Benutzer:Malte Schierholz/Wirtschaftskrise von 1857
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Die Wirtschaftskrise von 1857 war die erste Weltwirtschaftskrise. Sie begann am 24. August 1857 in New York.
Amerikanische Wirtschaft vor der Krise
Die amerikanische Wirtschaft lässt sich in den 1850ern drei Regionen zuordnen. In jedem dieser Gebiete herrschte eine bestimmte Wirtschaftsform vor, obwohl natürlich auch andere Wirtschaftszweige in kleinem Umfang vorhanden waren. Dadurch entstand ein Geflecht wirtschaftlicher Beziehungen untereinander, die für die Wirtschaftskrise von Bedeutung waren. Der Süden produzierte Tabak, Reis, Zucker und vor allem Baumwolle, welche in großem Umfang nach Europa verkauft wurde. Im Nordwesten wurden vor allem die landwirtschaftlichen Produkte Weizen, Mais und Schweinefleisch hergestellt. Der Nordosten war mit vielen Fabriken am weitesten in der Industrialisierung fortgeschritten, zudem waren viele Händler und Bankiers dort ansässig. (James Huston 1987, S. 3-4)
Der Süden brauchte zwar die Banken und Händler im Nordosten, weitaus wichtiger für den Wohlstand des Südens war jedoch England, da dorthin die meisten Produkte verkauft wurden. Der Nordwesten war mit dem Nordosten eng verbunden. Viele Eisenbahnlinien brachten die Nahrung aus dem Westen in den Osten, von wo sie oft weiter nach Europa verkauft wurde. Der Osten wiederum konnte viele Fertigwaren in den Westen verkaufen (Huston 1987, S. 4-5).
Als Ausgangssituation für die Krise wird vom Dictionary of American history die starke Spekulation angegeben: Nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg wurde wild in Eisenbahnbau, Wachstum der Industrie, Vergrößerung des Weizengürtels ("Grain Belt") und Land spekuliert. Dabei ist besonders wichtig, dass der Finanzmarkt des Nordostens auf hohe Preise in dem durch Eisenbahnen neu erschlossenen Westen und auf ein hohes Frachtaufkommen der dortigen Eisenbahnen spekulierte (Calomiris u. Schweikart 1991, S. 809).
Wirtschaftskrise
Die Wirtschaftskrise 1857 ging von den Banken aus. Erst durch das Versagen der Banken wurden auch andere wesentliche Zweige der amerikanischen Wirtschaft geschädigt, so dass es zu einer Depression kam.
Die Banken in der Wirtschaftskrise
Für das Versagen der Banken lassen sich verschiedene Gründe finden.
Als ab 1856 weit weniger Menschen als zuvor in den Westen zogen, vermutlich aufgrund politischer Unsicherheiten in Kansas, sanken die Landpreise wegen geringerer Nachfrage. Zudem fielen die Aktienpreise der Eisenbahngesellschaften, da es ein geringeres Transportaufkommen gab. Dadurch hatten die spekulierenden Banken weniger Geld zur Verfügung. C. W. Calomiris und L. Schweikart sehen dies als direkten Grund für die Bankenkrise. (Calomiris und Schweikart 1991, S. 810-813, 816, 818).
Der 24. August 1857 wird als Beginn der Wirtschaftskrise angesehen. An dem Tag erklärte Charles Stetson, der Präsident der Ohio Life Insurance Company:
“The unpleasant duty has devolved upon me to state that this company has suspended payment.”
