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Altgriechische Sprache

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Altgriechisch
Zeitraum etwa 800 bis 300 v. Chr. (literarisch bis 600 n. Chr.)

Ehemals gesprochen in

zunächst südliche Balkanhalbinsel, dann östlicher Mittelmeerraum und griechische Kolonien
Linguistische
Klassifikation

indogermanische Sprachen, vielleicht Balkanindogermanisch (mit Armenisch und Albanisch)

  • Altgriechisch
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

grc (historische griechische Sprache bis 1453)

ISO 639-3

grc (historische griechische Sprache bis 1453)

Altgriechisch (Eigenbezeichnung:

ἡ ἑλληνικὴ (γλῶσσα

[attisch:

γλῶττα

]),

hē hellēnikḗ (glṓssa

[attisch:

glṓtta

]), „die griechische Sprache“) ist die antike Sprachstufe der griechischen Sprache, einer indogermanischen Sprache im östlichen Mittelmeerraum, die einen eigenen Zweig dieser Sprachfamilie darstellt, möglicherweise über eine balkanindogermanische Zwischenstufe.

Unter dem Begriff Altgriechisch werden Sprachformen und Dialekte zusammengefasst, die zwischen der Einführung der griechischen Schrift (etwa 800 v. Chr.) und dem Beginn der hellenistischen Ära (etwa 300 v. Chr.) und zumindest in der Literatur noch sehr viel länger, nämlich bis zum Ende der Antike (um 600 n. Chr.), verwendet wurden. Als Norm für das klassische Altgriechisch gilt der literarische attische Dialekt des 5. und 4. Jahrhunderts vor Christus, die Sprache von Sophokles, Platon und Demosthenes. Die Sprachstufe vor dem Altgriechischen war das mykenische Griechisch, das zwischen 1600 und 1100 v. Chr. belegt ist, die Sprachstufe nach dem Altgriechischen, zwischen etwa 600 und 1453 (Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen), wird gemeinhin als Mittelgriechisch oder byzantinisches Griechisch bezeichnet; das darauf folgende Neugriechische, die Amtssprache des modernen Griechenland, hat sich nachvollziehbar kontinuierlich aus dem Alt- bzw. Mittelgriechischen entwickelt.

Die altgriechische Sprache hat einerseits durch die Vermittlung durch das Lateinische, die wesentlichste Bildungssprache im westlichen Europa bis ins 19. Jahrhundert, andererseits durch die exemplarische erhaltene Literatur vor allem in den Bereichen Philosophie, Naturwissenschaft, Geschichtsschreibung, Dichtung, Musik und Theater eine herausragende Bedeutung für das gesamte Abendland. Hinzu kommt ihre Bedeutung als Sprache des Neuen Testaments für Religion und Theologie des Christentums. Auch hat sie durch diesen Einfluss die anderen europäischen Sprachen geprägt: Eine Vielzahl von Lehnübersetzungen, Lehn- und Fremdwörtern hat in europäische Sprachen Eingang gefunden und wird in diversen Fachsprachen verwendet.

Der Sprachcode nach ISO 639 für Alt- und Mittelgriechisch (bis 1453) ist grc.[1][2][3]

Textprobe

Gesprochen?/i
(1) Originaltext:
πεπεισμένος
δὲ
πειρῶμαι
καὶ
τοὺς
ἄλλους
πείθειν
ὅτι
τούτου
τοῦ
κτήματος
(2) Transkription:
pepeisménos
peirōmai
kaì
toùs
állous
peíthein
hóti
toútou
toū
ktḗmatos
(3) IPA: pepeːzménos peːrɔ̂ːmai̯ kaì̯ tùːs álːuːs péːtʰeːn hóti túːtuː tûː ktɛː́matos
(4) Interlinear: überzeugt also versuche-ich auch die anderen zu-überzeugen dass dieses des Besitzes
(1)
τῇ
ἀνθρωπείᾳ
φύσει
συνεργὸν
ἀμείνω
Ἔρωτος
οὐκ
ἄν τις
ῥᾳδίως
λάβοι.
(2)
anthrōpeia
physei
synergon
ameinō
Erōtos
ouk
an tis
rhadiōs
laboi
.
(3) tɛ̂ː(i̯) antʰrɔːpéːaː(i̯) pʰýseː synergòn améːnɔː érɔːtos uːk án tis rʰaː(i̯)díɔːs láboi̯
(4) für-die menschliche Natur Helfer besseren (als-die)-Liebe nicht wer mühelos bekommen-kann

Übersetzung: „Selbst überzeugt, versuche ich, auch die anderen zu überzeugen, dass man zur Erlangung dieses Guts einen besseren Helfer für die menschliche Natur als die Liebe schwerlich finden kann.“

(Platon: Symposion)[4]

Klassifikation

Das Altgriechische lässt sich als indogermanische Sprache klassifizieren, leitet sich also vom Ur-Indogermanischen ab, das sich wahrscheinlich im 4. Jahrtausend v. Chr. in verschiedene Primärzweige aufspaltete. Einer davon wird oft als Balkanindogermanisch bezeichnet, aus dem sich später unter anderem das Altgriechische und das Phrygische entwickelt haben. Lautbestand und Vokabular des Altgriechischen weichen jedoch von allen anderen Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie so erheblich ab, dass man von einer starken Substratwirkung der „vorgriechischen“ Sprachstufen auf die griechischen Idiome ausgeht.[5]

Den Ursprung vieler nicht-indogermanischer Wörter des Griechischen (etwa

θάλασσα

„Meer“ und

νῆσος

„Insel“) vermuten Forscher in der Sprache oder den Sprachen der Bewohner Griechenlands vor Ankunft der indogermanischen Völker um 2000 v. Chr., die auch als ägäische Sprachen bezeichnet werden. Die vorgriechische Bevölkerung hieß im Altgriechischen unter anderem

Πελασγοί

Pelasger“.[6] Sicher haben auch das Minoische und Eteokretische, vorgriechische Sprachen auf Kreta, das Vokabular des frühen Griechisch beeinflusst.[4]

Geschichte

Die ältesten Schriftzeugnisse des Griechischen sind in Linear B abgefasst und stammen aus dem 14. Jahrhundert bis frühen 12. Jahrhundert v. Chr.[7] Die damit in der mykenischen Kultur (1600–1050 v. Chr.) geschriebene Sprache wird als mykenisches Griechisch bezeichnet und als frühgriechischer Dialekt, nicht jedoch als direkter „Vorgänger“ des klassischen Griechisch gesehen.[5] Aus der Zeit zwischen ca. 1200 und 800 v. Chr. gibt es keine schriftlichen Quellen des Griechischen; mit den Epen Homers, die vermutlich zwischen 850 und 700 v. Chr. entstanden, begegnet uns erstmals ein literarisches Werk in altgriechischer Sprache. Die Sprache Homers ist eine künstlich gebildete Literatursprache, die vorwiegend aus ionischen und äolischen Elementen besteht. Zu dieser Zeit muss das Altgriechische in verschiedenen Dialekten im südlichen Balkan und um die Ägäis weit verbreitet gewesen sein.

Die griechischen Dialekte im Kern des griechischen Siedlungsgebiets
Dialekte der Magna Graecia, dem sogenannten Großgriechenland

Nach und nach wurde mit der steigenden kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung der Poleis und ihrer Kolonien im gesamten Mittelmeerraum das Griechische zu einer Weltsprache der Antike. Man schätzt die Zahl der Griechisch-Sprecher zu Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. auf sieben Millionen Menschen, zur Zeit Alexanders des Großen auf neun Millionen.[5] Als Staatssprache des Reichs Alexanders und seiner Nachfolger verbreitete es sich bis Ägypten und Mittelasien, als Zweitsprache der Oberschichten des Römischen Reiches bis Großbritannien, Spanien und Nordafrika.

Altgriechisch wird in vier Dialektgruppen gegliedert, das Ionisch-Attische, das Arkadisch-Kyprische, das Äolische, sowie Westgriechisch, das aus dorischen und nordwestgriechischen Dialekten bestand. Neben diesen epichorisch gesprochenen – also „lokalen“ oder „einheimischen“, d. h. regional verteilten, – Dialekten entwickelten sich auch sogenannte literarische Dialekte: Verschiedene Gattungen der Versdichtung bedienten sich hauptsächlich vierer Varianten der epichorischen Dialekte (Ionisch, Äolisch, Dorisch und Attisch). Die literarische Prosa war zu Beginn von ionisch schreibenden Autoren bestimmt (den Naturphilosophen Thales, Anaximander und Anaximenes; Herodot), doch setzte sich im 5. Jahrhundert v. Chr. das Attische als vorherrschender literarischer Dialekt durch und wurde durch Autoren wie Platon zum klassischen literarischen Vorbild für die gesamte griechische Literatur. Diese Sprachform wurde fortan von den meisten Autoren der Antike als Literatursprache verwendet und gilt bis in die Gegenwart als Norm für das Altgriechische.[5]

Schon zur Zeit des Hellenismus, als Griechisch im Gebiet zwischen Adria und Euphrat zur lingua franca avancierte, begann allerdings ein zunehmender Wandel in Hinsicht auf Aussprache, Betonung und Grammatik, der bis zum Ende der Spätantike weitgehend abgeschlossen war. In Abgrenzung zum Mittelgriechischen und Neugriechischen werden aber auch die hellenistischen (Koine, etwa 300 v. Chr. bis 300 n. Chr.) und spätantiken (etwa 300 bis 600 n. Chr.) Sprachformen noch zum Altgriechischen gezählt. Die einflussreichsten in der Koine verfassten Werke sind dabei fraglos die im Neuen Testament versammelten Texte.

