Eva Kotchever

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Eva Kotchever (geboren als Chava Zloczower, auch Eva Zloczower am 15. Juni 1891 in Mława, Polen, Russisches Kaiserreich; ermordet 1943 im KZ Auschwitz[1]) war eine polnische Gastwirtin, bekannt unter dem Pseudonym Eve Addams, die 1925 das erste Lokal für Lesben in New York City eröffnete und lesbische Prosa schrieb.

Biografie

Chawa (hebräisch für Eva) Zloczower war die Tochter polnischer Juden. Im Jahr 1912 wanderte sie in die USA aus und nahm den Namen Eva Kotchever an. In Chicago leitete sie mit einer anderen Frau zusammen ein Tea House. Sie nannte sich selbst auch Eve Adams oder Eve Addams und nutzte ihr androgynes Pseudonym, das sich aus Adam und Eva zusammensetzt, öffentlich.[2]

1925 eröffnete sie Eve Addams’ Tearoom in der MacDougal Street 129 in Greenwich Village, New York City. Das überwiegend von Frauen frequentierte Lokal wurde auch Eve’s Hangout genannt. Zum Programm gehörten wöchentliche Lyriklesungen und musikalische Auftritte.[3]

Vor dem Lokal stand angeblich ein Schild mit der Aufschrift: “

Men are admitted, but not welcome

” (deutsch: „Männer sind erlaubt, aber nicht willkommen“)[4], was aber wohl nicht stimmt.[5] In dem Raum wurde kein Alkohol ausgeschenkt. Er entwickelte sich zu einem beliebten Treffpunkt für jüdische Migranten und Frauen liebende Frauen, die sich im Schutz verschlossener Türen treffen konnten. Kotchever wurde zu dieser Zeit wegen ihres maskulinen Erscheinungsbilds als “

the queen of the third sex

” (deutsch: „Königin des dritten Geschlechts“) bezeichnet,[4] was im damaligen Sprachgebrauch eine übliche Bezeichnung für Homosexuelle war. Sie schloss Freundschaften mit dem Schriftsteller Henry Miller, dem sie angeblich Geld lieh, mit der Autorin Anaïs Nin, die in ihren erotischen Geschichten oft auch lesbischen Sex beschrieb, und mit der Anarchistin Emma Goldman.[3] Der Journalist Bobby Edwards von der Greenwich Village Quill schrieb 1926 über das Lokal: “

Where ladies prefer each other. Not very healthy for she-adolescents, nor comfortable for he-men.

” (deutsch: „Wo Damen sich gegenseitig vorziehen. Nicht sehr gesund für weibliche Jugendliche, ungemütlich für männliche Männer.“)[4]

Nach einer Razzia der Polizei im Juni 1926 wurde Kotchever der Obszönität für schuldig befunden, weil sie die Kurzgeschichtensammlung Lesbian Love publiziert hatte.[2] Außerdem wurde ihr vorgeworfen, sich der Polizistin Margaret Leonard „anzüglich“ genähert zu haben, die verdeckt die Bar betreten hatte. Kotchever habe eng mit ihr getanzt und sie in einem Taxi an der Brust berührt, gab Leonard zu Protokoll. Außerdem soll Kotchever sie zu sich nach Hause eingeladen und dort auf ein Bett geworfen haben, um mit ihr sexuell aktiv zu werden. Ein Nachbar namens Jay Fitzpatrick schrieb auch einen Brief an die Behörden, in dem er behauptete, Kotchever verführe in ihrem Apartment regelmäßig junge Frauen.[6]

Der Nachtclub wurde aufgrund all dieser Beschuldigungen von den Behörden geschlossen. Eva Kotchever wurde im Dezember 1926 nach einer mehrmonatigen Haftzeit aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen, obwohl ein Onkel in Hartford noch angeboten hatte, 1000 $ Kaution für sie zu bezahlen. Kotchever äußerte sich verzweifelt: “

I love this country with my whole heart and soul, and I have made application for my final papers. I want to become a citizen. If I am deported, my life is ruined.

” (deutsch: „Ich liebe dieses Land mit Herz und Seele und habe mich um endgültige Papiere beworben. Ich will Staatsbürgerin werden. Wenn ich abgeschoben werde, ist mein Leben ruiniert.“)[6]

Sie zog dann zunächst wieder nach Polen und in den 1930er Jahren nach Paris,[4] wo sie einen neuen Lesbenclub am Montmartre eröffnete.[7] Wie viele Pariser Künstler und Schriftsteller war sie Stammgast im Restaurant Café du Dôme.

