Fürstabt
Ein Fürstabt war der Abt einer Fürstabtei bzw. eines klösterlichen Reichsstifts, der zum Reichsfürsten[1] des Heiligen Römischen Reiches „gefürstet“ wurde (siehe auch: Kirchenfürsten), was mit dem Recht von Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat, einem der drei Räte des Reichstags des Heiliges Römisches Reiches, einhergehen konnte. Er übte in Personalunion mit seiner geistlichen Macht auch weltliche Herrschaft über ein Territorium aus, dem er als Landesherr vorstand. Reichsunmittelbare Nonnenklöster und Frauenstifte wurden durch Fürstäbtissinnen regiert.
Im Gegensatz zu den Fürstpropsteien, von denen lediglich die Vertreter dreier Kollegiatstifte diese Bezeichnung (zudem erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts) erfuhren, geschah die Erhebung in den Fürstenrang bei fünf der unten aufgeführten Fürstabteien bereits zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert.
Funktion, Amtswürde und Titel eines Fürstabtes wurden analog zu den Fürstabteien spätestens mit Auflösung des Reiches nach Inkrafttreten des Reichsdeputationshauptschlusses am 27. April 1803 aufgehoben. Die Verwendung der weltlichen Würdezeichen (wie Fürstenhut und -mantel) wurde 1951 durch Papst Pius XII. auch formell abgeschafft.[2]
Fürstabteien und Fürstäbte im Heiligen Römischen Reich
Dem Reichsfürstenrat, einem der drei Räte des Reichstags des Heiligen Römischen Reiches, gehörten – neben den weltlichen Reichsfürsten (die Kurfürsten bildeten einen eigenen Rat) und Reichsgrafen – auch die geistlichen Fürsten und Reichsprälaten an. Um 1800 hatte das Reichsfürstenkollegium 100 Sitze, die sich auf eine geistliche (37 Mitglieder) und eine weltliche Bank (63 Mitglieder) verteilten. Während auf den Reichstagen bis 1806 die Kurfürsten und Reichsfürsten sowie eine kleine Anzahl von Fürstäbten jeweils einzelne Virilstimmen führten, wobei die Äbte sich die Virilstimmen teilweise teilen mussten, wurden den übrigen Reichsprälaten um 1524 je eine Kuriatsstimme für ihre beiden „Prälatenbänke“ verliehen, die sie sich mit allen anderen Prälaten der jeweiligen „Bank“ teilten.
Es gab somit zwei geistliche (rheinisches und schwäbisches Reichsprälatenkollegium) und dazu vier weltliche (niederrheinisch-westfälisches, schwäbisches, fränkisches und wetterauisches Reichsgrafenkollegium) Kuriatstimmen. Die auf den geistlichen Bänken vertretenen Prälaten besaßen damit reichsfürstlichen Rang und konnten sich als Fürstäbte oder Fürstäbtissinnen bezeichnen, was aber nicht immer geschah und auch jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten urkundlich überliefert ist; teilweise erfolgten auch ausdrückliche Erhebungen durch den Kaiser. Insbesondere dem Rheinischen Reichsprälatenkollegium gehörten eine Reihe von freiweltlichen Damenstiften an, die der Versorgung von unverheirateten Töchtern des Hochadels dienten.
