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Klassifikation nach ICD-10
A69.2 Lyme-Krankheit
Erythema chronicum migrans durch Borrelia burgdorferi
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Lyme-Borreliose oder Lyme-Krankheit ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Borrelia burgdorferi oder verwandte Borrelien aus der Gruppe der Spirochäten ausgelöst wird. Die Erkrankung kann verschiedene Organe in jeweils verschiedenen Stadien und Ausprägungen betreffen, speziell die Haut, das Nervensystem und die Gelenke. Die Infektion mit Borrelia burgdorferi kommt beim Menschen und bei verschiedenen Säugetieren sowie Vögeln vor. Der Infektionsweg verläuft in der Regel von einem Reservoirwirt über Zecken wie dem Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) als Überträger (Vektor).

Entdeckung und Namensgebung

Die Bezeichnung Lyme-Borreliose setzt sich zusammen aus dem Namen des amerikanischen Ortes Lyme, in dem das Krankheitsbild 1975 nach gehäuftem Auftreten von Gelenksentzündungen in Verbindung mit Zeckenstichen erstmals beschrieben wurde,[1] und aus der Bezeichnung der Erregerfamilie, die nach dem französischen Bakteriologen Amédée Borrel benannt ist. Dem Arzt und Bakteriologen Willy Burgdorfer gelang 1981 erstmals der Nachweis der neu entdeckten Borrelia-Art aus Zecken und 1982 ihre Anzucht.[1] Ihm zu Ehren wurde diese Spezies Borrelia burgdorferi benannt.

Erreger

Borrelien

Borrelien sind gramnegative spiralförmige Bakterien und gehören zur Familie der Spirochäten. Erreger der Lyme-Borreliose sind die Arten Borrelia burgdorferi sensu stricto, B. garinii, B. afzelii und B. spielmanii.

In den USA ist Borrelia burgdorferi sensu stricto als humanpathogene Art verbreitet; in Deutschland und weiteren europäischen Staaten sind die anderen Arten verbreiteter, was als Ursache unterschiedlicher Manifestationen in Europa und Amerika diskutiert wird. Als Oberbegriff für die Erreger, die die Lyme-Borreliose verursachen, wird der Begriff Borrelia burgdorferi sensu lato verwendet. Des Weiteren gibt es noch weitere Borrelia-Arten, wie unter anderem B. recurrentis und B. hermsii, die Erreger des Rückfallfiebers.

Statistik

Verbreitung

Länder mit berichteten Fällen

Die Lyme-Borreliose ist in der nördlichen Hemisphäre die häufigste zecken-übertragene Infektionskrankheit. In Deutschland gibt es ein Süd-Nord-Gefälle bei der Durchseuchung des Holzbocks. Laut Angaben des Robert-Koch-Institues sind etwa 6 - 35% der Zecken in Deutschland von Borrelien befallen. Nach einem Zeckenstich kommt es in 1,5 - 6% der Fälle zu einer Infektion. In 0,3-1,4% der Fälle kommt es zu einer Erkrankung.[2]

Es fehlen flächendeckende epidemiologische Studien und Daten über die Ausbreitung und das Infektionsrisiko sowie der Verteilung der jeweiligen Genospezies. Ebenso gibt es nach wie vor Wissenslücken über die Pathomechanismen und den langfristigen Verlauf der Krankheit. Im Gegensatz zur artverwandten Syphilis, zur durch Läuse übertragenen Borrelia recurrentis sowie zur ebenfalls durch Zecken übertragenen FSME wurde die Borreliose nicht in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Es besteht jedoch eine auf landesrechtlicher Ebene geregelte Meldepflicht für Rheinland-Pfalz und das Saarland,[3] Bayern,[4] sowie Berlin und neue Bundesländer. Hier werden die Falldefinitionen des Robert-Koch-Instituts zugrunde gelegt, die eine Meldung der Frühmanifestationen, d. h. des Erythema chronicum migrans, der frühen Neuroborreliose und der Lyme-Arthritis vorsehen. Das Erythema migrans tritt jedoch nur in etwa 50 % der Neuerkrankungen auf.

Bei der DNA-Sequenzierung der 5300 Jahre alten Gletschermumie Ötzi wurden Spuren von Borrelia burgdorferi gefunden.[5] Damit ist dies der älteste dokumentierte Borreliose-Fall in der Menschheitsgeschichte und der erste Nachweis in einem nicht mehr lebenden Individuum überhaupt.[6] Allerdings wurde lediglich eine 60%ige Übereinstimmung des genetischen Materials festgestellt. Auch liegen keine Erkenntnisse darüber vor, um welche Borrelia-Art es sich handelt.

Infektionsrisiko und Durchseuchungsraten

Lyme-Borreliose ist in der nördlichen Hemisphäre die häufigste zecken-übertragene Erkrankung.[7] Eine Borrelieninfektion durch Zecken ist – im Gegensatz zu der durch Viren hervorgerufenen FSME – in ganz Deutschland und sogar in Städten möglich. Wie eine Studie des Robert-Koch-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Referenzzentrum für Borrelien am Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Mikrobiologie in München zeigte, stellt „der direkte Kontakt mit Büschen in Gärten, insbesondere in Waldnähe, ein bisher unterschätztes Risiko dar, über Zeckenstiche an [...] Lyme-Borreliose zu erkranken“.[7] Gleichwohl hat nicht jeder Zeckenstich eine Borrelieninfektion oder gar eine Erkrankung an Borreliose zur Folge. In Deutschland ist nach bisherigen Erkenntnissen nach einem Zeckenstich bei 0,3–1,4 % mit einer manifesten Erkrankung zu rechnen.[8]

Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung in Europa. Etwa 5–35 % der Zecken sind mit Borrelien befallen, wobei adulte Zecken im Durchschnitt zu 20 %, Nymphen zu 10 % und Larven nur zu etwa 1 % infiziert sind.[8] Forscher gehen in Hochrisikogebieten, wie z. B. in Teilen von Süddeutschland, von 30 bis 50 % borrelienbefallener Zecken aus. In der Region Konstanz am Bodensee lag die mittlere Durchseuchungsrate der Zecken mit Borrelien (B. burgdorferi Spezies) bei 35 %.[9] Im Englischen Garten und den Isar-Auen in München waren über 30 % der gefundenen Zecken von Borrelien befallen.[10]

