Benutzer:Quodliebetal/Martin Hochhuth

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Martin Hochhuth (geb. 23.12.1960 in Eschwege als Sohn des Schriftstellers Rolf Hochhuth) ist ein deutscher Jurist und Philosoph und arbeitet als Professor für Öffentliches Recht sowie für Rechts- und Staatsphilosophie.

Werdegang

Er wuchs in Riehen, Basel und Gaienhofen auf, studierte in Hamburg und Freiburg i. Brsg. Rechtswissenschaft, Philosophie und Politik und besuchte die Schauspielschule. Nach den Juristischen Staatsexamina, Promotion (1998) und Habilitation (2005) in Freiburg wurde er hier 2007 von Wolfgang Jäger zum apl. Professor ernannt.

Verteidigung der „Lüth-Linie“

In seiner Habilitationsschrift „Die Meinungsfreiheit im System des Grundgesetzes“ (2007, Nachdruck 2008) wie auch in Fachartikeln kämpft Hochhuth für das freie Wort im Sinne des „Lüth“-Urteils und anderer Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, die der geistigen Offenheit und der politischen Aufklärung dienten.

Kritik an der Deregulierung der Märkte und besonders des Finanzwesens

Hochhuth warnte am 27.4.2001 auf der Tagung des Jungen Forums Rechtsphilosophie an der Freien Universität Berlin vor einer philosophischen und politischen Paradigmenverwechslung, die das Völkerrecht, aber auch andere Rechtsgebiete präge. Die klassisch-autoritäre Staatsräson sei nach jahrhundertelangen Kämpfen durch die Menschenrechte entthront worden. Dieser Fortschritt zur „Selbstpreisgabe des Staates“ aber werde nun zweckentfremdet, weil man die Freiheit des Individuums mit seinem geldwerten Vermögen verwechsle.[1] Das Thema nahm Hochhuth in mehreren Veröffentlichungen wieder auf, zuletzt mit dem Band „Rückzug des Staates und Freiheit des Einzelnen — Die Privatisierung existenzieller Infrastrukturen“, der auch Beiträge von Rolf Stürner, Siegfried Broß, Thomas Würtenberger, Dietrich Murswiek, Heinrich Haasis, Eberhard Eichenhofer, Michael Ronellenfitsch, Michael Fehling, Hanno Kube, Wolfgang Ohler und Günter Knieps enthält.

Verhinderung von Verfassungsänderungen zum Militäreinsatz im Inland

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 stellte Hochhuth sich mit dem Artikel „Militärische Bundesintervention bei inländischem Terrorakt“ in der Neuen Zeitschrift für Wehrrecht als erster Wissenschaftler gegen die damals einhellige Meinung in Literatur und Politik. Zwei Argumente dieser Abhandlung verhinderten (vorläufig, d.h. zumindest bis heute) die Grundgesetzänderungen zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren, die die CDU-CSU-Opposition vehement forderte und die die rot-grüne Bundesregierung (BMVg und BMI) bereits, wenn auch widerstrebend, ins Auge gefasst hatte.[2] Entscheidend für die Wende der Debatte war, dass terroristische Flugzeugentführungen stets als ein „länderübergreifender Unglücksfall“ im Sinne von Art. 35 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes gesehen werden können. Diese Vorschrift ermächtigt „die Bundesregierung … Einheiten der Streitkräfte ein(zu)setzen.“ Mit diesem Hinweis Hochhuths war die Verfassungsänderung vom Tisch, denn die Opposition und ihr Kanzlerkandidat Edmund Stoiber hatten befürchtet, ohne Verfassungsänderung müsse die Bundesregierung bei einer Flugzeugentführung tatenlos zusehen, da das Grundgesetz ihr keine Zuständigkeit gebe. Für eine Verfassungsänderung schien allerdings weiter das Problem zu sprechen, dass selbst aus einer Zuständigkeit der Bundeswehr (nach Art. 35 Abs. 3 GG) nach überwiegender Meinung im Gefahrenabwehrrecht noch kein Recht folgen würde, das Leben der Entführten zu gefährden. Das Leben würde aber gefährdet, indem ihr Flugzeug durch die Bundeswehr robust abgedrängt oder zur Landung gezwungen würde. Erst recht gibt eine reine Befugnisvorschrift kein Recht zur Tötung, wie sie bei Abschuss des Flugzeugs aber unausweichlich wäre. Der Aufsatz stellt dar, weshalb auch dieses Problem durch eine Verfassungsänderung nicht lösbar wäre: Das bisherige einfache Gesetzesrecht biete zwar Lösungen, aber keine rechtsstaatlich befriedigenden. Die denkbaren verfassungsrechtlichen Lösungen wären nicht befriedigender, aber zudem auch noch gefährlich. Hochhuth befürchtet insbesondere „Trittbrettfahrer-Änderungen“ der Verfassung: Werde der Militäreinsatz im Inneren auch nur für einen extremen Fall ausdrücklich normiert, so würden weitere Änderungen bald folgen.

Verteidigung der „kunstgerechten“ religiösen Knabenbeschneidung

Da Hochhuth als erster das Kölner Beschneidungsurteil in der einflussreichen NJW[3] kritisiert hatte, interviewte ihn der WDR. Hier forderte er, Juden und Muslimen schneller und sicherer als durch ein (immer angreifbares) Gesetz durch Weisungen nach dem GVG die Rechtssicherheit zurückzugeben. Der Justizminister von Nordrhein-Westfalen Kutschaty widersprach dem noch am selben Tag, doch folgten die Bundesländer Berlin, Baden-Württemberg und Hamburg dem Vorschlag.

Weitere Werke

  • „Relativitätstheorie des Öffentlichen Rechts“ (Dissertation), Baden-Baden (Nomos) 2000, 554 Seiten.
  • „Die Bedeutung der neuen Willensfreiheitsdebatte für das Recht“, Juristenzeitung 2005, S. 745-753.
  • „Schwächung der Demokratie durch verselbständigte Mehr-Ebenen-Systeme. Die Globalisierung als Chance und Gefahr.“ In: Ivo Appel, Georg Hermes und Christoph Schönberger (Hrsg.), *„Öffentliches Recht im offenen Staat“, Festschrift für Rainer Wahl zum siebzigsten Geburtstag, Berlin (Duncker und Humblot) 2011, S. 723-740.
  • „Verteidigung der Demokratie gegen ein irregeleitetes Finanzwesen“, in: Martin Hochhuth (Hrsg.) „Rückzug des Staates und Freiheit des Einzelnen – die Privatisierung existenzieller Infrastrukturen“, Berlin (Duncker und Humblot) 2012, S. 271-299.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tagungsbericht von Alexandra Kemmerer, FAZ vom 8. Mai 2001, S. 54.
  2. http://www.deutsches-wehrrecht.de/Aufsaetze/NZWehrr_2002_154.pdf (abrufbar über die Homepage der NZWehrr).
  3. NJW Editorial, Heft 29/2012; siehe auch das Interview in der Jüdischen Allgemeinen unter: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/14741