In der weltlichen Literatur bildete hingegen das „klassische“ attische Griechisch in dieser Zeit den Standard, dem sich noch spätantike Autoren wie Libanios (4. Jahrhundert) oder Agathias (um 580) verpflichtet fühlten: Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. hatte sich in der Oberschicht die Ansicht durchgesetzt, die Koine sei als vulgär abzulehnen. Da sich die Sprache der gebildeten Stände, die sich am attischen Dialekt der Jahrzehnte um 400 v. Chr. orientierte (Attizismus), immer mehr von der der restlichen Bevölkerung zu unterscheiden begann, spricht man ab dieser Zeit von einer ausgeprägten Diglossie im Griechischen. Am Ende der Antike ging aber die Elite, welche die attizistische Sprachform pflegte, unter. Das mittelalterliche Griechisch (etwa 600–1453) des Byzantinischen Reiches wird dann meist als Mittelgriechisch bezeichnet.

Schrift

Anfangverse der Odyssee, eines der ältesten literarischen Zeugnisse des Altgriechischen. Volltext auf Wikisource.

Das heute für die alt- und neugriechische Sprache verwendete Alphabet wurde vermutlich in der Zeit vom späten 9. bis zum mittleren 8. Jahrhundert v. Chr. vom Phönizischen Alphabet abgeleitet. Anfangs gab es mehrere Varianten des Alphabets in Griechenland, aber das ionische (auch „milesische“, nach der Stadt Milet) setzte sich allmählich fast im gesamten griechischsprachigen Raum durch. Dabei wurden ungebräuchliche Buchstaben wie Digamma, Sampi, Qoppa und San aufgegeben. Als Fixpunkt für die Übernahme des ionischen Alphabets wird das Jahr 403 v. Chr. angesehen, als die Stadt Athen es offiziell einführte, da Athen sich zu dieser Zeit zum Zentrum der literarischen Kultur Griechenlands entwickelte. Die griechischen Alphabete wurden bis in klassische Zeit mit den 24 Majuskeln ohne Wortzwischenräume und Satzzeichen geschrieben (scriptio continua), zunächst von rechts nach links, dann furchenwendig, mit der Einführung des milesischen Alphabets in Athen schließlich rechtsläufig, also von links nach rechts. Seit diesem Datum hat sich das griechische Alphabet bis heute nicht verändert, wenn man von der Einführung der Diakritika und Minuskeln absieht.

Das lateinische Alphabet leitete sich nicht vom milesischen, sondern von einem westgriechischen Alphabet ab, in dem beispielsweise

χ

für [ks] stand, und nicht wie im milesischen für [], was auch die anderen Unterschiede zwischen beiden Schriften erklärt. Mit den phonologischen Veränderungen in der Zeit des Hellenismus wurden verschiedene diakritische Zeichen eingeführt, um den schwindenden Lautbestand des Griechischen und den tonalen Akzent, die für das Verständnis der klassischen Dichtung entscheidend sind, zu konservieren. Es handelt sich um die drei Akzente Akut (

ἡ ὀξεῖα

„die Schärfe“), Gravis (

ἡ βαρεῖα

„die Schwere“) und Zirkumflex (

ἡ περισπωμένη

„die Umgebogene“), die den tonalen Akzent des Altgriechischen wiedergeben, sowie die beiden Spiritūs – Spiritus asper (

ἡ δασεῖα

„die Raue“) und Spiritus lenis (

ἡ ψιλή

„die Leichte“) – die bei mit Vokal oder /r/ beginnenden Wörtern die Behauchung bzw. das Fehlen einer solchen anzeigen. Näheres zu den Diakritika siehe unter Polytonische Orthographie. In byzantinischer Zeit kam das Iota subscriptum („untergeschriebenes Iota“) hinzu, das ursprünglich der zweite Buchstabe der Langdiphthonge

ηι

,

ωι

und

ᾱι

war, aber schon im 8. Jahrhundert v. Chr. verstummt war. Da aber die Kennzeichnung dieser Langvokale zur Distinktion grammatischer Kategorien nötig ist, wurde das Iota unter den übrigen Vokal gesetzt. Bei Majuskeln wird es als Iota adscriptum neben den Vokal gesetzt (

adscriptum

: „daneben geschrieben“, Beispiel:

῾Άιδης

).

Die griechischen Minuskeln wurden vermutlich in Syrien im 9. Jahrhundert n. Chr. entwickelt. Die heute für das Altgriechische gebrauchten Satzzeichen wurden zur selben Zeit eingeführt: Komma, Punkt und Kolon (:) werden wie im Deutschen gebraucht. Das Semikolon (;) schließt anders als in der lateinischen Schrift einen Fragesatz ab, die Funktion des Semikolons erfüllt der Hochpunkt (·).

Die Gräzistik der Neuzeit verwendet zur Kennzeichnung der langen und kurzen Phoneme von

α, ι

und

υ

auch die diakritischen Zeichen Breve und Makron (

ᾰ/ᾱ – ῐ/ῑ – ῠ/ῡ

). Außerhalb der Fachliteratur werden sie jedoch kaum verwendet.

Phonologie

Unterschiede zur indogermanischen Ursprache

Das Altgriechische unterscheidet sich im Lautbestand von der indogermanischen Ursprache und anderen Sprachen der Familie erheblich. So kann ein Wort im Altgriechischen beispielsweise nur mit einem Vokal oder den Konsonanten /n/, /r/, und /s/ enden; dies betrifft sowohl griechische Suffixe als auch beispielsweise suffixlose Nominativformen, vergleiche

ἔφερον

(„sie trugen“) gegenüber lateinisch

ferebant

oder den Nominativ

γάλα

mit dem Genitiv

γάλακτος

(„Milch“). Weitere Lautentwicklungen aus dem Indogermanischen sind insbesondere:

  • Indogermanisch /j/ im Anlaut entspricht griechisch /h/ oder /z(d)/: lateinisch
    iugum
    , deutsch Joch, griechisch
    ζυγόν
    . Im Wortinnern fällt /j/ ganz weg.
  • Indogermanisch /s/ im Anlaut entspricht griechisch /h/: lateinisch
    sex
    , deutsch sechs, griechisch
    ἕξ
    .
  • Wegfall des indogermanischen und frühaltgriechischen Lautes /w/ (und des entsprechenden Graphems Digamma): alte Form
    ϝεργον
    wurde zu attisch
    ἔργον
    , vergleiche deutsch Werk.
  • Die indogermanischen Labiovelare, noch im mykenischen Griechisch erhalten, gehen verloren; so wird das Phonem /kʷ/, das im Lateinischen /qu/ und im Althochdeutschen /(h)w/ entspricht, im Griechischen der klassischen Zeit zu /p/ oder /t/: lateinisch
    quo
    , deutsch wo, griechisch
    πού
    .
  • Den indogermanischen behauchten stimmhaften Plosiven /bh/, /dh/ und /gh/, die sich in den modernen indoarischen Sprachen erhalten haben, entsprechen die griechischen Laute [pʰ] (
    φ
    ), [tʰ] (
    θ
    ) und [kʰ] (
    χ
    ).[4]

Vokale

Das Altgriechische kennt sieben Vokale, deren Länge bedeutungsunterscheidend ist. Zwei Vokale kommen jedoch nur in Langform vor, so dass insgesamt zwölf Phoneme bestehen. Bei [a], [i] und [y] wird die Länge nicht bezeichnet, lässt sich aber in betonten Silben (ab etwa 300 v. Chr.) durch die Akzente erschließen. Die neuzeitliche Gräzistik kennzeichnet in Wörterbüchern und Grammatiken den Unterschied durch Breve (˘) für kurze und Makron (¯) für lange Vokale.

Phonem [a] [] [o] [] [ɔː] [e] [] [ɛː] [i] [] [y] []
Graphem
α
 /
α
 /
ο
ου
ω
ε
ει
η
ι
 /
ι
 /
υ
 /
υ
 /

Aus den Vokalen bilden sich zahlreiche Diphthonge, die stets in [] oder [] enden, wobei letzteres aus einer früheren Sprachform durch das

υ

wiedergegeben wird: [ai̯] (

αι

), [oi̯] (

οι

), [yi̯] (

υι

), [au̯] (

αυ

), [eu̯] (

ευ

), [ɛːu̯] (

ηυ

). Bei den drei i̯-Diphthongen mit langem Anlaut ([aːi̯], [ɛːi̯], [ɔːi̯]) schwand ungefähr zu klassischer Zeit der []-Laut, die Herkunft dieser Vokale aus Diphthongen wird seit byzantinischer Zeit jedoch durch das sogenannte Iota subscriptum angezeigt: (

ᾳ, ῃ, ῳ

).

