Benutzer:Lothar Zipperer/Ernst Zipperer

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Ernst Gustav Zipperer (* 23. Februar 1888 in Ulm; † 26. Mai 1982) war ein deutscher Grafiker und Maler. Im Bereich der Kaltnadelradierung entwickelte er einen eigenen Stil und wurde damit über Deutschland hinaus bekannt.

Leben

Elternhaus, Ausbildung und 1. Weltkrieg

Ernst Gustav Zipperer wurde 1888 in Ulm als Sohn des Sattlermeisters Ernst Hermann Zipperer und dessen Ehefrau Friederike geb. Balkheimer geboren. Er wuchs gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Max in unmittelbarer Nähe des Ulmer Münsters auf. Zipperer erlernte auf Wunsch des Vaters dessen Beruf im elterlichen Betrieb. Nach der Gesellenprüfung folgte er seiner Liebe zur Kunst und besuchte die Kunstgewerbeschule in Hannover.[1] Anschließend erwarb er an der Wissenschaftlichen Lehranstalt in Hildburghausen die Matura (Abitur). Darauf besuchte er die Kunstakademie in Kassel und schloss diese mit dem Erwerb der Lehrbefähigung an höheren Schulen und Lehrerbildungsanstalten ab (1911 – 1913). Dann folgte ein freies Studium der Bildenden Künste in München (1913 -1914), wo er Schüler von Heinrich Wölfflin war.[2] Im 1. Weltkrieg wurde Ernst Zipperer in Russland schwer verwundet und verlor sein linkes Auge. Als Kriegsversehrter litt er fortan an schweren Kopfschmerzen und Schwindel.

In Berlin

1918 heiratete Ernst Zipperer Elisabeth Nestler und trat in Berlin am Gymnasium Friedenau eine Stelle als Kunsterzieher an. Gleichzeitig arbeitete er als freischaffender Künstler. Im Unterschied zu vielen seiner Künstlerkollegen lebte er für seinen Beruf als Kunsterzieher in gleicher Intensität wie für seine Berufung als Künstler.

Damit begann die erste große Schaffensphase von Ernst Zipperer, die bis 1940 anhielt. Er zeichnete und radierte Burgen, Stadtansichten, Kirchen, Landschaften und Menschen. Zahlreiche Kunstreisen führten ihn durch ganz Deutschland, mehrere benachbarte Länder und nach England.[3] Durch seine Kaltnadelradierungen wurde er über Deutschland hinaus bekannt.

In Berlin pflegte Zipperer Freundschaften und Kontakte mit Künstlern wie August Gaul, Heinrich Zille und Max Liebermann sowie mit dem einflussreichen Kunsthändler Paul Cassirer.[4] Er war aber kein Mitglied der Berliner Secession, einer bedeutenden Berliner Künstlervereinigung, der sein Freund und Förderer August Gaul eine Zeit lang vorstand. Von den Auseinandersetzungen um die künstlerische Ausrichtung in der Secession und den mit der Berliner Kunstwelt verbundenen gesellschaftlichen Ereignissen hielt er sich fern.

1931 kaufte Zipperer die Stauferburg Tannenburg mit Hofgut bei Bühlertann im Landkreis Schwäbisch Hall.[5] Die Burg gestaltete er innen teilweise im Jugendstil künstlerisch aus. Er verpachtete die zugehörige Landwirtschaft und wirkte weiter als Kunsterzieher in Berlin.

Tannenburg und Bühlertann

Als Kriegsversehrter ließ sich Ernst Zipperer 1940 frühpensionieren und folgte seiner Familie auf die Tannenburg. Dort betrieb er in schwerer Zeit bis zur Rückkehr seines Sohnes Ernst Wilhelm aus der Gefangenschaft die Landwirtschaft. In den Jahren 1940 bis 1950 war sein künstlerisches Schaffen fast vollständig zum Erliegen gekommen. 1951 übergab er dann Burg und Hof an seinen Sohn und konnte sich nun wieder seiner Kunst widmen. Damit begann die zweite große Schaffensphase, die von Aufbruch und neuen Ideen geprägt war und bis 1972 anhielt.

