Arthur von Oettingen

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Arthur von Oettingen

Arthur Joachim von Oettingen (* 16. Märzjul. / 28. März 1836greg. auf dem Gut Ludenhof bei Dorpat, Livland, heute Estland; † 5. September 1920 in Bensheim, Kreis Bergstraße, Hessen) war ein deutsch-baltischer Physiker und Musiktheoretiker, Professor an den Universitäten Dorpat und Leipzig, kaiserlich russischer Wirklicher Staatsrat.

Familie

Er entstammte dem alten, ursprünglich aus Westfalen stammenden Adelsgeschlecht von Oettingen und war der Sohn des Gutsbesitzers Alexander von Oettingen (1798–1846), livländischer Landmarschall und Landrat, und der Helene von Knorring (1793–1863).

Oettingen heiratete am 24. April 1869 in Dorpat Natalie von Brackel (* 17. August 1850 in Warta, Landkreis Sieradz, Polen; † 12. Februar 1913 in Leipzig, Sachsen), die Tochter des kaiserlich russischen Generalmajors Woldemar von Brackel und der Katharina Elisabeth Duffing.

Seine beiden Brüder, Georg (1824–1916), und Alexander von Oettingen (1827–1905), waren ebenfalls an der Universität Dorpat tätig. Drei weitere Brüder, August Georg Friedrich (1823–1908), Nicolai Conrad Peter (1826–1876) und Eduard Reinhold (1829–1919), waren in der livländischen Landespolitik aktiv.

Leben

Oettingen studierte in Dorpat (1853 bis 1855) Astronomie, danach Physik. 1859 wurde er mit der Arbeit Über eine Klasse bestimmter Integrale Kandidat der Physik. Da in Dorpat die Experimentalphysik nicht vertreten war, setzte er sein Studium ab 1859 in Paris und ab 1860 in Berlin fort. In Paris studierte er nicht nur Physik in den Laboratorien von Antoine César Becquerel und Henri Victor Regnault, sondern besuchte auch Lehrveranstaltungen zur Mathematik, Anatomie und Physiologie. In Berlin arbeitete er in den Laboratorien von Heinrich Gustav Magnus, Johann Christian Poggendorff, Heinrich Wilhelm Dove und Karl Adolph Paalzow. Daneben hörte er wieder Mathematikvorlesungen, unter anderem bei Jakob Steiner, dessen synthetische Geometrie er später selbst wissenschaftlich vertrat.

Nach seiner Rückkehr nach Dorpat promovierte er 1862 mit der Arbeit Der Rückstand der Leidener Batterie als Prüfungsmittel für die Art der Entladung zum Magister und erwarb mit Ueber das Laden der Leydener Batterie durch Induction und über die Entladung der Batterie durch das Inductorium die Lehrbefähigung als Privatdozent. 1865 promovierte er mit der Arbeit Über die Correction der Thermometer, insbesondere über Bessel's Kalibrir-Methode zum Doktor und wurde im gleichen Jahr außerordentlicher Professor und im März 1868 ordentlicher Professor in seiner Heimatstadt. Oettingen widmete sich insbesondere der Meteorologie und gründete ein Observatorium in Dorpat, das 1869 der Universität zugewiesen wurde. 1876 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Russische Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg aufgenommen.[1]

Seit den achtziger Jahren gab es zunehmende politische Auseinandersetzungen in den Ostseegouvernements, die sich auch auf das Hochschulwesen übertrugen. 1888 wurde Oettingen zwar emeritiert, aber zunächst für fünf Jahre als Honorarprofessor weiter beschäftigt. 1893 ließ sich Oettingen deswegen in Leipzig nieder, wo er auf Empfehlung seines Schülers Wilhelm Ostwald als Privatdozent tätig war und 1894 zum Honorarprofessor ernannt wurde. Dieses Amt hatte er bis 1919 inne. Seit 1901 war er Mitglied der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften.