Konsonanten

Die Plosive erscheinen, wie noch heute im Armenischen, in Dreierreihen (stimmhaft, stimmlos, stimmlos-behaucht). Hinzu kommen drei Affrikaten aus den stimmlosen Plosiva und /s/, die auch in der Flexion (etwa

π

 >

ψ

) eine Rolle spielen. Die Aussprache des

ζ

(Zeta) in klassischer Zeit ist nicht vollständig geklärt, sie war jedenfalls nicht [ts]. Dionysios Thrax beschreibt es als eine Verbindung von

σ

und

δ

, was die Aussprache sd (beides stimmhaft, also [zd]) nahelegt; die beiden Laute könnten aber auch umgekehrt (also ds, [dz]) angeordnet gewesen sein.

Traditioneller Name Phonetische Beschreibung Bilabial Alveolar Velar
Ψιλά
, Tenues
stimmlos [p] π [t] τ [k] κ
Μέσα
, Mediae
stimmhaft [b] β [d] δ [ɡ] γ
Δασέα
, Aspirata
aspiriert und stimmlos [] φ [] θ [] χ
Διπλά
, Affrikata
stimmlos + /s/ [ps] ψ ([dz] ζ) [ks] ξ

Erst in nachklassischer Zeit wandelte sich die Aussprache der Aspirata

<φ> <θ>, <χ>

hin zu stimmlosen Frikativen ([f], [θ], [x]). So transkribierte man in den griechischen Lehnwörtern des Lateinischen das Phi zunächst mit <ph>. Erst seit dem ersten Jahrhundert findet sich auch die Transkribierung mit <f>, wodurch „Philippus“ zu „Filippus“ werden konnte. Gewissermaßen in Fortschreibung dieser Entwicklung haben griechische Fremdwörter im Italienischen, die auf Wörter mit

<φ>

zurückgehen, durchgehend <f>, etwa in

la fisica

„Physik“ oder

sfera

„Sphäre“; gleiches gilt für das Spanische. Im Französischen, Englischen und Deutschen blieb man demgegenüber – bis auf individuelle Ausnahmen – bei der konservativen Schreibweise (z. B. Philosophie), folgte aber zugleich der vermutlichen spätantiken Aussprache [f]. Im Englischen gilt etwas Paralleles auch für das Verhältnis zwischen Schreibweise und Aussprache des Theta in griechischen Fremdwörtern (gesprochen [θ] gemäß der mittelgriechischen Aussprache). Erst Ende des 20. Jahrhunderts fand eine Anpassung der deutschen Orthographie in Richtung auf den italienischen (oder skandinavischen oder auch slawischen) Usus statt (z. B. Fotografie, Grafik). Neben diesen Plosiven gibt es die Nasale [m] (

μ

) und [n] (

ν

), letzteren mit der Variante [ŋ] vor velaren Konsonanten (geschrieben

γ

), den lateralen Approximanten [l] (

λ

) und den Vibranten [r] (

ρ

), letzteren mit der Variante [] oder [], die später

geschrieben wurde und in deutschen Fremdwörtern noch als rh erscheint, sowie den Frikativ [s] (

σ

). Im Anlaut gab es außerdem [h], das etwa ab dem 3. Jahrhundert v. Chr., durch den Spiritus asper (

) über dem betreffenden Vokal wiedergegeben wurde. Der Spiritus lenis (

) wurde als graphisches Äquivalent für „kein [h]“ neu erfunden und stand ebenfalls über dem Anlaut (sofern dieser vokalisch war). Teilweise wird die Theorie vertreten, dass es für den Glottisschlag [ʔ] stand, jedoch nur von einer Minderheit; es ist also davon auszugehen, dass ein vokalischer Anlaut gebunden wurde.

Tonalität und Akzent

Der altgriechische Akzent war weniger (wie im heutigen Deutsch) durch größere Schallfülle (Lautstärke) gekennzeichnet als vielmehr durch die Tonhöhe, er war also dezentralisierend. Ein Akzent konnte im Altgriechischen auf eine der drei letzten Silben eines Wortes fallen (dies auch abhängig von der Länge der Vokale dieser Endsilben), hob diese aber nicht lautstärkemäßig vor den übrigen Silben hervor, sondern wurde mit einem höheren Ton als die umgebenden Silben gesprochen. Als der dezentralisierende Akzent einem zentralisierenden wich (etwa im 3. Jahrhundert v. Chr.), begann man, durch diakritische Zeichen die Tonalität des Altgriechischen durch Akzente zu konservieren (Aristophanes von Byzanz): Der Akut, welcher auf den letzten drei Silben eines Wortes stehen kann, bezeichnete den Hochton, der Zirkumflex, welcher auf den letzten zwei Silben eines Wortes stehen kann, bezeichnete bei langen Silben den hoch beginnenden, dann fallenden Ton, der Gravis (der sich nur in betonten Endsilben im Kontext findet) war vermutlich ein fallender Ton, wofür es allerdings keine Belege gibt. Aus einer Zusammenstellung der wichtigsten antiken und byzantinischen Grammatikerbelege von Axel Schönberger (2016) scheint hervorzugehen, dass der Gravis gar kein Akzent war, sondern lediglich angab, dass eine Silbe, die bei isoliertem Vorkommen des Wortes oder am Ende eines phonetischen Wortes betont würde, innerhalb eines phonetischen Wortes ihren ursprünglichen Akzent proklitisch verlor und somit unbetont gesprochen wurde.

Die gesamte altgriechische (Vers-)Dichtung und Metrik beruht nicht wie im Deutschen auf dem Kontrast zwischen betonten und unbetonten Silben, sondern ausschließlich auf der Länge oder Kürze der jeweiligen Silben.

Hinweis: Die Schulaussprache des Altgriechischen der verschiedenen Lehrtraditionen weicht in allen Fällen von der mittlerweile erforschten Phonologie der Sprache erheblich ab.

Morphologie

Das Altgriechische ist eine stark flektierende Sprache; bedeutungstragende Wortstämme sind vielseitigen Wandlungen unterworfen. Sowohl der Vokal-Ablaut als auch insbesondere der Konsonantenwandel im Auslaut von Wortstämmen sind bei Deklination und Konjugation häufig, ebenso wie in der Wortableitung und -bildung. Sie stellen für den Griechischlernenden ein großes Pensum an Lernstoff dar.

Beispiele:

  • Die griechische Wurzel bal gibt den Begriff des Werfens wieder. Sie bildet das Verb
    βάλλειν
    („werfen“), das in der Konjugation Formen wie
    ἔβαλον
    („ich warf“),
    βέβληκα
    („ich habe geworfen [und es liegt dort]“, Perfektform) bildet; von der Wurzel leiten sich Wörter ab wie
    βέλος
    („Wurfgeschoss“) und
    βολή
    („Wurf“).
  • Von der Wurzel lab „nehmen“ werden gebildet:
    λαμβάνω
    („ich nehme“),
    ἔλαβον
    („ich nahm“),
    λήψομαι
    , („ich werde mir nehmen“),
    ληφθήσομαι
    („ich werde genommen werden“) und
    εἴλημμαι
    („ich bin genommen“).
  • Die Wurzel pod mit der Bedeutung „Fuß“, im Genitiv
    ποδός
    zu erkennen, verschmilzt in der Nominativform zu
    πούς
    (aus *pods), bildet eine Dativ-Pluralform
    ποσί
    (aus *podsi); davon abgeleitet sind
    πηδόν
    („Schiffsfuß, Steuerruder“) und
    τράπεζα
    (traped-sa, „Tisch“).
  • Die Wurzel prāg „handeln, tun“ erscheint in der Konjugation des Perfekts Medium/Passiv in vier unterschiedlichen Formen:
    πέπραγμαι
    (1. Person Sg.),
    πέπραξαι
    (2. Person Sg.),
    πέπρακται
    (3. Person Sg.) und
    πέπραχθε
    (2. Person Pl.).

Zu dem Stamm treten verschiedene Präfixe und Endungen, die im Sinne eines fusionalen Sprachbaus die unterschiedlichen grammatischen Parameter wiedergeben. Besondere Erscheinungen im Griechischen sind:

  • das Augment (lateinisch
    augmentum
    „Zuwachs“), ein die Vergangenheit andeutendes Morphem (meist
    ε-
    ), das dem Stamm vorangestellt wird.
  • die Reduplikation: Der Anlaut des Stammes wird verdoppelt, Beispiel
    θνῄσκω
    („ich liege im Sterben“),
    τέθνηκα
    („ich bin tot“, Perfektform)
  • die Stammerweiterung durch /s/ für den Aorist und das Futur:
    βλέπω
    („ich sehe“),
    ἔβλεψα
    („ich sah (plötzlich)“),
    βλέψομαι
    („ich werde gesehen werden“).

Des Weiteren verfügt das Altgriechische über eine Fülle von Morphemen, welche die grammatischen Kategorien als Infixe und Affixe wiedergeben. Das Altgriechische kommt bei Verben weitestgehend ohne zusammengesetzte Formen aus, das heißt, alle grammatischen Parameter lassen sich durch Anfügungen an die Wurzel bilden und vereinen sich in einem einzigen Wort.

So lässt sich ein so komplexer Ausdruck wie „ich werde mir [etwas] schreiben lassen“, der im Deutschen durch fünf einzelne Wörter ausgedrückt werden muss, im Altgriechischen durch eine einzige Verbform ausdrücken:

γραφήσομαι

.

