Bilanztheorie

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Bilanztheorien sind theoretische Modelle, die, ausgehend von bestimmten Aufgaben und Zwecken, eine grundsätzliche Herangehensweise an die Bilanzierung begründen.

Klassische Bilanztheorien

Die statische Bilanztheorie

In diesen Theorien wird dem Jahresabschluss die Aufgabe zugewiesen, das Reinvermögen (Vermögen minus Fremdkapital) des Unternehmens/des Kaufmanns zu einem bestimmten Stichtag mit Hilfe der Bilanz abzubilden: Durch die Gegenüberstellung des zum Stichtag bewerteten Vermögens auf der einen Seite und den Schulden zum selben Zeitpunkt soll das zum Stichtag vorhandene Reinvermögen ermittelt und dessen Zusammensetzung aufgegliedert werden. In den statischen Konzeptionen ergibt sich der Jahresüberschuss bzw. der Periodenerfolg als Nebeneffekt der Vermögensermittlung als eine Saldogröße, wenn nämlich das Unternehmensvermögen am Anfang und am Ende der Periode miteinander verglichen werden.

Im Rahmen der Zerschlagungsstatik, die vom Reichsoberhandelsgericht 1873 maßgeblich begründet wurde, werden das Vermögen und die Schulden bewertet (und gegliedert), als ob das Unternehmen liquidiert (zerschlagen) würde. Primäre Aufgabe der Bilanz ist die Ermittlung des Schuldendeckungspotenzials des Kaufmanns: Durch den Ansatz von Einzelverkaufspreisen beim Vermögen wird letztlich das Haftungspotenzial des Unternehmens bzw. das Vermögen, auf das die Gläubiger schlechtestenfalls zugreifen könnten, abgebildet. Als Vermögen wird konsequenterweise nur das bilanziert, was auch einzeln verkauft werden kann.

Bei der Fortführungsstatik, die von Herman Simon begründet wurde, wird dagegen nicht vom Zerschlagungsfall ausgegangen, sondern es wird der Wert des Unternehmens bei Fortführung der Unternehmenstätigkeit abgebildet (Fortführungsprinzip, englisch

going-concern

). Auch das aktuelle Handelsgesetzbuch (HGB) geht in der Regel von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit aus (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Allerdings geht Simon dennoch von einer einzelnen Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden aus, nicht von einer Unternehmensbewertung als Ganzem. Als Vermögen werden sämtliche bewegliche und unbewegliche Gegenstände, Forderungen und (entgeltlich erworbene) immateriellen Gegenstände erfasst.

Vertreter statischer Bilanzauffassungen sind insbesondere Herman Veit Simon, Walter Le Coutre, Heinrich Nicklisch und Wilhelm Rieger.

Die dynamische Bilanztheorie

Die dynamische Bilanztheorie wurde von Eugen Schmalenbach 1919 begründet und unter anderem von Erich Kosiol (zur pagatorischen Bilanz) weiterentwickelt. Sie sieht die Hauptaufgabe der Bilanz bzw. des Jahresabschlusses allgemein in der Ermittlung eines vergleichbaren Periodenerfolgs und damit der Rechenschaft (gegenüber externen Adressaten, aber auch Instrument der internen Steuerung) über die abgelaufene Periode. Gegenüber dem Ziel der zutreffenden Gewinnermittlung verliert der in den statischen Bilanzkonzeptionen wichtigere Gläubigerschutzgedanke an Bedeutung.

Da sich Schmalenbach bereits an dem heute noch gültigen Vorsichtsprinzip orientiert hat, forderte er eine vorsichtige Gewinnermittlung und will nur durch Umsatz realisierte Erfolgsbeiträge erfassen (siehe auch Realisationsprinzip).

Die organische Bilanztheorie

Die organische Bilanztheorie stammt von dem Frankfurter Betriebswirtschaftler und Nationalökonom Fritz Schmidt.[1]

Nach Schmidt wird der Jahresabschluss hier aus gesamtwirtschaftlicher Sicht gesehen. Jedes Unternehmen ist eine Zelle im Rahmen der Gesamtwirtschaft. Aufgabe der Bilanz ist es nun, festzustellen, ob das Unternehmen in der Teilperiode seine relative Stellung in der Gesamtwirtschaft erhalten hat. Schmidt geht von Preissteigerungen aus und setzt den Unternehmensgewinn aus Umsatzgewinn und Scheingewinn zusammen. Buchhalterisch wird ein Unterkonto des Kapitalkontos eingerichtet, das diesen Scheingewinn aufnimmt. Dieser wird im Rahmen der Bewertung zu Wiederbeschaffungskosten nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Niederstwertprinzip erzielt.

Neuere Ansätze

Kapital- und Substanzerhaltung

Ähnlich der Fragestellung in der organischen Bilanztheorie befassen sich die Konzeptionen, bei denen die Kapital- bzw. Substanzerhaltung im Vordergrund steht, primär mit der Frage, wie der Jahreserfolg zu ermitteln ist, damit das Kapital bzw. die Substanz eines Unternehmens erhalten bleibt.

Das Konzept nomineller Kapitalerhaltung betrachtet dabei die Entwicklung des nominellen Eigenkapitals: Ein Anstieg des nominellen Eigenkapitals wird als Gewinn ausgewiesen. Sowohl das deutsche Steuerrecht als auch das deutsche Handelsbilanzrecht orientieren sich an diesem Konzept, dessen größter Nachteil allerdings darin liegt, dass in Inflationsphasen zwar nominell das Kapital erhalten bleibt, wenn sich aber Gewinnausschüttungen und Gewinnsteuerzahlungen an diesem Gewinnbegriff orientieren, kommt es zu einem realen Kapitalverzehr, da das verbleibende Kapital nicht mehr ausreicht, die ursprünglichen Vermögensgegenstände wieder zu beschaffen.

Beim Konzept der realen Kapitalerhaltung dient dagegen eine kaufkraftbereinigte Kapitalermittlung der Sicherung des realen Kapitals des Unternehmens. Problematisch ist hierbei die Wahl eines geeigneten Indexes bei der Bewertung.

Die Konzepte zur Substanzerhaltung betrachten weniger das Kapital (Geldsumme), sondern die Vermögensgegenstände. Substanzerhaltung ist dann gewährleistet, wenn maximal der Teil der Erlöse ausgeschüttet (bzw. besteuert) wird, der nicht mehr zur Wiederbeschaffung der am Anfang der Periode vorhandenen Vermögensgegenstände benötigt wird.

Ökonomischer Gewinn

Hierbei wird weniger von einer bilanztheoretischen Einzelbewertung der Vermögensgegenstände ausgegangen, sondern eher von einer Gesamtbewertung eines Unternehmens anhand der in Zukunft nachhaltig erzielbaren Erträge. Als Unternehmenswert gilt dabei das diskontierte Entnahmepotenzial, der ökonomische Gewinn einer Periode ist der Unterschied zwischen dem Unternehmenswert am Ende und am Anfang einer Periode. Trotz der theoretischen Vorzüge dieser Theorie werden insbesondere die für handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung nötigen Objektivierungszwänge hier nicht erfüllt.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fritz Schmidt: Die organische Bilanz im Rahmen der Wirtschaft. Leipzig 1921.