Rektion

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Rektion (von lateinisch regere ‚beherrschen‘) ist ein Begriff der Grammatik und bezeichnet eine Beziehung zwischen einem Wort (Regens) und einem von ihm abhängigen, regierten Satzteil (Dependens, seltener Rektum). In Rektionsbeziehungen können grammatische Merkmale wie Kasus an das regierte Element zugewiesen werden.

Rektion in der traditionellen Grammatik

In der traditionellen Grammatik hat der Begriff Rektion eine vergleichsweise engere Bedeutung und bezeichnet die Zuweisung eines Kasus durch Verben, Adjektive oder Präpositionen, seltener auch Substantive, an ihre Ergänzungen. Zum Beispiel regiert das Verb bestellen den Akkusativ seines Objektes und die Präposition mit den Dativ an ihrer Ergänzung:

  • Er bestellte Akk[einen Pfannkuchen] mit Dat [einem kleinen Salat].

Weitere Beispiele:

  • Das Verb geben verlangt, dass das Objekt, das den Empfänger bezeichnet, im Dativ steht (dies ist das indirekte Objekt des Satzes): „Ich gebe dem Mann den Ball.“
  • Das Adjektiv fremd kann eine Ergänzung im Dativ regieren: „eine ihm fremde Vorstellung“
  • Die Präposition wegen weist ihrer Ergänzung den Genitiv zu, durch den Akkusativ.

Kasus muss nicht immer aufgrund von Rektion erscheinen. Rektion ist zu unterscheiden von Kasus-Kongruenz (einer Übereinstimmungsregel), wie etwa bei Prädikativa (siehe Prädikativum #Der Kasus von substantivischen Prädikativa). Weitere Fälle von unregiertem Kasus sind Adverbialkasus und der freie (absolute) Nominativ (im Deutschen auch in der Anrede).

Statusrektion

Analog zum Begriff der Kasusrektion werden infinite Verbformen, die von Hilfsverben verlangt werden, auch als Fall von Rektion beschrieben. Gunnar Bech (1955/1983) prägte dafür den Begriff „Statusrektion“, da die verschiedenen Infinitivformen von ihm als „verbaler Status“ bezeichnet wurden. Bei diesen durch Rektion zugewiesenen Infinitivmerkmalen handelt es sich um:

  • den bloßen Infinitiv auf -en,
  • den Infinitiv mit zu
  • oder die sogenannte Partizipform.

Beispiele sind die beiden Varianten des Hilfsverbs werden als Passiv- und als Futurhilfsverb. Dass es sich hier um zwei verschiedene Hilfsverben handelt, sieht man nur daran, dass sie verschiedene Merkmale regieren, d. h., dass dem begleitenden Vollverb unterschiedliche Infinitivformen zugewiesen werden:

Passiv: verlangt die Partizipform am Vollverb (Bech: „3. Status des Infinitivs“)

„ob er von jemandem angezeigt wird“

Futur: verlangt den bloßen -en-Infinitiv (Bech: „1. Status“)

„ob er den Mann anzeigen wird“

Rektion in der generativen Grammatik

In formalen Theorien der Syntax, z. B. der Government-Binding-Theorie, bezeichnet man als Rektion eine strukturelle Beziehung zwischen zwei Einheiten im Satz, die mit Kasuszuweisung einhergehen kann, aber nicht muss.

Rektion als strukturelle Beziehung

Die Rektionsbeziehung kann anhand des im Bild angegebenen Strukturbaums erläutert werden. Die Präposition mit hat hier als Ergänzung (Komplement) die Wortgruppe einem Salat aus dem Garten. Diese bildet eine Nominalphrase oder „Substantivgruppe“ (NP), da ihr Kopf, d. h. ihr Kernbestandteil, das Nomen (= Substantiv) Salat ist.[1]

Datei:SyntaxbaumPP.jpg
Baumdiagramm einer PP mit eingebetteter komplexer NP

Von "Salat" hängt seinerseits eine weitere Wortgruppe ab, die die Präposition "aus" als Kopf hat, mithin eine Präpositionalphrase (PP). Diese ist also ein Attribut zum Nomen "Salat".[2] In der angegebenen Struktur herrscht nun eine Rektionsbeziehung (blauer Pfeil) zwischen der Präposition mit und der Nominalphrase um das Nomen Salat, denn diese Einheiten erfüllen die Anforderungen der folgenden Definition (eine vereinfachte Formulierung der in der Government-Binding-Theorie üblichen Form):[3]

Rektion
Ein Ausdruck α regiert einen Ausdruck β genau dann, wenn gilt:
  1. α ist ein Kopf
  2. Die Phrase, deren Kopf α ist, enthält auch β
  3. Es gibt keinen weiteren Kopf zwischen α und β, dessen Phrase β auch schon enthalten würde.

