Mesalazin

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Strukturformel
Strukturformel von Mesalazin
Allgemeines
Freiname Mesalazin
Andere Namen
  • 5-Amino-2-hydroxybenzoesäure (IUPAC)
  • Mesalazinum (Latein)
  • 5-Aminosalicylsäure (5-ASA)
Summenformel C7H7NO3
Kurzbeschreibung

Pulver oder Kristalle, fast weiß bis hellgrau oder hellrosa gefärbt[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 89-57-6
EG-Nummer 201-919-1
ECHA-InfoCard 100.001.745
PubChem 4075
ChemSpider 3933
DrugBank DB00244
Arzneistoffangaben
ATC-Code

A07EC02

Wirkstoffklasse

Antiphlogistika

Eigenschaften
Molare Masse 153,14 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

280 °C (Zersetzung)[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]

Achtung

H- und P-Sätze H: 315​‐​317​‐​319​‐​335
P: 280​‐​302+352​‐​304+340+312​‐​333+313​‐​337+313 [3]
Toxikologische Daten

2800 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Mesalazin (INN), auch Mesalamin und 5-Aminosalicylsäure (5-ASA), ist ein Amin-Derivat der Salicylsäure und wird als entzündungshemmender Arzneistoff in der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) angewendet.

Synthese

5-Aminosalicylsäure kann großtechnisch durch Reduktion von 5-Nitrosalicylsäure hergestellt werden.[4]

Herstellung von 5-Aminosalicylsäure

Wirkungsweise

Inhibition des Arachidonsäuremetabolismus

5-Aminosalicylsäure scheint die Produktion proinflammatorischer Arachidonsäuremetaboliten wie Prostaglandine und Leukotriene zu hemmen. 5-Aminosalicylsäure unterscheidet sich nur durch eine Aminogruppe von der Salicylsäure. Salicylsäure ist ein Wirkstoff, der als Hemmer von Cyclooxygenase-1 und Cyclooxygenase-2 wirkt. Eine ähnliche Wirkung von 5-Aminosalicylsäure auf die Cyclooxygenase und somit auf den Arachidonstoffwechsel scheint wahrscheinlich.

Wirkung als „Radikalfänger“

In Gewebeproben von Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen wurden erhöhte Konzentrationen von reaktiven Radikalen gefunden. In einigen Studien wurde gezeigt, dass 5-ASA die Konzentration DNA-schädigender Sauerstoff- und Stickstoffradikale senkt, indem es die Wirkung des schützenden Hitzeschockproteins Hsp72 erhöht.

Immunsuppressive Aktivität

5-ASA scheint die DNA-Synthese und Proliferation von potenziell pathogenen T- und B-Zellpopulationen zu hemmen. Dies geschieht u. a. durch Hemmung aktivierender Cytokine (siehe Hemmung der Zytokinsynthese). Ferner scheint 5-ASA auch die Sekretion von Antikörpern zu hemmen. 5-ASA moduliert weitere Funktionen des Immunsystems, indem es wichtige Lymphozyten- und Makrophagenfunktionen inhibiert. Dazu gehören Adhäsion, Chemotaxis und Phagozytose. Die Adhäsion scheint durch eine Hemmung des Enzyms AICAR (5-Aminoimidazol-4-carboxamid-Ribonukleotid)-Transformylase bewirkt, dadurch kommt es zur Anhäufung von Adenosin. Der erhöhte Adenosinspiegel dämpft dann das Entzündungsgeschehen durch Hemmung der Adhäsion von Leukozyten an den Endothelzellen.

Hemmung der Zytokinsynthese

5-ASA hemmt die Bildung und Wirkung von IL-1, IL-2, TNF-α und NFκ-B (5-ASA hemmt die Phosphorylierung von RelA (einem Mediator von NFκB) und inhibiert nicht die Verminderung des NFκB Inhibitors).[5] Also wirkt 5-ASA auch hier antiinflammatorisch und antiproliferativ.

Hemmung der Siderophorsynthese von Mycobakterien

Die Biosynthese von eisentransportierenden Peptiden (Siderophore) in Mycobakterien wird in vitro durch 5-ASA stark beeinträchtigt, da die benötigte Salicylsäure verdrängt wird. 5-ASA stellt daher, zusammen mit Herbeiführung von Eisenmangel, eine mögliche Behandlungsmethode von Infektionen mit diesen Erregern dar. Die Wirksamkeit von 5-ASA bei Morbus Crohn ist ein Hinweis auf eine mögliche Beteiligung von Mycobakterien an dieser Krankheit.[6]

Anwendung

5-Aminosalicylsäure wird aus der Prodrug Sulfasalazin erst im Kolon durch das bakterielle Enzym Azoreduktase freigesetzt. Als weiteres Spaltprodukt entsteht Sulfapyridin, welches auch entzündungshemmend wirksam ist und zur Therapie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wird. Es ist aber auch für einen Großteil der Nebenwirkungen von Sulfasalazin verantwortlich (s. u.). Deshalb wurde in der jüngsten Vergangenheit versucht 5-ASA von Sulfasalazin zu entkoppeln. Orales 5-ASA allein wird zu schnell im Jejunum absorbiert und ist deshalb ineffizient für Patienten mit Erkrankungen des Dünn- oder Dickdarms. Bei den Neuentwicklungen gibt es Medikamente, die 5-ASA Moleküle in Acrylharze oder Ethylcellulose verpacken. Diese setzten 5-ASA erst bei einem höheren pH-Wert frei und sorgen damit für eine gewisse Verzögerung. Eine andere Gruppe setzt auf eine verzögerte Freisetzung durch eine Dimerisierung der Aminosalicylsäuremoleküle, z. B. Olsalazin oder Balsalazid. Sulfasalazin wird aufgrund seiner Nebenwirkungen nicht mehr als beste Therapie empfohlen, ist jedoch kostengünstiger als 5-ASA alleine. Seit 2008 steht eine neue Form der Freisetzung zur Verfügung (MMX-Technologie).

Anwendung bei Colitis ulcerosa

5-ASA gehört mit seinen unterschiedlichen Darreichungsformen zur Standardtherapie der Colitis ulcerosa. Bei milder bis mäßig gradiger Colitis ulcerosa dosiert man die 5-ASA mit bis zu 6 g/d. Zu einer Remissions-Induktion kommt es bei 50–80 % der Patienten. Die unterschiedlichen Präparate wirken hier ungefähr gleich gut. Bei einem distalen Kolonbefall ist auch eine topische Anwendung möglich.

5-ASA wird auch zur Remissionserhaltung mit 1–2 g/d dosiert. Untersuchungen haben gezeigt, dass es bei einer Dosierung von 2 g/d zu einer Verminderung eines Wiederauftretens von 30–70 % kommt. Bei schwererer Erkrankung kann 5-ASA auch in Kombination mit Steroiden benutzt werden.

Anwendung bei Morbus Crohn

Bei einer Dosierung von etwa 4 g/d kommt es zur Verminderung der Krankheitsaktivität bei leichten bis mittleren Schüben des M. Crohn. 5-ASA wirkt jedoch bei Crohn induzierter Colitis besser als bei Ileitis. Auch hier kann 5-ASA zur Remissionserhaltung genutzt werden. Es gibt keinen Stellenwert zur Remissionserhaltung nach einem Schub. Eine tägliche Dosierung von 3–4 g kann zur Remissionserhaltung dauerhaft verabreicht werden.[7]

Senkung des Risikos für Dickdarmkarzinom

Abhängig von Stärke und Dauer der Erkrankung kommt es bei der Erkrankung mit Colitis ulcerosa zu einer Erhöhung des Risikos einer Dickdarmkrebserkrankung. Zusätzliche Erhöhung des Risikos besteht bei einer positiven Familienanamnese. Die antiproliferativen Eigenschaften einer COX, NFkappaB, bcl2, MAPK, und durch COX die PPARgamma Inhibition wirken sich direkt aus. Ferner senkt 5-ASA die Konzentration von DNA-schädigenden Radikalen (s. o.). Durchschnittlich soll das Karzinomrisiko um bis zu 50 % gesenkt werden (bei Erkrankung mit Colitis ulcerosa).

Nebenwirkungen

Die folgenden Nebenwirkungen treten bei Behandlung mit Sulfasalazin und 5-ASA alleine auf, jedoch sind sie viel häufiger durch Sulfapyridin verursacht: 20 % der Patienten vertragen Sulfasalazin nicht, sondern nur reine 5-ASA Produkte. Agranulozytose, die schwerste Nebenwirkung, soll nur durch Sulfapyridin verursacht werden. Im Allgemeinen treten schwere Nebenwirkungen sehr selten auf.[7]

Schwangerschaft, Stillzeit und Kinderwunsch

Im Rahmen einer Studie, in der 5-Aminosalizylsäurepräparate während der Schwangerschaft weitergenommen wurden, konnten keine negativen Auswirkungen auf die Schwangerschaft oder den Fötus festgestellt werden. Eine Rücksprache mit dem Arzt wird jedoch unbedingt empfohlen. Die Fertilität bei Männern scheint bei Mesalazin bzw. 5-Aminosalicylsäure-Medikation nicht beeinträchtigt zu sein.[8] In Studien bei Tieren, wo weitaus höhere Dosen verabreicht werden, konnte auch kein Einfluss auf Fertilität festgestellt werden.[9] Eine Mesalazin-Therapie kann während der Schwangerschaft fortgesetzt werden, da teratogene Schädigungen so gut wie ausgeschlossen werden können.[7]

Handelsnamen

Monopräparate

Asacol (D, CH), Asazine (CH), Claversal (D, A), Mesagran (A), Mesazin (CH), Mezavant (D), Pentasa (D, A, CH), Salofalk (D, A, CH)

Einzelnachweise

  1. a b c Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): EUROPÄISCHE PHARMAKOPÖE 5. AUSGABE. Band 5.0–5.8, 2006.
  2. a b Eintrag zu Mesalamine in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM)
  3. a b c Eintrag zu 5-Aminosalicylsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2021. (JavaScript erforderlich)
  4. G.Breviglieri, B.Giacomo, C.Sergio, A.Cinzia, E.Campanab, M.Panunzio: Reduction of 5-Nitrosalicylic acid in water to give 5-Aminosalicylic acid. Molecules 2001, 6, M260.
  5. L. J. Egan u. a.: Inhibition of Interleukin-1-stimulated NF-κB RelA/p65 Phosphorylation by Mesalamine Is Accompanied by Decreased Transcriptional Activity. In: The Journal of Biological Chemistry 274, 1999, S. 26448–26453, doi:10.1074/jbc.274.37.26448. PMID 10473604.
  6. Brown KA, Ratledge C: The effect of p-aminosalicyclic acid on iron transport and assimilation in mycobacteria. In: Biochim. Biophys. Acta. 385, Nr. 2, April 1975, S. 207–20. PMID 1092357.
  7. a b c Behandlung mit Mesalazin/Olsalazin - Eine Information für Patienten (Memento vom 11. Januar 2013 im Internet Archive) (PDF; 148 kB). Stand 17. Dezember 2007.
  8. Falk Foundation e. V.. Stand 2008, Seite 11.
  9. Fachinformation von Claversal_250-Merck.