Die Bank hatte zu sehr in spekulative Anleihen für Eisenbahngesellschaften investiert. Dem New Yorker Büro der Ohio Life sind einige Fehler unterlaufen, möglicherweise war auch Betrug im Spiel. (Stampp 1990, S. 222)
Da viele Banken New Yorks der Ohio Life Insurance Company Kredit gegeben hatten, riefen die Banken ihre Darlehen von anderen kleineren Banken und Unternehmen zurück. Dadurch wurden viele dieser kleinen Banken und Unternehmen zahlungsunfähig. Dies wiederum führte zu Angst bei den Gläubigern dieser Banken, die daraufhin von den Banken Geld abhoben, so dass die Banken weitere Darlehen zurückverlangen mussten. (Stampp 1990, S. 222)
Diese Abwärtsspirale wurde noch durch folgende Faktoren begünstigt, die die Glaubwürdigkeit der Banken weiter infrage stellten: Erstens entschieden britische Gläubiger Geld von den amerikanischen Banken abzuheben. (englische Wikipedia) Zweitens sank ein Schiff, die SS Central America, mit etwa 3 Tonnen Gold, welches von den Goldminen Kaliforniens an die New Yorker Banken geliefert werden sollte. (Mendell 1999)
Viele hofften Ende September noch, dass die Bauern des Südens und Westens ihre Ernte verkaufen würden und dadurch die allgemeine Geschäftslage verbessern könnten. Allerdings sanken die Weizenpreise deutlich, vermutlich da Europa nun, da der Krimkrieg zu Ende war, wieder große Mengen Weizen aus Russland zu günstigeren Preisen als aus Amerika importieren konnte. Bei den niedrigen Weizenpreisen weigerten sich viele Bauern des Westens ihre Ware zu verkaufen, daher konnten sie auch ihre Schulden nicht an die angeschlagenen Banken zurückzahlen. (Huston 1987, S. 18f)
Den ungünstigen Umständen konnten viele Banken nicht lange widerstehen, die kleinen und bald auch die größeren Banken mussten die Zahlung einstellen, um nicht Konkurs anmelden zu müssen. So konnte auch die besonders wichtige Philadelphia's Bank of Pennsylvania am 25. September kein Geld mehr an ihre Kunden auszahlen, weitere kleine Banken folgten. Die wichtigsten Banken in New York City und Boston blieben zwar vorerst weiterhin offen, allerdings konnten auch sie kein Geld mehr an Unternehmer verleihen. Nachdem am 13. Oktober ein Mob mit mehr als 20 000 Menschen Geld abheben wollte, konnten auch die New Yorker Banken kein Geld mehr auszahlen, die meisten restlichen Banken in Amerika stellten daraufhin auch ihre Auszahlungen ein. (Stampp 1990, S. 224)
Zwei Monate später hatten die ersten Banken genügend große Reserven um wieder Geld auszahlen zu können. Die Bankenkrise war damit sehr kurz, aber für die restliche Industrie äußerst schmerzlich. Mehr als 5000 Unternehmen konnten bis Ende 1857 ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen und mussten schließen. (Stampp 1990, S. 224)
Amerikanische Wirtschaft nach der Bankenkrise
Die Bauern im Nordwesten der Vereinigten Staaten konnten auch 1858 ihr Getreide nicht zu höheren Preisen verkaufen, da der vorher wichtige Exportmarkt nach Europa zusammen gebrochen war. Die Wirtschaft des Nordostens war aber vom Markt im Westen abhängig. Dorthin wurden die Konsumgüter vor der Wirtschaftskrise verkauft. Da aber die Bauern hoch verschuldet waren, konnten sie kaum etwas vom Nordosten kaufen. Das Jahr 1858 wurde daher von Zeitgenossen in den Nordstaaten als eines der schlechtesten angesehen. (Huston 1987, S. 30ff)
Die Wirtschaft konnte weniger Güter verkaufen, aufgrund der geringen Nachfrage wurden tausende Arbeiter entlassen. Für viele verbliebene Arbeiter wurden die Löhne um oftmals mehr als zehn Prozent gekürzt. Als Folge formten sich bread lines, in denen die Armen für Nahrung anstanden. Zahlreiche Streiks mit Forderungen nach Gewerkschaften und höheren Löhnen fanden statt. Der größte dieser Streiks begann am 22. Februar 1860, als die Schuhmacher in Lynn ihre Arbeit niederlegten. Im März streikten im ganzen Bundesstaat mehr als 35 000 Arbeiter, jedoch löste der Streik sich auf, als die Streikenden nicht mehr genügend Geld zur eigenen Versorgung hatten. (Huston 1987, S. 220ff)