Auch die Wortbildung verfügt über zahlreiche Morpheme, die Ableitungen und Bedeutungsdifferenzierungen ermöglichen, im Griechischen sind ähnliche „Bandwurmwörter“ möglich wie im Deutschen. Berühmtes Beispiel ist das karikierende Endloswort

λοπαδο­τεμαχο­σελαχο­γαλεο­κρανιο­λειψανο­δριμ­υποτριμματο­σιλφιο­καραβο­μελιτο­κατακεχυμενο­κιχλεπι­κοσσυφο­φαττο­περιστερ­αλεκτρυον­οπτο­κεφαλλιο­κιγκλο­πελειο­λαγῳο­σιραιο­βαφη­τραγανο­πτερύγων

(„austernschneckenlachsmuränen-essighonigrahmgekröse-butterdrosselnhasenbraten-hahnenkammfasanenkälber-hirnfeldtaubensiruphering-lerchentrüffelngefüllte Schüssel“) aus den Ekklesiazusai des Aristophanes (Vers 1169).

Grammatik

Die ersten Grammatiklehrbücher des Abendlandes wurden zu hellenistischer Zeit in der philologischen Schule von Alexandria abgefasst. Aristarch von Samothrake schrieb eine

technē grammatikē

des Griechischen. Die vermutlich erste autonome grammatische Schrift ist die

technē grammatikē

des Dionysios Thrax (2. Jahrhundert v. Chr.), welche die Phonologie und Morphologie einschließlich der Wortarten umfasst. Die Syntax ist Gegenstand eines sehr systematischen Werks des zweiten bedeutenden griechischen Grammatikers, des Apollonios Dyskolos (2. Jahrhundert n. Chr.). Angeblich im Jahre 169/68 „importierten“ die Römer die griechische Grammatiklehre und adaptierten sie.

Die Grammatik des Altgriechischen ist auf den ersten Blick recht ähnlich zum Lateinischen, was Partizipialkonstruktionen und sonstige satzwertige Konstruktionen (AcI etc.) anbelangt, so dass Lateinkenntnisse beim Erlernen des Altgriechischen sehr hilfreich sind – und umgekehrt. Gutes Verständnis der deutschen Grammatik hilft allerdings auch; in vielen Fällen ist das Altgriechische dem Deutschen strukturell ähnlicher als dem Lateinischen, beispielsweise sind bestimmte Artikel im Griechischen vorhanden, während sie im Lateinischen fehlen. Es gibt auch Fälle, in denen die Ähnlichkeit mit dem Lateinischen eher oberflächlicher Art ist und mehr Verwirrung stiftet als hilft – beispielsweise werden die Zeitformen der Verben im Griechischen oft anders verwendet als im Lateinischen.

Im Westen und auch in diesem Artikel werden oft lateinisch-basierte Begriffe (wie Substantiv, Dativ, Aktiv, Person …) zur Bezeichnung von altgriechischen grammatischen und semantischen Kategorien verwendet, die (oft) direkte Übersetzungen der griechischen Definitionen darstellen. In Griechenland werden dagegen bis heute griechisch-basierte Begriffe aus der

technē grammatikē

des Dionysios Thrax verwendet.

Deklination

Im Altgriechischen werden Substantive, Adjektive, Pronomina, der (definite) Artikel und einige Zahlwörter dekliniert. Besonders Zahl und Formenreichtum der Verbaladjektive ist hoch.

Grammatikalische Kategorien der Nomina

Die altgriechischen Nomina (deklinierbaren Wörter) werden in den folgenden grammatischen Kategorien dekliniert:

Auch Partizipien, Verbaladjektive und Infinitive werden dekliniert, sie gelten als Zwischenformen (sogenannte Nominalformen des Verbs).

Substantive können mit einem Artikel (

ὁ, ἡ, τό

„der, die, das“) bestimmt werden; einen unbestimmten Artikel gibt es nicht.

Kasus

Von den acht Kasus des Indogermanischen haben sich im Altgriechischen fünf erhalten: Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ und Vokativ (Anredeform). Nach ihrer Verwendungsweise werden zahlreiche verschiedene Kasusfunktionen unterschieden. Das altgriechische Kasussystem ähnelt in seinen Grundzügen dem deutschen.

  • Der Nominativ ist der Subjektskasus (
    ὁ ὄρνις ᾄδει
    der Vogel singt“) und der Kasus des Prädikatsnomens (
    ὁ φιλόσοφος σοφός ἐστιν
    „der Philosoph ist klug“).
  • Der Genitiv drückt in seiner ursprünglichen Bedeutung eine Zugehörigkeit oder einen Bereich aus. Es lassen sich hierbei zahlreiche Kasusfunktionen unterscheiden, u. a. der Genitivus possessoris, der einen Besitz ausdrückt (
    ὁ τοῦ γεωργοῦ ἀγρός
    „das Feld des Bauern“), der Genitivus partitivus, der eine Teilmenge angibt (
    πολλοὶ τῶν ἀνθρώπων
    „viele von den Menschen“), der Genitivus subjectivus, der den Handlungsträger angibt (
    ἡ τῆς μητρὸς ἀγάπη
    „die Liebe der Mutter“) und der Genitivus objectivus, der das Handlungsziel angibt (
    ἡ τῆς μητρὸς ἀγάπη
    „die Liebe zur Mutter“). Ferner hat der Genitiv vom indogermanischen Ablativ die Bedeutung einer Herkunft übernommen. Dies drückt sich u. a. als Genitivus separativus, der eine Trennung bezeichnet (
    ἐλεύθερος φόβου
    „frei von Furcht“), aus. Im klassischen Griechisch sind diese beiden Gebrauchsweisen in vielen Fällen miteinander verschmolzen. Viele altgriechische Verben regieren den Genitiv (etwa
    τυγχάνειν τινός
    etwas erlangen“).
  • Der Dativ ist der Kasus des indirekten Objekts (
    ἔδωκε αὐτῷ χρυσόν
    „er gab ihm Gold“). Weiterhin hat er vom indogermanischen Instrumental die Funktion der Angabe eines Mittels übernommen (Dativus instrumentalis, wie
    τοῖς ὀφθαλμοῖς ὁρᾶν
    mit den Augen sehen“), vom indogermanischen Lokativ die Funktion der Angabe eines Ortes oder einer Zeit (Dativus loci bzw. temporis, etwa
    ταύτῃ τῇ ἡμέρᾳ
    an diesem Tag“). Weitere Kasusfunktionen des Dativs sind u. a. der Dativus modi, der die Art und Weise angibt (
    τούτῳ τῷ τρόπῳ
    auf diese Weise, so“) und der Dativus causae, der den Grund angibt (
    ἥδομαι τῇ νίκῃ
    „ich freue mich über den Sieg“).
  • Der Akkusativ ist der Kasus des direkten Objekts (
    ὁρῶ αὐτόν
    „ich sehe ihn“). Weiterhin kann er eine räumliche oder zeitliche Ausdehnung (wie
    δέκα ἡμέρας ἔμεινε
    „er blieb zehn Tage“) ausdrücken. Der Accusativus limitationis oder respectus drückt eine Beziehung oder Hinsicht aus (etwa
    τὴν ψυχὴν νοσεῖν
    in Bezug auf die Seele krank sein, seelisch krank sein“).
  • Der Vokativ ist die Anredeform (
    κύριε ἐλέησον
    Herr, erbarme dich“). Er ist im Plural und bei vielen Substantiven (besonders bei Nomina der 3. Deklination und Feminina) auch im Singular mit dem Nominativ identisch. Dem Vokativ geht oft die Interjektion
    voran (etwa
    ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι
    „Ihr Männer von Athen!“). Ein Fehlen derselben ist ein Zeichen von sachlicher Kühle oder gar von Geringschätzung:
    «Ἀκούεις, Αἰσχίνη;»
    „Hörst du, Aischines?“ fragt etwa Demosthenes seinen verhassten Gegner.

Numerus

Neben dem Singular (Einzahl) und Plural (Mehrzahl) hat das Altgriechische noch in Resten den Dual (Zweizahl) behalten. Die Artikel des Duals lauten oft in allen Genera

τὼ

im Nominativ und Akkusativ und

τοῖν

im Genitiv und Dativ. Seltenere Formen des femininen Duals sind entsprechend

τὰ

und

ταῖν

. In der o-Deklination (s. u.) hat er die Endungen

im Nominativ und Akkusativ und

-οιν

im Genitiv und Dativ. In der a-Deklination lauten die Endungen entsprechend

-ᾱ

und

-αιν

, in der 3. Deklination

und

-οιν

. Der Dual war schon zu vorklassischer Zeit (vor dem 5. Jahrhundert v. Chr.) im Schwinden begriffen, und die ursprüngliche Verwendungsweise (nur für wirklich in der Zweizahl Zusammengehöriges, wie Zwillinge, die beiden Hände, Augen und so weiter) ging verloren. In der klassischen Literatur wurden vorsichtige Wiederbelebungsversuche unternommen, die den Dual jedoch nicht wieder etablierten und außerdem seiner ursprünglichen, spezifischen Verwendungsweise entfremdeten. Aufgrund seiner Seltenheit ist der Dual in den untenstehenden Deklinationsbeispielen nicht aufgenommen.

