in: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmäler von Sachsen, Teil Stadt Leipzig, Deutscher Kunstverlag, München 1995, S. 783–786, Inhalt von Seite 784.
  7. Maggie Humphreys/Robert Evans: Dictionary of Composers for the Church in Great Britain and Ireland, Mansell, London 1997, S. 77.
  8. Christoph Kühn: Bachstraßenviertel und Musikviertel: eine historische und städtebauliche Studie, im Auftrag des Stadtplanungsamtes hrsg. von Pro Leipzig, Leipzig 1999, S. 22.
  9. Who we are, www.leipzig-english-church.de, abgerufen am 14. November 2016.
  10. Leipzig English Church (Anglican), www.kirche-leipzig.de, abgerufen am 14. November 2016.
  11. Where we are, www.leipzig-english-church.de, abgerufen am 14. November 2016.
  12. Von 'All Saints zu 'Leipzig English Church': Zwei Jahrhunderte anglikanischer Tradition in Leipzig, hrsg. von Manfred Stedler im Auftrag des Vereins der Freunde der anglikanischen Gemeinde in Leipzig e.V., Mammendorf 2006. (Deutsch/Englisch) 9. 18. ff. ISBN 978-3-86611-150-9
  13. [1]Revd. Martin Reakes-Williams verlässt Leipzig
  14. Impressum, www.leipzig-english-church.de, abgerufen am 14. November 2016.

Koordinaten: 51° 20′ 12,7″ N, 12° 21′ 40,8″ O