Fürstäbte mit Virilstimme
Virilstimmen im Reichstag besaßen – neben den Reichsfürsten und Fürstbischöfen – folgende Äbte bzw. Pröpste:
- Fürstabt von Fulda → Liste der Äbte, Fürstäbte und Fürstbischöfe von Fulda (1220–1752 Fürstabtei, 1752–1803 Fürstbistum)
- Fürstabt von Kempten, Virilstimme mit Ellwangen, Fürstabtei Murbach (mit inkooperiertem Kloster Lure) kompetierend → Liste der Äbte und Fürstäbte von Kempten und Liste der Äbte des Klosters Murbach
- Fürstabt von Murbach, Virilstimme mit Ellwangen und Kempten kompetierend→ Liste der Äbte des Klosters Murbach
- Fürstabt von Prüm, Virilstimme intern mit Weißenburg und weiterhin mit Berchtesgaden und Stablo/ Corvey kompetierend. → Liste der Äbte und Fürstäbte von Prüm (ab 1222 Fürstabtei, ab 1576 Personalunion mit dem Erzbischof von Trier)
- Fürstabt von Stablo, Virilstimme intern mit Corvey, weiterhin mit Berchtesgaden und Weißenburg/Prüm kompetierend. → Liste der Äbte und Fürstäbte von Stablo-Malmedy (ab etwa 1376 Fürstabtei)
- Fürstabt von Corvey, Virilstimme intern mit Stablo, weiterhin mit Berchtesgaden und Weißenburg/Prüm kompetierend. (1792 Bischof von Corvey) → Liste der Äbte, Fürstäbte und Fürstbischöfe von Corvey (1220–1792 Fürstabtei, 1792–1803 Fürstbistum)
- Abt von Reichenau, 1540 als Priorat an den Fürstbischof von Konstanz, Kloster 1757 aufgehoben
- Fürstpropst von Berchtesgaden, Virilstimme mit Weißenburg/Prüm und Stablo/Corvey kompetierend
- Fürstpropst von Weißenburg, Virilstimme intern mit Prüm und weiterhin mit Berchtesgaden und Stablo/Corvey kompetierend. Weißenburg in Personalunion mit dem Bischof von Speyer.
- Fürstpropst von Ellwangen, Virilstimme mit Kempten, Murbach und Lure kompetierend
Fürstäbte-/äbtissinnen mit Kuriatstimme
Die übrigen Reichsprälaten gehörten im Reichstag den beiden „Prälatenbänken“, also entweder dem schwäbischen oder dem rheinischen Prälatenkollegium, an und hatten mit den übrigen Prälaten derselben „Bank“ je eine gemeinsame Stimme (= Kuriatstimme), die dann so viel wie die Einzelstimme (Virilstimme) eines Reichsfürsten zählte:
Schwäbisches Reichsprälatenkollegium
- siehe Schwäbische Prälatenbank
- Äbtissin von Schänis, 1529–31 temporär säkularisiert
- Abt von Maursmünster, nach 1790 säkularisiert
- Abt von Kaisheim
- Abt von Salem/ Salmansweil#er#
- Äbtissin von Baindt
- Äbtissin von Heggbach
- Äbtissin von Gutenzell
- Äbtissin von Rottenmünster
- Abt von Herrenalb, 1536 säkularisiert
- Abt von Waldsassen, 1543 Verlust der Reichsunmittelbarkeit, später wiederholt säkularisiert und rekonstituiert
- Abt von Maulbronn, 1504 Verlust der Reichsunmittelbarkeit zu Gunsten Württembergs, 1555 endgültig säkularisiert
- Abt von Weingarten
- Abt von Ochsenhausen
- Abt von Elchingen
- Abt von Irsee
- Abt von Petershausen
- Abt von Zwiefalten
- Abt von Gengenbach
- Abt von Neresheim
- Abt von St. Georg
- Propst von Comburg
- Abt von Disentis
- Äbtissin von Frauenchiemsee
- Äbtissin von Fraumünster, als Reichsfürstin ab 1234 belegt, 1524 säkularisiert
- Äbtissin von Göß, 1782 säkularisiert
- Abt von Schuttern
- Abt von Ottobeuren
- Abt von Prüfening
- Abt von St. Emmeram #ab 1731–1802/1803#
- Abt von Reichenau, 1540 Verzicht auf Reichsunmittelbarkeit zu Gunsten des Bistums Konstanz
