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Dieser Text ist eine temporäre Arbeitskopie von Geschlechtergerechte Sprache#Theoretische Grundlagen geschlechtergerechter Sprache. --Kurator71 (D) 17:45, 12. Feb. 2022 (CET)

Ausgangstext

Theoretische Grundlagen geschlechtergerechter Sprache

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hält im August 2020 fest: „Über das Thema der sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter wird seit einigen Jahren so viel diskutiert wie selten zuvor. Dabei ist es durchaus nicht neu: Schon in den 1970er Jahren formierte sich eine Bewegung, die die männerzentrierte Sprachverwendung kritisierte und verlangte, dass auch Frauen sprachlich sichtbar gemacht werden. Ihr Leitgedanke: ‚Sprache [bestimmt] das Denken und auch das Bewusstsein der Menschen […]; Sprache spiegelt nicht nur Realität, sie schafft auch Realität.‘“[g: 1] Der Sprachwissenschaftler Henning Lobin ergänzt im März 2021: „Für dieses Anliegen weist die deutsche Sprache mit ihrem Genussystem grundsätzlich die Möglichkeit auf, den Sprachgebrauch in geeigneter Weise anzupassen, auch wenn es im Detail eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten gilt. Der Begriff der gendergerechten Sprache im engeren Sinne hingegen stellt die Auffassung der sozialen Konstruktion der Kategorie Geschlecht in den Mittelpunkt und will dabei auch die geschlechtliche Vielfalt zwischen den Polen von Weiblichkeit und Männlichkeit berücksichtigen. Für dieses Anliegen gibt es keine gewachsenen Strukturen in der deutschen Sprache“.[1]

Genus und Sexus bei Personenbezeichnungen

Das Deutsche gehört zu den Sprachen, die Substantive (Hauptwörter, Nomen) nach ihrem grammatischen Geschlecht unterscheiden (fachsprachlich das Genus, Mehrzahl Genera). Rund 38 % der Weltbevölkerung sprechen Sprachen, die über Genera verfügen.[2] Im Deutschen gibt es drei grammatische Geschlechter: „männlich“ (maskulin), „weiblich“ (feminin) und „sächlich“ (neutral). Entsprechend hat ein Substantiv als grammatische Eigenschaft, ein Maskulinum (der Löffel), ein Femininum (die Gabel) oder ein Neutrum zu sein (das Messer); Artikelwörter und Pronomen (Fürwörter) zeigen das entsprechende Geschlecht an. Im Allgemeinen folgt es keiner Regel, welches Genus ein Substantiv hat; oft wird es aufgrund formaler Kriterien zugeordnet.

Bei der inhaltlichen Bedeutung (Semantik) von Wörtern wird grundsätzlich unterschieden, ob sie sich auf Belebtes oder auf etwas Unbelebtes beziehen: Gegenständliches oder Abstraktes gilt als unbelebt, Lebewesen gelten als belebt. In Bezug auf Menschen (sowie ihnen nahestehende Tiere) wird oft zusätzlich nach ihrem Geschlecht unterschieden, entsprechend gibt es unterscheidende Bezeichnungen für weibliche Personen (die Frau) und für männliche (der Mann) sowie für junge Personen (das Kind). Sprachwissenschaftlich wird das sogenannte „natürliche Geschlecht“ der gemeinten (referierten) Personen als Sexus bezeichnet und gehört zu den semantischen Merkmalen der meisten Personenbezeichnungen: Das „semantische Geschlecht“ [+weiblich] oder [+männlich] ist Teil ihrer inhaltlichen Bedeutung, die sich auf Eigenschaften der außersprachlichen Welt bezieht.[d: 1] Normalerweise ist damit das biologische Geschlecht einer Person gemeint (ihr „Geburtsgeschlecht“), aber im Falle von Transgender-Personen wird Bezug genommen auf ihr soziales Geschlecht (Gender), also auf ihre Geschlechtsidentität.[d: 2][3]

Bei den meisten Personenbezeichnungen besteht eine enge Wechselbeziehung zwischen ihrem grammatischen Genus und dem Geschlecht der gemeinten Personen: Bezeichnungen für Frauen haben bis auf wenige Ausnahmen das feminine Genus (die Schwester, die Ärztin), Bezeichnungen für Männer haben das maskuline (der Bruder, der Arzt).[4][5]

Die Duden-Grammatik beschreibt diesen Zusammenhang in ihrer 3. Auflage 1973: „Das Genus der Substantive, mit denen Personen benannt werden, darunter besonders das der Verwandtschaftsbezeichnungen, stimmt im allgemeinen mit dem natürlichen Geschlecht, dem Sexus der Person überein: der Vater, die Mutter; […] der Onkel, die Tante; der Mann, die Frau; der Lehrer, die Lehrerin“.[6][7] Dann folgt eine grundlegende Aussage zum verallgemeinernden Sprachgebrauch maskuliner Personenbezeichnungen: „In der Hochsprache verwendet man auch das Maskulinum, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist. Es generalisiert gleichzeitig: Es ist keiner vor dem Tode glücklich zu preisen, jeder ist dem wechselnden Schicksal unterworfen.“[6][7] Bei dieser Gebrauchsweise beziehen sich die maskulinen Formen keiner, jeder nicht auf Männer, sondern im geschlechterübergreifenden Sinne auf alle Menschen.

Das folgende Beispiel verdeutlicht den Gebrauch der maskulinen Form mit zwei unterschiedlichen Bedeutungen:

  1. Die Frau ist eine Lehrerin.
  2. Der Mann ist ein Lehrer.
  3. Beide sind Lehrer.

Luise F. Pusch, Pionierin der geschlechtergerechten Sprache, verdeutlichte diese unsymmetrischen „Geschlechts-Schubladen“:

„Männer werden immer richtig eingeordnet, Frauen fast nie, denn in unserer Sprache gilt die Regel: 99 Sängerinnen und 1 Sänger sind zusammen 100 Sänger […] Futsch sind die 99 Frauen, nicht mehr auffindbar, verschwunden in der Männer-Schublade. Die Metapher bewirkt, dass in unseren Köpfen nur Manns-Bilder auftauchen, wenn von Arbeitern, Studenten, Ärzten, Dichtern oder Rentnern die Rede ist, auch wenn jene Ärzte oder Rentner in Wirklichkeit überwiegend Ärztinnen bzw. Rentnerinnen waren.“[8]

Feministische Sprachkritik

Eine solche verallgemeinernde Gebrauchsweise von männlichen Personenbezeichnungen und Pronomen wurde zunächst ab 1973 in der englischen Sprache kritisch untersucht (siehe unten). Mitte der 1970er-Jahre begannen Sprachwissenschaftlerinnen auch die deutsche Sprache in Bezug auf Elemente zu untersuchen, die in androzentrischer Weise den Mann und das Männliche sprachlich als Norm erscheinen lassen. Das Thema „Sprache und Geschlecht“ fand Eingang in Veranstaltungen an deutschsprachigen Hochschulen.[9]

1978 erschien der Band einer sprachwissenschaftlichen Zeitschrift zu diesem Thema sowie der Artikel Linguistik und Frauensprache von Senta Trömel-Plötz mit der Kritik an einer männlich geprägten Sprache („Männersprache“), die bis in die grammatischen Strukturen hinein die Sichtbarkeit von Frauen einschränke und sie immer nur mitmeine.[9][10] Der geschlechterübergreifende Gebrauch von Maskulinformen wurde als sprachliche Asymmetrie kritisiert; bald kamen gesellschaftspolitische Forderungen nach einer sprachlichen Gleichbehandlung beider Geschlechter auf.[9] Aus dieser feministischen Sprachkritik ergaben sich Vorschläge nach einem sprachlichen Wandel, die in dem Konzept „geschlechtergerechte Sprache“ zusammengefasst wurden.

1979 wurde die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau beschlossen; im selben Jahr hielt Prof. Trömel-Plötz ihre Antrittsvorlesung an der Universität Konstanz über die Feministische Linguistik als Forschungsbereich zu „Sprache und Geschlecht“.[11] 1980 erschienen die Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs von ihr, zusammen mit den Sprachwissenschaftlerinnen Marlis Hellinger, Ingrid Guentherodt und Luise F. Pusch.[12] Die Wortwahl „sexistisch“ war im Sinne von „diskriminierend“ gemeint und bezog sich auf die sprachliche Ungleichbehandlung: Maskuline Formen von Personenbezeichnungen beziehen sich auf Männer, aber manchmal auch auf Frauen, während feminine Formen ausschließlich auf Frauen bezogen sind.

1987 veröffentlichte die UNESCO unter dem Titel Guide to Non-Sexist Language eigene Leitlinien zur geschlechtsneutralen Sprache.[13]

Generische Maskulinform

1984 erwähnte die Duden-Grammatik noch den „verallgemeinernden“ Gebrauch maskuliner Formen und erklärte, dass feminine Bezeichnungsformen nur zu verwenden wären, wenn ausschließlich Frauen gemeint seien:[7][14]

„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), verwendet man die maskuline Form vielfach auch dann, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Man empfindet hier das Maskulinum als neutralisierend bzw. verallgemeinernd. Wenn man jedoch das weibliche Geschlecht deutlich zum Ausdruck bringen will, wählt man entweder die feminine Form (z. B. auf ‚-in‘) oder eine entsprechende Umschreibung […].“

Duden-Grammatik (1984)[15]

1995 ergänzte die Duden-Grammatik zum „neutralisierenden“ Gebrauch maskuliner Formen die Fachbezeichnung generisch („verallgemeinernd“), erwähnte aber auch die Existenz von „Bemühungen, eine sprachliche Gleichbehandlung von Frauen zu erreichen“.[16] Festgehalten wurde: „Durch die Emanzipation der Frau kommen zunehmend neue Bildungen für die Bezeichnung von Berufsrollen in Gebrauch, die früher nur Männern vorbehalten waren“.[17][18] In der folgenden 6. Auflage 1998, herausgegeben von Peter Eisenberg und Annette Klosa-Kückelhaus, wurde erstmals der Ausdruck „generisches Maskulinum“ verwendet – aber auch auf die Ablehnung des generischen Gebrauchs hingewiesen sowie auf die „Doppelnennung“ beider Formen:[7][19]

„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Nomina, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), wird die Verwendung des generischen Maskulinums immer mehr abgelehnt. Bei Bezug auf weibliche Personen werden häufig feminine Formen (z. B. auf ‚-in‘) verwendet; mit Doppelnennungen der maskulinen und femininen Form bezieht man sich auf männliche und weibliche Personen: […] alle Lehrerinnen und Lehrer […]“

Duden-Grammatik (1998)[20]