Sie wurde in Nizza verhaftet und am 17. Dezember 1943 vom Sammellager Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet.[6]

Werk

Vor ihrer gastronomischen Tätigkeit schrieb Eva Kotchever als Autorin für das Magazin Mother Earth, das ihre Bekannte Emma Goldman herausgab. 1925 ließ sie 150 Kopien ihres Buches Lesbian Love drucken, einer Sammlung von Kurzbiografien lesbischer Frauen, die sie kannte. Das Buch war mit dem Hinweis „ “for private circulation only.” versehen, „nur für die private Weitergabe“. Vermutlich war Lesbian Love das erste Buch in den USA, das das zu der Zeit wenig gebräuchliche Wort „Lesbian“ im Titel hatte und echte lesbische Frauen porträtierte und ihre Lebensweisen beschrieb. Im ersten Kapitel Glimpse“ beschreibt Kotchever eine Szene in einem Tea Room, in dem Frauen sich für Rendezvous und Geselligkeit in Gruppen treffen. Kotchever sagte in einer Befragung vor ihrer Deportation nach Auschwitz über das Buch: “I never realized that the book was indecent. If I did, I would have never written it. . . . I merely wrote this group of short stories of people I observed in my travels out west and mostly in Greenwich Village. I merely intended to describe these characters with the aim to help them, to show them the truth of their lives.” („Mir war nie klar, dass das Buch unanständig ist, sonst hätte ich es nicht geschrieben. Ich habe nur diese Kurzgeschichten geschrieben über Leute, die ich beobachtet habe auf meinen Reisen in den Westen und hauptsächlich im Greenwich Village. Ich wollte diese Charaktere beschreiben und ihnen helfen, ihnen die Wahrheit ihres Lebens zu zeigen“) Lesbian Love galt zeitweise als verschollen, Kotchevers Biograf Jonathan Ned Katz gelang es jedoch, ein Exemplar zu finden.[8]

Erinnerung

In Erinnerung an Eva Kotchever wurde 1929 auf der Grundlage ihrer gesammelten Kurzgeschichten Lesbian Love ein Stück in einem Kellertheater auf der Christopher Street in Greenwich Village gespielt.[9] Das Buch ist heute nicht mehr erhältlich; es sollen sich vereinzelte Exemplare in Privatbesitz befinden.

Drei Theaterstücke von Barbara Kahn über das Leben von Eva Kotchever in New York, The Spring and Fall of Eve Adams (2010), Unreachable Eden (2012) und Imprisoned Girls (2013), führte das Off-Off-Broadway Theater for the New City auf.[3][10]

Straßenschild in Paris

Kotchevers ehemaliger Eve Addams’ Tearoom ist eine der Sehenswürdigkeiten auf historischen Rundgängen zu Orten in Manhattan, wo schwules und lesbisches Nachtleben von den 1890er bis in die 1920er Jahre boomte.[11]

Die Stadt Paris benannte 2019 am Montmartre im 18. Pariser Arrondissement 2019 eine Schule nach ihr und eine Straße, die Rue Eva-Kotchever.[12] Die Inschrift auf dem Straßenschild ehrt sie als « 

Pionnière des Droits des Femmes

 » (deutsch: „Pionierin der Frauenrechte“).

Ihr Name mit der Schreibweise Eva Zloczower ist in die Mauer der Namen der Gedenkstätte Mémorial de la Shoah in Paris eingraviert.[13]

Literatur

  • Kotchever, Eva (Eve Addams). In: George Chauncey: Gay New York. Gender, Urban Culture, and the Making of the Gay Male World, 1890–1940. Basic Books, New York 1994, ISBN 978-0-465-02621-0, S. 240–243 und 323.
  • The Daring Life and Dangerous Times of Eve Adams. Jonathan Ned Katz, Chicago Review Press Mai 2021, ISBN 9781641605168

Weblinks

Commons: Eva Kotchever – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. EVA ZLOCZOWER. In: Holocaust Survivors and Victims Database. United States Holocaust Memorial Museum.
  2. a b Rictor Norton: Myth of the Modern Homosexual. Queer History and the Search for Cultural Unity. Bloomsbury Academic, London 2016, ISBN 978-1-4742-8693-0, S. 181.
  3. a b c All About Eve (Adams). In: Times of Israel. The New York Jewish Week. 13. April 2017, abgerufen am 1. März 2020 (englisch).
  4. a b c d George Chauncey: Gay New York. Gender, Urban Culture, and the Making of the Gay Male World, 1890–1940. Basic Books, New York 1994, ISBN 978-0-465-02621-0, S. 240.
  5. Eve Adam’s Tearoom. In: NYC LGBT Historic Sites Project. NYC 2017.
  6. a b c Reina Gattuso: The Founder of America’s Earliest Lesbian Bar Was Deported for Obscenity. In: Atlas Obscura, 3. September 2019
  7. Dana Suesse: Jazz Nocturne and Other Piano Music with Selected Songs, Dover Publications, New York 2013, ISBN 978-0-486-48918-6, S. 5 (einsehbar bei Google Books)
  8. Jim Downs: Rediscovering Eve Adams, the Radical Lesbian Activist. In: The New Yorker. 26. Juni 2021, abgerufen am 11. Juli 2021 (amerikanisches Englisch).
  9. George Chauncey: Gay New York. Gender, Urban Culture, and the Making of the Gay Male World, 1890–1940. Basic Books, New York 1994, ISBN 978-0-465-02621-0, S. 241.
  10. Imprisoned For Who She Was. In: The New York Jewish Week. Times of Israel. 24. Dezember 2013.
  11. Brian Sloan: You Could Be in a Gay Bar Right Now and Not Even Know It. In: The New York Times. 20. Juni 2018, abgerufen im Jahr 2020.
  12. Ecole élémentaire publique Eva Kotchever. In: Paris.fr.
  13. Eva Zloczower, in: Find a Grave, 16. Dezember 2008 (abgerufen am 2. März 2020)