Die letzte Bedingung ist nötig, um Rektionsbeziehungen im Satz auf bestimmte Distanzen einzuschränken. Im angegebenen Beispiel gilt nun folgendes:

  • Wählen wir als α die Präposition "mit" (das obere P0) und als β die NP[dat.] mit dem Kopf N0 = "Salat". Dann regiert die Präposition "mit" die NP, denn (i) diese Präposition ist ein Kopf (d. h. ein P0), (ii) der eine Phrase erzeugt (PP), die die NP enthält und (iii) es ist kein anderer Kopf dazwischen, der die gleiche Eigenschaft hat.
  • Wählen wir wieder als α die P0 "mit", doch als β nun die NP mit dem Kopf N = "Garten". Dann regiert die Präposition die NP "dem Garten" nicht. Denn zwar sind die Bedingungen (i) und (ii) wieder erfüllt, aber zwischen "mit" und "dem Garten" befindet sich die Präposition "aus", und deren PP enthält die NP "dem Garten" auch schon (grauer Kasten). Es herrscht eine Rektionsbeziehung zwischen "aus" und "dem Garten", aber nicht mit der oberen Präposition "mit". Letztere kann also nicht in den grau gezeichneten Bereich hineinregieren.

Rektion und Kasuszuweisung

Im obigen Beispiel sind die regierenden Köpfe, die Präpositionen, Kasuszuweiser, sie vergeben beide einen Dativ an ihre Ergänzung. Kasuszuweisung wird nun als ein Prozess verstanden, der möglich ist, wenn eine Rektionsbeziehung in der Struktur besteht, und wenn der Kopf einen Kasus vergibt. Die obige Definition stellt also auch sicher, dass die NP dem Garten ihren Dativkasus nur von aus bekommen kann, nicht von einer weiter entfernten Präposition.

Der Kasus ist soweit ein Merkmal der regierten NP als ganzer. Zusätzliche Regeln der Merkmals-Weitergabe innerhalb einer Phrase sorgen dafür, dass Phrasenknoten (NP) und Kopf (N) in ihren Merkmalen übereinstimmen („Perkolation“ eines Merkmals), und ferner, dass andere Bestandteile innerhalb der NP wie Artikel und Adjektive mit diesem Kasusmerkmal ebenfalls übereinstimmen können (Kongruenz). (Siehe für letzteres unter Kongruenz (Grammatik) #Abgrenzung: Kongruenz und Rektion). — Die Artikel und Adjektive innerhalb der NP, die das Kasusmerkmal sichtbar tragen, werden jedoch als solche nicht von außen regiert.

Rektion ohne Kasuszuweisung

Rektionsbeziehungen ohne Kasuszuweisung werden in der generativen Syntax z. B. benutzt um die Grammatik von gebundenen Pronomina oder leeren Kategorien zu modellieren, also v. a. in der Bindungstheorie und im Empty-Category-Principle (ECP) der Government-Binding-Theorie. Ein Beispiel ist die Analyse des Passivs: Hier wird das Nominativsubjekt des Passivsatzes als Verbergänzung aufgefasst, die weiterhin im Wesentlichen (d. h. in der Tiefenstruktur) ein Objekt ist, und auch die Rektionsbeziehung mit der Objektposition im Satz besteht fort. Aber das passivierte Verb kann seinem Objekt keinen Kasus mehr zuweisen, daher wird das Passiv-Objekt an die Stelle eines Nominativsubjekts „angehoben“. Somit sind Rektion und Kasuszuweisung für Verb und Objekt hier getrennt.

Siehe auch

Literatur

  • Gunnar Bech: Studien über das deutsche Verbum infinitum. Band I (= Det Kongelige Danske Videnskabernas Selskab, Historisk-filologiske Meddelser 35, no. 2), København 1955. Nachdruck: Niemeyer, Tübingen 1983.
  • Helmut Glück (Hrsg.), unter Mitarbeit von Friederike Schmöe: Metzler Lexikon Sprache. 3., neu bearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2005, ISBN 3-476-02056-8.
  • Geoffrey Poole: Syntactic Theory. 2nd edition. Palgrave Macmillan, Basingstoke 2011, ISBN 978-0230243941.

Anmerkungen

  1. Dies ist nur eine von mehreren möglichen Analysen, eine Alternative ist die Einstufung als Determinansphrase.
  2. Der abgebildete Baum ist eine Vereinfachung gegenüber der klassischen X-Bar-Theorie, da er keine leere Projektion benutzt; wenn dagegen strukturell zwischen Komplementen und Adjunkten unterschieden werden soll, müsste das Attribut neben einem unverzweigenden N'-Knoten stehen statt neben .
  3. Nach Poole (2011), Seite 101ff. in Verbindung mit S. 129.