Betriebsrentenstärkungsgesetz

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Basisdaten
Titel: Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze
Kurztitel: Betriebsrentenstärkungsgesetz
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Sozialrecht, Arbeitsrecht, Privatrecht, Tarifvertragsrecht, Steuerrecht
Erlassen am: 17. August 2017
(BGBl. I S. 3214)
Inkrafttreten am: überw. 1. Januar 2018
GESTA: G038
Weblink: Text des Gesetzes
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz ist ein deutsches steuer- und sozialrechtliches Reformpaket des Jahres 2017. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel einer besseren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung. Die meisten Neuregelungen gelten seit 1. Januar 2018.

Überblick

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz verfolgt eine weitreichende Reform der betrieblichen Altersversorgung.[1] Deren Stärkung ist vornehmlich in den Verantwortungsbereich der Tarifvertragsparteien übertragen worden („Sozialpartnermodell“). Um ein höheres Versorgungsniveau zu erreichen, sollen die Sozialpartner über Tarifverträge adäquate betriebliche Versorgungssysteme gestalten und damit eine höhere Akzeptanz bei den Arbeitnehmern schaffen. Auf tariflicher Grundlage verschafft es die Möglichkeit, „reine Beitragszusagen“ und sogenannte „Optionssysteme“ einzuführen.[2]

Da sich der Gesetzgeber auch außerhalb des Sozialpartnermodells einen höheren Durchdringungsgrad der betrieblichen Altersversorgung insbesondere bei den kleinen und mittleren Unternehmen sowie bei Niedrigverdienern erhofft, liegen Schwerpunkte des Pakets zur Verbesserung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen betrieblicher Versorgungsmöglichkeiten in der Erhöhung der abzugsfähigen Spielräume und der Anordnung von Arbeitgeberzuschüssen. Diese werden – unterschieden nach Neu- und Bestandsvertrag – in den Jahren 2019 und 2022 akut.

Maßnahmen

Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rahmenstellung

Grundsicherungsfreibetrag

Grundsätzlicher Ansatzpunkt ist die Einführung eines Freibetrages in der Grundsicherung. Damit wird die Anrechnung der Betriebsrente auf die staatliche Grundsicherung eingeschränkt. Betroffen sind Rentenbezüge, die auf der sogenannten „geförderten Altersversorgung“ (Betriebs-, Rürup- und Riester-Renten) beruhen. Der Freibetrag besteht aus zwei Komponenten: es wird zunächst ein Sockelfreibetrag von 100 EUR gewährt; auf diesem bauen 30 % der den Sockelfreibetrag übersteigenden Betriebsrente auf. Letztere ist allerdings auf 50 % der Regelbedarfsstufe 1 nach SGB XII gedeckelt, sodass ein Freibetrag von maximal 212 EUR (Stand: 2019) nicht überschritten wird.

Beispiel: Die monatlichen Einkünfte aus zusätzlicher Altersvorsorge betragen 300,00 €. Davon sind 100,00 € anrechnungsfrei. Von den übrigen 200,00 € sind (30 % × 200,00 €) 60,00 € anrechnungsfrei.

Erweiterung des steuerlichen Dotierungsrahmens von 4 % auf 8 % der BBG

Der nach § 3 Nr. 63 EStG geltende, steuerfreie Dotierungsrahmen der Beiträge wird von 4 % auf 8 % zur Beitragsbemessungsgrenze (West) der Rentenversicherung erweitert. Im Gegenzug entfällt der bisherige steuerfreie Erhöhungsbetrag von 1.800 Euro. Beiträge zu Gunsten einer nach § 40b EStG pauschalbesteuerten Versorgung werden von den 8 % der BBG abgezogen.

