Anne Ranasinghe

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Anne Ranasinghe (* 2. Oktober 1925 in Essen; † 17. Dezember 2016 in Colombo, Sri Lanka[1]) war eine der bedeutendsten sri-lankischen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Sie trat vor allem mit ihrer Lyrik und mit Kurzgeschichten hervor. Ihre Werke sind in englischer Sprache verfasst.

Leben

Herkunft und frühe Kindheit

Anne Ranasinghe wurde als Anneliese Katz in Essen in eine jüdische Familie geboren. Sie blieb das einzige Kind von Emil Katz (1892–1944) und Anna Amalie, genannt Änne, geborene Mendel (1902–1944). Anne Katz besuchte ab 1931 die jüdische Volksschule in Essen. Dort schrieb sie mit zehn Jahren ihr erstes Theaterstück, ein Purim-Spiel in zehn Bildern. Sie ging ab 1936 in die Jawne, das jüdische Gymnasium in Köln, nachdem ihr der Besuch des städtischen Gymnasiums verwehrt blieb.[2] Hierzu fuhr sie täglich von Essen mit dem Zug, begleitet von ihren zwei Mitschülerinnen Miriam Hahn und Lotte Rosendahl. Die drei Freundinnen waren Mitglied im Jugendverband Makkabi Hazair.

Anne erlebte 1938 das Novemberpogrom, ihr Vater, ein Weltkriegsveteran, wurde im KZ Dachau inhaftiert, die elterliche Wohnung verwüstet.

Jugend in England

Januar 1939, im Alter von 13 Jahren, wurde Anne von ihren Eltern mit einem Kindertransport zu einer Tante nach England geschickt, während ihre Eltern noch auf Ausreisepässe warteten. Ihr Vater durfte sie bis an die holländische Grenze begleiten.[2]

In England besuchte Ranasinghe die Parkstone Girl's Grammar School in Poole, Dorset. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde sie zunächst zu einem friendly feindlichen Ausländer erklärt. Sie arbeitete dann als Krankenschwester im Kriegshilfsdienst. Nach Kriegsende erfuhr sie, dass ihre Eltern und alle Verwandten durch die Nationalsozialisten ermordet worden waren. Die Eltern waren ins Ghetto Lodz deportiert und drei Jahre später in Kulmhof vergast worden.

1994 erschien in ihrem einzigen deutschsprachigen Band („Du Fragst Mich, Warum Ich Gedichte Schreibe“) neben anderen Holocaust-Gedichten ein Werk, welches sich mit dem Tod der Eltern auseinandersetzt:

„Ich weiß nicht
In welcher fremden, fernen Erde
Sie Dich begraben haben;
Auch nicht welche rauhen, nördlichen Winde
Durch die Stoppeln jagen,
die trocknen, harten Stoppeln
Auf Deinem Grab.

Und hast Du an mich gedacht
An jenem frost-blauen Dezembermorgen
Schwer von Schnee und beißend kalt,
Als Du nackt und vor Kälte zitternd
Unter dem bleifarbenen Himmel gingst
In jenem letzten Moment
Als Du wußtest, die ist das Ende
Das Ende vom Nichts
Und der Anfang vom Nichts, Hast Du an mich gedacht?

Oh, wie ich mich an Dich erinnere, Du so sehr Geliebte,
Deine blassen Hände erhoben
In alter Weise segnend,
Deine Augen hell leuchtend
Über den Kerzen
Den Segen anstimmend
Gelobt sei der Herr..

Und dies ist der Schmerz,
Lähmender Schmerz und Entsetzen,
Daß es letztlich kein Martyrium war,
Sondern nur sinnlos –
Die Sinnlosigkeit des Sterbens
Das Ende vom Nichts
Und der Anfang vom Nichts.
Ich weine rote Tränen aus Blut. Von Deinem Blut.“

Anna Ranasinghe: Holocaust 1944 - Für meine Mutter[3]

Ausbildung und Umzug nach Sri Lanka

Anne ließ sich zur Krankenschwester ausbilden und schloss eine journalistische Ausbildung ab. 1949 heiratete sie den sri-lankischen Medizinprofessor Dr. Abraham Ranasinghe und ging mit ihm und ihrem ersten Sohn 1952 nach Sri Lanka, wo sie die nächsten vierzig Jahre die einzige bekannte Jüdin sein sollte. Als ihre jüngste Tochter acht Jahre alt wurde, begann Ranasinghe mit einem Studium (Journalismus) an der Colombo Polytechnic, welches sie mit Examen abschloss.[2]

Besuch in Essen

Im November 1983 kam Anne Ranasinghe erstmals seit ihrer Flucht für drei Tage nach Essen zurück und ermöglichte der dortigen Alten Synagoge die Edition eines Bandes lyrischer Texte englischer Sprache mit deutscher Übersetzung und biografischen Erläuterungen, verbunden mit ihrer Widmung: „Für meine Eltern, und für alle anderen Essener Juden, die von den Nazis ermordet wurden.“[4]

Persönliches

Das Ehepaar hatte neben drei Kindern aus erster Ehe des Mannes noch vier gemeinsame Kinder.[5] Ihr Mann starb 1981. Anne Ranasinghe starb im Dezember 2016 im Alter von 91 Jahren in Colombo.