Beispiele:

  • τὼ χώρα
    „die zwei Länder“,
    τοῖν χώραιν
    „den zwei Ländern, der zwei Länder“
  • τὼ θεώ
    „die zwei Götter“,
    τοῖν θεοῖν
    „den zwei Göttern, der zwei Götter“
  • τὼ παῖδε
    „die zwei Söhne/Kinder“,
    τοῖν παίδοιν
    „den zwei Söhnen/Kindern, der zwei Söhne/Kinder“
  • τὼ πόλει
    „die zwei Städte“,
    τοῖν πολέοιν
    „den zwei Städten, der zwei Städte“

Genus

Wie die meisten indogermanischen Sprachen kennt das Altgriechische drei Genera: Maskulinum (männlich), Femininum (weiblich) und Neutrum (sächlich). Männliche Personen sind oft maskulin, weibliche oft feminin.[8][9] Winde, Flüsse und Monate sind oft maskulin, Länder, Inseln und Städte oft feminin.[9] Eine Besonderheit des Neutrums ist, dass bei einem neutralen Subjekt das Prädikat stets im Singular steht. Dies lässt sich damit erklären, dass das Neutrum Plural sprachhistorisch auf ein Kollektivum zurückgeht.

Das Genus commune ist bei einigen Vokabeln ebenfalls erhalten, etwa bei

ὁ/ἡ βοῦς

, das sowohl „Rind“ als auch „Ochse“ oder „Kuh“ heißen kann. Einige Wörter sind Epicöna wie

ἡ ἀλώπηξ

der Fuchs, was sowohl männliche als auch weibliche Füchse einschließt.[10][11]

Deklination der Substantive

Das Altgriechische kennt drei grundlegende Deklinationsklassen: die o-Deklination, die a-Deklination und eine dritte, konsonantische Deklination.

Zur a-Deklination (oder ersten Deklination) gehören Feminina auf kurzes

-ᾰ

(wie

δόξᾰ

„Ruhm, Ansicht“), langes

-ᾱ

(etwa

χώρᾱ

„Land“) und

(etwa

νίκη

„Sieg“) sowie Maskulina auf

-ᾱς

(etwa

νεανίᾱς

„Jüngling“) und

-ης

(etwa

ποιητής

„Dichter“). Endet der Wortstamm auf ein

ε

,

ι

oder

ρ

, haben die Endungen in allen Formen ein

α

(Alpha purum), andernfalls wird ein langes

zu einem

η

(Alpha impurum). Die Maskulina haben im Genitiv die Endung

-ου

, im Vokativ enden sie auf

-ᾰ

, ansonsten werden sie genauso dekliniert wie die Feminina.

Beispielwort:
δόξᾰ
„Ruhm, Ansicht“
(Femininum, mit kurzem Alpha impurum)
  Singular Plural
Nominativ
ἡ δόξα
hē doxa
αἱ δόξαι
hai doxai
Genitiv
τῆς δόξης
tēs doxēs
τῶν δοξῶν
tōn doxōn
Dativ
τῇ δόξῃ
tē doxē
ταῖς δόξαις
tais doxais
Akkusativ
τὴν δόξαν
tēn doxan
τὰς δόξας
tas doxas
Vokativ
ὦ δόξα
ō doxa
ὦ δόξαι
ō doxai

Zur o-Deklination (oder zweiten Deklination) gehören Maskulina auf

-ος

(wie

φίλος

„Freund“) und Neutra auf

-ον

(wie

τέκνον

„Kind“). Die Deklinationsendungen sind dieselben, außer dass Wörter auf

-ον

wie alle Neutra im Nominativ und Akkusativ Plural auf

enden und im Vokativ dieselbe Form wie im Nominativ haben. Ganz vereinzelt kommen auch Feminina auf

-ος

vor (etwa

νῆσος

„Insel“), die ebenso dekliniert werden wie die Maskulina. Dazu kommen als Sonderfälle Kontrakta (etwa

νοῦς

„Sinn“), bei denen der vokalische Stamm mit der Deklinationsendung verschmolzen ist, und die sogenannte attische Deklination (wie

νεώς

„Tempel“).

Beispielwort:
φίλος
„Freund“ (maskulinum)
  Singular Plural
Nominativ
ὁ φίλος
ho philos
οἱ φίλοι
hoi philoi
Genitiv
τοῦ φίλου
tou philou
τῶν φίλων
tōn philōn
Dativ
τῷ φίλῳ
tō philō
τοῖς φίλοις
tois philois
Akkusativ
τὸν φίλον
ton philon
τοὺς φίλους
tous philous
Vokativ
ὦ φίλε
ō phile
ὦ φίλοι
ō philoi

Die 3. Deklination umfasst eine Vielzahl von konsonantischen Stämmen. Je nach Stammauslaut lassen sie sich in Muta-Stämme (etwa

γύψ

m. „Geier“ [Stamm

γύπ-

],

αἴξ

f. „Ziege“ [Stamm

αἴγ-

],

ὄρνις

m. „Vogel“ [Stamm

ὄρνιθ-

]), Liquida- und Nasalstämme (etwa

ῥήτωρ

m. „Redner“,

μήτηρ

f. „Mutter“,

λιμήν

m. Hafen), Sigma-Stämme (wie

γένος

n. „Geschlecht, Art“) und Vokalstämme (etwa

πόλις

f. „Stadt“,

βασιλεύς

m. „König“) unterteilen. Aus sprachhistorischen Gründen unterliegt die Deklination der einzelnen Untergruppen Unregelmäßigkeiten, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Zur 3. Deklination gehören Maskulina, Feminina und Neutra. Der Nominativ ist bei den Maskulina und Feminina entweder durch die Endung

oder die Dehnstufe des Stammes (etwa

ῥήτωρ

zum Stamm

ῥητορ-

) gekennzeichnet, bei den Neutra besteht er aus der Grundstufe des Stammes. Manche Liquidastämme unterliegen dem quantitativen Ablaut (so hat

μήτηρ

im Nominativ die Dehnstufe, im Akkusativ

μητέρα

die Grundstufe und im Genitiv

μητρός

die Schwundstufe).

Beispielwort Maskulinum:
ῥήτωρ
„Redner“
(maskulinum, Liquida-Stamm ohne Ablaut)
  Singular Plural
Nominativ
ὁ ῥήτωρ
ho rhētōr
οἱ ῥήτορες
hoi rhētores
Genitiv
τοῦ ῥήτορος
tou rhētoros
τῶν ῥητόρων
tōn rhētorōn
Dativ
τῷ ῥήτορι
tō rhētori
τοῖς ῥήτορσι(ν)
tois rhētorsi(n)
Akkusativ
τὸν ῥήτορα
ton rhētora
τοὺς ῥήτορας
tous rhētoras
Vokativ
ὦ ῥῆτορ
ō rhētor
ὦ ῥήτορες
ō rhētores

Das eingeklammerte Ny im Dativ Plural wird bewegliches Ny genannt (

ν ἐφελκυστικόν

bzw.

νῦ ἐφελκυστικόν

) und kann unter anderem angefügt werden, wenn das nachfolgende Wort mit einem Vokal beginnt.[12]

Adjektive

Adjektive werden entweder nach der o/a-Deklination oder nach der 3. Deklination dekliniert. Erstere enden im Maskulinum auf

-ος

, im Femininum auf

oder

und im Neutrum auf

-ον

(etwa

νέος, νέα, νέον

„neu“). Manche (vor allem zusammengesetzte) Adjektive sind auch zweiendig, d. h., sie enden sowohl im Maskulinum als auch im Femininum auf

-ος

(etwa

εὔκολος, εὔκολον

„leicht“). Adjektive der 3. Deklination werden teils im Femininum nach der a-Deklination dekliniert (wie

πᾶς, πᾶσα, πᾶν

„ganz“), teils sind sie auch zweiendig (etwa

σαφής, σαφές

„klar, deutlich“). Adjektive können gesteigert werden (Positiv

σοφός

„klug“, Komparativ

σοφώτερος

„klüger“, Superlativ

σοφώτατος

„am klügsten“). Der Superlativ kann als absoluter Superlativ (Elativ) auch nur eine absolute Herausgehobenheit („sehr klug“) bezeichnen. Die Endungen des Komparativs und des Superlativs sind meist

-τερος

und

-τατος

, bei einigen Adjektiven auch

-ίων

und

-ιστος

(etwa

κακός, κακίων, κάκιστος

„schlecht, schlechter, am schlechtesten“). Adverbien werden von den Adjektiven mit der Endung

-ως

abgeleitet (vergleiche

σοφός ἐστιν

„er ist klug“ [Prädikatsnomen, Adjektiv] und

σοφῶς λέγει

„er spricht klug“).