In Deutschland kamen die meisten kassenärztlich abgerechneten Borrelien-Behandlungsfälle in Brandenburg, Sachsen und Bayern entlang der Grenze zu Polen und Tschechien vor, weitere Schwerpunkte waren Franken und Teile der Pfalz.[11] Laut RKI vom 10. April 2012 ist die Datenlage zur Prävalenz der LB in der Bevölkerung in vielen europäischen Ländern begrenzt, da keine nationalen Überwachungs-Systeme vorhanden sind. Dies liegt zum Teil an der unsicheren Diagnostik dieser Erkrankung und den damit zu erwartenden Fehlklassifikationen. Darüber hinaus sind Überwachungs-Daten in diesem Bereich wegen der unterschiedlichen Überwachungs-Systeme nur schwer vergleichbar (freiwillige und verpflichtende Meldung, Meldung unterschiedlicher Krankheitsmanifestationen). In sechs ostdeutschen Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) sind das Erythema migrans, die frühe Neuroborreliose und die akute Lyme-Arthritis als LB meldepflichtige Manifestationen. Im Jahr 2009 betrug die jährliche Inzidenz in diesen Bundesländern 34,7 Meldefälle pro 100.000 Einwohner. Ergebnisse von zwei bevölkerungsbezogenen prospektiven Kohortenstudien in Süddeutschland zeigten Jahresinzidenzen zwischen 111 und 260 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner[12]

Für Österreich werden Inzidenzen zwischen 135[13] und 300[14] pro 100.000 Einwohner angegeben, für die Schweiz zwischen 25[15] und 131[16]

An der Universität Heidelberg wurde in einer Studie das Infektionsrisiko nach einem Zeckenstich ermittelt: Hiernach infizierten sich im Durchschnitt 3,3 % aller von Zecken gestochenen Personen. Betrachtet man jedoch nur die mit Borrelia burgdorferi befallenen Zecken, so liegt die Gefahr, sich zu infizieren, bei 25,6 %. Die Durchseuchungsrate der Zecken betrug dabei 11 %.[17] Bei einer höheren Durchseuchungsrate ist demzufolge auch von einem höheren Infektionsrisiko nach einem Zeckenstich auszugehen.

Laut Robert-Koch-Institut[8] findet man folgende Angaben zur Erkrankungswahrscheinlichkeit nach einem Zeckenstich (Angaben für Gesamtdeutschland, unabhängig davon ob die Zecken infiziert waren oder nicht):

  • In Deutschland ist nach bisherigen Erkenntnissen nach einem Zeckenstich bei 1,5–6 % der Betroffenen mit einer Infektion (einschließlich der klinisch inapparenten Fälle) zu rechnen
  • eine manifeste Erkrankung jedoch nur bei 0,3–1,4 %.

Zuverlässige Zahlen hierzu gibt es nicht. Legt man aber diese Zahlen zugrunde, kann man davon ausgehen, dass 25 bis 50 % der mit Borrelien infizierten Personen im weiteren Verlauf auch an einer Lyme-Borreliose erkranken.

Einige Labors bieten die PCR-Untersuchung von Zecken, die vom Körper entfernt wurden, auf Borrelien an. Ein Befall mit Borrelien ist jedoch nicht mit einer Krankheitsübertragung gleichzusetzen. Denn bis es nach einem Zeckenstich zu einer Übertragung der Borrelien kommen kann, muss – anders als bei dem FSME-Virus – eine gewisse Zeit vergehen. Die Angaben darüber schwanken zwischen 6 und 48 Stunden.[17] Fest steht jedoch: Je länger eine mit Borrelien befallene Zecke gesaugt hat, umso höher ist das Risiko einer Übertragung. Ein Teil der Infektionen erfolgt aber auch durch das unsachgemäße Entfernen der Zecke, wenn diese gequetscht wird.

Zecken sollten so schnell wie möglich entfernt werden. Hierzu bieten sich spezielle Pinzetten an, die vorzugsweise aus Edelstahl gefertigt sein sollten (siehe auch ausführlich unter Zeckenstich).

Übertragung

Ixodes ricinus – einer der Hauptüberträger von Borrelien

Überträger des Bakteriums sind in der Regel Zecken, die den Erreger beim Saug- und Stechakt nach einigen Stunden (in der Regel in einem Zeitfenster von acht bis zwölf Stunden nach dem Einstich) auf den Menschen übertragen. In Deutschland werden die Erreger des Borrelia burgdorferi sensu lato-Komplexes primär durch die Zecke Ixodes ricinus, auch Gemeiner Holzbock genannt, übertragen.

Als weitere Überträger der Borreliose werden von Wissenschaftlern auch Stechmücken diskutiert, wobei in bisherigen Studien[18][19] nur eine sehr geringe Durchseuchung von Mücken festgestellt wurde. Es wurden Einzelfälle einer Übertragung durch Bremsen dokumentiert, wobei bislang keine Bestätigung durch breitere Studien vorliegt, ob diese Insekten tatsächlich als Vektor infrage kommen.[20]

Es besteht ein sehr geringes Risiko einer Übertragung des Erregers während der Schwangerschaft von der Mutter auf das Kind über die Plazenta. Einen sicheren Nachweis einer Erkrankung in der Gebärmutter gibt es nicht.[1]

Diagnose

Die Diagnostik der Borreliose basiert auf zwei Säulen. Zum einen sind das ein charakteristisches klinisches Bild sowie ein typischer Verlauf. Zum anderen muss die Diagnose durch entsprechende Labortests bestätigt werden.

Unter den klinischen Symptomen gelten als krankheitsbeweisend nur die Wanderröte und im III. Stadium die chronische Hautentzündung Akrodermatitis chronica atrophicans (ACA). Die Dunkelziffer ist jedoch hoch und es gibt keine verlässlichen Angaben darüber, da die Wanderröte (Erythema migrans) ausbleiben oder untypische Erscheinungsformen haben kann (Neuroborreliose). Bei einer Untersuchung am Universitätsklinikum Freiburg von 1990 bis 2000, die 86 Fälle von akuter Neuroborreliose umfasste, berichteten sogar nur 23 % der Patienten von einer Wanderröte.[21] Das Erythema migrans kann entweder nicht auftreten oder aber auch an schwer zugänglichen Körperregionen übersehen werden.