Wirken

Schriftstellerei und Rundfunk

Seit den 70er-Jahren schrieb Ranasinghe Gedichte und Prosa sowie Features und Hörspiele.

Für ihre Werke, die in sieben Sprachen übersetzt wurden, erhielt sie mehrere Literaturpreise, darunter 2007 als höchste Auszeichnung des Landes Sri Lanka den State Literary Award für ihr Lebenswerk.[6] Eines ihrer sonst ausnahmslos von Radio Singapur in Auftrag gegebenen Hörspiele entstand im Auftrag des Rundfunks der DDR[5] und wurde 1975 in deutscher Übersetzung ausgestrahlt.[7]

Der Gedichtband, welchen Ranasinghe der Alten Synagoge in Essen zur Edition zur Verfügung stellte, ist in die Sammlung der Beweis- und Lernmaterialien des Holocaust-Gedenkmuseums der Vereinigten Staaten aufgenommen[8], und ihr darin publiziertes Gedicht Holocaust 1944 ist beispielhaft enthalten in der Anthologie Holocaust Poetry neben Werken von W. H. Auden, Paul Celan, Primo Levi, Nelly Sachs und Elie Wiesel[9]. 1985 wurde im WDR ein 45-minütiger Dokumentarfilm von Michael Lentz über ihr Leben mit dem Titel Heimsuchung – Anne Ranasinghe’s Konfrontation mit den Deutschen (engl. Visitation) gezeigt.[10]

Weitere Engagements

Von 1975 bis 1990 war sie für Amnesty International South Asia mit Sitz in Colombo tätig.

Preise und Auszeichnungen

  • 2007: State Literary Award
  • 2011: „The Godage National Literary Award for lifelong Contributions to Sri Lankan Literature“
  • 2015: Bundesverdienstkreuz[11]

Werke (Auswahl)

  • Poems - And a Sun That Sucks The Earth to Dry, 1971
  • With Words We Write Our Lives Past, Present, Future, 1972
  • Plead Mercy, 1975
  • Love, Sex and Parenthood 1978
  • Die Frau und ihr Gott. Kurzgeschichte, in: Hermann Schröter (Hrsg.): Geschichte und Schicksal der Essener Juden : Gedenkbuch für die jüdischen Mitbürger der Stadt Essen. Stadt Essen, Essen 1980, S. 290–296
  • Of charred wood midnight fear / Verbranntes Holz und Angst um Mitternacht. Poems / Gedichte. Zweisprachig; deutsche Übers. Monika Nold. Alte Synagoge Essen (Hrsg.), 1983
  • Against Eternity and Darkness 1985
  • At What Dark Point, 1991
  • Not Even Shadows, 1991
  • Desire and other Stories 1994
  • You Ask Me Why I Write Poems, 1994
    • Du Fragst Mich, Warum Ich Gedichte Schreibe. Übers. Jeannine Braun. Maro, Augsburg 1994
  • The Letter and Other Stories, 1994
  • Mascot and Symbol, 1997
  • A Long Hot Day, 2005
  • On the fifth Day, 2006
  • Snow, 2014
  • Who can guess the moment?, 2015
  • Four Things, 2016

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Yohan Perera: Anne Ranasinghe passes away. The Daily Mirror (Sri Lanka), 19. Dezember 2016, abgerufen am 22. Dezember 2016 (englisch).
  2. a b c https://www.hagalil.com/2016/12/ranasinghe/ Nachruf Anne Ranasinghe. Website ha Galil. Abgerufen am 1. November 2020.
  3. https://www.hagalil.com/2016/12/ranasinghe/ Nachruf Anne Ranasinghe.] Website ha Galil. Abgerufen am 1. November 2020.
  4. Vgl. Anne Ranasinghe-Katz, Of charred wood midnight fear / Verbranntes Holz und Angst um Mitternacht. Poems / Gedichte. Zweisprachig; deutsche Übers. Monika Nold. Alte Synagoge Essen (Hrsg.), 1983
  5. a b Anne Ranasinghe. Viator Publications, 9. September 2005, archiviert vom Original am 8. September 2005; abgerufen am 22. Dezember 2016 (englisch).
  6. Marko Martin: Wie Rilke nach Colombo kam. Anne Ranasinghe ist Sri Lankas berühmteste Dichterin. Jüdische Allgemeine, 20. Januar 2011, abgerufen am 22. Dezember 2016.
  7. Die leere Straße. HörDat, abgerufen am 22. Dezember 2016 (pdf; 25 kB).
  8. Anne Ranasinghe-Katz, Of charred wood, midnight fear : Poems = Verbranntes Holz und Angst um Mitternacht : Gedichte ist im Holocaust-Gedenkmuseum verfügbar unter "Publication | Library Call Number: PR9440.9.R35 O35 1983"
  9. Hilda Schiff (Hrsg.), Holocaust Poetry, New York : St. Martin's Griffin, 1995.
  10. Anne Ranasinghe. WriteClique.net, 6. Februar 2005, archiviert vom Original am 6. Februar 2005; abgerufen am 22. Dezember 2016.
  11. Schreibend zur Wehr gesetzt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. November 2015, Seite 42.