- Abt von Mondsee, 1791 säkularisiert
- Abt von St. Gallen, 1527–32 temporär und ab 1798 säkularisiert
- Abt von Ursberg
- Abt von Roggenburg
- Abt von Weißenau
- Abt von Schussenried
- Abt von Marchtal
- Abt von Rot
- Propst von Lorsch, 1556 säkularisiert
- Äbtissin von Lindau, 1802 säkularisiert
Rheinisches Reichsprälatenkollegium
Angaben für 1792[3]
- Abt von Kaisheim
- Landkomtur der Deutschordensballei Koblenz
- Landkomtur der Deutschordensballei Elsass und Burgund (zeitweise direkt dem Hochmeister als Kammer-Ballei unterstehend)
- Ritterstift Odenheim (ab 1494 aus dem Benediktinerkloster entstanden, ab 1507 nach Bruchsal verlegt)
- Abt von Werden
- Abt von Sankt Ulrich und Afra, Augsburg
- Abt von Isny
- Abt von Kornelimünster, Aachen
- Abt von Sankt Emmeram, Regensburg
- Äbtissin von Essen
- Äbtissin von Buchau
- Äbtissin von Quedlinburg
- Äbtissin von Herford
- Äbtissin von Gernrode (1728 säkularisiert)
- Äbtissin des Klosters Niedermünster, Regensburg
- Äbtissin des Klosters Obermünster, Regensburg
- Äbtissin von Burtscheid
- Äbtissin von Gandersheim
- Äbtissin von Thorn (1717–1795 in Personalunion mit dem Stift Essen)
Sonderfälle
Ferner wurden als Fürstabteien folgende Benediktinerabteien bezeichnet:
- Fürstabtei Hersfeld (ab 1648 säkularisiert als weltliches Fürstentum)
- Fürstabtei Muri[4] sowie Fürstabtei Einsiedeln: Das Recht einer Teilnahme an den Reichstagen wurde nie in Anspruch genommen.[5] 1648 mit der Schweiz aus dem Reich ausgeschieden.
- Kloster St. Blasien: Obgleich zu Vorderösterreich gehörend, wurde es zwischen 1422 und 1521 in den Reichsmatrikeln geführt. Der schwäbische Reichskreis versuchte 1549 vergeblich, St. Blasien als Reichsprälatenkloster einzubinden. Kaiser Franz I. Stephan erhob 1746 jedoch den Abt Franz II. Schächtelin in den Reichsfürstenstand.
Siehe auch
Literatur
- Hans-Werner Goetz, Herbert Zielinski: Fürst, Fürstentum. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 4. Artemis & Winkler, München/Zürich 1989, ISBN 3-7608-8904-2, Sp. 1029–1035.
- Volltext-Suche nach „Fürstabt“ im Historischen Lexikon Bayerns, online unter historisches-lexikon-bayerns.de – daraus beispielhaft zur Fürstabtei Kempten:
- u. a. Abschnitt Vom Königskloster zum Reichsfürstentum im Artikel Kempten, Fürstabtei: Politische Geschichte (Spätmittelalter), online unter historisches-lexikon-bayerns.de
- Kempten, Fürstabtei: Territorium und Verwaltung, online unter historisches-lexikon-bayerns.de
- Teresa Schöder-Stapper: Fürstäbtissinnen, Frühneuzeitliche Stiftsherrschaften zwischen Verwandtschaft, Lokalgewalten und Reichsverband. Böhlau Verlag Köln Weimar Wien, 2015. ISBN 978-3-412-22485-1
Anmerkungen
- ↑ duden.de Zum Titel Fürstabt
- ↑ Franz Gall: Österreichische Wappenkunde. Handbuch der Wappenwissenschaft. 2. Aufl. Böhlau Verlag, Wien 1992, S. 219, ISBN 3-205-05352-4.
- ↑ Gerhard Köbler: Einleitung. In: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 4., vollständig überarbeitete Auflage. C.H. Beck, München 1992, ISBN 3-406-35865-9, S.XIII.
- ↑ Franz Gall: Österreichische Wappenkunde. Handbuch der Wappenwissenschaft. 2. Aufl. Böhlau Verlag, Wien 1992, S. 226, ISBN 3-205-05352-4.
- ↑ Bruno Meier: Das Kloster Muri, Geschichte und Gegenwart der Benediktinerabtei. S. 103–105.