In der Borrelien-Serologie werden in der Routinediagnostik Antikörpertests eingesetzt. Das sind in der Regel der ELISA und der Westernblot, auch Immunoblot genannt. Manche Labore führen auch einen Immunfluoreszenztest (IFT) durch. Solche Tests können nur die Antikörper messen, d. h. feststellen, ob ein Erregerkontakt stattgefunden hat oder nicht. Es ist jedoch durch diese Verfahren nicht möglich, festzustellen, ob es sich um eine akute oder ausgeheilte Infektion handelt. Deshalb ist es auch nicht möglich, aufgrund der serologischen Ergebnisse nach einer Behandlung mit Antibiotika festzustellen, ob diese wirksam war und die Borreliose nun ausgeheilt ist. Hinzu kommt, dass die einzelnen Testverfahren nicht standardisiert sind und eine unterschiedliche Spezifität und Sensitivität aufweisen. Bei sehr sensitiven Tests besteht oftmals das Problem von sogenannten Kreuzreaktionen. Das bedeutet, der Test zeigt ein positives Borrelien-Ergebnis an, der Betreffende hat aber keine Lyme-Borreliose (Positiver Vorhersagewert, falsch-positiv). Falsch positive Ergebnisse können zum Beispiel durch nicht humanpathogene Borrelia-Arten sowie andere Spirochäten wie Treponema pallidum oder Treponema denticola, Leptospiren, aber auch durch das Epstein-Barr-Virus oder das Zytomegalievirus verursacht werden. Bei Verwendung von sehr spezifischen, aber nicht ausreichend sensitiven Tests sind falsch negative Ergebnisse möglich. (Negativer Vorhersagewert, falsch-negativ). In der Frühphase gibt es zudem, wie bei anderen Infektionskrankheiten auch, eine diagnostische Lücke, da es einige Zeit dauert, bis sich Antikörper bilden. Die Sensitivität beträgt in den ersten Wochen etwa 50 %. Neuere Tests sollen inzwischen eine etwas höhere Zuverlässigkeit aufweisen, die mit einer Sensitivität von ca. 70 bis 80 % angegeben wird.

In der Regel wird eine sogenannte Zwei-Stufen-Testung durchgeführt. Es wird erst ein ELISA-Test eingesetzt, der als sensitiver gilt als ein Blot, aber der zu Kreuzreaktionen bzw. polyklonalen Antikörperstimulierungen durch andere Krankheitserreger führen und deshalb falsch-positiv sein kann. Ein positives oder grenzwertiges Ergebnis wird durch einen spezifischeren Immuno- bzw. Westernblot verifiziert und bestätigt.

Da innerhalb der ersten Wochen noch keine messbaren Antikörperspiegel gegen Borrelienantigene gebildet werden (sogenannte diagnostische Lücke = Zeitpunkt von der Infektion bis zur ersten Antikörperproduktion) sollte bei Auftreten eines Erythema migrans Frühstadien nicht das Ergebnis einer Blutuntersuchung abgewartet werden, sondern unverzüglich eine Antibiotika-Therapie vorgenommen werden. Bei einer floriden, behandlungsbedürftigen Borreliose können Entzündungsparameter wie BKS, CRP und andere Akute-Phase-Proteine unauffällig bleiben.

In späteren Stadien ist die Sensitivität der serologischen Testmethoden (ELISA und Immunoblot) in der Regel höher. Sie soll im zweiten Stadium bei etwa 70 bis 90 % liegen. Bei einem Verdacht auf eine manchmal klinisch wenig spezifische Neuroborreliose ist in der Regel eine Liquoruntersuchung angezeigt, bei der durch Feststellung entzündlicher Liquorveränderungen und durch den Nachweis einer borrelienspezifischen intrathekalen Antikörpersynthese sich gegebenenfalls ein solcher bestätigen lässt.[22] Allerdings kann es hierbei bei ca. 30 % zu falschen negativen Ergebnissen kommen. Im Frühstadium der Neuroborreliose ist oftmals noch keine Infektion mit Borrelien nachweisbar. In diesen Fällen könnte das kürzliche entdeckte Chemokin CXCL13 (ein B-Lymphozyten anziehendes Protein) eine wichtige Rolle spielen, da es bereits in Frühstadien der Erkrankung im Liquor von Patienten mit Neuroborreliose deutlich erhöht ist. Nach der bisherigen Studienlage ist die Spezifität dieses Markers mit der intrathekalen Antikörpersynthese vergleichbar. Darüber hinaus sinkt die Konzentration von CXCL13 im Liquor unter Behandlung rasch ab und hilft somit, eine aktive Infektion von einer Seronarbe zu unterscheiden. Bislang ist dieser Marker jedoch noch nicht in der klinischen Diagnostik etabliert, sondern wird nur im Rahmen von Studien (z. B. an der Universitätsklinik der LMU München) untersucht. Auch wenn lediglich eine Beteiligung peripherer Nerven vorliegt, kann die Liquordiagnostik negativ sein. Die Zuverlässigkeit der Liquordiagnostik ist auch von der Erfahrung des Labors, den zugrunde gelegten Kriterien für die Auswertung, der Präparationszuverlässigkeit sowie den verwendeten diagnostischen Verfahren abhängig. In Deutschland sind zahlreiche Borrelien-Serologien mit unterschiedlichen Antigenkompositionen auf dem Markt, die eine große Bandbreite hinsichtlich der Sensitivität und der Spezifität aufweisen. Deshalb kann es vorkommen, dass mit einem Test negative und mit einem anderen positive Ergebnisse festgestellt werden. Es besteht weder eine Genehmigungspflicht für die Borrelien-Serologie noch ist eine Teilnahme an Ringversuchen verpflichtend. Entsprechende Ringversuche werden von INSTAND durchgeführt.

Der PCR-Nachweis stellt eine weitere Diagnosemethode dar, mit der eine aktive Lyme-Borreliose festgestellt werden kann. Hier wird aus dem Untersuchungsmaterial DNA aufgearbeitet und mittels der PCR-Reaktion ein borrelienspezifisches Fragment vervielfältigt (amplifiziert). Dieser Test weist je nach untersuchten Körpermaterialien eine unterschiedliche Spezifität auf. So sind Blut und Urin nicht geeignet, da Kontaminationen zu falsch positiven Ergebnissen führen können. Die Sensitivität ist ebenfalls von den Körpermaterialien abhängig(Liquor bei einer Neuroborreliose etwa 20 bis 30 %, Synovialflüssigkeit bei einer Lyme-Arthritis und Haut bei einer Dermato-Borreliose etwa 70 %). Wenn hier Kontaminationen sowie tote Erreger ausgeschlossen werden konnten, ist ein positives Ergebnis aus diesen Materialien ein Hinweis auf eine aktive Borreliose. Ein negatives Ergebnis schließt eine aktive Lyme-Borreliose deshalb nicht aus. Es sind verschiedene PCR-Verfahren auf dem Markt, die eine unterschiedliche Qualität aufweisen.