2016 erwähnt die Duden-Grammatik in ihrer 9. Auflage den Ausdruck generisches Maskulinum nicht mehr, stattdessen wird grundlegend unterschieden zwischen „sexusspezifisch“ (geschlechtsbezogen) und „sexusindifferent“ (geschlechtsneutral).[19] Personenbezeichnungen werden in 3 Klassen unterteilt: Klasse A umfasst die wenigen sexusindifferenten Substantive wie der Mensch, die Person, das Mitglied, der Impfling (siehe unten); Klasse B umfasst eindeutig auf Männer oder auf Frauen bezogene Substantive (der Mann, der Junge, der Herr – die Frau, die Dame; die Chefin, die Freundin). Die dritte Klasse umfasst Bezeichnungen, die auch im generischen Sinne gebraucht werden können, wobei dazu die Kritik an der Mehrdeutigkeit angeführt wird:

„Klasse C umfasst maskuline Personenbezeichnungen, die sowohl sexusspezifisch (Bezug nur auf Männer) als auch sexusindifferent gebraucht werden. Neben solchen Maskulina steht gewöhnlich eine feminine Ableitung, die sexusspezifisch auf weibliche Personen referiert (Klasse B), meist mit dem Suffix -in (traditioneller Fachausdruck: Movierung): Abiturient → Abiturientin; Agent → Agentin […]
Am sexusindifferenten (generischen) Gebrauch wird kritisiert, dass er sich formal nicht vom sexusspezifischen Gebrauch unterscheidet. So können inhaltliche und kommunikative Missverständnisse entstehen, z. B. der Eindruck, dass Frauen gar nicht mitgemeint sind. Experimente unterstützen diese Annahme. Aus diesem Grund wird der sexusindifferente Gebrauch der Maskulina oft vermieden. Stattdessen werden Paarformen gebraucht: Alle Schülerinnen und Schüler sind herzlich eingeladen. (Anrede:) Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Angelika Wöllstein, Duden-Redaktion (Hrsg.): Duden: Die Grammatik (2016)[21]

Siehe unten: Studien zur Verständlichkeit von geschlechtergerechten Alternativen zum generischen Maskulinum

Streitpunkt Generisches Maskulinum

Das Handbuch geschlechtergerechte Sprache der Sprachwissenschaftlerinnen Gabriele Diewald und Anja Steinhauer bezeichnet im April 2020 das generische Maskulinum als eine weiterhin bestehende „Sollbruchstelle“ der gendergerechten Sprache:

„Einer der Hauptstreitpunkte in den Debatten um geschlechtergerechte Sprache seit den 1970er-Jahren ist das sogenannte generische Maskulinum. Diese Diskussion ist so wichtig wie kompliziert. […] Selbstverständlich raten alle Leitfäden für gendergerechte Sprache von der Verwendung dieser Gebrauchsgewohnheit – denn das ist das ‚generische Maskulinum‘ letztlich – ab. […] Männer sind durch diese Form immer explizit angesprochen und können sich somit in jedem Fall gemeint fühlen. Frauen hingegen sind durch diese Form nicht direkt angesprochen. Sie wissen nie, ob sie in einem konkreten Fall ‚mitgemeint‘ sind und sich also angesprochen fühlen sollen oder ob sie nicht gemeint, also ausgeschlossen sind. […] Denn die maskuline Form bei paarigen Personenbezeichnungen ist keine geschlechtsneutrale Form. […] Das ‚generische Maskulinum‘ verstößt zudem gegen das grundlegende Kommunikationsprinzip der Klarheit und Vermeidung von Mehrdeutigkeit. […] Zugleich ist es eine der Sollbruchstellen des geschlechtergerechten Formulierens: Es ist nicht möglich, sich geschlechtergerecht auszudrücken und zugleich das ‚generische Maskulinum‘ beizubehalten.“[d: 3]

Die Redaktion des Nachrichtenmagazins Der Spiegel formuliert Anfang 2020 ihre journalistischen Grundsätze neu: „Das generische Maskulinum soll nicht mehr Standard sein.“[22] Ein Jahr später wertet die Redaktion aus, wie häufig Männer und wie oft Frauen in den Spiegel-Texten der zwölf Monate erwähnt wurden: Männer 107.000 Mal (79 %), Frauen 28.000 Mal (21 % von 135.000).[23] Im Oktober 2020 erklärt die Redaktion der Tageszeitung Frankfurter Rundschau: „Das generische Maskulinum wird in der FR kein Standard mehr sein.“[24] Im Juni 2021 vereinbaren acht der größten deutschsprachigen Nachrichtenagenturen (darunter dpa, epd, KNA, Reuters, APA und AFP) ein gemeinsames Vorgehen, „um diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen. Das generische Maskulinum wird in kompakter Nachrichtensprache noch vielfach verwendet, soll aber schrittweise zurückgedrängt werden. Ob die Nachrichtenagenturen in einigen Jahren ganz darauf verzichten können, hängt von der weiteren Entwicklung der Sprache ab“ (Details).[25] Zur gleichen Zeit bekräftigt die schweizerische Bundeskanzlei in Bezug auf deutschsprachige Texte der Bundesverwaltung: „Das generische Maskulin (Bürger) ist nicht zulässig.“[26]

Sprachliche Gleichbehandlung aller Geschlechter

Mit der rechtlichen Verankerung der dritten Geschlechtsoption „divers“ in Deutschland 2018 und Österreich 2019 ist die Notwendigkeit verbunden, Personen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität (außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit) angemessen benennen und beschreiben zu können. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hält dazu Ende 2018 fest, „dass der gesellschaftliche Diskurs über die Frage, wie neben männlich und weiblich ein drittes Geschlecht oder weitere Geschlechter angemessen bezeichnet werden können, sehr kontrovers verläuft. Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll.“[27] Mit der grundsätzlichen Anerkennung und Akzeptanz nichtbinärer Geschlechtsidentitäten ist die Bezeichnung „gendergerechte Sprache“ verbunden (von englisch gender [ˈdʒɛndɐ] „soziales Geschlecht“).[1]

Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) fasst hierzu im August 2020 zusammen: „In dieser Hinsicht sind auch sprachliche Faktoren in Augenschein zu nehmen, um allen Geschlechtern gerecht zu werden.“ Festgehalten wird, dass „es für das dritte Geschlecht jedoch bislang weder eindeutige Bezeichnungen noch adäquate Pronomen, Anrede- oder Flexionsformen gibt“.[g: 2] Zwar sieht die GfdS den Bedarf an einer Sprache, „die allen Geschlechtern gerecht wird, gleichzeitig ist sie sich eines größeren Problembereichs bewusst: Nicht nur sind neue, künstliche Formen bei Personenbezeichnungen zu schaffen (z. B. Arzt, Ärztin, 3. Form), auch sind viele grammatische Ergänzungen und Veränderungen vonnöten […] Insofern sind realistische und orthografisch wie grammatisch korrekt umsetzbare Möglichkeiten einer umfassend geschlechtergerechten Sprache weiterhin zu diskutieren.“[g: 3]

Im Juni 2021 erklärt die schweizerische Bundeskanzlei, sie sei sich bewusst, „dass Menschen, die vom herkömmlichen binären Geschlechtermodell nicht erfasst werden, auch in einer Sprache, die ebenfalls nur zwei Geschlechter kennt, nicht gleich repräsentiert sind wie Frauen und Männer. Die Bundeskanzlei anerkennt deshalb auch das Anliegen, das hinter dem Genderstern und ähnlichen neueren Schreibweisen zur Gendermarkierung steht: eine Sprache zu verwenden, die möglichst alle Menschen einbezieht und niemanden ausschliesst.“ Sternchen und andere Sonderzeichen seien aber in deutschsprachigen Texten der Bundesverwaltung verboten (vergleichbar zum Verbot der écriture inclusive in Frankreich).[26]

Siehe unten: Fehlende sprachliche „dritte Option“

Version Epipactis

Allgemeine sprachliche Grundlagen

Grammatisches und biologisches Geschlecht

Das Deutsche gehört zu den Sprachen, die Substantiven (Hauptwörtern, Nomen) generell ein grammatisches Geschlecht zuweisen (fachsprachlich das Genus, Mehrzahl Genera). Genus ist eine grammatische Kategorie wie Kasus und Numerus, doch im Unterschied zu Letzteren ist das Merkmal Genus jedem Substantiv fest zugeordnet und (im Prinzip) unveränderlich. Im Deutschen ist es zudem nicht am Substantiv selbst markiert, sondern zeigt sich nur dadurch, dass andere Wortarten wie Artikel, Pronomen und Adjektive, die sich auf das Substantiv beziehen, nach bestimmten Regeln dessen Genus entsprechend flektieren.

Warum und wie sich diese Form der Wortkategorisierung herausbildete, d.h. welche Funktion Genera ursprünglich hatten und welche Entwicklungen sich in frühen Sprachstufen vollzogen, ist noch weitgehend ungeklärt. Nur ungefähr die Hälfte aller Sprachen besitzt überhaupt ein Genussystem, und die vorhandenen Systeme unterscheiden sich nach Beschaffenheit und Ausprägung beträchtlich voneinander, schon die Anzahl der Genera variiert zwischen zwei und mehr als zehn. In einigen Sprachen dienen sie offensichtlich der Kennzeichnung von Belebtem und Unbelebtem, in anderen ist ihre Zuordnung weit weniger oder gar nicht nachvollziehbar, sodass zur Erklärung verschiedene Kriterien wie Höher- und Niederrangigkeit, Individualität und Kollektivität, Aktivität und Passivität, oder auch rein formale Analogien vorgeschlagen wurden. Ebenso wie andere Komponenten von Sprachen unterliegen auch Genussysteme langfristig mehr oder weniger gravierenden Veränderungen, vom Genuswechsel einzelner Wörter oder Wortgruppen bis zum Verschwinden ganzer Genera.

Im (Neuhoch)Deutschen treten drei grammatische Geschlechter auf, die traditionell maskulin („männlich“), feminin („weiblich“) und neutral („sächlich“) genannt werden, deren Zuordnung jedoch weitgehend regellos erscheint. Beispielsweise ist der Löffel grammatisch ein Maskulinum, die Gabel ein Femininum, das Messer ein Neutrum, während keiner dieser Gegenstände ein biologisches Geschlecht aufweist. Die Giraffe ist feminin, der Tiger maskulin, obwohl beide Ausdrücke jeweils Individuen unterschiedlichen biologischen Geschlechts bezeichnen können. Die Eiche ist feminin, der Ahorn maskulin, die biologischen Gattungen dagegen sind nach wissenschaftlicher Einteilung zwittrig. In bestimmten Fällen werden Genera aufgrund formaler Kriterien zugeordnet, beispielsweise sind Substantivierungen mit dem Suffix -heit oder -keit durchweg feminin, Diminutive sind stets sächlich. Trotz der Namensähnlichkeit ist das grammatische Geschlecht im Deutschen demnach nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit dem „natürlichen“ d.h. biologischen Geschlecht (in der Linguistik Sexus genannt). Eine sinnfällige und regelhafte Beziehung zwischen Genus und Sexus findet sich lediglich bei Personenbezeichnungen (inkl. Personifikationen) sowie bei den Bezeichnungen einiger dem Menschen nahestehender Tierarten.