Ganz anders war die Situation im Süden. Zwar waren auch dort Auswirkungen der Bankenkrise zu spüren, allerdings konnten die Produkte des Südens, insbesondere Baumwolle, bereits 1858 wieder zu guten Preisen nach Europa verkauft werden. Dadurch kam es im Süden zu keiner schlimmen Krise. Auch die Eisenbahnen dort konnten im Gegensatz zu den nördlichen Eisenbahnen weiter gute Dividenden auszahlen. (Huston 1987, S. 33)
Da die Unternehmen des Nordostens ihre Produkte kaum noch im Nordwesten verkaufen konnten, suchten sie neue Absatzmärkte. Da die Finanzkraft der Menschen im Süden größer war, verkaufte der Nordosten im Laufe der Krise immer mehr an den Süden. Dadurch wurde der Norden insgesamt abhängiger von der Wirtschaft des Südens. (Huston 1987, S. 216)
Die Wirtschaft im Nordosten erholte sich ab dem Frühjahr 1859 wieder langsam. Jedoch kam der Aufschwung im Norden erst im Sommer 1860, als Europa wieder die siebenfache Menge des in den Vorjahren exportierten Weizens aufkaufte. Dadurch verdienten die Bauern wie die Eisenbahnen im Nordwesten wieder gut, so dass auch wieder Geld vorhanden war, um die Produkte der Industrien im Osten zu kaufen. Die Produktion der Industrie erreichte erneut ein Niveau, wie es vor der Krise üblich war. Somit war die Wirtschaftskrise von 1857 im Sommer 1860 durchgestanden. (Huston 1987, S. 210ff)
Finanzkrise der Regierung
Durch die Wirtschaftskrise geriet die Regierung in eine ernste Finanznot. Seit 1817 erzielte die Regierung den größten Teil ihres Einkommens durch Zölle und den Verkauf des Landes. (United States Department of the Treasury) Die Einnahmen aus beiden Quellen gingen jedoch bedingt durch die Krise stark zurück. Erstens wurden viele Waren vor der Wirtschaftskrise aus dem industrialisierten Europa importiert. Durch die Wirtschaftskrise war aber die Nachfrage nach europäischen Waren in Amerika stark gesunken. Daher konnte auch die Regierung nur noch wenig Geld durch Zölle auf die Einfuhr von Waren einnehmen. Zweitens konnten auch die Ländereien im Westen während der Wirtschaftskrise kaum verkauft werden, da Menschen und Unternehmen kein Geld übrig hatten, um sich eine eigene Farm zu kaufen oder um mit Land zu spekulieren. Zudem konnten die Bauern, die bereits ihre Farm erworben, aber noch nicht bezahlt hatten, ihren Schuldendienst oftmals nicht erbringen. Normalerweise wurde das Land dann versteigert, jedoch war dies in Zeiten der Krise politisch nicht durchsetzbar, so dass die Landverkäufe zeitweise ausgesetzt wurden (Huston 1987, S. 129).
Um der Finanzkrise zu begegnen, musste die Regierung sparen. Zudem erlaubte der Kongress weitere Anleihen aufzunehmen. Dies geschah auf mehreren Sitzungen, zu anderen Kompromissen konnte sich der Kongress jedoch nicht durchringen, da sie entweder den Norden oder den Süden begünstigt hätten (Huston 1987, S. 133, 193). Vom 1.7.1857 bis zum 1.7.1860 hatten sich die Schulden von $28 Mio. auf $64 Mio. mehr als verdoppelt (United States Department of the Treasury, Bureau of the Public Debt).
Literatur
- Charles W. Calomiris und Larry Schweikart: The panic of 1857 : origins, transmission, and containment. In: The journal of economic history. - Vol. 51 Nr. 4 1991 - Cambridge Univ. Press, S. 807 - 834
- James L. Huston: The Panic of 1857 and the Coming of the Civil War. Louisiana State University Press, Baton Rouge, LA [u.a.] 1987, ISBN 0-8071-1368-9
- Kenneth M. Stampp: America in 1857 : a nation on the brink. Oxford University Press, New York [u.a.] 1990, ISBN 0-19-503902-5