Der Direktnachweis von Borrelien-DNA aus Zecken mittels PCR wird von verschiedenen Firmen bzw. Laboren angeboten. Die Kosten für die von den Krankenkassen nicht getragene Leistung liegen je nach Anbieter zwischen 10 und 100 Euro. Ein positiver Nachweis in der Zecke besagt nicht, dass auch im Menschen eine Infektion stattgefunden hat. Als alleiniger Nachweis für eine Borrelieninfektion wird dieser Test von keiner Fachgesellschaft empfohlen. Therapien, die sich alleine auf diesen Befund ohne Symptome und ohne positive Serologie berufen, sind nicht indiziert.

Differentialdiagnose

In Abhängigkeit vom Krankheitsstadium ist die Differenzialdiagnose weit gefächert. Es empfiehlt sich, weitere durch Zecken übertragene Erkrankungen (FSME, Anaplasmosen, Rickettsiosen sowie weitere Infektionen, wie Syphilis und Leptospirose) auszuschließen.

Die Lyme-Borreliose kann, ähnlich wie eine Lues, eine Vielzahl von Erkrankungen „imitieren“. Es ist bei einer neurologischen Beteiligung an andere Ursachen, insbesondere Infektion mit neurotropen (auf die Nerven wirkende) Viren und Bakterien zu denken. Wichtig ist bei neurologischen Beschwerden die zuverlässige Abgrenzung gegenüber einer multiplen Sklerose, da eine Behandlung mit immunsuppressiv wirkenden Medikamenten bei einer bakteriellen Infektion kontraindiziert ist. Bei Gelenkentzündungen kommen differentialdiagnostisch die aktivierte Arthrose, die rheumatoide Arthritis und andere Gelenkentzündungen in Frage. Das Auftreten einer Lyme-Enzephalopathie wird bislang vor allem aus dem nordamerikanischen Raum berichtet, gilt in Europa jedoch als fragliche Manifestation der Lyme-Borreliose. Eine differentialdiagnostische Abgrenzung zu einem chronischen Erschöpfungssyndrom kann nur durch differentialdiagnostische Untersuchungen, z. B. des Liquors, erfolgen.

Weitere wichtige Differenzialdiagnosen – insbesondere bei erfolgloser Therapie – sind Tumoren und andere Systemerkrankungen.

Krankheitsverlauf

Erythema migrans als Folge eines Zeckenstiches mit Borrelioseinfektion am Unterschenkel eines männlichen Erwachsenen

Nach einer Infektion kann es zur Bildung von Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi kommen, ohne dass es gleichzeitig zu Krankheitssymptomen kommt. Die Immunglobuline, sowohl IgM als auch IgG, können noch Jahre nach einer ausgeheilten Lyme-Borreliose positiv sein. Eine sichere Diagnose kann oft anhand der Krankheitssymptome, des Krankheitsverlaufs, der Krankengeschichte und der serologischen Befunde sowie sorgfältiger Erhebung anamnestische Daten sowie der aktuellen psycho-sozialen Situation gestellt werden. Bei hinreichendem Verdacht, aber unklaren Befunden wird manchmal eine versuchsweise Antibiotika-Behandlung durchgeführt. Allerdings besagt das Ansprechen auf die Antibiotikagaben nicht, dass eine aktive Lyme-Borreliose vorliegt, und umgekehrt belegt ein Nicht-Ansprechen nicht, dass die Krankheit ausgeheilt ist. Insbesondere die optimale Antibiotika-Behandlung des späten Stadiums ist unklar und deshalb strittig.

In der Regel äußert sich eine Lyme-Borreliose durch schwere Symptome, die sich im Laufe der Jahre verschlimmern. Symptomfreie Latenz-Zeiten sind allerdings möglich. Ein Verschwinden der Symptome bedeutet deshalb nicht, dass die Erreger eliminiert sind. In der Frühphase sind die Symptome einer Borreliose einem grippalen Infekt (ohne Husten und Schnupfen) ähnlich. In diesem Stadium kommt es häufig zu Myalgien (Muskelschmerzen) und Arthralgien (Gelenkschmerzen), die mit einer Fibromyalgie (chronische Schmerzerkrankung) verwechselt werden können. Ähnliche Symptome werden auch teilweise nach einer Antibiotikabehandlung beschrieben. Wenn Symptome wie bei einer Fibromyalgie oder einem Chronic-Fatigue jedoch gleich bleiben und ohne Antibiotikagaben keine Verschlechterung eintritt, muss man eher davon ausgehen, dass die Beschwerden nicht durch Borrelia burgdorferi verursacht werden, vor allem, wenn in der Vorgeschichte keine borreliosetypischen Leitsymptome aufgetreten sind. Dies gilt auch für andere unspezifische Symptome wie Schüttelfrost, Fieber, Gelenk- und Muskelschmerzen, Erschöpfungszustände und Depressionen.

Nach einer durchgemachten Borreliose besteht keine Immunität.

Stadien

Es gibt eine Reihe von Symptomen, die für die einzelnen Stadien typisch sind. Begleitend können eine Vielzahl von unspezifischen Beschwerden wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber, Nackensteifigkeit, Sehbeschwerden, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen auftreten.

1. Stadium: Lokalinfektion

Das Erythema migrans kann in untypischen Formen auftreten.

Ab Übertragung des Erregers kann es nach einer Inkubationszeit von meist 5–29 Tagen zu einer Lokalinfektion der Haut kommen, die mit einem charakteristischen Hautausschlag, dem Erythema (chronicum) migrans (Wanderröte) einhergeht.[10] Ein Fleck, heller roter Ring oder auch Doppelring, typischerweise im Zentrum blasser als am Rand, weitet sich von der Einstichstelle der Zecke nach außen aus (daher der Name). Die Wanderröte kann jucken oder brennen, aber auch ohne Beschwerden auftreten. Ferner kann es zu einem Borrelien-Lymphozytom kommen.