Oettingen war wissenschaftlich auch in der Thermodynamik tätig und war der erste europäische Physiker, der den Ideen Josiah Willard Gibbs den Weg bereitete. Er erfand das Anämometer zur Messung von Windstärken. Daneben beschäftigte er sich mit den Grundlagen der Musiktheorie und gilt als leidenschaftlicher Verfechter des harmonischen Dualismus, der Deutung des Moll-Akkordes als zum Dur-Akkord spiegelsymmetrischen Unterklang. Im Anschluss an Hermann von Helmholtz und zahlreiche weitere Physiker und Musiker konstruierte er mit seinem 1916 fertiggestellten Orthotonophonium ein Harmonium in reiner Stimmung, dessen Tondisposition gemäß seinen dualistischen Anschauungen vom Ton d ausgehend symmetrisch konzipiert war. Auf diesem Instrument ist die Oktave in 53 nicht temperierte Tonstufen unterteilt, so dass sich von allen Tönen rein gestimmte Terzen und Quinten intonieren lassen, jedoch keine Naturseptimen. In seinem Buch Das duale Harmoniesystem führte er 1913 die Millioktave als Maßeinheit von Mikrointervallen ein. Dafür unterteilte er die Oktave in 1000 mO ein. Dieses Maß hat sich jedoch nicht gegen die Einteilung in 1200 Cent (100 Cent pro temperiertem Halbton) durchsetzen können. Durch die Rezeption von Musiktheoretikern wie Hugo Riemann, Richard Wicke und Jens Rohwer wurden einige seiner Gedanken lange Zeit intensiv diskutiert; zu den wenigen späteren Theoretikern, die seine Ideen aufgriffen, gehört Martin Vogel.

1909 gründete er gemeinsam mit Edwin Bormann und Georg Bötticher den Leipziger Künstlerbund der Leoniden.

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Grabstätte Arthur und Natalie von Oettingen auf dem Südfriedhof in Leipzig

Oettingen starb am 5. September 1920 in Bensheim an der Bergstraße, wohin er 1919 zu seinem Sohn Reinhart gezogen war. Begraben wurde er auf dem Südfriedhof in Leipzig.

Orden und Ehrenzeichen

Veröffentlichungen (Auswahl)

Literatur

  • Lothar Dunsch: „Arthur von Oettingen – der akademische Lehrer als Nachfolger“, in: Ein Fundament zum Gebäude der Wissenschaften. 100 Jahre Ostwalds Klassiker (1889–1989) (= Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften Sonderband), Leipzig 1989, S. 40–45.
  • Karl Traugott Goldbach: „Arthur von Oettingen und sein Orthotonophonium im Kontext“. In: Tartu ülikooli muusikadirektor 200, hrsg. v. Geiu Rohtla, Tartu 2007.
  • Karl Traugott Goldbach: „Die musiktheoretische Lehre der Naturwissenschaftler Arthur von Oettingen und Wilhelm Ostwald an der Universität Dorpat“, in: Universität und Musik im Ostseeraum, hrsg. v. Ekkehard Ochs u. a. (= Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft Bd. 17), Berlin 2009, S. 217–240. teilweise online
  • Karl Traugott Goldbach: „An den Grenzen der Musiktheorie“, in: An den Grenzen der Wissenschaft. Die Annalen der Naturphilosophie und das Natur- und Kulturphilosophische Programm ihrer Herausgeber Wilhelm Ostwald und Rudolf Goldscheid, hrsg. v. Pirmin Stekeler-Weithofer u. a. (= Abhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philogisch-Historische Klasse, Bd. 82, H. 1), Stuttgart 2011, S. 187–211.
  • Toomas Pung: „Die Wissenschaftlerfamilie v. Oettingen“, in: Deutsche im Zarenreich und Russen in Deutschland, hrsg. v. Ingrid Kästner und Regine Pfrepper (= Deutsch-russische Beziehungen in Medizin und Naturwissenschaften Bd. 12), Aachen 2005, S. 359–380 (zu Arthur von Oettingen hier S. 369–376).
  • Martin Vogel: „Arthur v. Oettingen und der harmonische Dualismus“. In: Beiträge zur Musiktheorie des 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Martin Vogel (= Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts Bd. 4), Regensburg 1966, S. 103–132.
  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser B Band XII, Seite 374, Band 64 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1977, ISSN 0435-2408
  • Bartel, Hans-Georg: Oettingen, Arthur von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 477 f. (Digitalisat).

Weblinks

Einzelnachweise