Semantisches Geschlecht

[Kursives aus Version Mautpreller] Im Unterschied zum Genus bezeichnet Sexus [...] eine Einheit der Bedeutung (Semantik). Nomina, die Menschen oder Tiere benennen, können das Merkmal (das Sem) [männlich] oder [weiblich] tragen. Dieses Merkmal gehört unmittelbar zum Wort, als ein Teil seiner Bedeutungsseite (Signifikat). Besonders deutlich wird dies in der englischen Sprache, die nur noch ein rudimentäres Genussystem und keine Genera der Substantive mehr aufweist. Dennoch transportieren Substantive wie „mother“, „son“ oder „king“ eine Sexusinformation.

Bei Personenbezeichnungen, die keine Sexusdifferenzierung beabsichtigen (d.h. sexusindifferent sind), erscheint im Deutschen die Genuszuordnung ebenso erratisch wie im Bereich des Unbelebten: „Mensch“ - Genus Maskulinum, „Person“ - Genus Femininum, „Kind“ - Genus Neutrum. Bei sexusspezifisch intendierten Bezeichnungen besteht dagegen eine regelmäßige Korrelation von Genus und Sexus mit nur ganz wenigen Ausnahmen. „Frau“, „Mutter“, „Lehrerin“ bedeuten Menschen ausschließlich weiblichen Geschlechts, das Genus ist jeweils feminin. Analog „Mann“, „Vater“, „Lehrer“ (ungünstiges Beispiel) - semantisch männlich, grammatisch maskulin. Beispiele für Ausnahmen: „Weib“ - semantisch weiblich, doch Genus Neutrum. Bei Diminutiven dominiert die formale Genuszuweisung Neutrum: „das Mädchen“, obwohl semantisch weiblich; „das Männlein“, obwohl semantisch männlich.

Movierung und Generisches Maskulinum

Sexusspezifische Personenbezeichnungen sind meist paarig, d.h. es existieren separate Worte für jedes der natürlichen Geschlechter (Bsp. Bruder/Schwester, Mönch/Nonne, Lehrer/Lehrerin). Nur in wenigen Fällen fehlt das jeweilige Gegenstück oder ist weitestgehend ungebräuchlich (Bsp. Amme, nur weiblich; Recke, nur männlich). In früheren Zeiten kam dies häufiger vor, insbesondere bei Berufs- bzw. Tätigkeitsbezeichnungen (nomina agentis), da viele Aktivitäten ausschließlich von Männern ausgeübt wurden. Sexusspezifisch weibliche Bezeichnungen wurden oft sekundär durch Ableitung aus den männlichen gebildet, dieses Verfahren nennt man Movierung (Bsp. Lehrer → Lehrerin, Polizist → Polizistin). Bei diesem Typus von Bezeichnungspaaren dient der Plural des männlichen Parts üblicherweise zugleich als sexusunspezifische Sammel- oder Gattungsbezeichnung, generisches Maskulinum genannt, während dies beim weiblichen Part ausgeschlossen ist. Beispiel: "Die Lokführer streiken" kann entweder bedeuten, dass alle Lokführer streiken, oder auch nur die männlichen. "Die Lokführerinnen streiken" bezieht sich dagegen ausschließlich auf weibliche Berufsangehörige. Diese Asymmetrie bzw. verschiedene daraus erwachsende Verwerfungen zu vermeiden oder zu beseitigen, ist einer der Hauptinhalte der sogenannten geschlechtergerechten Sprache.

[Auf Sonderfälle wie Hexen und Witwer muss hier nicht eingegangen werden, das ist zum Grundverständnis nicht erforderlich.]

Grundlagen geschlechtergerechter Sprache

Sprachkritik

[Drei Punkte, die sich jedoch z.T. überschneiden bzw. bedingen: "male as norm"; Uneindeutigkeit; Unsichtbarmachung des weiblichen Parts]

Eine solche verallgemeinernde Gebrauchsweise von männlichen Personenbezeichnungen und Pronomen wurde zunächst ab 1973 in der englischen Sprache kritisch untersucht (siehe unten). Mitte der 1970er-Jahre begannen Sprachwissenschaftlerinnen auch die deutsche Sprache in Bezug auf Elemente zu untersuchen, die in androzentrischer Weise den Mann und das Männliche sprachlich als Norm erscheinen lassen. Das Thema „Sprache und Geschlecht“ fand Eingang in Veranstaltungen an deutschsprachigen Hochschulen.

1978 erschien der Band einer sprachwissenschaftlichen Zeitschrift zu diesem Thema sowie der Artikel Linguistik und Frauensprache von Senta Trömel-Plötz mit der Kritik an einer männlich geprägten Sprache („Männersprache“), die bis in die grammatischen Strukturen hinein die Sichtbarkeit von Frauen einschränke und sie immer nur mitmeine. Der geschlechterübergreifende Gebrauch von Maskulinformen wurde als sprachliche Asymmetrie kritisiert; bald kamen gesellschaftspolitische Forderungen nach einer sprachlichen Gleichbehandlung beider Geschlechter auf. Aus dieser feministischen Sprachkritik ergaben sich Vorschläge nach einem sprachlichen Wandel, die in dem Konzept „geschlechtergerechte Sprache“ zusammengefasst wurden.

Luise F. Pusch, Pionierin der geschlechtergerechten Sprache, verdeutlichte diese unsymmetrischen „Geschlechts-Schubladen“:

„Männer werden immer richtig eingeordnet, Frauen fast nie, denn in unserer Sprache gilt die Regel: 99 Sängerinnen und 1 Sänger sind zusammen 100 Sänger […] Futsch sind die 99 Frauen, nicht mehr auffindbar, verschwunden in der Männer-Schublade. Die Metapher bewirkt, dass in unseren Köpfen nur Manns-Bilder auftauchen, wenn von Arbeitern, Studenten, Ärzten, Dichtern oder Rentnern die Rede ist, auch wenn jene Ärzte oder Rentner in Wirklichkeit überwiegend Ärztinnen bzw. Rentnerinnen waren.“

Das Handbuch geschlechtergerechte Sprache der Sprachwissenschaftlerinnen Gabriele Diewald und Anja Steinhauer bezeichnet im April 2020 das generische Maskulinum als eine weiterhin bestehende „Sollbruchstelle“ der gendergerechten Sprache:

„Einer der Hauptstreitpunkte in den Debatten um geschlechtergerechte Sprache seit den 1970er-Jahren ist das sogenannte generische Maskulinum. Diese Diskussion ist so wichtig wie kompliziert. […] Selbstverständlich raten alle Leitfäden für gendergerechte Sprache von der Verwendung dieser Gebrauchsgewohnheit – denn das ist das ‚generische Maskulinum‘ letztlich – ab. […] Männer sind durch diese Form immer explizit angesprochen und können sich somit in jedem Fall gemeint fühlen. Frauen hingegen sind durch diese Form nicht direkt angesprochen. Sie wissen nie, ob sie in einem konkreten Fall ‚mitgemeint‘ sind und sich also angesprochen fühlen sollen oder ob sie nicht gemeint, also ausgeschlossen sind. […] Denn die maskuline Form bei paarigen Personenbezeichnungen ist keine geschlechtsneutrale Form. […] Das ‚generische Maskulinum‘ verstößt zudem gegen das grundlegende Kommunikationsprinzip der Klarheit und Vermeidung von Mehrdeutigkeit. […] Zugleich ist es eine der Sollbruchstellen des geschlechtergerechten Formulierens: Es ist nicht möglich, sich geschlechtergerecht auszudrücken und zugleich das ‚generische Maskulinum‘ beizubehalten.“

Sprachliche Gleichbehandlung aller Geschlechter

Mit der rechtlichen Verankerung der dritten Geschlechtsoption „divers“ in Deutschland 2018 und Österreich 2019 ist die Notwendigkeit verbunden, Personen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität (außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit) angemessen benennen und beschreiben zu können. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hält dazu Ende 2018 fest, „dass der gesellschaftliche Diskurs über die Frage, wie neben männlich und weiblich ein drittes Geschlecht oder weitere Geschlechter angemessen bezeichnet werden können, sehr kontrovers verläuft. Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll.“ Mit der grundsätzlichen Anerkennung und Akzeptanz nichtbinärer Geschlechtsidentitäten ist die Bezeichnung „gendergerechte Sprache“ verbunden (von englisch gender [ˈdʒɛndɐ] „soziales Geschlecht“).

Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) fasst hierzu im August 2020 zusammen: „In dieser Hinsicht sind auch sprachliche Faktoren in Augenschein zu nehmen, um allen Geschlechtern gerecht zu werden.“ Festgehalten wird, dass „es für das dritte Geschlecht jedoch bislang weder eindeutige Bezeichnungen noch adäquate Pronomen, Anrede- oder Flexionsformen gibt“. Zwar sieht die GfdS den Bedarf an einer Sprache, „die allen Geschlechtern gerecht wird, gleichzeitig ist sie sich eines größeren Problembereichs bewusst: Nicht nur sind neue, künstliche Formen bei Personenbezeichnungen zu schaffen (z. B. Arzt, Ärztin, 3. Form), auch sind viele grammatische Ergänzungen und Veränderungen vonnöten […] Insofern sind realistische und orthografisch wie grammatisch korrekt umsetzbare Möglichkeiten einer umfassend geschlechtergerechten Sprache weiterhin zu diskutieren.“

Im Juni 2021 erklärt die schweizerische Bundeskanzlei, sie sei sich bewusst, „dass Menschen, die vom herkömmlichen binären Geschlechtermodell nicht erfasst werden, auch in einer Sprache, die ebenfalls nur zwei Geschlechter kennt, nicht gleich repräsentiert sind wie Frauen und Männer. Die Bundeskanzlei anerkennt deshalb auch das Anliegen, das hinter dem Genderstern und ähnlichen neueren Schreibweisen zur Gendermarkierung steht: eine Sprache zu verwenden, die möglichst alle Menschen einbezieht und niemanden ausschliesst.“ Sternchen und andere Sonderzeichen seien aber in deutschsprachigen Texten der Bundesverwaltung verboten (vergleichbar zum Verbot der écriture inclusive in Frankreich).

Konsequenzen für die Sprachpraxis

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hält im August 2020 fest: „Über das Thema der sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter wird seit einigen Jahren so viel diskutiert wie selten zuvor. Dabei ist es durchaus nicht neu: Schon in den 1970er Jahren formierte sich eine Bewegung, die die männerzentrierte Sprachverwendung kritisierte und verlangte, dass auch Frauen sprachlich sichtbar gemacht werden. Ihr Leitgedanke: ‚Sprache [bestimmt] das Denken und auch das Bewusstsein der Menschen […]; Sprache spiegelt nicht nur Realität, sie schafft auch Realität.‘“ Der Sprachwissenschaftler Henning Lobin ergänzt im März 2021: „Für dieses Anliegen weist die deutsche Sprache mit ihrem Genussystem grundsätzlich die Möglichkeit auf, den Sprachgebrauch in geeigneter Weise anzupassen, auch wenn es im Detail eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten gilt. Der Begriff der gendergerechten Sprache im engeren Sinne hingegen stellt die Auffassung der sozialen Konstruktion der Kategorie Geschlecht in den Mittelpunkt und will dabei auch die geschlechtliche Vielfalt zwischen den Polen von Weiblichkeit und Männlichkeit berücksichtigen. Für dieses Anliegen gibt es keine gewachsenen Strukturen in der deutschen Sprache“.

1979 wurde die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau beschlossen; im selben Jahr hielt Prof. Trömel-Plötz ihre Antrittsvorlesung an der Universität Konstanz über die Feministische Linguistik als Forschungsbereich zu „Sprache und Geschlecht“. 1980 erschienen die Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs von ihr, zusammen mit den Sprachwissenschaftlerinnen Marlis Hellinger, Ingrid Guentherodt und Luise F. Pusch. Die Wortwahl „sexistisch“ war im Sinne von „diskriminierend“ gemeint und bezog sich auf die sprachliche Ungleichbehandlung: Maskuline Formen von Personenbezeichnungen beziehen sich auf Männer, aber manchmal auch auf Frauen, während feminine Formen ausschließlich auf Frauen bezogen sind.

1987 veröffentlichte die UNESCO unter dem Titel Guide to Non-Sexist Language eigene Leitlinien zur geschlechtsneutralen Sprache.

1984 erwähnte die Duden-Grammatik noch den „verallgemeinernden“ Gebrauch maskuliner Formen und erklärte, dass feminine Bezeichnungsformen nur zu verwenden wären, wenn ausschließlich Frauen gemeint seien:

„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), verwendet man die maskuline Form vielfach auch dann, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Man empfindet hier das Maskulinum als neutralisierend bzw. verallgemeinernd. Wenn man jedoch das weibliche Geschlecht deutlich zum Ausdruck bringen will, wählt man entweder die feminine Form (z. B. auf ‚-in‘) oder eine entsprechende Umschreibung […].“

Duden-Grammatik (1984)

1995 ergänzte die Duden-Grammatik zum „neutralisierenden“ Gebrauch maskuliner Formen die Fachbezeichnung generisch („verallgemeinernd“), erwähnte aber auch die Existenz von „Bemühungen, eine sprachliche Gleichbehandlung von Frauen zu erreichen“. Festgehalten wurde: „Durch die Emanzipation der Frau kommen zunehmend neue Bildungen für die Bezeichnung von Berufsrollen in Gebrauch, die früher nur Männern vorbehalten waren“. In der folgenden 6. Auflage 1998, herausgegeben von Peter Eisenberg und Annette Klosa-Kückelhaus, wurde erstmals der Ausdruck „generisches Maskulinum“ verwendet – aber auch auf die Ablehnung des generischen Gebrauchs hingewiesen sowie auf die „Doppelnennung“ beider Formen:

„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Nomina, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), wird die Verwendung des generischen Maskulinums immer mehr abgelehnt. Bei Bezug auf weibliche Personen werden häufig feminine Formen (z. B. auf ‚-in‘) verwendet; mit Doppelnennungen der maskulinen und femininen Form bezieht man sich auf männliche und weibliche Personen: […] alle Lehrerinnen und Lehrer […]“

Duden-Grammatik (1998)

2016 erwähnt die Duden-Grammatik in ihrer 9. Auflage den Ausdruck generisches Maskulinum nicht mehr, stattdessen wird grundlegend unterschieden zwischen „sexusspezifisch“ (geschlechtsbezogen) und „sexusindifferent“ (geschlechtsneutral). Personenbezeichnungen werden in 3 Klassen unterteilt: Klasse A umfasst die wenigen sexusindifferenten Substantive wie der Mensch, die Person, das Mitglied, der Impfling (siehe unten); Klasse B umfasst eindeutig auf Männer oder auf Frauen bezogene Substantive (der Mann, der Junge, der Herr – die Frau, die Dame; die Chefin, die Freundin). Die dritte Klasse umfasst Bezeichnungen, die auch im generischen Sinne gebraucht werden können, wobei dazu die Kritik an der Mehrdeutigkeit angeführt wird:

„Klasse C umfasst maskuline Personenbezeichnungen, die sowohl sexusspezifisch (Bezug nur auf Männer) als auch sexusindifferent gebraucht werden. Neben solchen Maskulina steht gewöhnlich eine feminine Ableitung, die sexusspezifisch auf weibliche Personen referiert (Klasse B), meist mit dem Suffix -in (traditioneller Fachausdruck: Movierung): Abiturient → Abiturientin; Agent → Agentin […]
Am sexusindifferenten (generischen) Gebrauch wird kritisiert, dass er sich formal nicht vom sexusspezifischen Gebrauch unterscheidet. So können inhaltliche und kommunikative Missverständnisse entstehen, z. B. der Eindruck, dass Frauen gar nicht mitgemeint sind. Experimente unterstützen diese Annahme. Aus diesem Grund wird der sexusindifferente Gebrauch der Maskulina oft vermieden. Stattdessen werden Paarformen gebraucht: Alle Schülerinnen und Schüler sind herzlich eingeladen. (Anrede:) Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Angelika Wöllstein, Duden-Redaktion (Hrsg.): Duden: Die Grammatik (2016)

Die Redaktion des Nachrichtenmagazins Der Spiegel formuliert Anfang 2020 ihre journalistischen Grundsätze neu: „Das generische Maskulinum soll nicht mehr Standard sein.“ Ein Jahr später wertet die Redaktion aus, wie häufig Männer und wie oft Frauen in den Spiegel-Texten der zwölf Monate erwähnt wurden: Männer 107.000 Mal (79 %), Frauen 28.000 Mal (21 % von 135.000). Im Oktober 2020 erklärt die Redaktion der Tageszeitung Frankfurter Rundschau: „Das generische Maskulinum wird in der FR kein Standard mehr sein.“ Im Juni 2021 vereinbaren acht der größten deutschsprachigen Nachrichtenagenturen (darunter dpa, epd, KNA, Reuters, APA und AFP) ein gemeinsames Vorgehen, „um diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen. Das generische Maskulinum wird in kompakter Nachrichtensprache noch vielfach verwendet, soll aber schrittweise zurückgedrängt werden. Ob die Nachrichtenagenturen in einigen Jahren ganz darauf verzichten können, hängt von der weiteren Entwicklung der Sprache ab“ (Details). Zur gleichen Zeit bekräftigt die schweizerische Bundeskanzlei in Bezug auf deutschsprachige Texte der Bundesverwaltung: „Das generische Maskulin (Bürger) ist nicht zulässig.“

Version Eulenspiegel1

Linguistische Grundlagen

Substantive

Genus und Sexus

In der Linguistik wird zwischen dem natürlichen Geschlecht und dem grammatischen Geschlecht unterschieden. Das natürliche Geschlecht wird auch Sexus genannt und ist eine semantische (inhaltliche) Information über ein Wort. Das grammatische Geschlecht wird Genus genannt und ist eine rein syntaktische Information über das Wort.[28] Das heißt, der Sexus gibt an, welches (biologische bzw. soziale) Geschlecht die Person in der realen Welt hat, während der Genus angibt, welchen Artikel das Substantiv hat und wie dazugehörige Adjektive dekliniert werden.

Nicht alle Sprachen besitzen ein grammatisches Geschlecht. Bei den Sprachen, die über ein grammatisches Geschlecht verfügen, existiert häufig eine Korrelation zwischen dem natürlichen und grammatischem Geschlecht: Wörter, die semantisch eine männliche Person bezeichnen, sind auch häufig grammatisch maskulin (der Mönch). Wörter, die semantisch eine weiblich Person bezeichnen, sind auch häufig grammatisch feminin (die Nonne).[29]

Genus und Sexus lässt sich jedoch nicht gleichsetzen. So ist z. B. im Deutschen „das Mädchen“ semantisch eine weibliche Person, grammatisch jedoch sächlich. „Die Person“ ist semantisch geschlechtsneutral, jedoch grammatisch feminin.[30]

Zur besseren Unterscheidbarkeit wird im Folgenden von männlich/weiblich gesprochen, wenn das natürliche Geschlecht gemeint ist, und von maskulin/feminin, wenn das grammatische Geschlecht gemeint ist.

Ergänzende Informationen zum Wortstamm

Allgemein

Bei vielen Sprachen kann die Bedeutung von Wörtern modifiziert werden, indem die Endung der Wörter geändert wird. Zum Beispiel kann im Deutschen eine Verniedlichung ausgedrückt werden, indem man „-chen“ an das Wort anhängt.[31] Im Japanischen kann die soziale Stellung einer Person angezeigt werden, indem man „-chan“, „-kun“ oder „-san“ anhängt.[32] In vielen Sprachen wird das natürliche Geschlecht ausgedrückt, indem man eine entsprechende Endung hinzufügt. Diese geschlechtsspezifische Wortmodifikation wird Movierung genannt.

Hier einige Beispiele für Sprachen, die Movierung verwenden:

Sprache weibliche Movierung männliche Movierung
Deutsch -in (Schauspieler Schauspielerin) -r (Personen): Witwe Witwer, -erich (allgemein): Ente Enterich[33]
Englisch -ess (actor actress)
Französisch -e / -ice (ami amie, acteur actrice, comédien comédienne)

In den meisten Sprachen kommen Movierungen zum Weiblichen sehr häufig vor, während Movierung zum Männlichen zwar existieren, jedoch nur selten sind. Im Deutschen ist dabei die weibliche Movierung hochproduktiv.[34] Das heißt, auch neue Wörter können problemlos moviert werden. Beispiele: Im Englischen geschlechtsneutrale Wörter (z. B. Streetworker, Cheerleader, Teenager) können nach der Eindeutschung moviert werden (Streetworkerin, Cheerleaderin, Teenagerin).[35]

Information zum Geschlecht

Neben der Geschlechtszuschreibung durch Movierung gibt es je nach Sprache auch andere Möglichkeiten, das Geschlecht auszudrücken:

  • Änderung des Artikel, ohne dass sich das Wort ändert: Im Deutschen z. B. „der Abgeordnete / die Abgeordnete“ (aber: „ein Abgeordneter / eine Abgeordnete“). Im Spanischen z. B. „el artista / la artista“.
  • Ergänzung um ein Adjektiv, wenn sowohl Wort als auch Artikel sich nicht ändern: Im Deutschen z. B. „der männliche Gast / der weibliche Gast“. Im Englischen z. B. „the male guest / the female guest“.
  • Komplett unterschiedliche Wörter. Im Deutschen z. B. „der Mönch / die Nonne“, im Englischen „the monk / the nun“.

Generisches Maskulinum bzw. Generisches Femininum

Für das generische Maskulinum bzw. Femininum gibt es eine weite und eine enge Definition. Nach der weiten Definition ist eine Personenbezeichnung ein generisches Maskulinum bzw. Femininum, wenn es grammatikalisch maskulin bzw. feminin ist, sich aber auf alle natürlichen Geschlechter beziehen kann.[36]

Nach der engen Definition gilt eine Personenbezeichnung als generisches Maskulinum bzw. Femininum, wenn es zu einer grammatikalisch maskulinen bzw. femininen Personenbezeichnung eine movierte Form gibt und sich die unmovierte Form auf alle natürlichen Geschlechter beziehen kann.[37]

Die Eigenschaft „generisch maskulin“ zu sein, kann jedoch verloren gehen, wenn die feminine Form nicht mehr verwendet wird. Zum Beispiel gab es im Englischen früher die Begriffe „doctor“ und „doctoress“, weshalb „doctor“ als generisches Maskulinum galt. Heutzutage gibt es nur noch das Wort „doctor“, das deshalb als geschlechtsneutral gilt.[38] Im Deutschen gab es früher die Wortpaare „Mensch/Menschin“[39][40] und „Gast/Gästin“.[41][37] Heutzutage ist das Wort „Menschin“ vollständig aus dem Sprachgebrauch verschwunden und wird höchstens noch ironisch verwendet. Das Wort „Gästin“ ist in weiten Teilen des deutschsprachigen Raumes verschwunden und wird nur noch in einigen Dialekten gesprochen. Daher wird heutzutage „der Mensch“ auch nicht mehr als generisches Maskulinum, sondern als geschlechtsneutral angesehen. Ebenso wird in vielen Regionen „der Gast“ nicht mehr als generisches Maskulinum, sondern als geschlechtsneutral angesehen.[42]

Doppelbedeutung der Movierung

Ein moviertes Wort (z. B. Doktorin) kann sich einerseits auf eine weibliche Person beziehen, die diesen Beruf ausübt (Doktorin = weiblicher Doktor). Zum anderen kann es sich historisch auch auf die Frau desjenigen beziehen, der diesen Beruf ausübt (Doktorin = Frau des Doktors). Während die erste Bedeutung der Movierung im Deutschen heutzutage noch hochproduktiv ist, ist die zweite Form der Movierung heutzutage nicht mehr gebräuchlich.[43]

Oberbegriff und Unterbegriff

Es ist in Sprachen üblich, dass ein Begriff (Hyperonym) gleichzeitig Unterbegriff (Hyponym) von sich selber sein kann. So ist z. B. der Satz „der Tag besteht aus Tag und Nacht“ durchaus sinnvoll, da einmal der Tag als Zeiteinheit von 24 Stunden gemeint ist und einmal als die Zeit, an der die Sonne scheint. Diese Verwendung findet sich auch bei generischen Maskulina wieder. Hierbei ist jedoch die Asymmetrie auszumachen, dass der Oberbegriff (Hyperonym) meistens identisch mit dem männlichen Unterbegriff ist, fast nie jedoch mit dem weiblichen Unterbegriff.[44][45]

Beispiel: An einer Schule unterrichten 3 weibliche und 2 männliche Personen, darunter Alice.

Singular Plural Bemerkung
Alice ist Lehrerin. Die Schule hat 3 Lehrerinnen. Lehrerin: Geschlechtsspezifisch weiblich
Alice ist kein Lehrer. Die Schule hat 2 Lehrer. Lehrer: Geschlechtsspezifisch männlich
Alice ist Lehrer. Die Schule hat 5 Lehrer. Lehrer: Geschlechtsunspezifisch

Personalpronomen

Neben den Substantiven gibt es auch geschlechtsspezifische Personalpronomen. Hierbei hängt es von der Sprache ab, ob die Personalpronomen sich auf das grammatikalische Geschlecht oder auf das natürliche Geschlecht beziehen. Im Deutschen zum Beispiel beziehen sich die Personalpronomen auf das grammatikalische Geschlecht.[46]

Beispiele:

  • Das Mädchen saß auf der Wiese. Es schaute lächelnd in die Kamera.
  • Die Tür war schon sehr alt. Sie quietschte beim Öffnen laut.
  • Das Mädchen suchte nach der Gabel. Es fand sie in der unteren Schublade. („Es“ bezieht sich auf das weibliche Mädchen. „Sie“ bezieht sich auf die sächliche Gabel.)

Im Englischen, das kein grammatikalischen Geschlecht kennt, gibt es auch geschlechtsspezifische Personalpronomen (he/she). Diese beziehen sich hier jedoch auf das natürliche Geschlecht.[46][47]

Im Japanischen gibt es auch für die erste Person Singular („ich“) unterschiedliche Wörter je nach Geschlecht. Im alten Japanischen wurde auch die 2. Person Singular („du“) je nach Geschlecht variiert.[48]

Männliche Dominanz in der Sprache

Bei generischer Nutzung von Personenbezeichnungen werden auch rein männliche Wörter geschlechtsübergreifend verwendet. Ein Beispiel im Deutschen: Wenn über eine konkrete Person gesprochen wird, ist „der Abgeordnete“ immer männlich und „die Abgeordnete“ immer weiblich. Wird jedoch über eine unbestimmte Person aus einer Gruppe gesprochen, so ist „der Abgeordnete“ geschlechtsunspezifisch. Die Aussage „dem Abgeordneten steht die folgende Aufwandsentschädigung zu“ bezieht sich sowohl auf Männer als auch auf Frauen.

Aufwertung und Abwertung: Aus patriarchalischen Gründen sind männliche Personenbezeichnungen für Frauen häufig aufwertend gemeint („sie ist ein ganzer Kerl“ oder „Sie steht ihren Mann.“). Weibliche Personenbezeichnungen für Männer sind dagegen häufig abwertend gemeint („du Mädchen“ für einen Jungen).[49]

Version Mautpreller

Sprachliche Grundlagen

Genus und Kongruenz

Hauptartikel Genus, Kongruenz (Grammatik)

Viele Sprachen unterscheiden Nomina nach einem fest dem jeweiligen Wort zugeordneten Kriterium, dem Genus. Rund 38 % der Weltbevölkerung sprechen Sprachen, die über Genera verfügen.[50] Im Deutschen wird das Genus auch als grammatisches Geschlecht bezeichnet und es gibt dort drei Genera, das Maskulinum (männliches Geschlecht), das Femininum (weibliches Geschlecht) und das Neutrum (sächliches Geschlecht). Im Allgemeinen folgt es keiner Regel, welches Genus ein Substantiv hat; oft wird es aufgrund formaler Kriterien zugeordnet.

Das Genus bezeichnet prinzipiell nicht biologische oder andere Eigenschaften des mit dem Wort angesprochenen Lebewesens, Gegenstands oder Begriffs. Es steht vielmehr für grammatische Regelmäßigkeiten, die mit dem Begriff der Kongruenz (Grammatik) gefasst werden. So werden Adjektive in bestimmten Fällen nach dem Genus des zugehörigen Nomens gebeugt (dekliniert). Pronomina, mit denen auf ein Nomen Bezug genommen wird, stimmen ebenfalls im Genus mit dem Nomen überein. Direkt angezeigt wird das Genus, wenn es im Singular mit einem Artikel versehen ist, der ebenfalls nach Genera differenziert ist.

Beispielhaft: Ein großer Löffel, der … Eine große Gabel, die … Ein großes Messer, das …

Das Genus eines Nomens hat also Auswirkungen auf andere Wörter im Satz und oft auch in Folgesätzen, etwa wenn das Nomen im nächsten Satz durch ein Personalpronomen aufgenommen wird (er, sie, es). Es ist oft nur an diesen Auswirkungen zu erkennen. Lernt man Deutsch als Fremdsprache, muss man das Genus der Nomina lernen, da es ihnen oft nicht anzusehen ist.

Sexus und Genus

Im Unterschied zum Genus bezeichnet Sexus (auch als natürliches Geschlecht bekannt) eine Einheit der Bedeutung (Semantik). Nomina, die Menschen oder Tiere benennen, können das Merkmal (das Sem) [männlich] oder [weiblich] tragen. Dieses Merkmal gehört unmittelbar zum Wort, als ein Teil seiner Bedeutungsseite (Signifikat).

Bei den meisten Personenbezeichnungen und auch bei vielen Bezeichungen für Tiere, die nach Sexus differenzieren, besteht eine enge Wechselbeziehung zwischen ihrem Genus und dem Geschlecht (Sexus) der gemeinten Individuen: Bezeichnungen für Frauen haben bis auf wenige Ausnahmen das feminine Genus (die Frau, die Schwester), Bezeichnungen für Männer haben das maskuline Genus (der Mann, der Bruder). Ausnahmen sind etwa Weib und Mädchen (Genus Neutrum, Sexus weiblich). Bei Vornamen stehen Genus und Sexus ausnahmslos in einer festen Beziehung: Auf „Eva“ wird mit dem Pronomen „sie“ Bezug genommen, auf „Adam“ mit „er“. Wenn ein auf Personen bezogenes Personalpronomen der dritten Person Singular ohne vorheriges Nomen (Antezedens) eingeführt wird, genügt bereits das Genus des Pronomens, um den Sexus der jeweiligen Person zu identifizieren (so etwa in Titeln: Sie und Er (Film), Für Sie (Zeitschrift)). Häufig werden Personalpronomina bei Personen auch "ad sensum" konstruiert, d.h. sie kongruieren dann nicht mit dem Genus des Nomens, auf das sie Bezug nehmen, sondern mit dem natürlichen Geschlecht (Beispiel bei Köpcke/Zubin: "das Mannequin … sie"). Vgl. dazu Köpcke/Zubin 1984, 1991, 2009 und öfter, "natürliche Geschlechtszuweisung" bzw. "Genus-Sexus-Korrelation".