1963 zog er in das Haus seiner Tochter nach Bühlertann. Nach Verschlechterung der Sehkraft seines verbliebenen Auges musste er 1972 sein künstlerisches Schaffen einstellen. Die letzten Lebensjahre verbrachte er bei seiner Tochter bei Heilbronn. Ernst Gustav Zipperer starb am 26. Mai 1982 mit 94 Jahren. Er wurde in Bühlertann begraben.

Werk

Das künstlerische Schaffen von Ernst Zipperer umfasst sein Frühwerk bis 1918, die Schaffensphase in Berlin (1918 – 1940) und sein Spätwerk (1950 – 1972). Insgesamt sind etwa 1.500 Werke dokumentiert.

Frühwerk

Bereits als Kind und in der Lehrzeit zeigte Ernst Zipperer eine besondere zeichnerische Begabung. In diesem Zeitraum entstanden zahlreiche Zeichnungen und Skizzen, die aber zum größten Teil verloren sind. Aus der Zeit seiner künstlerischen Ausbildung in Hannover, Kassel und München sind zahlreiche Studien zu Perspektive und Schattenwurf sowie technische Zeichnungen erhalten.

Unter dem Einfluss von Prof. Heubach in Hannover wandte er sich verstärkt mit seinen Zeichnungen der Architektur zu.[1] Daneben entstanden aber auch Landschaften, Porträts, Akte, Ornamente und Stillleben, die er überwiegend als Bleistiftzeichnungen, selten als Aquarelle ausführte.

Nach dem Verlust des linken Auges im 1. Weltkrieg folgte in der Augenheilanstalt Stuttgart während der Rehabilitation des mitbetroffenen rechten Auges eine intensive künstlerische Phase mit zahlreichen Skizzen und Zeichnungen von Menschen in Alltagssituationen. Er zeichnete, was er um sich sah und drückte aus, was ihn bewegte. Einige Bilder jener Tage lassen deutlich den Einfluss Heinrich Zilles erkennen.[6]

Schaffensphase in Berlin

1919 entdeckte Ernst Zipperer für sich die Kaltnadelradierung. Er zeichnete und radierte Schlösser, Städteansichten, Kirchen, Landschaften, Porträts, Blumen und Tiere – meist in kleinen bis mittleren Formaten. Der Schwerpunkt lag in dieser Phase auf der Architektur. Mehr als 40 Motive fand er allein in seiner Heimatstadt Ulm. Er reiste aber auch in ganz Deutschland sowie nach Lugano, Straßburg, Breslau, Stockholm, Kopenhagen, Oxford und London, um seine Bleistiftzeichnungen als Vorstudien für die späteren Radierungen anzufertigen. Es entstanden insgesamt über 300 Kaltnadelradierungen, die sich durch sorgfältige Flächenaufteilung, durchdachten Bildaufbau und formales Gestaltungsvermögen auszeichneten. Dazu kam die perspektivische Wirkung seiner Bilder, die er trotz Einäugigkeit durch seine gründliche künstlerische Ausbildung sicher beherrschte. Eine Steigerung der Räumlichkeit und des Ausdrucks erreichte Zipperer, indem er Anregungen aus der Hell-Dunkel-Malerei (Chiaroscuro) bezog.[4] Viele bewegte Striche, die mitunter eine fast flimmernde Wirkung erzielten - zu strengem Formenaufbau verbunden – das kennzeichnete Zipperers Kaltnadelradierungen.[7][8]

Dabei ging es ihm nicht nur um die Wiedergabe der Wirklichkeit. Er suchte vielmehr die schöpferische Übersetzung seiner Wahrnehmung ins Künstlerische. "Er wusste auszudrücken, was um das Sichtbare an seelischer Stimmung webt."[9]

Als zu Beginn der Dreißigerjahre zunehmend farbige Bilder verlangt wurden, kolorierte Zipperer zunächst einzelne Schwarzweiß-Radierungen von Hand. Bald aber schon ließ er viele seiner Motive auch in farbiger Version drucken, wobei die Kupferplatte aufwändig bei jedem Druck neu mit vier verschiedenen Farben eingefärbt werden musste,[1][4] weshalb jede Farbradierung bei gleichem Motiv etwas andere Farben zeigt.

Zipperer arbeitete über Jahrzehnte hinweg mit der Kupferdruckerei Wilhelm Schneider in Berlin zusammen, wo die Kupferplatten auch gelagert waren. Die meisten Platten gingen gegen Ende des 2. Weltkrieges bei Luftangriffen verloren.