Sozialversicherungsrechtlich verbleibt das Höchstkontingent bei 4 % zur Beitragsbemessungsgrenze. Zugrunde liegen dort die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, der Arbeitgeberzuschuss zur Rentenversicherung an berufsständische Einrichtungen sowie zur freiwilligen beziehungsweise privaten Kranken- und Pflegeversicherung, Pauschalbeiträge zur Sozialversicherung für geringfügig Beschäftigte, nicht jedoch Arbeitgeberumlagen zur gesetzlichen Unfallversicherung. Ebenso wenig werden Insolvenzgeldumlagen berücksichtigt. Vorsicht ist geboten, wenn die Gehaltsumwandlung zuzüglich der Gewährung der Zahlung des Arbeitgeberzuschusses zur Überschreitung der Sozialversicherungsfreigrenze führt, denn für den überschießenden Teil sind dann Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Dies wirkt sich allerdings nur auf die Gehaltsumwandlung und nicht auf die gesetzliche Mindesthöhe des Arbeitgeberzuschusses aus, weshalb es ratsam sein kann, die Entgeltumwandlung und den BRSG-Zuschuss einvernehmlich so aufeinander abzustimmen, dass die Sozialversicherungsfreigrenze (4 % der BBG) nicht überschritten wird (Quelle: Heubeck).

Wegfall der Doppelverbeitragung bei Betriebs-Riesterverträgen

Eine sozialversicherungsrechtliche Besserstellung ergibt sich allerdings bei der riestergeförderten betrieblichen Altersversorgung insofern, als die Doppelverbeitragung fällt. Wie bei privat abgeschlossenen Riester-Verträgen werden die Sozialversicherungsbeiträge während der Ansparphase abgeführt; die Pflicht zur Entrichtung von KVdR-/PVdR-Beiträgen fällt in der Rentenphase nicht mehr an. Außerdem wird die Grundzulage von 154 EUR auf 175 EUR angehoben (§ 84 Satz 1 EStG). Keine inhaltlichen Änderungen werden an den gültigen Regeln für die Kinderzulage vorgenommen.

Förderung des Niedriglohnsektors

Neu ist der Förderbetrag für den Niedriglohnsektor: Arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusagen an Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von bis zu 2.575 Euro sollen bezuschusst werden (§ 100 EStG). Richtet der Arbeitgeber eine Versorgung über mindestens 240 EUR Jahresbeitrag für den betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen eines ungezillmerten Vertrages ein, soll er von einer staatlichen Förderung in Höhe von 30 % des aufgewendeten Beitrags profitieren. Begrenzt wird die Sonderförderung durch den doppelten Jahresbeitrag (Maximalgrenze: 960 EUR). Die Maximalgrenze bemisst sich daraus, dass der maximale Förderbetrag im Rahmen des Grundrentengesetzes[3] mit (Rück-)Wirkung ab 2020 von maximal 144 Euro auf 288 Euro angehoben wurde.

Zuschuss des Arbeitgebers bei Entgeltumwandlung

Wandelt der Arbeitnehmer einen Teil seines vereinbarten Arbeitsentgelts in eine Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds um, muss der Arbeitgeber einen Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 15 % des umgewandelten Entgelts dazugeben, soweit er durch die Entgeltumwandlung eine Sozialversicherungsersparnis im Sinne von Art. 1 § 1a Absatz 1a Betriebsrentenstärkungsgesetz und § 23 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) hat. Diese Pflicht besteht für ab dem 1. Januar 2019 vereinbarte Entgeltumwandlungen gemäß Art. 17 Absatz 5 Betriebsrentenstärkungsgesetz sofort, für ältere, gemäß § 26a BetrAVG gemäß Art. 1 Nummer 12 Betriebsrentenstärkungsgesetz, erst ab 1. Januar 2022.

Vereinfachung der Vervielfältiger-Regel (Abfindungen)

Mit der Vervielfältiger-Regel hatte der Gesetzgeber im vorangegangenen Jahrhundert ein Instrument geschaffen, (Teile von) Abfindungszahlungen in eine betriebliche Altersversorgung einzubezahlen. Ein Angestellter, der seinen Arbeitgeber verlässt, kann zusätzliche Beiträge, wie etwa eine Abfindung, steuerfrei aufwenden. Soweit die Maximalhöhe bis 2018 von der Dienstzeit und den gezahlten Beiträgen in die betriebliche Versorgung abhängig war, wird der sogenannte Vervielfältigungsbetrag heute sehr einfach berechnet. Die Dienstzeit (maximal davon 10 Dienstjahre) wird mit 4 % der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze multipliziert.

