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Ernst Bloch im Jahr 1954

Der marxistische Humanismus (auch humanistischer Marxismus genannt) ist ein Zweig des Marxismus, der sich sehr stark auf die Frühwerke von Karl Marx fokussiert. Seine Vertreter versuchen, den humanistischen Aspekt, laut ihrer Interpretation der Tiefsinn des Marxismus, wieder zu gewinnen. Eine wichtige Bewegung des marxistischen Humanismus stellte die Praxis-Gruppe dar.

Entstehung, Geschichte und Vertreter

Der marxistische Humanismus entwickelte hauptsächlich in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg. Bedeutende Theoretiker waren der deutsche Ernst Bloch, Adam Shaff sowie Leszek Kołakowski aus Polen, in Frankreich Roger Garaudy, der Italiener Rodolfo Mondolfo und Erich Fromm sowie Herbert Marcuse aus den Vereinigten Staaten. Diese Autoren haben versucht, den humanistischen Aspekt, laut ihrer Interpretation die Essenz des Marxismus, wieder zu gewinnen und weiter zu entwickeln. Man distanzierte sich sowohl vom stalinistischen Regime der Sowjetunion und der gewaltsamen Umverteilungspolitik Maos als auch von den auf die Zeit Stalins folgenden Staatsbürokratien in Mittel- und Osteuropa.

1890 hatte Friedrich Engels in einem Brief an Bloch betont, man den Marxismus missverstanden hatte und es ein Irrtum gewesen sei, einen absoluten und einseitigen Determinismus der Produktionskräfte auf das Bewusstsein und die Überbauten zu sehen. Das Bewusstsein habe seinerseits Auswirkungen auf die Struktur und sei notwendig für das revolutionäre Verständnis der Veränderungen der Struktur und des Widerspruchs zwischen den Produktionskräften und den sozialen Beziehungen.

Persönlichkeiten wie Salvador Allende, Che Guevara, Henri Lefebvre, Jean-Paul Sartre und Walter Benjamin standen dem marxistischen Humanismus nahe bzw. vertraten ebenfalls dessen Positionen.

Ein wichtiger Gegner des marxistischen Humanismus war der Philosoph und Vertreter des so genannten „Antihumanismus“, Louis Althusser, der marxistischen Humanismus als „revisionistisch“ bezeichnete. Er kritisiert, dass die Vertreter der Strömung die Gegensätzlichkeit des jungen und älteren Marx nicht berücksichtigen – er selbst bezeichnet den Wandel im Denken Marx’, der in der „deutschen Ideologie“ vollzogen wurde, als „epistemologischen Bruch“. Für Althusser ist der Humanismus der von Friedrich Hegel und Ludwig Feuerbach beeinflussten Frühschriften Marx’ unvereinbar mit den „wissenschaftlichen“ Theorien des späteren Marx, wie sie zum Beispiel im Kapital vorkommen.

Denken

„Der Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen; darum als vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichtums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d. h. menschlichen Menschen. Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus Humanismus, als vollendeter Humanismus Naturalismus, er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflosung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung.“

Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, Abschnitt Privateigentum und Kommunismus[1]

Die Vertreter des marxistischen Humanismus hoben die Bedeutung der Jugendschriften von Karl Marx, vor allem der „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus dem Jahre 1844“, der „Deutschen Ideologie“ und der „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“, sowie einiger aus seiner Reifezeit wie die „Theorien über den Mehrwert“, hervor. Diese Frühwerke wurden erst in den 1930er Jahren entdeckt und galten in weiten Teilen des Ostblocks als Dokumente noch unreifen Denkens Marx’. Die Vertreter bemühten sich auch um eine neue Interpretation des Denkens von Marx durch eine Deutung, die nicht streng ökonomisch und materialistisch war.

Sie betonten auch jenen Ausschnitt der „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte“, in der Marx behauptet dass „[…] der Mensch ist nicht nur Naturwesen, sondern er ist menschliches Naturwesen; d.h. für sich selbst seiendes Wesen, darum Gattungswesen, als welches er sich sowohl in seinem Sein als in seinem Wissen bestätigen und betätigen muß. Weder sind also die menschlichen Gegenstände die Naturgegenstände, wie sie sich unmittelbar bieten, […] aber auch die Natur, abstrakt genommen, für sich, in den Trennung vom Menschen fixiert, ist für den Menschen nichts.“. [2] Marx schrieb am Anfang der Ausführungen seiner Anthropologie in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“: „Wir sehn hier, wie der durchgeführte Naturalismus oder Humanismus sich sowohl von dem Idealismus, als dem Materialismus unterscheidet und zugleich ihre beide vereinigende Wahrheit ist.“ [3]

Rodolfo Mondolfo

Laut dem Philosophen Rodolfo Mondolfo (1877-1976) muss man, wenn man den historischen Materialismus bei Marx und Engels genau untersucht „anerkennen, dass es sich um keinen Materialismus, sondern um einen wahrhaften Humanismus handelt, der in den Mittelpunkt jeder Betrachtung und Diskussion das Konzept des Menschen stellt.“ Es sei ein „realistischer Humanismus (realer Humanismus), wie ihn die Erschaffer selbst nannten, der versucht, den Menschen in seiner effektiven und konkreten Wirklichkeit zu sehen. Er versucht, seine Existenz in der Geschichte zu verstehen und die Geschichte als eine Wirklichkeit zu verstehen, die vom Menschen durch seine Aktivitäten, seine Arbeit, seine sozialen Aktionen im Laufe der Jahrhunderte geschaffen wurde, in denen der Bildungs- und Veränderungsprozess der Umgebung, in der der Mensch lebt und in dem sich der Mensch selbst entwickelt, gleichzeitig als Wirkung und Ursache jeglicher historischen Evolution.“ In diesem Sinne ließe sich feststellen, dass der historische Materialismus nicht mit einer materialistischen Philosophie verwechselt werden könne. [4]

Siehe auch

Weblinks

Quellen


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