Roland Wittmann

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Das Grab von Roland Wittmann im Familiengrab auf dem Nordfriedhof (München)
Roland Wittmann 2013

Roland Wittmann (* 18. August 1942 in Budapest; † 22. März 2019[1]) war ein deutscher Jurist.

Leben

Roland Wittmanns Vater war Rechtsanwalt in Budapest. Nach dem Tod des Vaters verließ er mit 16 Jahren zusammen mit seiner Mutter Budapest und ging nach München, wo er nach dem Abitur ab 1962 an der Ludwig-Maximilians-Universität München Rechtswissenschaften und von 1967 bis 1973 zusätzlich Philosophie und Wissenschaftstheorie studierte. 1971 wurde er promoviert und nach seinem 2. juristischen Staatsexamen 1973 und seiner Habilitation 1978 zum Professor für Bürgerliches Recht, Rechtsphilosophie und Römisches Recht an der Universität München berufen. Seine profunden Lateinkenntnisse qualifizierten ihn überdies als Peer Reviewer des Thesaurus linguae Latinae (1975-1995).

1992 folgte er einem Ruf der Europa-Universität Frankfurt (Oder) auf den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Rechtsphilosophie, Römisches Recht und Europäische Rechtsgeschichte. Roland Wittmann übernahm das Amt des Gründungsdekans der Juristischen Fakultät 1993/1994. Außerdem nahm er Gastprofessuren an der Chuo-Universität Tokyo 1989, Universität Leipzig 1991-1992, Universität Szeged 1992, Kansai-Universität Osaka 1999, Mykolas-Romeris-Universität Vilnius 2009 wahr. Von 1994 bis 2003 war er zusätzlich Richter am Brandenburgischen Oberlandesgericht. Ihm war es wichtig, die praktische Umsetzung des Rechts in seine Lehrtätigkeit einfließen zu lassen.

Besonders eingesetzt hat sich Roland Wittmann für die internationale Zusammenarbeit. Er war maßgeblich beteiligt an der Begründung der deutsch-polnischen Juristenausbildung, welche die Europa-Universität Viadrina gemeinsam mit der Adam-Mickiewicz-Universität Posen durchführt. Über die Reform des Zivilverfahrens in Deutschland referierte Roland Wittmann 2006 vor der gesetzgebenden Kommission des Sejms der Republik Polen. Das Protokoll der Sejmsitzung hält dazu eine Stellungnahme des Abgeordneten Ryszard Kalisz fest:

„Chciałbym podziękować profesorowi Rolandowi Wittmannowi za jego znakomite wystąpienie w języku polskim i przypomnieć, że jest on od wielu lat, jednym z najwybitniejszych, jeśli nie najwybitniejszym, przedstawicielem niemiecko-polskiego dialogu prawniczego.”[2]

„Ich möchte Prof. Roland Wittmann für seine bedeutende Rede in polnischer Sprache danken und daran erinnern, dass er seit vielen Jahren einer der führendsten, wenn nicht der führendste Vertreter des deutsch-polnischen Rechtsdialogs ist.“

2005 nahm ihn die die Polska Akademia Umiejętności in Krakau auf und 2009 erhielt er die Verdienstmedaille der Adam-Mickiewicz-Universität Posen.

Auch noch nach seiner Emeritierung 2007 blieb er aktiv und hielt Vorlesungen im Wirtschaftsrecht in Englisch im MBA-Studiengang Management for Central and Eastern Europe der Viadrina sowie in Polnisch zum Strukturvergleich des deutschen und polnischen Rechts am Collegium Polonicum. Als Gastdozent lehrte er Zivilverfahrensrecht an der Adam-Mickiewicz-Universität Posen 2010. Die Juristische Fakultät der Universität Priština beriet Roland Wittmann bei der Reform der Juristenausbildung von 2010 bis 2012. Hier gestaltete er die Konzeption des Masterstudienganges Finanz- und Wirtschaftsrecht mit und hielt zusätzlich Gastvorlesungen. Ab 2010 war er auch Of counsel einer Anwaltssozietät.

Die Grenzüberschreitung zwischen Fachdisziplinen, die Vermittlung zwischen Sprachen und Kulturen hatte für Roland Wittmann zentrale Bedeutung. In seine rechtswissenschaftlichen Studien bezog er Erkenntnisse und Methoden der Philosophie, Geschichte, Kulturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, aber auch medizinische Erkenntnisse, z.B. die neuere Hirnforschung in Bezug auf das Strafrecht, mit ein. Auf Grund seiner ungewöhnlichen Sprachbegabung (u.a. Englisch, Polnisch, Ungarisch, Japanisch, Chinesisch, Albanisch, Latein) war es für ihn selbstverständlich, Vorlesungen und Vorträge in der Landessprache zu halten und sich mit der jeweiligen Kultur auseinanderzusetzen. Seiner Geburtsstadt Budapest blieb er bis zum Schluss in besonderer Weise verbunden.

Schriften

  • Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht. C. H. Beck, München 1972, ISBN 3-406-00663-9 (= Dissertation 1971).
  • Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag. C. H. Beck, München 1981, ISBN 3-406-08149-5 (= Habilitationsschrift 1978).
  • Mitautor von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands.
  • mit Wolfgang Kunkel: Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik. Zweiter Abschnitt: Die Magistratur (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Band 10, 3, 2, 2). C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-33827-5 (Auszüge bei der Google-Buchsuche).

Aufsätze (Auswahl)

  • Induktive Logik und Jurisprudenz, in: Rechtstheorie 9 (1978), H. 1, S. 43-61.
  • Die reductio ad absurdum aus wissenschaftstheoretischer Sicht, in: Rechtstheorie 14 (1983), H. 3, S. 336-348.
  • Res publica recuperata. Grundlagen und Zielsetzung der Alleinherrschaft des L. Cornelius Sulla, in: Gedächtnisschrift für Wolfgang Kunkel, hrsg. v. Dieter Nörr, Dieter Simon. Frankfurt am Main 1984, S. 563-582.
  • Die Signifikanz der Sprachphilosophie H. Putnams für die Semantik der Rechtssprache, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie LXXII (1986), H. 3, S. 369-377.
  • Kon ' ingai seikatsu kyodotaio meguru genjitsuteki shomondai [Aktuelle Probleme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft], in: Zeitschr. d. Jur. Fak. der Kansai-Universität. Osaka 1990, S. 26 ff.
  • Die Prozeßformeln der actio mandati. Ein Beitrag zur Geschichte des prätorischen Edikts, in: Mandatum und Verwandtes. Beiträge zum römischen und modernen Recht, hrsg. v. Dieter Nörr, Shigeo Nishimura. Berlin 1993, S. 39-51.
  • Thesaurus und Römisches Recht, in: Wie die Blätter am Baum, so wechseln die Wörter. 100 Jahre Thesaurus linguae Latinae, hrsg. v. Dietfried Krömer. Stuttgart, Leipzig 1995, S. 79-88.
  • Kants Friedensentwurf – Antizipation oder Utopie? In: „Zum ewigen Frieden“: Grundlagen, Aktualität und Aussichten einer Idee von Immanuel Kant, hrsg. v. Reinhard Merkel und Roland Wittmann. Frankfurt am Main 1996, S. 142-153.
  • Die ärztliche Aufklärungspflicht aus rechtsethischer Sicht, in: Der Mensch und seine Behandlung in der Medizin, hrsg. v. Jan C. Joerden (=Schriftenreihe des Interdisziplinären Zentrums für Ethik an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Berlin, Heidelberg 1999, S. 219-227.
  • Wertpluralismus versus Wertrelativismus, in: Wertpluralismus, Toleranz und Recht. Gedächtnisschrift für Arthur Kaufmann, hrsg. v. Shing-I Liu. Taipei 2002, S. 550-561.
  • Der Geist am Abgrund – Der Pseudohegelianismus als Instrument des Engagements für das Naziregime, in: Studia nad Faszyzmem i Zbrodniami Hitlerowskimi [Studien zum Faschismus und den Verbrechen Hitlers] XXVIII, hrsg. v. Karol Jonca. Wrocław 2005, S. 33-42.
  • Die Konzeption der Grundnorm und der Begriff des pouvoir constituant, in: Praktyczne i teoretyczne aspekty prawa konstytucyjnego [Praktische und theoretische Aspekte des Verfassungsrechts], hrsg. v. Bogusław Banaszak, Michał Bernaczyk. Wrocław 2006, S. 241-250.
  • Europäische Identität und wissenschaftliche Kommunikation an der Viadrina im Zeitalter der Aufklärung: Alexander Gottlieb Baumgarten, in: Europäische Bildungsströme. Die Viadrina im Kontext der europäischen Gelehrtenrepublik der frühen Neuzeit (1506-1811), hrsg. v. Reinhard Blänkner. Schöneiche bei Berlin 2008, S. 169-178.
  • Der staatliche Strafanspruch und die neueren Ergebnisse der Hirnforschung, in: Vergleichende Strafrechtswissenschaft. Frankfurter Festschrift für Andrzej J. Szwarc zum 70. Geburtstag (=Schriften zum Strafrecht, H. 206), hrsg. v. Jan C. Joerden, Uwe Scheffler, et al. Berlin 2009, S. 147-171.
  • Vorwort zu: Pen-Tien Lin, Bibliografie zur Rechtsgeschichte Chinas. München 2009.
  • Die Zuweisung von ager publicus zu Privateigentum, in: Nachdenken über Eigentum. Festschrift für Alexander v. Brünneck zur Vollendung seines siebzigsten Lebensjahres, hrsg. v. Franz-Joseph Peine, Heinrich Amadeus Wolff. Baden-Baden 2011, S. 95-103.
  • Die unterlassene Hilfeleistung aus rechtsvergleichender und rechtsethischer Sicht, in: Rechtsstaatliches Strafen. Festschrift für Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Keiichi Yamanaka zum 70. Geburtstag am 16. März 2017 (= Schriften zum Strafrecht, Bd. 307), hrsg. v. Jan C. Joerden, Kurt Schmoller. Berlin 2017, S. 363-370.

Literatur

  • Gabor Hamza: Wittmann, R.: Begriff und Funktion der Geschäftsführung ohne Auftrag. Münchener Universitätsschriften. Reihe der Juristischen Fakultät Bd. 49. München, 1981. X+185 p. Állam- és Jogtudomány 27 (1984) 746–747.
  • Lothar Philipps, Rainhard Bengez (Hrsg.): Beweis und Metrik. Festschrift für Roland Wittmann. Bern 2016.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Traueranzeige Prof. Dr. Roland Wittmann, Süddeutsche Zeitung vom 30. März 2019;
    Michaela Grün: Europa-Universität Viadrina trauert um Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Roland Wittmann. Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Pressemitteilung vom 28. März 2019 beim Informationsdienst Wissenschaft (idw-online.de), abgerufen am 28. März 2019.
  2. Biuletyny Komisji Sejmowych Biuletyn nr: 828/V Komisja: Komisja Ustawodawcza /nr 40/ Data: 29-06-2006. Sejm Rzeczypospolitej Polskiej, abgerufen am 9. August 2022 (polnisch).