Generische Formen: Das generische Maskulinum

Nicht immer ist jedoch bei Personenbezeichnungen eine Sexusdifferenzierung beabsichtigt, insbesondere bei hohem Abstraktionsgrad nicht. Nomina wie „Mensch“ (Genus Maskulinum), „Person“ (Genus Femininum) oder „Mitglied“ (Genus Neutrum) sind sexusindifferent. Sie beziehen sich auf Personen unabhängig von ihrem Geschlecht, folgen aber wie alle Nomina den grammatischen Regeln der Kongruenz: „ein Mensch, der … Er …“; „eine Person, die … Sie …“; „ein Mitglied, das … Es …“

Bei Bezeichnungen von Berufen oder Tätigkeiten, gelegentlich auch bei anderen Personenbezeichnungen wird eine sexusspezifische Form gewöhnlich durch Ableitung gebildet. Soweit es sich um Individuen, also einzelne Personen handelt, ist gewöhnlich der Sexus bekannt. Von Berufsbezeichnungen wie etwa „Lehrer“ entsteht durch Movierung ein Wort mit femininem Genus, das Personen mit dem Sexus „weiblich“ bezeichnet, die zu dieser Berufsgruppe gehören. Dazu dient meist das hochproduktive Suffix (Endung) „-in“. Beispielhaft: „Meine Frau ist Lehrerin.“ Es entstehen paarige Formen: der Lehrer, die Lehrerin. Hier entpricht die Beziehung zwischen Genus und Sexus dem, was man von Verwandtschaftsbeziehungen kennt: „eine gute Lehrerin, die …“; „ein guter Lehrer, der …“

Es gibt jedoch auch allgemeinere, abstraktere Verwendungsformen solcher Bezeichnungen: So kann etwa über Gehaltsverhandlungen und Tarifabschlüsse für Personen, die den Lehrerbéruf ausüben, berichtet werden. Hier ist eine Differenzierung nach Sexus nicht sinnvoll, es soll die ganze Berufsgruppe angesprochen werden, unabhängig vom natürlichen Geschlecht der Personen, für die der Tarifabschluss gilt. In diesem Fall wird insbesondere im Plural, seltener auch im Singular gewöhnlich die maskuline Form als übergreifende Form gewählt, unabhängig von der Zusammensetzung der gemeinten Gruppe: „Tarifverhandlungen für Lehrer erfolgreich“; „Du solltest mal zum Arzt gehen“. Seit den 1980er Jahren bezeichnet man dieses Phänomen mit einer Lehnübersetzung aus dem Englischen meist als generisches Maskulinum. Infolgedessen hat das Wort Lehrer kontextabhängig zwei unterschiedliche Bedeutungen: Es kann eine männliche Person bezeichnen, die den Lehrberuf ausübt (Sem [männlich]), aber auch geschlechtsübergreifend eine Person, die den Lehrberuf ausübt. Wie die Entwicklung der Duden-Grammatik über die Jahre von 1973 bis 2016 zeigt, sind sowohl diese generalisierende Verwendungsweise als auch die Doppelbedeutung der maskulinen Form zunehmend auf Einwände gestoßen.

Deutsche Sprache

Geschichte der Theorie der geschlechtergerechten Sprache

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hält im August 2020 fest: „Über das Thema der sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter wird seit einigen Jahren so viel diskutiert wie selten zuvor. Dabei ist es durchaus nicht neu: Schon in den 1970er Jahren formierte sich eine Bewegung, die die männerzentrierte Sprachverwendung kritisierte und verlangte, dass auch Frauen sprachlich sichtbar gemacht werden. Ihr Leitgedanke: ‚Sprache [bestimmt] das Denken und auch das Bewusstsein der Menschen […]; Sprache spiegelt nicht nur Realität, sie schafft auch Realität.‘“[g: 1] Der Sprachwissenschaftler Henning Lobin ergänzt im März 2021: „Für dieses Anliegen weist die deutsche Sprache mit ihrem Genussystem grundsätzlich die Möglichkeit auf, den Sprachgebrauch in geeigneter Weise anzupassen, auch wenn es im Detail eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten gilt. Der Begriff der gendergerechten Sprache im engeren Sinne hingegen stellt die Auffassung der sozialen Konstruktion der Kategorie Geschlecht in den Mittelpunkt und will dabei auch die geschlechtliche Vielfalt zwischen den Polen von Weiblichkeit und Männlichkeit berücksichtigen. Für dieses Anliegen gibt es keine gewachsenen Strukturen in der deutschen Sprache“.[1]

Feministische Sprachkritik

Eine solche verallgemeinernde Gebrauchsweise von männlichen Personenbezeichnungen und Pronomen wurde zunächst ab 1973 in der englischen Sprache kritisch untersucht (siehe unten). Mitte der 1970er-Jahre begannen Sprachwissenschaftlerinnen auch die deutsche Sprache in Bezug auf Elemente zu untersuchen, die in androzentrischer Weise den Mann und das Männliche sprachlich als Norm erscheinen lassen. Das Thema „Sprache und Geschlecht“ fand Eingang in Veranstaltungen an deutschsprachigen Hochschulen.[9]

1978 erschien der Band einer sprachwissenschaftlichen Zeitschrift zu diesem Thema sowie der Artikel Linguistik und Frauensprache von Senta Trömel-Plötz mit der Kritik an einer männlich geprägten Sprache („Männersprache“), die bis in die grammatischen Strukturen hinein die Sichtbarkeit von Frauen einschränke und sie immer nur mitmeine.[9][51] Der geschlechterübergreifende Gebrauch von Maskulinformen wurde als sprachliche Asymmetrie kritisiert; bald kamen gesellschaftspolitische Forderungen nach einer sprachlichen Gleichbehandlung beider Geschlechter auf.[9] Aus dieser feministischen Sprachkritik ergaben sich Vorschläge nach einem sprachlichen Wandel, die in dem Konzept „geschlechtergerechte Sprache“ zusammengefasst wurden.

1979 wurde die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau beschlossen; im selben Jahr hielt Prof. Trömel-Plötz ihre Antrittsvorlesung an der Universität Konstanz über die Feministische Linguistik als Forschungsbereich zu „Sprache und Geschlecht“.[11] 1980 erschienen die Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs von ihr, zusammen mit den Sprachwissenschaftlerinnen Marlis Hellinger, Ingrid Guentherodt und Luise F. Pusch.[12] Die Wortwahl „sexistisch“ war im Sinne von „diskriminierend“ gemeint und bezog sich auf die sprachliche Ungleichbehandlung: Maskuline Formen von Personenbezeichnungen beziehen sich auf Männer, aber manchmal auch auf Frauen, während feminine Formen ausschließlich auf Frauen bezogen sind.

1987 veröffentlichte die UNESCO unter dem Titel Guide to Non-Sexist Language eigene Leitlinien zur geschlechtsneutralen Sprache.[13]

Generische Maskulinform beim Duden

1984 erwähnte die Duden-Grammatik noch den „verallgemeinernden“ Gebrauch maskuliner Formen und erklärte, dass feminine Bezeichnungsformen nur zu verwenden wären, wenn ausschließlich Frauen gemeint seien:[7][14]

„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), verwendet man die maskuline Form vielfach auch dann, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Man empfindet hier das Maskulinum als neutralisierend bzw. verallgemeinernd. Wenn man jedoch das weibliche Geschlecht deutlich zum Ausdruck bringen will, wählt man entweder die feminine Form (z. B. auf ‚-in‘) oder eine entsprechende Umschreibung […].“

Duden-Grammatik (1984)[15]

1995 ergänzte die Duden-Grammatik zum „neutralisierenden“ Gebrauch maskuliner Formen die Fachbezeichnung generisch („verallgemeinernd“), erwähnte aber auch die Existenz von „Bemühungen, eine sprachliche Gleichbehandlung von Frauen zu erreichen“.[16] Festgehalten wurde: „Durch die Emanzipation der Frau kommen zunehmend neue Bildungen für die Bezeichnung von Berufsrollen in Gebrauch, die früher nur Männern vorbehalten waren“.[17][18] In der folgenden 6. Auflage 1998, herausgegeben von Peter Eisenberg und Annette Klosa-Kückelhaus, wurde erstmals der Ausdruck „generisches Maskulinum“ verwendet – aber auch auf die Ablehnung des generischen Gebrauchs hingewiesen sowie auf die „Doppelnennung“ beider Formen:[7][19]

„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Nomina, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), wird die Verwendung des generischen Maskulinums immer mehr abgelehnt. Bei Bezug auf weibliche Personen werden häufig feminine Formen (z. B. auf ‚-in‘) verwendet; mit Doppelnennungen der maskulinen und femininen Form bezieht man sich auf männliche und weibliche Personen: […] alle Lehrerinnen und Lehrer […]“

Duden-Grammatik (1998)[20]

2016 erwähnt die Duden-Grammatik in ihrer 9. Auflage den Ausdruck generisches Maskulinum nicht mehr, stattdessen wird grundlegend unterschieden zwischen „sexusspezifisch“ (geschlechtsbezogen) und „sexusindifferent“ (geschlechtsneutral).[19] Personenbezeichnungen werden in 3 Klassen unterteilt: Klasse A umfasst die wenigen sexusindifferenten Substantive wie der Mensch, die Person, das Mitglied, der Impfling (siehe unten); Klasse B umfasst eindeutig auf Männer oder auf Frauen bezogene Substantive (der Mann, der Junge, der Herr – die Frau, die Dame; die Chefin, die Freundin). Die dritte Klasse umfasst Bezeichnungen, die auch im generischen Sinne gebraucht werden können, wobei dazu die Kritik an der Mehrdeutigkeit angeführt wird:

„Klasse C umfasst maskuline Personenbezeichnungen, die sowohl sexusspezifisch (Bezug nur auf Männer) als auch sexusindifferent gebraucht werden. Neben solchen Maskulina steht gewöhnlich eine feminine Ableitung, die sexusspezifisch auf weibliche Personen referiert (Klasse B), meist mit dem Suffix -in (traditioneller Fachausdruck: Movierung): Abiturient → Abiturientin; Agent → Agentin […]
Am sexusindifferenten (generischen) Gebrauch wird kritisiert, dass er sich formal nicht vom sexusspezifischen Gebrauch unterscheidet. So können inhaltliche und kommunikative Missverständnisse entstehen, z. B. der Eindruck, dass Frauen gar nicht mitgemeint sind. Experimente unterstützen diese Annahme. Aus diesem Grund wird der sexusindifferente Gebrauch der Maskulina oft vermieden. Stattdessen werden Paarformen gebraucht: Alle Schülerinnen und Schüler sind herzlich eingeladen. (Anrede:) Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Angelika Wöllstein, Duden-Redaktion (Hrsg.): Duden: Die Grammatik (2016)[21]

Siehe unten: Studien zur Verständlichkeit von geschlechtergerechten Alternativen zum generischen Maskulinum