Pronomina

Personalpronomina gibt es in der 1., 2. und 3. Person.[13][14] Die Nominativformen der Personalpronomina (attisch:

ἐγώ

„ich“,

σύ

„du“,

ἡμεῖς

„wir“,

ὑμεῖς

„ihr“) sind stets betont, weil die Person im Normalfall schon durch das Verb angegeben ist. In den übrigen Kasus wird zwischen den enklitischen unbetonten Formen (etwa

με

) und nicht-enklitischen Formen (

ἐμέ

„mich“), die in betonter Stellung und nach Präpositionen stehen, unterschieden. Als Ersatz für die Personalpronomina der 3. Person werden im Nominativ auch die Formen des Demonstrativpronomens

οὗτος

(„dieser“), in den übrigen Kasus die Formen des Wortes

αὐτός

(„selbst“) verwendet. In allen drei Personen gibt es reflexive und nichtreflexive Formen des Personalpronomens, je nachdem, ob sie sich auf das Subjekt des Satzes beziehen (etwa

ἐμέ

„mich“ –

ἐμαυτόν

„mich [selbst]“). In der 3. Person wird zudem zwischen direkt und indirekt reflexiven Pronomina unterschieden, wobei sich die indirekt reflexiven Pronomina auf das Subjekt des übergeordneten Satzes beziehen. Das Possessivpronomen lautet

ἐμός, σός

. Es existiert im klassischen Griechisch nur in der 1. und der 2. Person. An Demonstrativpronomina kommen

ὅδε, ἥδε, τόδε

(„dieser“, wie lateinisch

hic, haec, hoc

),

οὗτος, αὕτη, τοῦτο

(„dieser“, wie lateinisch

is, ea, id

) und

ἐκεῖνος, ἐκεῖνη, ἐκεῖνο

(„jener“, wie lateinisch

ille, illa, illud

) vor. Das Relativpronomen

ὅς, ἥ, ὅ

wird durch Anhängung des Indefinitpronomens zum verallgemeinernden Relativpronomen

ὅστις, ἥτις, ὅτι

. Das verallgemeinernde Relativpronomen ähnelt dem indirekten Fragepronomen. Das direkte Fragepronomen

τίς, τί

(„wer, was“) trägt stets den Akut. Das Indefinitpronomen

τις, τι

(„irgendjemand, irgendetwas“) entspricht dem direkten Fragepronomen, ist aber enklitisch.

Konjugation

Grammatische Kategorien des Verbsystems

Tempus- und Aspektsystem

Das altgriechische Tempussystem unterscheidet sich grundlegend von dem deutschen oder lateinischen. Die in der Grammatik übliche Einteilung in sechs Tempora (sieben bei Berücksichtigung des seltenen Perfektfuturs) ist genau genommen irreführend, da nicht die zeitliche Bedeutung, sondern der Aspekt im Vordergrund steht. Im Altgriechischen gibt es drei Tempusstämme, die einen bestimmten Aspekt ausdrücken. Zu jedem Tempusstamm gehört im Indikativ ein Haupttempus mit Gegenwarts- und ein Nebentempus mit Vergangenheitsbedeutung. (Der Aoriststamm ist der älteste Tempusstamm und hat ein Haupttempus im Indikativ nie ausgebildet.) Zum Beispiel drückt der Indikativ Präsens eine durative Handlung der Gegenwart, der Indikativ Imperfekt eine durative Handlung der Vergangenheit aus. Dazu kommt der sprachhistorisch jüngere Futurstamm, der kein Nebentempus kennt und tatsächlich eine rein zeitliche Bedeutung hat.

Mit der Handhabung dieser drei Aspekte stellt der Griechischsprechende durch Flexionsaffixe die zeitlichen Bezüge her, die von den Aspekten selbst nicht ausgedrückt werden. Die Aspekte gelten generell, während es eine direkt zeitliche Bedeutung nur im Indikativ gibt (bis auf das Futur: siehe unten).

Die Vergangenheit wird im Indikativ mit Hilfe der Nebentempora gebildet. Das sind im Präsensstamm das Imperfekt, im Perfektstamm das Plusquamperfekt und im Aoriststamm der Aorist.

Die Tempora (

χρόνοι

) des Altgriechischen lassen sich nach folgendem Schema darstellen:

Tempusstamm Haupttempus Nebentempus Aspekt Aktionsart
Präsensstamm Präsens
(
ἐνεστὼς χρόνος, ἐνεστώς

enestōs chronos, enestōs
)
Imperfekt
(
παρατατικὸς χρόνος

paratatikos chronos
)
imperfektiv durativ, frequentativ, iterativ,
habituativ, konativ
Aoriststamm Aorist
(
ἀόριστος
)
perfektiv/
aoristisch
punktuell, egressiv, effektiv,
inchoativ, ingressiv, gnomisch
Perfektstamm Perfekt
(
παρακείμενος
)
Plusquamperfekt
perfektisch resultativ
Futurstamm Futur
(
μέλλων
)

Die übrigen Modi werden jeweils dem Haupttempus des Tempusstammes (wenn vorhanden, sonst dem Nebentempus) zugeordnet. Sie haben aber keinerlei zeitliche Bedeutung. Dadurch erklärt sich auch die auf den ersten Blick paradox wirkende Tatsache, dass mit dem Imperativ Aorist eine Befehlsform zu einem Vergangenheitstempus existiert.

Das altgriechische Verb bildet also vier Tempusstämme:

Der Präsensstamm – auch linearer oder paratatischer Stamm genannt – ist besser als Imperfektivstamm zu behandeln. Er übernimmt die Funktionen der durativen, iterativen, habituativen und konativen Aktionsart. Das bedeutet, es wird mit diesem Aspekt u. a. der Verlauf oder das Andauern einer Handlung ausgedrückt.

Beispiele:

  • νοσεῖν
    „krank sein“ („krank darniederliegen“„“)
  • (ἀπο)θνῄσκειν
    „sterben“ („im Sterben liegen“)

Der Aoriststamm bezeichnet Punktuelles. Das bedeutet, es wird der bloße Vollzug einer Handlung vermeldet. (Die Bezeichnung punktuell wird benutzt, um den Gegensatz zum linearen sogenannten Präsensstamm auszudrücken. Der Aoriststamm ist die Normalform und benennt eine Handlung oder ein Ereignis, ohne ausdrücken zu wollen, ob diese Handlung in Wirklichkeit punktuell oder linear war/ist.) Bei diesem Aspekt wird in der Sprachpraxis gern ein bestimmter Punkt des Verbalbegriffs ins Auge gefasst, nämlich der Abschluss (resultativ) oder der Beginn (ingressiv, inchoativ) einer Handlung.

Beispiele:

  • ingressiv:
    νοσῆσαι
    „krank werden“ oder „erkranken“
  • effektiv:
    (ἀπο)θανεῖν
    „(ver)sterben“ (als Moment des Dahinscheidens)

Die Formen des Perfektstamms haben vorzeitig-ergebnisbezogene Bedeutung. Das heißt: Da, wo andere Sprachen Verben resultativer Aktionsart setzen, steht im Altgriechischen eine Perfektform. Das bedeutet, es wird mit diesem Aspekt ein (erreichter) Zustand oder einfach ohne jede nähere Bestimmung die Qualität einer Sache ausgedrückt.

Beispiele:

  • τεθνηκέναι (τεθνάναι)
    „(gestorben und nun) tot sein“
  • πεποιθέναι
    „vertrauen“
  • vergleiche auch das klassische Zitat des Läufers von Marathon:
    Νενικήκαμεν
    Nenikēkamen
    („Wir haben gesiegt“).

Der vierte Tempusstamm des Altgriechischen, der Futurstamm, ist eine jüngere Entwicklung und hat in der Tat in allen Modi zeitliche Bedeutung.

Modussystem

Es gibt im Altgriechischen (nach Ansicht moderner Linguisten)[15] vier Modi: Indikativ, Optativ, Konjunktiv, Imperativ. Die Funktionen, welche diese Formen syntaktisch und semantisch erfüllen, sind sehr vielfältig. Hier kann nur eine grundsätzliche Bestimmung ihrer Bedeutung vorgenommen werden.

Der Modus bringt die geistige Einstellung des Sprechenden gegenüber dem Verbalinhalt zum Ausdruck:

  • Mit dem Indikativ drückt der Sprecher aus, dass ihm ein Vorgang oder Zustand als wirklich (real), gegeben erscheint. Allerdings wird auch der Indikativ verwendet, wenn etwas fast Geschehenes bezeichnet wird.
  • In den anderen Modi drückt der Sprecher aus, dass ihm der Vorgang oder Zustand nur als vorgestellt, modal eingeschränkt, gilt:
    • Der Imperativ drückt einen Befehl, eine Aufforderung, aus, etwa
      Φέρε μοὶ τόδε.
      Bring mir das her!“
    • Der Konjunktiv drückt einen Willen (Voluntativ) oder eine Erwartung (Prospektiv) aus (er hat also leicht futurische Bedeutung, was umgekehrt für das Futur in Bezug auf den Konjunktiv auch gilt), ähnelt aber auch dem Konjunktiv des Lateinischen, etwa
      Ἴωμεν.
      „Lasst uns gehen!“ (Vergleiche lateinisch (coniunctivus hortativus):
      eamus!
      .)
    • Der Optativ drückt einen Wunsch (Kupitiv) oder eine Möglichkeit (Potentialis) aus, etwa
      Εἴθε τις λύοι.
      Möge [das] jemand lösen“.

Diathese, Genus verbi

Von den drei Diathesen sind zwei (Aktiv und Medium) aus dem Indogermanischen geerbt. Das Passiv ist eine jüngere Entwicklung.

Das Aktiv ist die unmarkierte Struktur.