Zusätzlich können Allgemeinsymptome, wie Fieber, Kopfschmerzen und allgemeines Krankheitsgefühl mit Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit auftreten. Das Erythema migrans ist ein eindeutiges Symptom für eine Lyme-Borreliose, allerdings tritt nicht in allen Fällen von Borreliose-Infektionen eine Wanderröte auf; aus dem Nichtvorliegen nach einem Zeckenstich kann also nicht geschlossen werden, dass keine Borreliose-Infektion erfolgt ist.[23][24] Das Erythem verschwindet manchmal ohne Therapie, kann aber auch über Monate bestehen. Ein Rückgang des Erythema migrans ist kein Beleg für eine Heilung, da der Erreger gestreut haben kann.

Im ersten Stadium kann die Borreliose noch gut mit Antibiotika (Doxycyclin oder Amoxicillin) behandelt werden. Notwendig ist jedoch eine ausreichend lange und hoch genug dosierte Therapie.

2. Stadium: Streuung des Erregers

Nach etwa 4 bis 16 Wochen,[25] nach anderen Quellen nach 20 bis 59 Tagen[10] breiten sich die Erreger im ganzen Körper aus. Die Inkubations- und Latenzzeit kann auch länger sein. Der Patient leidet dann an grippeähnlichen Symptomen wie Fieber und Kopfschmerzen, was die Erkennung der Krankheit erschwert. Charakteristisch sind starke Schweißausbrüche. Durch die Ausbreitung im Körper kann es zu einem Befall der Organe, der Gelenke und Muskeln sowie des zentralen und peripheren Nervensystems kommen. Leitsymptome in diesem Stadium sind oftmals das Bannwarth-Syndrom mit starken radikulitischen Schmerzen und eine Facialisparese, die sich in einer Lähmung der mimischen Gesichtsmuskulatur zeigt, meist wirkt das Gesicht einseitig "schief". Außerdem zeigen sich reaktiv benigne Hyperplasien lymphatischer Zellen, die in Form von Schwellungen vor allem im Bereich der Ohrläppchen sichtbar sind und als Lymphadenosis cutis benigna bezeichnet werden. Typisch sind auch von Gelenk zu Gelenk springende Arthritiden und Myalgien. Weiterhin kann es zu Störungen des Tastsinns, zu Sehstörungen und zu Herzproblemen, wie Sinustachykardien und Karditis, kommen, was sich manchmal durch Herzklopfen und hohen Blutdruck sowie Pulsbeschleunigung bemerkbar macht. Das Immunsystem ist in diesem Stadium oft nicht mehr in der Lage, die Infektion zu bewältigen. Es wird vermutet, dass sich Borrelien kurz im Blutkreislauf aufhalten, aber auch ins Bindegewebe übergehen können.

Ein problematischer Sonderfall ist die sogenannte Neuroborreliose, die zu vielfältigen Erkrankungen der peripheren Nerven und bei circa 10 % der Erkrankungen auch des Zentralnervensystems führen kann. In aller Regel tritt sie in der frühen Erkrankungsphase auf (bis etwa 10 Wochen), in der noch keine Antikörper gebildet wurden. Deshalb müssen in diesem Stadium ausreichend Antibiotika gegeben werden. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich nach dem Befall und der Erkrankungsform. Wenn die Lyme-Borreliose nicht rechtzeitig und ausreichend mit Antibiotika therapiert wird, so kann die Erkrankung fortschreiten und zu bleibenden Organschäden führen.

3. Stadium: Spätstadium

Nach mehreren Monaten können Infizierte, die nicht oder nicht ausreichend behandelt wurden, schwere und chronische Symptome entwickeln. Monate-, aber auch jahrelange symptomfreie Latenzzeiten mit anschließendem Wiederaufflackern der Erkrankung sind möglich. So tritt die Akrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer (ACA) oft erst nach Jahren auf. Es kann auch zu einer chronischen rezidivierenden Lyme-Arthritis mit vielfältigen Krankheitsbildern kommen oder auch zu einem Befall des zentralen und peripheren Nervensystems (Neuroborreliose) mit Polyneuropathie, Borrelien-Meningitis, Lyme-Enzephalomyelitis oder einer Enzephalitis. Ebenso sind chronische Erkrankungen der Sinnesorgane und der Gelenke und Muskeln möglich. Die chronischen Erkrankungen der Gelenke werden Lyme-Arthritis genannt. Es kann aber auch zu einer entzündlichen Bursitis kommen. Die unterschiedlichen Erreger scheinen verschiedene Krankheitsbilder auszulösen: Während bei einem Teil der Patienten fast nur die Gelenke betroffen sind, kommt es bei anderen hauptsächlich zu neurologischen Störungen. Erkrankungen der Sinnesorgane und des Herzens treten meist nicht isoliert, sondern in Verbindung mit einer Neuroborreliose oder Lyme-Arthritis auf. Mischformen sind möglich.

Therapie

Die Behandlung einer Lyme-Borreliose stellt auf Grund der Möglichkeit des vielfachen Organbefalls eine interdisziplinäre Herausforderung der verschiedenen Fachdisziplinen in der Medizin dar. Die Prognose nach frühzeitiger antibiotischer Behandlung im ersten Stadium ist gut. Die in manchen Quellen zitierten 95 % „folgenloser“ Ausheilung von Neuroborreliose beziehen sich jedoch nur auf den Anteil der Patienten mit akuter Neuroborreliose, die nach einem Jahr beschwerdefrei waren. Bei chronischer Neuroborreliose betrug der Anteil dagegen nur 66 %.[21]

Da gerade im Frühstadium außer der Wanderröte kein sicherer Krankheitsnachweis möglich ist, stellt sich beim Auftreten von unspezifischen grippeähnlichen Symptomen oder Gelenkschmerzen kurz nach einem Zeckenstich die Frage einer Güterabwägung zwischen den Risiken und Nebenwirkungen einer auf Verdacht durchgeführten, eventuell überflüssigen mehrwöchigen Antibiotikatherapie einerseits und andererseits – bei Nichtdurchführung, aber auch einem denkbaren Misserfolg einer solchen Maßnahme – den möglichen gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Folgen eines jahrelangen chronischen Leidens, das im Extremfall bis hin zur Erwerbsunfähigkeit führt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Lyme-Borreliose in jedem Stadium auch ohne eine Antibiotika-Therapie ausheilen kann.