Durch seine Kaltnadelradierungen wurde Ernst Zipperer in Europa und Amerika bekannt – allerdings weniger durch Ausstellungen, sondern durch den erfolgreichen Vertrieb seiner Bilder durch zahlreiche Kunstverlage.[3] [4][10]

Neben Bleistiftzeichnungen und Radierungen begann Zipperer in dieser Phase mit Pastellkreide zu arbeiten, teilweise in größeren Formaten. Auch einige Skizzen in unterschiedlichen Techniken, die zu Demonstrationszwecken im Unterricht dienten, sind aus dieser Phase erhalten.

Spätwerk

Nach den Kriegswirren und der Übergabe der Tannenburg samt dem zugehörigen landwirtschaftlichen Hofgut an seinen Sohn konnte sich Ernst Zipperer wieder ganz seiner Kunst widmen. Er ließ die Epoche der Kaltnadelradierung hinter sich trat in eine neue intensive Phase künstlerischen Schaffens ein. Das Spätwerk des Künstlers ist geprägt von Experimentierfreudigkeit und neuen Ideen. Die Bewegung verläuft entlang der kunstgeschichtlichen Entwicklung seiner Zeit von der realistisch-naturalistischen Darstellung hin zur abstrakt-reduktionistischen Kernaussage seiner Bilder. Dabei stehen bei Zipperer die realistische und die abstrakte Ausdrucksweise nicht für ein jeweils abgeschlossenes Stadium künstlerischen Erkennens. Vielmehr existiert beides nebeneinander. Auf abstrakte Darstellungen folgt wieder eine Landschaft oder ein Blumenstrauß.[11] Er sucht immer wieder „Boden unter den Füßen“, wie er es selbst nannte.[12]

Es ist ein weiter thematischer Bogen, der sich über die Vielschichtigkeit seiner aussagestarken Bilder spannt.[13] Zum einen sind es bereits bekannte Motive, die immer neu - nun oft reduzierend abgewandelt -  wiederkehren: Bäume in der Landschaft, ein Hohlweg und Wolken darüber, die ihn zeitlebens beschäftigten.[2]

Zum andern sind es nun Themen wie ‚Ruhe‘, und ‚Frieden‘, aber auch ‚Spaltung‘, und ‚Zerstörung‘, die er abstrakt umsetzt.[12]

Zunehmend beschäftigten ihn religiöse Themen: Die Psalmen, die Schöpfungsgeschichte, Hiob und das Johannesevangelium. Auch Musik von Bach, Mozart und Tschaikowsky setzte er in Farben und Formen um. Ernst Zipperer fand in Pastell- und Ölkreide, aber auch in Tempera- und Ölfarbe adäquate Materialien, um seinen visionär-religiösen Weg auszudrücken. Zuweilen zurückhaltend-achtsam, dann wieder kraftvoll-dynamisch verlieh er seinen inneren Welten Ausdruck.

Im Tiefdruckverfahren Heliogravüre fand Zipperer einen neuen Weg, wie er einige seiner großformatigen Pastellgemälde in größerer Zahl verbreiten konnte. Dabei handelt es sich um ein Edeldruckverfahren, mit dem das Original in einem komplexen foto-chemischen Prozess auf eine Kupferplatte übertragen wird. Die Heliogravüre macht eine sehr differenzierte Wiedergabe von Halbtönen möglich und schafft so einen Reichtum an Farbkraft. Die wenig verbreitete Heliogravüre wurde von seinem Berliner Drucker kompetent beherrscht.

Es gibt kein einziges Selbstporträt von Ernst Zipperer, jedoch zeichnet er mit vielen seiner späten Werke ein deutliches Bild von sich, indem er darin zeigt, wie er die sichtbare und unsichtbare Welt mit seinem inneren Auge sieht.