Das Medium drückt aus, dass das Subjekt an der Handlung beteiligt oder an ihr interessiert ist, dass also eine nähere Beziehung zwischen Subjekt und Handlung besteht (transitives Medium). Ferner kann es ausdrücken, dass das Subjekt von seiner eigenen Handlung betroffen ist (intransitives Medium).[16] Der Begriff Medium (lateinisch

medius

„der Mittlere“) soll ausdrücken, dass diese Form zwischen Aktiv und Passiv stehe. Das ist jedoch weder sprachgeschichtlich noch morphologisch richtig.[17] Das Passiv ist im Griechischen der Grenzfall des Mediums, denn:

Das Passiv drückt die Wirkung einer Handlung auf das Subjekt aus, die nicht von ihm ausgeht. Insofern die Handlung nur noch auf das Subjekt wirkt, ohne von ihm auszugehen, bildet es den Grenzfall des Mediums. (Außerhalb des Futur- und Aoriststamms hat das Passiv keine eigenständige Form. Formal übernimmt dort das Medium neben der eigenen Funktion auch die des Passivs, was nur aus dem syntaktischen Zusammenhang oder bei genauer Kenntnis der Beschaffenheit des entsprechenden Verbums zu unterscheiden ist.)

Beispiele:

  • Aktiv:
    παιδεύσει
    „er wird [jemanden] erziehen“
  • transitives Medium:
    παιδεύσεται
    „er wird sich [jemanden] erziehen“
  • intransitives Medium:
    παιδεύσεται
    „er wird sich erziehen, er wird sich erziehen lassen“
  • Passiv:
    παιδευθήσεται
    „er wird [von jemandem] erzogen werden“

Numerus- und Personsystem

Aufgrund der Personalflexion des altgriechischen Verbs werden die Personalpronomina des Nominativs wie in vielen anderen indogermanischen Sprachen (so auch im Lateinischen) meist ausgelassen, wenn sie nicht besonders betont – etwa in Adversativsätzen – werden sollen. Es muss also nicht zwangsläufig ein das Subjekt ausdrücklich nennendes Bezugswort (Pronomen oder Substantiv) beim Verb stehen – die Endung reicht aus, um die Person und damit das Subjekt zu identifizieren. Das Altgriechische ist also eine Pro-Drop-Sprache.

Das Altgriechische kennt beim Verb einen Singular, einen Plural und einen Dual (als Schwundform). Der Dual mit eigenen Endungen wird nur für die 2. und 3. Person gebildet, während die 1. Person des Duals mit der ersten Person Plural zusammenfällt. In den folgenden Beispielen wird nur das Aktiv behandelt.

  • Präsens Indikativ
    • Singular 2. Person:
      παιδεύεις
      „du erziehst“
    • Dual 2. Person:
      παιδεύετον
      „ihr zwei erzieht“
    • Plural 2. Person:
      παιδεύετε
      „ihr erzieht“
  • Aorist Indikativ
    • Singular 3. Person:
      ἐπαίδευσε(ν)
      „er erzog“
    • Dual 3. Person:
      ἐπαιδευσάτην
      „sie zwei erzogen“
    • Plural 3. Person:
      ἐπαίδευσαν
      „sie erzogen“

Konjugationstabellen

Konjugationstabelle für das regelmäßige Verb

λύω

(Infinitiv

λύειν

„lösen“) im Aktiv.

Der Dual wurde aufgrund seiner Seltenheit nicht berücksichtigt.

Haupttempora des Indikativs Nebentempora des Indikativs Konjunktiv Optativ Imperativ
Präsens/
Imperfekt
λύω, λύεις, λύει,
λύομεν, λύετε, λύουσι(ν)

lyō, lyeis, lyei,
lyomen, lyete, lyousi(n)
ἔλυον, ἔλυες, ἔλυε(ν),
ἐλύομεν, ἐλύετε, ἔλυον

elyon, elyes, elye(n),
elyomen, elyete, elyon
λύω, λύῃς, λύῃ,
λύωμεν, λύητε, λύωσι(ν)

lyō, lyējs, lyēj,
lyōmen, lyēte, lyōsi(n)
λύοιμι, λύοις, λύοι,
λύοιμεν, λύοιτε, λύοιεν

lyoimi, lyois, lyoi,
lyoimen, lyoite, lyoien
—, λῦε, λυέτω,
—, λύετε, λυόντων

—, lye, lyetō,
—, lyete, lyontōn
Futur
λύσω, λύσεις, λύσει,
λύσομεν, λύσετε, λύσουσι(ν)

lysō, lyseis, lysei,
lysomen, lysete, lysousi(n)
λύσοιμι, λύσοις, λύσοι,
λύσοιμεν, λύσοιτε, λύσοιεν

lysoimi, lysois, lysoi,
lysoimen, lyseite, lysoien
Aorist
ἔλυσα, ἔλυσας, ἔλυσε(ν),
ἐλύσαμεν, ἐλύσατε, ἔλυσαν

elysa, elysas, elyse(n),
elysamen, elysate, elysan
λύσω, λύσῃς, λύσῃ,
λύσωμεν, λύσητε, λύσωσι(ν)

lysō, lysējs, lysēj,
lysōmen, lysēte, lysōsi(n)
λύσαιμι, λύσαις, λύσαι,
λύσαιμεν, λύσαιτε, λύσαιεν

lysaimi, lysais, lysai,
lysaimen, lysaite, lysaien
—, λῦσον, λυσάτω,
—, λύσατε, λυσάντων

—, lyson, lysatō,
—, lysate, lysantōn
Perfekt/
Plusquam-
perfekt
λέλυκα, λέλυκας, λέλυκε(ν),
λελύκαμεν, λελύκατε, λελύκασι(ν)

lelyka, lelykas, leluke(n),
lelykamen, lelykate, lelykasi(n)
ἐλελύκειν, ἐλελύκεις, ἐλελύκει,
ἐλελύκεμεν, ἐλελύκετε, ἐλελύκεσαν

elelykein, elelykeis, elelykei,
elelykemen, elelykete, elelykesan
λελύκω, λελύκῃς, λελύκῃ,
λελύκωμεν, λελύκητε, λελύκωσι(ν)

lelykō, lelykējs, lelykēj,
lelykōmen, lelykēte, lelykōsi(n)
λελύκοιμι, λελύκοις, λελύκοι,
λελύκοιμεν, λελύκοιτε, λελύκοιεν

lelykoimi, lelykois, lelykoi,
lelykoimen, lelykoite, lelykoien
Zusammengesetzt:
—, λελυκὼς ἴσθι, λελυκὼς ἔστω,
—, λελυκότες ἔστε, λελυκότες ἔστων

—, lelykōs isthi, lelykōs, estō,
—, lelykotes este, lelykotes estōn

Entsprechende Tabelle für das wichtige unregelmäßige Hilfsverb

εἰμί

(Infinitiv

εἶναι

„sein“).

Haupttempora des Indikativs Nebentempora des Indikativs Konjunktiv Optativ Imperativ
Präsens/
Imperfekt
εἰμί, εἶ, ἐστί(ν),
ἐσμέν, ἐστε, εἰσί(ν)

eimi, ei, esti(n),
esmen, este, eisi(n)
ἦ, ἦσθα, ἦν,
ἦμεν, ἦτε, ἦσαν

ē, ēstha, ēn,
ēmen, ēte, ēsan
ὦ, ᾖς, ᾖ,
ὦμεν, ἦτε, ὦσι(ν)

ō, ēs, ē,
ōmen, ēte, ōsi(n)
εἴην, εἴης, εἴη,
εἴημεν, εἴητε, εἴησαν

eiēn, eiēs, eiē,
eiēmen, eiēte, eiēsan
—, ἴσθι, ἔστω,
—, ἔστε, ἔστων

—, isthi, estō,
—, este, estōn
Futur
ἔσομαι, ἔσῃ, ἔσται,
ἐσόμεθα, ἔσεσθε, ἔσονται

esomai, esē, estai,
esometha, esesthe, esontai
ἐσοίμην, ἔσοιο, ἔσοιτο,
ἐσοίμεθα, ἔσοισθε, ἔσοιντο

esoimēn, esoio, esoito,
esoimetha, esoisthe, esointo

Die restlichen Tempora sind für die Benutzung als Hilfsverb irrelevant. Sie werden eigentlich aus dem Stamm des Verbs

γίγνομαι

(„werden“; gleichbedeutend mit englisch

to become

) abgeleitet.

Heutige Bedeutung

Im deutschsprachigen Raum ist das Griechische neben Latein seit dem ausgehenden Mittelalter bis heute eine wichtige Bildungssprache.

In Deutschland wird vorwiegend an humanistischen Gymnasien (meist ab Klasse 7, 8 oder 9) Griechischunterricht erteilt, zudem wird dort Gräzistik im Rahmen der Klassischen Philologie an zahlreichen Universitäten als Lehrfach angeboten. Auch in Österreich und der Schweiz wird Altgriechisch nur an Gymnasien sowie an der Universität gelehrt. Altgriechisch ist neben Latein Pflichtfach im Liceo Classico (vergleichbar einem Humanistischen Gymnasium) in Italien.

Für Studiengänge wie Latinistik, Theologie, Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Philosophie ist das Griechisch-Examen, das sogenannte Graecum, bis heute oft Voraussetzung. Grundlage für das in Schulen gelehrte Altgriechisch bildet das Attische des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., aber auch Autoren anderer Dialekte werden behandelt.

Griechisch-Gymnasiasten können ihre Fähigkeiten im internationalen Exploring-the-Ancient-Greek-Language-and-Culture-Wettbewerb messen.