Streitpunkt Generisches Maskulinum

Das Handbuch geschlechtergerechte Sprache der Sprachwissenschaftlerinnen Gabriele Diewald und Anja Steinhauer bezeichnet im April 2020 das generische Maskulinum als eine weiterhin bestehende „Sollbruchstelle“ der gendergerechten Sprache:

„Einer der Hauptstreitpunkte in den Debatten um geschlechtergerechte Sprache seit den 1970er-Jahren ist das sogenannte generische Maskulinum. Diese Diskussion ist so wichtig wie kompliziert. […] Selbstverständlich raten alle Leitfäden für gendergerechte Sprache von der Verwendung dieser Gebrauchsgewohnheit – denn das ist das ‚generische Maskulinum‘ letztlich – ab. […] Männer sind durch diese Form immer explizit angesprochen und können sich somit in jedem Fall gemeint fühlen. Frauen hingegen sind durch diese Form nicht direkt angesprochen. Sie wissen nie, ob sie in einem konkreten Fall ‚mitgemeint‘ sind und sich also angesprochen fühlen sollen oder ob sie nicht gemeint, also ausgeschlossen sind. […] Denn die maskuline Form bei paarigen Personenbezeichnungen ist keine geschlechtsneutrale Form. […] Das ‚generische Maskulinum‘ verstößt zudem gegen das grundlegende Kommunikationsprinzip der Klarheit und Vermeidung von Mehrdeutigkeit. […] Zugleich ist es eine der Sollbruchstellen des geschlechtergerechten Formulierens: Es ist nicht möglich, sich geschlechtergerecht auszudrücken und zugleich das ‚generische Maskulinum‘ beizubehalten.“[d: 3]

Die Redaktion des Nachrichtenmagazins Der Spiegel formuliert Anfang 2020 ihre journalistischen Grundsätze neu: „Das generische Maskulinum soll nicht mehr Standard sein.“[22] Ein Jahr später wertet die Redaktion aus, wie häufig Männer und wie oft Frauen in den Spiegel-Texten der zwölf Monate erwähnt wurden: Männer 107.000 Mal (79 %), Frauen 28.000 Mal (21 % von 135.000).[52] Im Oktober 2020 erklärt die Redaktion der Tageszeitung Frankfurter Rundschau: „Das generische Maskulinum wird in der FR kein Standard mehr sein.“[53] Im Juni 2021 vereinbaren acht der größten deutschsprachigen Nachrichtenagenturen (darunter dpa, epd, KNA, Reuters, APA und AFP) ein gemeinsames Vorgehen, „um diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen. Das generische Maskulinum wird in kompakter Nachrichtensprache noch vielfach verwendet, soll aber schrittweise zurückgedrängt werden. Ob die Nachrichtenagenturen in einigen Jahren ganz darauf verzichten können, hängt von der weiteren Entwicklung der Sprache ab“ (Details).[25] Zur gleichen Zeit bekräftigt die schweizerische Bundeskanzlei in Bezug auf deutschsprachige Texte der Bundesverwaltung: „Das generische Maskulin (Bürger) ist nicht zulässig.“[26]

Sprachliche Gleichbehandlung aller Geschlechter

Mit der rechtlichen Verankerung der dritten Geschlechtsoption „divers“ in Deutschland 2018 und Österreich 2019 ist die Notwendigkeit verbunden, Personen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität (außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit) angemessen benennen und beschreiben zu können. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hält dazu Ende 2018 fest, „dass der gesellschaftliche Diskurs über die Frage, wie neben männlich und weiblich ein drittes Geschlecht oder weitere Geschlechter angemessen bezeichnet werden können, sehr kontrovers verläuft. Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll.“[27] Mit der grundsätzlichen Anerkennung und Akzeptanz nichtbinärer Geschlechtsidentitäten ist die Bezeichnung „gendergerechte Sprache“ verbunden (von englisch gender [ˈdʒɛndɐ] „soziales Geschlecht“).[1]

Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) fasst hierzu im August 2020 zusammen: „In dieser Hinsicht sind auch sprachliche Faktoren in Augenschein zu nehmen, um allen Geschlechtern gerecht zu werden.“ Festgehalten wird, dass „es für das dritte Geschlecht jedoch bislang weder eindeutige Bezeichnungen noch adäquate Pronomen, Anrede- oder Flexionsformen gibt“.[g: 2] Zwar sieht die GfdS den Bedarf an einer Sprache, „die allen Geschlechtern gerecht wird, gleichzeitig ist sie sich eines größeren Problembereichs bewusst: Nicht nur sind neue, künstliche Formen bei Personenbezeichnungen zu schaffen (z. B. Arzt, Ärztin, 3. Form), auch sind viele grammatische Ergänzungen und Veränderungen vonnöten […] Insofern sind realistische und orthografisch wie grammatisch korrekt umsetzbare Möglichkeiten einer umfassend geschlechtergerechten Sprache weiterhin zu diskutieren.“[g: 3]

Im Juni 2021 erklärt die schweizerische Bundeskanzlei, sie sei sich bewusst, „dass Menschen, die vom herkömmlichen binären Geschlechtermodell nicht erfasst werden, auch in einer Sprache, die ebenfalls nur zwei Geschlechter kennt, nicht gleich repräsentiert sind wie Frauen und Männer. Die Bundeskanzlei anerkennt deshalb auch das Anliegen, das hinter dem Genderstern und ähnlichen neueren Schreibweisen zur Gendermarkierung steht: eine Sprache zu verwenden, die möglichst alle Menschen einbezieht und niemanden ausschliesst.“ Sternchen und andere Sonderzeichen seien aber in deutschsprachigen Texten der Bundesverwaltung verboten (vergleichbar zum Verbot der écriture inclusive in Frankreich).[26]

Siehe unten: Fehlende sprachliche „dritte Option“

Gemeinsame Version

Allgemeine sprachliche Grundlagen

Grammatisches und biologisches Geschlecht

In der Linguistik wird zwischen dem natürlichen Geschlecht und dem grammatischen Geschlecht unterschieden. Das natürliche Geschlecht wird auch Sexus genannt und ist eine semantische (inhaltliche) Eigenschaft des Wortes. Das grammatische Geschlecht wird Genus genannt und ist eine syntaktische (grammatische) Eigenschaft des Wortes.[54] Das heißt, der Sexus gibt an, welches (biologische bzw. soziale) Geschlecht die Person in der realen Welt hat, während der Genus angibt, welchen Artikel das Substantiv hat und wie dazugehörige Adjektive dekliniert werden (siehe Kongruenz). [Anm: Undeklarierter Perspektiven- bzw. Geltungsbereichswechsel! Ersteres gilt nur für Personenbezeichnungen, Letzteres für alle Substantive.]--Epipactis (Diskussion) 15:13, 24. Mär. 2022 (CET) Völlig unbrauchbar, ist komplett zu streichen.--Mautpreller (Diskussion) 22:01, 24. Mär. 2022 (CET)

Das Deutsche gehört zu den Sprachen, die Substantiven (Hauptwörtern, Nomen) generell ein grammatisches Geschlecht zuweisen (fachsprachlich das Genus, Mehrzahl Genera). Genus ist eine grammatische Kategorie wie Kasus und Numerus, doch im Unterschied zu Letzteren ist das Merkmal Genus jedem Substantiv fest zugeordnet und (im Prinzip) unveränderlich. Im Deutschen ist es oft nicht am Substantiv selbst markiert, sondern zeigt sich nur dadurch, dass andere Wortarten wie Artikel, Pronomen und Adjektive dem Genus des Substantivs entsprechend flektieren. Diese regelhafte Übereinstimmung nennt man Kongruenz.

Nicht alle Sprachen besitzen ein Genussystem, und die existierenden Systeme unterscheiden sich nach Beschaffenheit und Ausprägung beträchtlich voneinander. Die Anzahl der Genera reicht dabei von zwei bis rund zwanzig, die Genuszuweisung variiert zwischen vollkommen transparent und mehr oder weniger arbiträr.[55]

Im (Neuhoch)Deutschen treten drei grammatische Geschlechter auf, die traditionell maskulin („männlich“), feminin („weiblich“) und neutral („sächlich“) genannt werden. Diese terminologische Parallelisierung von grammatischem und biologischem Geschlecht (Letzteres wird in der Linguistik Sexus oder natürliches Geschlecht genannt) stellt jedoch keine umfassende Systematik dar, die es ermöglicht, das Genus eines Nomens zu bestimmen. Beispielsweise ist der Löffel grammatisch ein Maskulinum, die Gabel ein Femininum, das Messer ein Neutrum, obwohl keiner dieser Gegenstände ein biologisches Geschlecht aufweist. Eine regelmäßige Ankopplung der grammatischen an die biologischen Geschlechter findet sich lediglich bei Personenbezeichnungen (bzw. reziprok bei Personifikationen) sowie bei den Bezeichnungen einiger dem Menschen nahestehender Tierarten[56].