Ausstellungen (Auswahl)

  • Oktober 1927 in Offenburg, Die Kunstausstellung im Bürgersaal, Offenburger Zeitung,15.10.1927
  • 1927 in Braunschweig, Kunstgewerbemesse Elisabeth Osterloh
  • April 1931 in Ulm, Zipperer-Ausstellung im Kunsthaus Göbel, Ulmer Tagblatt, 16.4.1931
  • Oktober 1933 in Ellwangen, Der Schloßherr und seine Kunstausstellung, Ausstellung im Bilderhaus Aloys Raible, Nationalzeitung Ellwangen, 28.10.1933
  • Juli 1963 in Ellwangen, Ausstellung im Bilderhaus Alois Raible, Aalener Volkszeitung / Ipf- und Jagstzeitung, 6.7.1963
  • April 1972 in Bühlertann, Ein Stiller im Lande, Kreissparkasse Bühlertann, Haller Tagblatt, 22.4.1972
  • Februar 1978 in Ulm, Ulmer Motive – ins Künstlerische übersetzt, Ausstellung im Kunsthaus Frey, Ulmer Zeitung, 11.2.1978
  • Juni 2002 in Bühlertann, Heimatverein Bühlertann
  • November 2010 in Nersingen-Oberfahlheim bei Ulm, Alte Ulmer Ansichten, Museum für Bildende Kunst im Landkreis Neu-Ulm, Südwestpresse Ulm, 15.12.2010
  • Juni 2013 in Bühlertann, Einäugiger Blick auf die Heimat, Heimatverein Bühlertann, Hohenloher Tagblatt, 28.6.2013
  • Juni 2016 in Bühlertann, Zipperer-Werke im Rathaus zu sehen, Heimatverein Bühlertann, Haller Tagblatt, 23.6.2016
  • Juli 2018 in Schwäbisch Hall, Ernst Zipperer (1888 – 1982) - auf den Spuren seiner Kunst, Hällisch-Fränkisches Museum Schwäbisch Hall, Eröffnung geplant: 14.7.2018

Einzelnachweise

  1. a b c Ulmer Tagblatt, 16.4.1931, Zipperer-Ausstellung im Kunsthaus Göbel, Ulm
  2. a b Haller Tagblatt, Der Maler auf der Tannenburg, 30. September 1961
  3. a b Theo Ziegler in Illustrated Weekly, Deutsch-Amerika, 1924, Heft 10, S. 12 f.
  4. a b c d Nationalzeitung Ellwangen, Aloys Raible, Der Schloßherr und seine Kunstausstellung, Ausstellung im Bilderhaus Aloys Raible, 28.10.1933
  5. Bernhard Staudacher und Erwin Klein, Die Geschichte der Tannenburg und ihrer Besitzer, Bühlertann 2010
  6. Heilbronner Stimme, 3.3.1973
  7. Ulmer Zeitung, Ausstellung im Kunsthaus Frey in Ulm zum 90. Geburtstag, 21.2.1978
  8. Ulmer Zeitung, Ulmer Motive – ins Künstlerische übersetzt, Ausstellung im Kunsthaus Frey, Ulmer Zeitung, 11.2.1978
  9. Kunstverlag Carl Büchle, Werbeprospekt, Berlin, 1925
  10. Kunsthandlungen und Kunstverlage (Auswahl): Kupferdruckerei Wilhelm Schneider, Berlin Kunstverlag Carl Lorenz, Berlin-Tempelhof Kunstverlag Carl Büchle, Berlin Kunstverlag Trowitzsch & Sohn, Frankfurt a. d. Oder Kunstverlag J.C. Blumenberg, Heiligenhafen / Holstein Kunstverlag W. Frey, Berlin Kunstverlag Wolpers, Dortmund Kunstverlag Balkheimer, Ulm (Künstlerkarten) Katholisches Pfarramt, Sprendlingen (Künstlerkarten) Kunstverlag Hanfstengel, Berlin Kunstverlag Wolpers in Bad Homburg Kunstverlag Wolpers in Bad Salzuflen Kunsthandlung und Rahmungen Raible, Ellwangen / Jagst Kunsthandlung Richter in Schwäbisch Hall Kunsthandlung Ernst Hühn, Kassel Kunsthaus Frey, Ulm
  11. Haller Tagblatt, ‚Der Weg‘ - Vision und Auftrag, Ernst Zipperer zum 80. Geburtstag, 23.2.1968
  12. a b Haller Tagblatt, Jedes Bild ist ein Wettlauf mit der Sonne, 29.10.1966
  13. Haller Tagblatt, Ein Stiller im Lande, 22.4.1972