Im Frühstadium der Infektion sind Tetracycline wie Doxycyclin wegen der Zellgängigkeit und ihrer Wirksamkeit gegen andere, ebenfalls durch Zeckenstiche übertragene Erreger das Mittel der Wahl. Eine entsprechende Therapie erfolgt in der Regel über zwei bis vier Wochen.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass eine Herxheimer-Reaktion bei einer Behandlung mit Antibiotika auftreten kann. Entsprechende Untersuchungen zeigen, dass diese Reaktion vor allem bei einer Behandlung mit Cephalosporinen und Penicillinen, die zu den Betalactam-Antibiotika gehören, auftreten. Sie werden bislang bei der Lyme-Borreliose nicht sehr häufig beobachtet. Wichtig ist eine differentialdiagnostische Unterscheidung zu Nebenwirkungen des jeweiligen Antibiotikums, z. B. eine Superinfektion oder Allergie gegen Penicilline und Penicillin-Derivate.

Die Verabreichungsform und Länge der Antibiotikatherapie richtet sich nach dem Krankheitsstadium, aber insbesondere nach der Krankheitsmanifestation. Hierbei sind individuelle Risikofaktoren der Patienten (wie z. B. eine Antibiotikaallergie oder eine Niereninsuffizienz) zu berücksichtigen. Je länger eine Borrelieninfektion dauert, umso schwieriger wird es, eine komplette Erregereliminierung zu erreichen. Für die Therapie stehen grundsätzlich verschiedene Antibiotika zur Verfügung. Es wird zwischen extrazellulären (außerhalb der Körperzellen) und intrazellulären Formen (in Zellen des Bindegewebes, des Knorpels, des Fettgewebes und der Haut) des Erregers unterschieden. Im Laborversuch hat sich dabei gezeigt, dass der Erreger binnen Stunden zwischen beiden Formen wechseln kann.[26] Es ist jedoch bis heute nicht geklärt, ob es sich dabei um reversible Formen des Erregers handelt.

Ein extrazellulär wirkendes Antibiotikum ist Ceftriaxon, das intravenös über 14 bis 21 Tage in einer Dosis von 2 g pro Tag gegeben wird. In einer Metaanalyse von acht europäischen Studien mit insgesamt 300 Patienten mit definitiver Neuroborreliose zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied beim Behandlungserfolg zwischen einer oralen Doxycyclin-Therapie im Vergleich zur intravenösen Therapie mit Penicillin G oder Ceftriaxon.[27] Therapieversager sind mit allen Antibiotika und darauf basierenden Behandlungsregimen festgestellt worden. Unklar ist jedoch die Häufigkeit, die von einigen Autoren mit 10 bis 20 % angegeben wird und von anderen mit etwa 50 %. Zur Antibiotika-Behandlung von mehr als 14 bis 30 Tagen bei Patienten mit Lyme-Borreliose gibt es kein ausreichendes Studienmaterial. Hingegen besteht die Gefahr von schwerwiegenden Nebenwirkungen und Superinfektionen.

Eine aktuelle placebokontrollierte Studie konnte bei der Lyme-Enzephalopathie lediglich eine vorübergehende Besserung nach Durchführung einer zehnwöchigen Ceftriaxon-Behandlung zeigen. Offen blieb jedoch, ob diese Besserungen auf eine direkte Wirkung oder auf „positive Nebenwirkungen“ des Antibiotikums zurückzuführen waren.[28] Studien zu einer möglichen besseren Wirksamkeit anderer Antibiotika-Klassen bei diesem Krankheitsbild liegen nicht vor.

Wie in den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Neuroborreliose ausgeführt ist, ist die optimale Behandlungsdauer vor allem mit den intravenös zu verabreichenden Antibiotika Ceftriaxon und Cefotaxim unklar. Eine Behandlungsdauer von mehr als 3 Wochen ergibt jedoch keinen zusätzlichen Effekt. Inzwischen werden auch in fortgeschrittenen Stadien andere Antibiotika als Cephalosporine eingesetzt, unter anderem Doxycyclin (Tetracycline), da die β-Lactam-Antibiotika (wie Ceftriaxon, Cefotaxim) im Verdacht stehen, sogenannte zystische oder zellwandlose Formen zu verursachen und bei intrazellulärer Persistenz nicht ausreichend zu wirken. Einige Behandlungsformen bestehen aus einer Kombination von intravenösen und oralen Antibiotika, wobei jedoch insgesamt keine überzeugenden Nutzenbelege vorliegen.

Fraglich ist, ob die Lyme-Borreliose im III. Stadium noch heilbar ist. Für eine Behandlung der Lyme-Borreliose mit Cholestyramin ergibt sich weder eine wissenschaftliche Rationale noch ergeben sich hierzu Argumente aus kontrollierten Studien. Eine solche Behandlung wird nicht empfohlen.

Leitlinien

Als praktische Richtlinie für Ärzte zur Behandlung der Lyme-Borreliose existieren Medizinische Leitlinien. Die im Jahr 2006 veröffentlichten Leitlinien der "Infectious Diseases Society of America" IDSA-Leitlinien[29] wurden im Konsens mit anderen großen amerikanischen Fachgesellschaften erarbeitet und geben unter Berücksichtigung der aktuellen Studienlage evidenzbasierte Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie dieses Krankheitsbilds in den USA. In Deutschland haben amerikanische Leitlinien keine Gültigkeit. In Deutschland arbeiten einige große ärztliche Fachgesellschaften seit einiger Zeit an der Erstellung einer gemeinsamen S3-Leitlinie. Die Fertigstellung ist für Ende 2014 geplant.[30] Bereits verfügbar sind die S1-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Behandlung der Neuroborreliose[31] sowie der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.[32] Des Weiteren hat die deutsche Borreliose-Gesellschaft für alle Manifestationen der Borreliose eine eigene Empfehlung erstellt.[33] Diese wurde nicht im Rahmen der AWMF entwickelt und entspricht auch nicht den Prinzipien wissenschaftlich erarbeiteter Leitlinien. Die Empfehlungen zur Diagnostik und Antibiotika-Behandlung weichen von denen der AWMF-Fachgesellschaften erheblich ab.