Einzelnachweise

  1. a b c d Henning Lobin: Sprachkampf: Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert. Dudenverlag, Berlin März 2021, ISBN 978-3-411-74004-8, S. 46 (Leseprobe).
  2. Weltbank: Gendered Languages May Play a Role in Limiting Women’s Opportunities, New Research Finds. In: Worldbank.org. 24. January 2019, abgerufen am 29. November 2020 (englisch; Zusammenfassung einer Studie); Zitat: „38 percent of the world’s population speaks a gendered language. Gendered languages classify objects as either masculine or feminine (or sometimes as neuter).“
  3. Lexikoneintrag: Kleines linguistisches Wörterbuch: Sexus. In: Mediensprache.net. Abgerufen am 27. April 2021.
  4. Gabriele Diewald, Damaris Nübling: Genus und Sexus: Es ist kompliziert. In: NZZ.ch. 17. Dezember 2020, abgerufen am 20. April 2021.
  5. Gerhard Stickel: Beantragte staatliche Regelungen zur „sprachlichen Gleichbehandlung“: Darstellung und Kritik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik. Jahrgang 16, Nr. 3, 1988, S. 330–355, hier S. 338 (PDF: 4,8 MB, 26 Seiten auf bsz-bw.de); Zitat „Substantive mit männlichem Denotat sind in der Regel Maskulina (Mann, Hengst, Stier), solche mit weiblichem Denotat meist Feminina (Frau, Stute, Kuh).“
  6. a b Paul Grebe, Helmut Gipper (Hrsg.): Duden: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache (= Der Duden. Band 4/10). 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Mannheim u. a. 1973, ISBN 3-411-00914-4, S. 150–151 (Zitat S. 150 und S. 151 in der Google-Buchsuche).
  7. a b c d e f Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Doleschal 2002:39–70.
  8. Luise F. Pusch: Totale Feminisierung: Überlegungen zum umfassenden Feminimum. In: Frau ohne Herz: feministische Lesbenzeitschrift. Heft 23, 1987, S. 4–10, hier S. 4 (doi:10.5169/seals-630729; PDF: 7 MB, 8 Seiten auf e-periodica.ch; Nachdruck: doi:10.1353/wgy.2012.0038).
  9. a b c d e f Senta Trömel-Plötz: Sprache: Von Frauensprache zu frauengerechter Sprache. In: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Springer VS, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-16154-9, S. 748–751 (doi:10.1007/978-3-531-91972-0_90).
  10. Senta Trömel-Plötz: Linguistik und Frauensprache. In: Linguistische Berichte. Band 57, Braunschweig 1978, S. 49–68; Nachdruck in: Heinz Sieburg (Hrsg.): Sprache – Genus/Sexus. Lang, Frankfurt/M. u. a. 1997, ISBN 3-631-32494-4, S. 235–257.
  11. a b Redaktion: Die Chronik der Erfolge. In: Emma.de. 1. Januar 2007, abgerufen am 10. Mai 2021 (Geschichte der Frauenbewegung in der BRD 1971–2006).
  12. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Trömel-Plötz 1980.
  13. a b UNESCO, Unit for the Promotion of the Status of Women and Gender Equality: Guidelines on Gender-Neutral Language. 3. Ausgabe. Paris 1999, S. 1 (englisch; PDF: 2,8 MB, 58 Seiten auf uni-graz.at); Zitat: „[…] the first edition of the “Guide to Non-Sexist Language” in 1987.“
  14. a b Lisa Irmen, Vera Steiger: Zur Geschichte des Generischen Maskulinums: Sprachwissenschaftliche, sprachphilosophische und psychologische Aspekte im historischen Diskurs. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik. Band 33, Heft 2–3, Dezember 2005, S. 212–235, hier S. 213 (doi:10.1515/zfgl.33.2-3.212).
  15. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Duden-Grammatik 1984:200.
  16. a b Lisa Irmen, Vera Steiger: Zur Geschichte des Generischen Maskulinums: Sprachwissenschaftliche, sprachphilosophische und psychologische Aspekte im historischen Diskurs. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik. Band 33, Heft 2–3, Dezember 2005, S. 212–235, hier S. 230 (doi:10.1515/zfgl.33.2-3.212).
  17. a b Lisa Irmen, Vera Steiger: Zur Geschichte des Generischen Maskulinums: Sprachwissenschaftliche, sprachphilosophische und psychologische Aspekte im historischen Diskurs. In: Zeitschrift für Germanistische Linguistik. Band 33, Heft 2–3, Dezember 2005, S. 212–235, hier S. 228 (doi:10.1515/zfgl.33.2-3.212).
  18. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Duden-Grammatik 1995:196–197.
  19. a b c d Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Kotthoff 2020-10-12:105–127.
  20. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Duden-Grammatik 1998:199,200.
  21. a b Angelika Wöllstein, Duden-Redaktion (Hrsg.): Duden: Die Grammatik (= Der Duden. Band 4/12). 9., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Dudenverlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-411-04049-0, S. 160, Randnummer 237 (Seitenvorschau in der Google-Buchsuche).
  22. a b Spiegel-Redaktion: Die Spiegel-Standards – Ergebnisse der Spiegel-Werkstatt. Hamburg, Stand: Januar 2020, S. 31: Abschnitt 2.6.1 Gendergerechte Sprache (PDF: 1,6 MB, 76 Seiten auf spiegel.de; Infoseite).
  23. Spiegelmagazin: Wir haben zum #Weltfrauentag nachgezählt: Wie häufig erwähnen wir im SPIEGEL Frauen, wie oft Männer? In: Instagram. 8. März 2021, abgerufen am 25. Juni 2021.
  24. Karin Dalka (stellvertretende Chefredakteurin): Editorial: Liebe Leserinnen und Leser, die FR wird in ihren Texten die Vielfalt der Gesellschaft noch genauer abbilden. In: Frankfurter Rundschau. 16. Oktober 2020, abgerufen am 17. Oktober 2020.
  25. a b Deutsche Presse-Agentur (dpa), Pressemitteilung: Nachrichtenagenturen wollen diskriminierungssensibler berichten. In: Presseportal.de. 21. Juni 2021, abgerufen am 25. Juni 2021.
  26. a b c d Schweizerische Bundeskanzlei, Zentrale Sprachdienste Sektion Deutsch: Umgang mit dem Genderstern und ähnlichen Schreibweisen in deutschsprachigen Texten des Bundes. Weisung und Erläuterungen der Bundeskanzlei vom 15. Juni 2021. Bern (PDF: 340 kB, 6 Seiten auf bk.admin.ch; Infoseite).
  27. a b Rat für deutsche Rechtschreibung, Pressemitteilung: Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“: Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 16. November 2018. Mannheim (PDF: 422 kB, 2 Seiten auf rechtschreibrat.com).
  28. Nadine Eichler: Code-Switching bei bilingual aufwachsenden Kindern. Narr Francke Attempto Verlag, 2011, ISBN 978-3-8233-7683-5.
  29. Gabriele Diewald, Damaris Nübling: Genus und Sexus: Es ist kompliziert. In: NZZ. 17. Dezember 2020, abgerufen am 7. Februar 2022 (Abschnitt: ...aber doch zusammengehörig).
  30. Gabriele Diewald, Damaris Nübling: Genus und Sexus: Es ist kompliziert. In: NZZ. 17. Dezember 2020, abgerufen am 7. Februar 2022 (Abschnitt: Prinzipiell unabhängig...).
  31. Danièle Clément: Linguistisches Grundwissen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-322-92453-7, S. 40 (Google Books).
  32. Yoko Yonezawa: The Mysterious Address Term Anata 'you' in Japanese. Routledge, 2001, ISBN 978-0-415-09919-6, S. 40 (Google Books).
  33. Michael Lohde: Wortbildung des modernen Deutschen. Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2006, ISBN 978-3-8233-6211-1, S. 126 (Google Books).
  34. Michael Lohde: Wortbildung des modernen Deutschen. Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2006, ISBN 978-3-8233-6211-1, S. 214 (Google Books).
  35. Britta Hufeisen, Marianne Henn (Hrsg.): Frauen, MitSprechen, MitSchreiben - Beiträge zur literatur- und sprachwissenschaftlichen Frauenforschung. Verlag Heinz Heise, 2008, S. 30.
  36. Martin Neef: Das Konzept des sogenannten 'Geschlechtergerechten Sprachgebrauchs' aus sprachwissenschaftlicher Sicht. ResearchGate, 2020, S. 49 f. (Online).
  37. a b Martin Neef: Das Konzept des sogenannten 'Geschlechtergerechten Sprachgebrauchs' aus sprachwissenschaftlicher Sicht. ResearchGate, 2020, S. 52 f. (Online).
  38. Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen. btb Verlag, München 2020, ISBN 978-3-641-22377-9 (Google Books).
  39. Heinz Schlaffer: Das entfesselte Wort – Nietzsches Stil und die Folgen. Carl Hanser Verlag, München 2007, ISBN 978-3-446-20946-6.
  40. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Band 6, 1885 (Online).
  41. Ruth Wodak: Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 1987, S. 30.
  42. Marlis Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik - Mechanismen sprachlicher Diskriminierung im Englischen und Deutschen. Hueber Verlag, 1990, ISBN 978-3-19-006605-6, S. 81 f.
  43. Marlis Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik - Mechanismen sprachlicher Diskriminierung im Englischen und Deutschen. Hueber Verlag, 1990, ISBN 978-3-19-006605-6, S. 76.
  44. Martin Neef: Das Konzept des sogenannten 'Geschlechtergerechten Sprachgebrauchs' aus sprachwissenschaftlicher Sicht. ResearchGate, 2020, S. 55 (Online).
  45. Diagnose: "Männersprache". Bundeszentrale für politische Bildung, 2022, abgerufen am 2. Februar 2022.
  46. a b Alexandra Rösner: Geschlechtsspezifische Personenbezeichnungen: Deutsch - Englisch kontrastiv. GRIN Verlag, München 2010, ISBN 978-3-640-53032-8, S. 15 (Google Books).
  47. Hans G. Hoffmann, Marion Hoffmann: Große Lerngrammatik Englisch. Hueber Verlag, 2001, S. 33 (Google Books).
  48. Ruth Ayass: Kommunikation und Geschlecht. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-016472-7, S. 45 (Google Books).
  49. Marlis Hellinger: Kontrastive feministische Linguistik - Mechanismen sprachlicher Diskriminierung im Englischen und Deutschen. Hueber Verlag, 1990, ISBN 978-3-19-006605-6, S. 70.
  50. Weltbank: Gendered Languages May Play a Role in Limiting Women’s Opportunities, New Research Finds. In: Worldbank.org. 24. January 2019, abgerufen am 29. November 2020 (englisch; Zusammenfassung einer Studie); Zitat: „38 percent of the world’s population speaks a gendered language. Gendered languages classify objects as either masculine or feminine (or sometimes as neuter).“
  51. Senta Trömel-Plötz: Linguistik und Frauensprache. In: Linguistische Berichte. Band 57, Braunschweig 1978, S. 49–68; Nachdruck in: Heinz Sieburg (Hrsg.): Sprache – Genus/Sexus. Lang, Frankfurt/M. u. a. 1997, ISBN 3-631-32494-4, S. 235–257.
  52. Spiegelmagazin: Wir haben zum #Weltfrauentag nachgezählt: Wie häufig erwähnen wir im SPIEGEL Frauen, wie oft Männer? In: Instagram. 8. März 2021, abgerufen am 25. Juni 2021.
  53. Karin Dalka (stellvertretende Chefredakteurin): Editorial: Liebe Leserinnen und Leser, die FR wird in ihren Texten die Vielfalt der Gesellschaft noch genauer abbilden. In: Frankfurter Rundschau. 16. Oktober 2020, abgerufen am 17. Oktober 2020.
  54. Nadine Eichler: Code-Switching bei bilingual aufwachsenden Kindern. Narr Francke Attempto Verlag, 2011, ISBN 978-3-8233-7683-5, S. 143 f.
  55. Roland Litscher: Die Entstehung des femininen Genus in den indogermanischen Sprachen., Zurich Open Repository and Archive, eprint 2015, S. 5 bis 9, online
  56. Martina Werner: Genus, Derivation und Quantifikation. Zur Funktion der Suffigierung und verwandter Phänomene im Deutschen. In: Christa Dürscheid, Andreas Gardt, Oskar Reichmann, Stefan Sonderegger (Hrsg.): Studia Linguistica Germanica 114., DeGruyter, Berlin/Boston, 2012, ISBN 978-3-11-029175-9, S. 2, Google-Voransicht


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