Zahlreiche deutsche Ausdrücke (geflügeltes Wort, Schwanengesang) und Sprichwörter („Im Wein liegt Wahrheit“, „Eine Hand wäscht die andere“) stammen ursprünglich aus altgriechischen Quellen und sind Lehnübersetzungen. Viele exemplarische Redewendungen altgriechischer Autoren sind bis heute berühmt und werden vielfach zitiert.

Aus dem Altgriechischen entlehnte Wörter finden sich in zahlreichen wissenschaftlichen Fachsprachen, besonders in Gebieten, die bereits durch altgriechische Autoren bearbeitet wurden. Insbesondere im Bereich der Geometrie, Naturwissenschaften, Medizin, Philosophie und Theologie sowie Rhetorik und Theaterwissenschaft haben griechische Wortstämme das Fachvokabular geprägt.

Anders als etwa ältere Formen des Deutschen in der deutschen Sprache, spielt das Altgriechische auch im aktiven Wortschatz der neugriechischen Sprache eine Rolle: So werden antike Zitate und Redewendungen stets unübersetzt benutzt, Wortneubildungen und zusammengesetzte Wörter sind direkt aus dem Altgriechischen abgeleitet.

Siehe auch

Literatur

Geschichte

  • Francisco R. Adrados: Geschichte der griechischen Sprache von den Anfängen bis heute. Tübingen 2002, ISBN 3-7720-2981-7.
  • Egbert Bakker (Hrsg.):
    A Companion to the Ancient Greek Language
    . Malden 2010.
  • A.-F. Christidis (Hrsg.):
    A History of Ancient Greek: From the Beginnings to Late Antiquity
    . Cambridge u. a. 2007 (original Thessaloniki 2001).
  • Hans Eideneier: Von Rhapsodie zu Rap. Aspekte der griechischen Sprachgeschichte von Homer bis heute. Tübingen 1999, ISBN 3-8233-5202-4.
  • Lothar Willms: Klassische Philologie und Sprachwissenschaft. Göttingen 2013, ISBN 978-3-8252-3857-5.

Geschichte und Gliederung der Dialekte

  • Albert Thumb u. a.: Handbuch der griechischen Dialekte. Heidelberg. Bd. 1: 1932; Bd. 2: 1959.
  • Rüdiger Schmitt: Einführung in die griechischen Dialekte. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-05672-8.
  • Wolfgang Blümel: Die aiolischen Dialekte. Phonologie und Morphologie der inschriftlichen Texte aus generativer Sicht. Göttingen 1982, ISBN 3-525-26218-3.
  • Carl Darling Buck:
    The Greek Dialects. Bristol 1999
    , ISBN 1-85399-556-8 (Reproduktion der Ausgabe Chicago 1928).
  • Antonín Bartoněk:
    Classification of the West Greek Dialects at the time about 350 B. C.
    Amsterdam 1972.
  • José L. García-Ramón:
    Les origines postmycéniennes du groupe dialectal éolien
    . Salamanca 1975.
  • Yves Duhoux:
    Introduction aux dialectes grecs anciens
    . Louvain-La-Neuve 1984, ISBN 2-87077-177-0.
  • Domenico Musti (Hrsg.):
    Le origini dei greci – Dori e mondo egeo
    . Rom 1990, ISBN 88-420-3517-3.
  • Julián Méndez Dosuna:
    Los dialectos Dorios del noroeste. Gramatica y estudio dialectal
    . Salamanca 1985, ISBN 84-7481-327-1.

Etymologische Wörterbücher

Wörterbücher

Grammatiken

  • Eduard Bornemann und Ernst Risch: Griechische Grammatik. Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-425-06850-4.
  • Herbert W. Smyth:
    Greek Grammar
    . Cambridge/Mass. 1984, ISBN 0-674-36250-0.
  • Adolf Kaegi: Kurzgefasste griechische Schulgrammatik. Hildesheim 2001, ISBN 3-615-70100-3 (Erstausgabe Berlin 1884).
  • Raphael Kühner, Friedrich Blass, Bernhard Gerth: Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache. Darmstadt 2015, ISBN 978-3-534-26732-3 (Erstausgabe Hannover 1890–1892).
  • Evert van Emde Boas, Albert Rijksbaron, Luuk Huitink, Mathieu de Bakker: The Cambridge Grammar of Classical Greek. University Printing House, Cambridge, 2019, ISBN 978-0-521-12729-5

Historische Grammatik

  • Eduard Schwyzer: Griechische Grammatik. München 1990ff. (3 Bände).
  • Helmut Rix: Historische Grammatik des Griechischen. Laut- und Formlehre. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-03840-1.
  • Andrew L. Sihler:
    New Comparative Grammar of Greek and Latin
    . New York 1995, ISBN 0-19-508345-8.

Aussprache

  • W. Sidney Allen:
    Vox Graeca. A Guide to the Pronunciation of Classical Greek
    . Cambridge 1968 (Taschenbuchausgabe 1987), ISBN 978-0-521-33555-3.
  • Axel Schönberger: Zur Behandlung der Akzentuierung des Altgriechischen in ausgewählten deutschen Darstellungen unter kritischer Betrachtung griechischer Quellen des ersten Jahrtausends nach Christus. Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-936132-39-7.

Lehrbücher

  • Christophe Rico et al.: Polis – Altgriechisch lernen wie eine lebende Sprache. Übersetzung aus dem Französischen von Helmut Schareika, Helmut Buske Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-87548-571-4.
  • Günther Zuntz: Griechischer Lehrgang. 3 Bände, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1983. Als freie PDFs verfügbar.

Weblinks

Wiktionary: Altgriechisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Portal:Altgriechisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Wörterbücher

Sprachlehrgänge

Bibliographien

Textsammlungen

Sonstiges

Einzelnachweise

  1. Library of Congress: ISO 639-2
  2. SIL: grc
  3. Ethnologue: grc
  4. a b c Heinz F. Wendt: Das Fischer Lexikon – Sprachen. Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-596-24561-3.
  5. a b c d Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens (= Wieser-Enzyklopädie des europäischen Ostens. Band 10). Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002, ISBN 3-85129-510-2, Christos Karvounis: Griechisch (Altgriechisch, Mittelgriechisch, Neugriechisch), S. 21–46 (aau.at [PDF; 977 kB]).
  6. Fritz Schachermeyer: Die vorgriechischen Sprachreste. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Band XXII, 1494 ff.; F. Lochner-Hüttenbach: Die Pelasger. Arbeiten aus dem Institut für vergleichende Sprachwissenschaft in Graz, Wien 1960.
  7. Jan Driessen: Chronology of the Linear B-Texts. In: Yves Duhoux; Anna Morpurgo Davies (Hrsg.): A Companion to Linear B. Vol. 1, Dudley, Louvain-la-Neuve 2008, S. 69–79, bes. S. 75f.
  8. Herbert Weir Smyth, Gordon M. Messing: Greek Grammar. Cambridge, Harvard University Press, 1956, S. 45 f.
  9. a b William W. Goodwin, A Greek Grammar. Revised and enlarged, Boston, 1900, S. 35. “
    159 The gender must often be learned by observation. But
    (1) Names of males are generally masculine, and names of females feminine.
    (2) Most names of rivers, winds, and months are masculine; and most names of countries, towns, trees, and islands are feminine.
    […]
    (4) Diminutive nouns are neuter […].
  10. Herbert Weir Smyth & Gordon M. Messing: Greek Grammar. Cambridge, Harvard University Press, 1956, S. 46. Zitat: “
    198. Common Gender. – Many nouns denoting persons are either masculine or feminine. […]
  11. William W. Goodwin, A Greek Grammar. Revised and enlarged, Boston, 1900, S. 35. Zitat: “
    158. Nouns which may be either masculine or feminine are said to be of the common gender as
    (ὁ, ἡ) θεός
    , God or Goddess. Names of animals which include both sexes, but have only one grammatical gender, are called epicene (
    ἐπίκοινος
    ); as [..]
    ἡ ἀλώπηξ
    , the fox; [..] including males and females.
  12. Herbert Weir Smyth & Gordon M. Messing: Greek Grammar. Cambridge, Harvard University Press, 1956, S. 84. Zitat: “
    134. Moveable N may be added at the end of a word when the next word begins with a vowel. […] 135 Moveable ν is usually written at the end of clauses, and at the end of a verse in poetry. To make a syllable long by position (144) the poets add ν before words beginning with a consonant. Prose inscriptions frequently use ν before a consonant.
  13. Herbert Weir Smyth & Gordon M. Messing: Greek Grammar. Cambridge, Harvard University Press, 1956, S. 90.
  14. William W. Goodwin, A Greek Grammar. Revised and enlarged, Boston, 1900, S. 82.
  15. Herbert Weir Smyth: A Greek Grammar For Colleges. 1920, §.357: „The infinitive […] is sometimes classed as a mood.“
  16. Günther Zuntz: Griechischer Lehrgang. Band 3: Appendix grammatica, Summa grammatica, Sachregister. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1983, ISBN 3-525-25320-6, S. 114 f. (digitale-sammlungen.de [abgerufen am 15. April 2019]).
  17. Martin Holtermann: "Medio tutissimus ibis. Zur Didaktik der Diathesen im Griechischunterricht". Forum Classicum. 2019, S. 180–192 (uni-heidelberg.de [abgerufen am 16. Dezember 2019]).