Kontroverse

Im Spätstadium können neben den Leitsymptomen unspezifische Beschwerden auftreten, die sich auch nach einer Antibiotika-Therapie nicht zurückbilden. Die Symptomatik besteht aus Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Muskel- und Gelenkschmerzen und wird als "Post-Lyme-Borreliose-Syndrom" bezeichnet. Die Ursache ist unklar. Diskutiert werden unter anderem eine mögliche Erregerpersistenz, postinfektiöse Prozesse und Organschädigungen aufgrund eines länger bestehenden Infektionsgeschehens.[34] Chronische Beschwerden nach einer nachgewiesenen Lyme-Borreliose werden daher im Allgemeinen als "Post-Lyme Syndrom" bezeichnet. Trotzdem befürworten einige Ärzte schlecht belegte Therapieverfahren, zu denen auch antibiotische Langzeit-Therapien über Monate oder Jahre gehören. In den USA haben Ärzte und Patienten, die dieser Meinung sind und die für längere als 14-tägige bis vierwöchige Antibiotika-Therapien eintreten, ein Verfahren gegen die Autoren der offiziellen Lyme-Borreliose-Leitlinien der IDSA angestrengt. Am 1. Mai 2008 ließ der Generalstaatsanwalt von Connecticut, Richard Blumenthal, diese IDSA-Leitlinien überprüfen.[35] Es wurden geheim gehaltene Interessenskonflikte und Verstöße des Kartellrechts vermutet. Um den Beschuldigungen entgegenzutreten, setzte die IDSA eine erneute Prüfung der Leitlinien durch ein unabhängiges Ärztegremium fest. Nach einer erneuten Prüfung der aktuellen Studien- und Datenlage wurde die Gültigkeit der IDSA-Leitlinien 2010 bestätigt.[36] In den USA gehören die International Lyme And Associated Diseases Society (ILADS) und in Deutschland die (nicht als Fachgesellschaft anerkannte) sogenannte Deutsche Borreliose-Gesellschaft zu den Verfechtern der Antibiotika-Langzeitbehandlung. Es werden von einigen Medizinern zum Teil auch parenterale Antibiotikabehandlungen über viele Monate oder sogar Jahre durchgeführt. Des Weiteren werden von diesen Organisationen labordiagnostische Verfahren verwendet, die nach Ansicht der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften nicht ausreichend geprüft und zu unspezifisch sind.

Vorbeugung

Zeckenstichvermeidung

Eine absolut sichere Methode zur Zeckenstichvermeidung ist nicht bekannt. Der Schutz vor Zeckenstichen beschränkt sich auf das mechanische Absuchen, die Verwendung von Abwehrsprays als Vorbeugung sowie auf das Tragen von Kleidung, die den Körper weitgehend bedecken soll. Sinnvoll ist es, den Zecken keine Möglichkeit zu geben, in und unter die Kleidung zu kriechen. Bei intensiver Arbeit in Büschen und hohen Gräsern kann man vorher mit handelsüblichen Abwehrsprays sowohl die Haut als auch die Kleidung einsprühen. Die darin enthaltenen Stoffe können den Zeckenbefall abwehren und verhindern. Ein regelmäßiges sorgfältiges Absuchen des Körpers – gerade bei Kindern, die tagsüber im Freien spielen – ist die sicherste Methode, Zeckenstiche zu vermeiden. Das Absuchen sollte auch ergänzend zu den genannten mechanischen und chemischen Methoden erfolgen, da diese den Befall nicht ausschließen, sondern nur die Wahrscheinlichkeit eines Befalls verringern können. Darüber hinaus sollte man es vermeiden, in den Zeckenmonaten leicht bekleidet durch hohes Gras, Büsche und Sträucher zu laufen. Besonders auf leicht feuchtem Gras lauern die Zecken auf ihren nächsten Wirt. Bei trockenem und heißem Wetter ziehen sich Zecken zurück.

Immunisierung

Aktive und passive Immunisierungen stehen bisher für Europa nicht zur Verfügung. In den USA war für wenige Jahre ein wirksamer rekombinanter Impfstoff auf der Basis von OspA (äußeres Membranprotein von Bbsl) zugelassen, den der Hersteller aus kommerziellen Gründen vom Markt genommen hat. Wegen der Heterogenität der Stämme (mindestens 7 OspA-Serotypen) ist die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes für Europa schwierig, so das Robert-Koch-Institut 2007. In der Veterinärmedizin kann jedoch zum Schutz vor der Lyme-Borreliose beim Hund auch in Deutschland eine Impfung durchgeführt werden. Da die Antikörperspiegel rasch wieder abfallen, ist eine jährliche Auffrischimpfung erforderlich, um einen ausreichenden Schutz vor den enthaltenen Borrelien-Stämmen zu erreichen. Eine Kreuzimmunität vor anderen Borrelienarten wird nicht erwartet. Für den Hund ist die Pathogenität der meisten Borrelien-Spezies jedoch bislang nicht gänzlich geklärt.

Derzeit werden klinische Studien zu einem humanen Lyme-Borreliose-Impfstoff durchgeführt.[37]

Einzelnachweise

  1. a b c Helmut Hahn: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-46359-7, S. 383–387.
  2. Lyme-Borreliose RKI-Ratgeber für Ärzte
  3. Infektionsschutzgesetz: Rheinland-Pfalz, Saarland
  4. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  5. Ötzi hatte Borreliose und vertrug keine Milch. In: Tiroler Tageszeitung. Onlineausgabe vom 28. Februar 2012, abgerufen am 9. März 2012.
  6. Hubert Filser: Der Risikopatient aus dem Eis. In: Süddeutsche Zeitung. online vom 29. Februar 2012, abgerufen am 9. März 2012.
  7. a b Lyme-Borreliose kann in Gärten erworben werden, Pressemitteilung des RKI vom 1. Juni 2001 zum Epidemiologischen Bulletin 21/2001.
  8. a b c RKI-Ratgeber für Ärzte zu Lyme-Borreliose
  9. C. Rauter, R. Oehme, I. Diterich, M. Engele, T. Hartung: Distribution of Clinically Relevant Borrelia Genospecies in Ticks Assessed by a Novel, Single-Run, Real-Time PCR. In: J Clin Microbiol. 2002 January; 40(1), S. 36–43.
  10. a b c B. Wilske u. a.: Lyme-Borreliose in Süddeutschland: Epidemiologische Daten zum Auftreten von Erkrankungsfällen sowie zur Durchseuchung von Zecken (Ixodes ricinus) mit Borrelia burgdorferi.
  11. Thomas Kistemann: Regionale Verbreitung der Lyme-Borreliose. Nationalatlas des Leibniz-Institut für Länderkunde, 20. April 2012, abgerufen am 27. April 2012 (Seite mit Adobe Flash, PDF-Version, 350 KB). Es wurde jeweils das 3. Abrechnungsquartal (Juli bis September) der Jahre 2007 bis 2009 betrachtet.
  12. Epidemiologisches Bulletin RKI: 10. April 2012/ Nr.14
  13. R. Smith, J. Takkinen, Editorial team: Lyme borreliosis: Europe-wide coordinated surveillance and action needed? In: Eurosurveillance. 2006;11(25), S. 2977, (englisch), abgerufen am 27. April 2012.
  14. E. Lindgren, T. Jaenson: Lyme Borreliosis in Europe. WHO Europe (englisch, PDF; 1,1 MB), abgerufen am 27. April 2012.
  15. Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin. Nr. 12 vom 29. März 2010, S. 351–355. (PDF, 1MB)
  16. Bundesamt für Gesundheit Bulletin 11/13 S. 145.
  17. a b O. March: Transmissionsrisiko von Borrelia burgdorferi nach Zeckenstich: Follow-up Studie.
  18. D. Kosik-Bogacka, K. Bukowska, W. Kuźna-Grygiel: Detection of Borrelia burgdorferi sensu lato in mosquitoes (Culicidae) in recreational areas of the city of Szczecin. In: Ann Agric Environ Med. Band 9, Nr. 1, 2002, S. 55–57, PMID 12088398 (Detection of Borrelia burgdorferi sensu lato in mosquitoes (Culicidae) in recreational areas of the city of Szczecin (Memento vom 8. Juni 2007 im Internet Archive) [PDF]).
  19. D. I. Kosik-Bogacka, W. Kuźna-Grygiel, K. Górnik: Borrelia burgdorferi sensu lato infection in mosquitoes from Szczecin area. In: Folia Biol. (Krakow). Band 54, Nr. 1-2, 2006, S. 55–9, PMID 17044261.
  20. S. W. Luger: Lyme disease transmitted by a biting fly. In: N. Engl. J. Med. Band 322, Nr. 24, Juni 1990, S. 1752, PMID 2342543.
  21. a b R. Kaiser: Verlauf der akuten und chronischen Neuroborreliose nach Behandlung mit Ceftriaxon. In: Nervenarzt. 2004 Jun; 75(6), S. 553–557.
  22. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur Diagnose und Behandlung der Neuroborreliose (PDF; 180 kB)
  23. zecken.de
  24. bfbd.de
  25. AKH-Consilium – Lyme-Borreliose
  26. O. Brorson, S. H. Brorson: A rapid method for generating cystic forms of Borrelia burgdorferi, and their reversal to mobile spirochetes. In: APMIS. 1998 Dec; 106(12), S. 1131–1141. PMID 10052721
  27. J. J. Halperin, E. D. Shapiro, E. Logigian u. a.: Practice parameter: treatment of nervous system Lyme disease (an evidence-based review): report of the Quality Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology. In: Neurology. Band 69, Nr. 1, Juli 2007, S. 91–102, doi:10.1212/01.wnl.0000265517.66976.28, PMID 17522387.
  28. B. A. Fallon, J. G. Keilp, K. M. Corbera u. a.: A randomized, placebo-controlled trial of repeated IV antibiotic therapy for Lyme encephalopathy. In: Neurology. Band 70, Nr. 13, März 2008, S. 992–1003, doi:10.1212/01.WNL.0000284604.61160.2d, PMID 17928580.
  29. IDSA-Leitlinien
  30. Projekthomepage "Leitlinie Lyme Borreliose" auf der Seite der AWMF
  31. AWMF-Leitlinie: Neuroborreliose
  32. AWMF-Leitlinie: Lyme-Arthritis (PDF; 37 kB)
  33. DBG Leitlinie: Lyme-Borreliose (PDF; 547 kB)
  34. Wormser GP, Schwartz I (July 2009). "Antibiotic treatment of animals infected with Borrelia burgdorferi"
  35. Attorney General: Attorney General’s Investigation Reveals Flawed Lyme Disease Guideline Process, IDSA Agrees To Reassess Guidelines, Install Independent Arbiter
  36. Stephen Singer (22. April 2010). "No changes to Lyme disease treatment". Associated Press.
  37. Design and Development of a Novel Vaccine for Protection against Lyme Borreliosis. 19. November 2014.

Literatur

Bücher

  • Hans Horst: Zeckenborreliose Lyme-Krankheit bei Mensch und Tier. Demeter, ISBN 3-934211-49-6.
  • Patrick Oschmann, Peter Kraiczy: Lyme-Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis. Uni-Med, ISBN 3-89599-408-1.
  • Norbert Satz: Klinik der Lyme-Borreliose. Huber, ISBN 3-456-83430-6.
  • Wolfgang Kristoferitsch: Neuropathien bei Lyme-Borreliose. Springer, ISBN 3-211-82108-2.
  • H. Krauss, A. Weber, M. Appel, B. Enders, A. v. Graevenitz, H. D. Isenberg, H. G. Schiefer, W. Slenczka, H. Zahner: Zoonosen. Von Tier zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten. 3. Auflage. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2004, ISBN 3-7691-0406-4.

Aufsätze

  • Brian Fallon: Die neuropsychiatrischen Manifestationen der Lyme-Borreliose Übersetzung der englischsprachigen Version 1992 .PDF
  • Hans-Peter Wirtz: Zecken als Krankheitsüberträger: Was tun bei einem Stich? In: Biologie in unserer Zeit. Jg. 2001, Bd. 31, Nr. 4, S. 229–238.
  • Helge Kampen: Vektor-übertragene Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch? Wie Umweltveränderungen Krankheitsüberträgern und -erregern den Weg bereiten. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. Jg. 2005, Bd. 58, Nr. 4, S. 181–189.
  • H. Krauss u. a.: Borreliosen. In: Zoonosen. Von Tier zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten. 3. Auflage. Deutscher Ärzteverlag, 2004. PDF 6 Seiten
  • Dieter Hassler: Phasengerechte Therapie der Lyme-Borreliose In: Chemother. J. Jg. 2006, Bd. 15, S. 106–111. PDF (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive) (6 Seiten)
  • C. Rauter u. a.: Distribution of clinically relevant Borrelia genospecies in ticks assessed by a novel, single-run, real-time PCR. In: J. Clin. Microbiol. Jg. 2002, Bd. 40, S. 36–43. PMID 11773090
  • R. Nau u. a.: Lyme-Borreliose – aktueller Kenntnisstand. In: Dtsch Arztebl Int. Nr. 106(5), 2009, S. 72–81 (Artikel). PDF

Weblinks

Commons: Borreliosis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Borreliose – Informationen des Robert Koch-Instituts

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