Stanser Verkommnis

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Stanser Verkommnis

Stanser Verkommnis, auch: Stanser Verträge, bezeichnet ein im Dezember 1481 geschlossenes Übereinkommen der Acht Orte des Bundes der Eidgenossen, mit dem der innere Konflikt, insbesondere zwischen Stadt- und Landorten, beigelegt wurde. In der Folge expandierte der Bund der Eidgenossen bis 1513 auf Dreizehn Orte. Die Bezeichnung «Verkommnis» hat dabei nichts mit der Bedeutung des Verbs «verkommen» zu tun, sondern ist mit den Wörtern «Übereinkommen» und «Abkommen» verwandt.[1][2]

Vorgeschichte

Nach aussen hin hatte sich die Eidgenossenschaft in den Burgunderkriegen zwischen 1474 und 1477 behaupten können – in der Schlacht bei Murten 1476 erlitt Burgunderherzog Karl der Kühne die bis dahin vernichtendste Niederlage, in der Schlacht bei Nancy verlor der Herzog schliesslich sein Leben.

Im Innern aber kam es unter anderem über die Aufteilung von Kriegsbeute sowie die Vereinbarung des gegenseitigen Burgrechts zwischen den Stadtorten Zürich, Bern und Luzern auf der einen und Freiburg und Solothurn auf der anderen Seite zu Konflikten.

Angespannt war das Verhältnis der Acht Orte untereinander auch wegen Vorfällen wie dem «Saubannerzug» von rund 2000 Urnern, Schwyzern, Unterwaldnern, Zugern und Luzernern anlässlich der Fasnacht im Februar 1477. Dieser Raubzug unter einem Feldzeichen, das eine «Sau» auf blauem Grund zeigte, sollte ins damals noch savoyische Genf führen, um eine noch ausstehende Kriegskontribution einzutreiben. Diese Freischärler konnten aber von den eidgenössischen Stadtorten und vor allem Bern noch vor Lausanne gestoppt werden, indem die Stadt Genf gezwungen wurde, sich mit der Zahlung von 8000 Gulden an die Orte Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Luzern von den Innerschweizern zu befreien. Um den Abzug der raub- und zerstörungslustigen Kämpfer zu beschleunigen, zahlte sie allen 1700 verbliebenen Teilnehmern des Saubannerzugs zudem noch zwei Gulden in die Hand und Alkohol auf den Weg. Um sich vor solchen Übergriffen aus den Landorten der Innerschweiz zu schützen, gingen die Stadtorte untereinander Sonderbündnisse ein.

Tagsatzung in Stans

Illustration der Ereignisse in der Luzerner Chronik von 1513 (Diebold Schilling d. J.)

Im Dezember 1481 kamen Abgesandte der Acht Orte in Stans zu einer Tagsatzung zusammen, bei der über die verschiedenen Konfliktfelder Verhandlungen geführt werden sollten. Diese drohten allerdings zu scheitern – was letztlich das Bündnis an sich bedrohte.

Nach Schilderung Diebold Schillings, der bei der Tagsatzung anwesend gewesen war, in der Luzerner Chronik[3] löste sich die verfahrene Situation am 22. Dezember durch eine durch den Stanser Pfarrer Heini (Heimo) Amgrund überbrachte Botschaft des als Bruder Klaus im Ranft bekannten Einsiedlers Niklaus von Flüe: Amgrund sei in der Nacht zu diesem gegangen und am Mittag mit dessen Botschaft zurückgekehrt, die zu einer Einigung führte – der Inhalt dieser Botschaft ist allerdings nicht überliefert. Heute gibt es einen am Winkelrieddenkmal oberhalb des Dorfes Stans beginnenden Wander- und Pilgerweg in die Ranftschlucht, den «Bruder-Klausen-Weg», gleichzeitig eine Etappe des Jakobswegs.[4]

Inhalt

Der Kompromiss bestand darin, Freiburg und Solothurn in den Bund aufzunehmen und im Gegenzug das Burgrecht abzuschaffen. Die Einigung umfasste das Verbot gewaltsamer Überfälle auf Miteidgenossen oder deren Bundesgenossen; den Schutz eines überfallenen Ortes durch die anderen; die Bestrafung der Übeltäter entweder durch die heimatlichen Gerichte oder durch diejenigen am Tatort; ein Verbot von Gemeindeversammlungen oder Zusammenrottung ohne Erlaubnis der Obrigkeit; ein Verbot, die Untertanen eines anderen Ortes aufzuwiegeln; die Verpflichtung der Orte, bei Aufständen von Untertanen anderer Orte zu vermitteln und die Bestätigung des Sempacher- und Pfaffenbriefes. Die Bünde sollten alle 5 Jahre beschworen und dabei die drei Verkommnisse verlesen werden. Schliesslich sollte Kriegsbeute künftig unter die Orte nach Marchzahl (hier: Grösse der beteiligten Truppen) verteilt werden.[5]

Literatur

  • Norbert Domeisen: Schweizer Verfassungsgeschichte, Geschichtsphilosophie und Ideologie. Eine Untersuchung über die Auslegung der Verfassungsgeschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft vom ausgehenden 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts durch die nationale Geschichtsschreibung (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 103). Lang, Bern u. a. 1978, ISBN 3-261-03089-5, S. 43 ff. Volltext WebArchive
  • Ferdinand Elsener et al.: 500 Jahre Stanser Verkommnis. Beiträge zu einem Zeitbild. Historischer Verein Nidwalden u. a., Stans 1981.
  • Andreas Heusler: Schweizerische Verfassungsgeschichte. Frobenius, Basel 1920.
  • Josef Leisibach, Norbert King: Der Bund der VIII Orte mit Freiburg und Solothurn, 1481. Paulusverlag, Editions Saint-Paul, Freiburg 1981, ISBN 3-7228-0146-X. Faksimile bei Google-Books.
  • Pirmin Meier: Ich Bruder Klaus von Flüe. Eine Geschichte aus der inneren Schweiz. Ein biographischer Diskurs. Ammann, Zürich 1997; 2. Auflage Zürich 2000
  • Hans Conrad Peyer: Verfassungsgeschichte der alten Schweiz. Schulthess u. a., Zürich, 1978, ISBN 3-7255-1880-7.
  • Ernst Walder: Stanser Verkommnis. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Ernst Walder: Zur Entstehungsgeschichte des Stanser Verkommnisses und des Bundes der VIII Orte mit Freiburg und Solothurn von 1481. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. 32 (1982), S. 236–292, doi:10.5169/seals-80881.
  • Ernst Walder: Das Stanser Verkommnis. Ein Kapitel eidgenössischer Geschichte neu untersucht: die Entstehung des Verkommnisses von Stans in den Jahren 1477 bis 1481 (= Beiträge zur Geschichte Nidwaldens 44). Historischer Verein Nidwalden, Stans 1994, ISBN 3-906377-02-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Duden: Verkommnis
  2. Wiktionary: Verkommnis
  3. Relevanter Auszug aus der Luzerner Chronik von Diepold Schilling
  4. Sachseln Flüeli-Ranft Tourismus (Memento vom 29. Oktober 2010 im Internet Archive)
  5. Norbert Domeisen: Schweizer Verfassungsgeschichte, Geschichtsphilosophie und Ideologie. S. 47 (Memento vom 31. März 2016 auf WebCite) (dortige Quellenangabe in Anmerkung 170: Nabholz/Kläui: Quellenbuch. S. 62 ff.)