Sozialpartnermodell

Reine Beitragszusage („pay and forget“)

Zukünftig können die Sozialpartner (Tarifvertragsparteien) eine im Betriebsrentengesetz bisher nicht geregelte arbeitsrechtliche Zusageart vereinbaren, die sogenannte „reine Beitragszusage“. Modell: Der Arbeitgeber sagt seinem Arbeitnehmer auf Grundlage eines Tarifvertrages oder in Anlehnung an denselben (gemäß § 24 BetrAVG), die Zahlung eines Beitrags in einen der Durchführungswege des § 3 Nr. 63 EStG zu. Er bringt den Beitrag in eine Direktversicherung, Pensionskasse oder in einen Pensionsfonds ein. Die für Leistungszusagen, beitragsorientierte Leistungszusagen und Beitragszusagen mit Mindestleistung geltende Einstandspflicht des Arbeitgebers gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG findet bei reinen Beitragszusagen gemäß dem neuen § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG ausdrücklich keine Anwendung. Der Arbeitgeber haftet weder für die aus dem Beitrag erwirtschafteten Rentenleistungen (ein Wahlrecht auf Kapitalzahlungen besteht nicht), noch für deren Anpassung gemäß § 16 BetrAVG. Dieses Modell ist vergleichbar mit den Defined Contribution Plans welche 1978[4] in den USA eingeführt wurden[5] und im Rahmen der Finanzmarktkrise in Europa diskutiert werden.[6]

Überdies besteht keine Insolvenzsicherung. Stattdessen erhält der von der Insolvenz betroffene Arbeitnehmer ein Eintrittsrecht in die Versorgung (Übernahme und Fortsetzung der Beitragszahlung).

Kontrahierungszwang besteht nicht, allerdings sind die auf den gezahlten Beiträgen beruhenden Anwartschaften auf Altersrente gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG sofort unverfallbar, was für Entgeltumwandlungen und Arbeitgeberfinanzierung gleichermaßen gilt, nicht jedoch hinsichtlich arbeitgeberfinanzierter Invaliditäts- oder Hinterbliebenenrentenanwartschaften.

Die Sozialpartner (Tarifvertragsparteien) müssen die Durchführung der „reinen Beitragszusage“ steuern, mindestens jedoch mit geeigneten Maßnahmen auf sie einwirken und über Sicherungsbeiträge (§ 23 Abs. 1 BetrAVG) absichern. Gewährleistet werden kann die Einwirkung beispielsweise dadurch, dass eine Vertretung im Aufsichtsrat der Versorgungseinrichtung besteht. Verschiedene aufsichtsrechtliche Bestimmungen sind zu beachten, vornehmlich §§ 244a bis 244d VAG. So regelt § 244b Abs. 1 Nr. 1 VAG, dass reine Beitragszusagen keine garantierten Leistungen beinhalten dürfen („Garantieverbot“).

Opting Out / Automatische Entgeltumwandlung

Im Rahmen von Optionsmodellen wird ein bestimmter Teil des Bruttoentgelts des Arbeitnehmers automatisch durch den Arbeitgeber zur Finanzierung einer betrieblichen Altersversorgung einbehalten. Im Gegenzug erhält der Arbeitnehmer allerdings innerhalb einer bestimmten Frist ein Widerspruchsrecht („opting out“). Das Betriebsrentenstärkungsgesetz sieht das zukünftig in § 20 Abs. 2 BetrAVG gesetzlich vor.

Opting out-Modelle sind tarifvertraglich oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zu regeln. Tarifvertraglich ungebundenen Arbeitgebern ist das Recht gewährt, ein einschlägiges tarifvertragliches Optionssystem anzuwenden oder auf Grund eines einschlägigen Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung einzuführen.

Siehe auch

Mit diesem seit 1. Januar 2020 geltenden Gesetz, wurde die bisherige sozialrechtliche Freigrenze zu einem Freibetrag umgewandelt, sodass insbesondere kleine betriebliche Renten stärker von den gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträgen entlastet sind.[7]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise