Diskussion:Widerspiegelungstheorie

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Allgemeine Anmerkung

In Konrad Lotter, Reinhard Meiners, Elmar Treptow: Marx-Engels-Begriffslexikon. Beck, München 1984, ISBN 340609273X findet sich ein Eintrag zu Widerspiegelung, ich zitiere hier ein paar Verweisstellen aus den MEW. Die Hegelauseinandersetzung habe ich weggelassen, kann ich aber nachreichen. Vielleicht findest du ja so Ansätze um den Inhalt des Artikels zu vertiefen. Ich habe mich spontan gefragt, ob die Sichtweise der Herren Bösch und Link relevant genug ist, um etwa die Hälfte des Artikels mit nicht argumentierten Feststellungen zu füllen und dem off-topic nahe über Diskurse zu sinnieren. Es sollte ausserdem per Einzelnachweis referenziert werden, wer denn der Meinung ist, dass die Widerspiegelungstheorie auf einem „falschen Verständnis“ Marx beruhe. Mindestens genauso interessant wäre dann acuh, wer dieses falsche verständnis hegte, und in welcher Art und Weise es verkehrt war, und natürlich wie das „richtige“ Verständnis denn sein müsste, vorausgesetzt man kann hier wirklich solche Werturteile treffen. Prinzipiell scheint es mir nach der ersten Durchsicht so, als hätten Marx und Engels nicht dezidiert eine Widerspiegelungstheorie formuliert. Es sollte daher geklärt werden wer dieses Konzept oder diese Interpretation wirksam in die Welt gesetzt hat. Grüße. --Tets 16:45, 30. Jul. 2007 (CEST)

Guter Ansatz. Sofern ich kann, werde ich dabei unterstützen. Grüße,-- andrax 21:42, 30. Jul. 2007 (CEST)

Marx Engels Zitate

Ein Zitat möchte ich allen anderen Voranstellen:

Die Ideen alle der Erfahrung entlehnt, Spiegelbilder - richtig oder verzerrt - der Wirklichkeit. - Friedrich Engels, Vorarbeiten zum »Anti-Dühring« MEW 20: 573
1.
Die Aussenwelt spiegelt sich im Kopf des Menschen ab
  • „[Es ist] nun einmal nicht zu vermeiden, daß alles, was einen Menschen bewegt, den Durchgang durch seinen Kopf machen muß - sogar Essen und Trinken, das infolge von vermittelst des Kopfs empfundnem Hunger und Durst begonnen und infolge von ebenfalls vermittelst des Kopfs empfundner Sättigung beendigt wird. Die Einwirkungen der Außenwelt auf den Menschen drücken sich in seinem Kopf aus, spiegeln sich darin ab als Gefühle, Gedanken, Triebe, Willensbestimmungen, kurz, als "ideale Strömungen", und werden in dieser Gestalt zu "idealen Mächten".“ Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW 21, 281f.
  • „Dem Kopf, der Entwicklung und Tätigkeit des Gehirns, wurde alles Verdienst an der rasch fortschreitenden Zivilisation zugeschrieben; die Menschen gewöhnten sich daran, ihr Tun aus ihrem Denken zu erklären statt aus ihren Bedürfnissen (die dabei allerdings im Kopf sich widerspiegeln, zum Bewußtsein kommen) - und so entstand mit der Zeit jene idealistische Weltanschauung, die namentlich seit Untergang der antiken Welt die Köpfe beherrscht hat. Sie herrscht noch so sehr, daß selbst die materialistischsten Naturforscher der Darwinschen Schule sich noch keine klare Vorstellung von der Entstehung des Menschen machen können, weil sie unter jenem ideologischen Einfluß die Rolle nicht erkennen, die die Arbeit dabei gespielt hat.“ Engels, Dialektik der Natur, Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, MEW 20, 451
2.
Begriffe sind Abbilder der Dinge
  • „Wir faßten die Begriffe unsres Kopfs wieder |293| materialistisch als die Abbilder der wirklichen Dinge, statt die wirklichen Dinge als Abbilder dieser oder jener Stufe des absoluten Begriffs. Damit reduzierte sich die Dialektik auf die Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen der Bewegung, sowohl der äußern Welt wie des menschlichen Denkens - zwei Reihen von Gesetzen, die der Sache nach identisch, dem Ausdruck nach aber insofern verschieden sind, als der menschliche Kopf sie mit Bewußtsein anwenden kann, während sie in der Natur und bis jetzt auch großenteils in der Menschengeschichte sich in unbewußter Weise, in der Form der äußern Notwendigkeit, inmitten einer endlosen Reihe scheinbarer Zufälligkeiten durchsetzen. Damit aber wurde die Begriffsdialektik selbst nur der bewußte Reflex der dialektischen Bewegung der wirklichen Welt, und damit wurde die Hegelsche Dialektik auf den Kopf, oder vielmehr vom Kopf, auf dem sie stand, wieder auf die Füße gestellt.“ Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW 21, 292f.
  • „Daneben gibt es aber noch eine Reihe andrer Philosophen, die die Möglichkeit einer Erkenntnis der Welt oder doch einer erschöpfenden Erkenntnis bestreiten. Zu ihnen gehören unter den neueren Hume und Kant, und sie haben eine sehr bedeutende Rolle in der philosophischen Entwicklung gespielt. ... Die schlagendste Widerlegung dieser wie aller andern philosophischen Schrullen ist die Praxis, nämlich das Experiment und die Industrie. Wenn wir die Richtigkeit unsrer Auffassung eines Naturvorgangs beweisen können, indem wir ihn selbst machen, ihn aus seinen Bedingungen erzeugen, ihn obendrein unsern Zwecken dienstbar werden lassen, so ist es mit dem Kantschen unfaßbaren "Ding an sich" zu Ende. Die im pflanzlichen und tierischen Körper erzeugten chemischen Stoffe blieben solche "Dinge an sich", bis die organische Chemie sie einen nach dem andern darzustellen anfing; damit wurde das "Ding an sich" ein Ding für uns, ...“ ebenda 275
  • „Zwei philosophische Richtungen, die metaphysische mit fixen Kategorien, die dialektische (Aristoteles und Hegel besonders) mit flüssigen; die Nachweise, daß diese fixen Gegensätze von Grund und Folge, Ursache und Wirkung, Identität und Unterschied, Schein und Wesen unhaltbar sind, |475| daß die Analyse einen Pol schon als in nuce |im Kern| vorhanden im andern nachweist, daß an einem bestimmten Punkt der eine Pol in den andern umschlägt, und daß die ganze Logik sich erst aus diesen fortschreitenden Gegensätzen entwickelt. - Dies bei Hegel selbst mystisch, weil die Kategorien als präexistierend, und die Dialektik der realen Welt als ihr bloßer Abglanz erscheint. In Wirklichkeit umgekehrt: die Dialektik des Kopfs nur Widerschein der Bewegungsformen der realen Welt, der Natur wie der Geschichte.“ Engels, Dialektik der Natur, Naturwissenschaft und Philosophie, MEW 20, 475.
  • „Die Dialektik, die sog. objektive, herrscht in der ganzen Natur, und die sog. subjektive Dialektik, das dialektische Denken, ist nur Reflex der in der Natur sich überall geltend machenden Bewegung in Gegensätzen, die durch ihren fortwährenden Widerstreit und ihr schließliches Aufgehen ineinander, resp. in höhere Formen, eben das Leben der Natur bedingen.“ Engels, Dialektik der Natur, Dialektik, MEW 20,481
3.
Abstraktionen müssen den in den Dingen liegenden Inhalt in Gedankenform wiedergeben
  • Marx fasst den in den Dingen und Verhältnissen vorliegenden gemeinsamen Inhalt auf ihren allgemeinsten Gedankenausdruck zusammen, seine Abstraktion gibt also nur in Gedankenform den schon in den Dingen liegenden Inhalt wieder. Engels, an Kautsky, 1884, MEW 36 209
  • „Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Für Hegel ist der Denkprozeß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des wirklichen, das nur seine äußere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle.“ Marx, Kapital, MEW 23, 27
4.
Begriffe ändern sich mit den realen Verhältnissen
  • „[Phroudon] hat nicht gesehen, daß die ökonomischen Kategorien nur Abstraktionen dieser realen Verhältnisse, daß sie nur so lange Wahrheiten sind, wie diese Verhältnisse bestehen. [...] Die Kategorien sind also genausowenig ewig wie die Beziehungen, die sie ausdrücken. Sie sind historische und vorübergehende Produkte.“ Marx an Annenkow, 1846, MEW 4 552, 554
5.
  • „Aber ehe die Menschen argumentierten, handelten sie. "Im Anfang war die Tat." Und menschliche Tat hatte die Schwierigkeit schon gelöst, lange ehe menschliche Klugtuerei sie erfand. The proof of the pudding is in the eating. |Man prüft den Pudding, indem man ihn ißt.| In dem Augenblick, wo wir diese Dinge, je nach den Eigenschaften, die wir in ihnen wahrnehmen, zu unserm eignen Gebrauch anwenden, in demselben Augenblick unterwerfen wir unsre Sinneswahrnehmungen einer unfehlbaren Probe auf ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit. Waren diese Wahrnehmungen unrichtig, dann muß auch unser Urteil über die Verwendbarkeit eines solchen Dings unrichtig sein, und unser Versuch, es zu verwenden, muß fehlschlagen. Erreichen wir aber unsern Zweck, finden wir, daß das Ding unsrer Vorstellung von ihm entspricht, daß es das leistet, wozu wir es anwandten, dann ist dies positiver Beweis dafür, daß innerhalb dieser Grenzen unsre Wahrnehmungen von dem Ding und von seinen Eigenschaften mit der außer uns bestehenden Wirklichkeit stimmen. Finden wir dagegen, daß wir einen Fehlstoß gemacht, dann dauert es meistens auch nicht lange, ehe wir die Ursache davon entdecken; wir finden, daß die unserm Versuch zugrunde gelegte Wahrnehmung entweder selbst unvollständig und oberflächlich oder mit den Ergebnissen andrer Wahrnehmungen in einer durch die Sachlage nicht gerechtfertigten Weise verkettet worden war {2}. Solange wir unsre Sinne richtig ausbilden und gebrauchen und unsre Handlungsweise innerhalb der durch regelrecht gemachte und verwertete Wahrnehmungen gesetzten Schranken halten, solange werden wir |297| finden, daß die Erfolge unsrer Handlungen den Beweis liefern für die Übereinstimmung unsrer Wahrnehmungen mit der gegenständlichen Natur der wahrgenommenen Dinge. Nicht in einem einzigen Fall, soviel bis heute bekannt, sind wir zu dem Schluß gedrängt worden, daß unsre wissenschaftlich kontrollierten Sinneswahrnehmungen in unserm Gehirn Vorstellungen von der Außenwelt erzeugen, die ihrer Natur nach von der Wirklichkeit abweichen, oder daß zwischen der Außenwelt und unsren Sinneswahrnehmungen von ihr eine angeborne Unverträglichkeit besteht. Engels, Einleitung [zur englischen Ausgabe (1892) der "Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft"] MEW22, 296
Marx Feuerbachthesen (MEW 3, 5ff.)
  • 1.Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (den Feuerbachschen mit eingerechnet) ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv. Daher die tätige Seite abstrakt im Gegensatz zu dem Materialismus vom dem Idealismus - der natürlich die wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht kennt - entwickelt. Feuerbach will sinnliche - von den Gedankenobjekten wirklich unterschiedne Objekte: aber er faßt die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit. Er betrachtet daher im "Wesen des Christenthums" nur das theoretische Verhalten als das echt menschliche, während die Praxis nur in ihrer schmutzig-jüdischen Erscheinungsform gefaßt und fixiert wird. Er begreift daher nicht die Bedeutung der "revolutionären", der "praktisch-kritischen" Tätigkeit.
  • 2. Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme - ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. die Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens - das von der Praxis isoliert ist - ist eine rein scholastische Frage.
  • 5.Feuerbach, mit dem abstrakten Denken nicht zufrieden, will die Anschauung; aber er faßt die Sinnlichkeit nicht als praktische menschlich-sinnliche Tätigkeit.


dt. ideologie
  • „Sie haben keine Geschichte, sie haben keine Entwicklung, sondern die ihre materielle Produktion und ihren materiellen Verkehr entwickelnden Menschen ändern mit dieser ihrer Wirklichkeit auch ihr Denken und die Produkte ihres Denkens. Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein. In der ersten Betrachtungsweise geht man von dem Bewußtsein als dem lebendigen Individuum aus, in der zweiten, dem wirklichen Leben entsprechenden, von den wirklichen lebendigen Individuen selbst und betrachtet das Bewußtsein nur als ihr Bewußtsein.

    Diese Betrachtungsweise ist nicht voraussetzungslos. Sie geht von den wirklichen Voraussetzungen aus, sie verläßt sie keinen Augenblick. Ihre Voraussetzungen sind die Menschen nicht in irgendeiner phantastischen Abgeschlossenheit und Fixierung, sondern in ihrem wirklichen, empirisch anschaulichen Entwicklungsprozeß unter bestimmten Bedingungen. Sobald dieser tätige Lebensprozeß dargestellt wird, hört die Geschichte auf, eine Sammlung toter Fakta zu sein, wie bei den selbst noch abstrakten Empirikern, oder eine eingebildete Aktion eingebildeter Subjekte, wie bei den Idealisten.

    Da, wo die Spekulation aufhört, beim wirklichen Leben, beginnt also die wirkliche, positive Wissenschaft, die Darstellung der praktischen Betätigung, des praktischen Entwicklungsprozesses der Menschen. Die Phrasen vom Bewußtsein hören auf, wirkliches Wissen muß an ihre Stelle treten.“ deutsche Ideologie, MEW 3, 27


Des weiteren:

Ein umfassendes Abbild ist nicht möglich
  • „Die Einsicht, daß die Gesamtheit der Naturvorgänge in einem systematischen Zusammenhang steht, treibt die Wissenschaft dahin, diesen systematischen Zusammenhang überall im einzelnen wie im ganzen nachzuweisen. Aber eine entsprechende, erschöpfende, wissenschaftliche Darstellung dieses Zusammenhangs, die Abfassung eines exakten Gedankenabbildes des Weltsystems, in dem wir leben, bleibt für uns sowohl wie für alle Zeiten eine Unmöglichkeit.“ Anti Dühring, MEW 20: 34
Das Verhältnis von Abbild und Gegenstand erscheinen in der Ideologie verkehrt
  • „Es ist dies nur eine andere Wendung der alten beliebten, ideologischen, sonst auch aprioristisch genannten Methode, die Eigenschaften eines Gegenstandes nicht aus dem Gegenstand selbst zu erkennen, sondern sie aus dem Begriff des Gegenstandes beweisend abzuleiten. Erst macht man sich aus dem Gegenstand den Begriff des Gegenstandes; dann dreht man den Spieß um und mißt den Gegenstand an seinem Abbild, dem Begriff. Nicht der Begriff soll sich nun nach dem Gegenstand, der Gegenstand soll sich nach dem Begriff richten.“ ebenda 89
Beschränktheit des Abbildes
  • „Das Gehirn der Privatproduzenten spiegelt diesen doppelten gesellschaftlichen Charakter ihrer Privatarbeiten nur wider in den Formen, welche im praktischen Verkehr, im Produktenaustausch erscheinen - den gesellschaftlich nützlichen Charakter ihrer Privatarbeiten also in der Form, daß das Arbeitsprodukt nützlich sein muß, und zwar für andre - den gesellschaftlichen Charakter der Gleichheit der verschiedenartigen Arbeiten in der Form des gemeinsamen Wertcharakters dieser materiell verschiednen Dinge, der Arbeitsprodukte. Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es.“ Marx, Kapital, MEW 23: 88
Aufhebung der Verkehrung
  • „Diese wirkliche Befangenheit spiegelt sich ideell wider in den alten Natur- und Volksreligionen. Der religiöse Widerschein der wirklichen Welt kann überhaupt nur verschwinden, sobald die Verhältnisse des praktischen Werkeltagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur darstellen. Die Gestalt des gesellschaftlichen Lebensprozesses, d.h. des materiellen Produktionsprozesses, streift nur ihren mystischen Nebelschleier ab, sobald sie als Produkt frei vergesellschafteter Menschen unter deren bewußter planmäßiger Kontrolle steht. Dazu ist jedoch eine materielle Grundlage der Gesellschaft erheischt oder eine Reihe materieller Existenzbedingungen, welch selbst wieder das naturwüchsige Produkt einer langen und qualvollen Entwicklungsgeschichte sind.“ Marx, Kapital, MEW 23: 94

--Tets 16:45, 30. Jul. 2007 (CEST)

Lenin

Zitate die man möglicherweise aufgreifen könnte

  • „Dialektik, d.h. die Lehre von der Entwicklung in ihrer vollständigsten, tiefstgehenden und von Einseitigkeit freiesten Gestalt, die Lehre von der Relativität des menschlichen Wissens, das uns eine Widerspiegelung der sich ewig entwickelnden Materie gibt.“
  • „Genauso wie die Erkenntnis des Menschen die von ihm unabhängig existierende Natur, d.h. die sich entwickelnde Materie widerspiegelt, so spiegelt die gesellschaftliche Erkenntnis des Menschen (d.h. die verschiedenen philosophischen, religiösen, politischen usw. Anschauungen und Lehren) die ökonomische Struktur der Gesellschaft wider.“
  • „Als der Feudalismus gestürzt und die "freie" kapitalistische Gesellschaft zur Welt gekommen war, zeigte es sich sogleich, daß diese Freiheit ein neues System der Unterdrückung und Ausbeutung der Werktätigen bedeutet. Alsbald kamen verschiedene sozialistische Lehren auf, als Widerspiegelung dieser Unterdrückung und als Protest gegen sie.“
alle Zitate: Lenin, Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus

Abschnittsvorarbeiten

Einleitung

Mit Widerspiegelung (oder der Widerspiegelungstheorie) wird in der marxistischen Theorie oftmals ein Abbildungsverhältnis zwischen dem Bewusstsein und dem körperlichen (materiellen) Sein bezeichnet. Dies bedeutet unter anderem, dass das Denken der Menschen von ihren Lebensverhältnissen bestimmt ist und das es eine von dem Denken unabhängige Realität gibt.

Widerspiegelung bei Marx und Engels

Weder Karl Marx noch Friedrich Engels entwickelten dezidiert eine Widerspiegelungstheorie, jedoch findet sich bei beiden der Begriff in dem in der Einleitung definierten Kontext wieder.

Widerspiegelung bei Friedrich Engels

Nach Engels macht alles was einen Menschen „bewegt“ „den Durchgang durch seinen Kopf“. Selbst die Nahrungsaufnahme werde durch Hunger und Sättigungsgefühle gesteuert. „Die Einwirkungen der Außenwelt auf den Menschen drücken sich in seinem Kopf aus, spiegeln sich darin ab als Gefühle, Gedanken, Triebe, Willensbestimmungen, kurz, als "ideale Strömungen", und werden in dieser Gestalt zu "idealen Mächten".“[1] Die Menschen hätten sich daran gewöhnt, „ihr Tun aus ihrem Denken zu erklären statt aus ihren Bedürfnissen“, die sich jedoch im Kopf widerspiegeln, „zum Bewußtsein kommen“. So entstand nach Engels „jene idealistische Weltanschauung, die namentlich seit Untergang der antiken Welt die Köpfe beherrscht hat“.[2]

Begriffe als Abbilder der Dinge

Nach Engels muss man die Begriffe „unsres Kopfs“ „materialistisch als die Abbilder der wirklichen Dinge“ betrachten. Die Dialektik als Methode soll einen „Widerschein der Bewegungsformen der realen Welt, der Natur wie der Geschichte“ spiegeln.[3] Damit reduziere sich „die Dialektik auf die Wissenschaft von den allgemeinen Gesetzen der Bewegung, sowohl der äußern Welt wie des menschlichen Denkens - zwei Reihen von Gesetzen, die der Sache nach identisch, dem Ausdruck nach aber insofern verschieden sind, als der menschliche Kopf sie mit Bewußtsein anwenden kann, während sie in der Natur und bis jetzt auch großenteils in der Menschengeschichte sich in unbewußter Weise, in der Form der äußern Notwendigkeit, inmitten einer endlosen Reihe scheinbarer Zufälligkeiten durchsetzen.“ Nach Engels wurde die Begriffsdialektik damit „selbst nur der bewußte Reflex der dialektischen Bewegung der wirklichen Welt.“[4]

Das Experiment und die Industrie als Widerlegung des „Ding an Sich“

Nach Engels gab es eine Reihe von Philosophen, „die die Möglichkeit einer Erkenntnis der Welt oder doch einer erschöpfenden Erkenntnis bestreiten.“ In diesem Zusammenhang nennt er Hume und Kant, und misst ihnen eine „sehr bedeutende Rolle in der philosophischen Entwicklung“ zu.[5]

„Die schlagendste Widerlegung dieser wie aller andern philosophischen Schrullen ist die Praxis, nämlich das Experiment und die Industrie. Wenn wir die Richtigkeit unsrer Auffassung eines Naturvorgangs beweisen können, indem wir ihn selbst machen, ihn aus seinen Bedingungen erzeugen, ihn obendrein unsern Zwecken dienstbar werden lassen, so ist es mit dem Kantschen unfaßbaren "Ding an sich" zu Ende. Die im pflanzlichen und tierischen Körper erzeugten chemischen Stoffe blieben solche "Dinge an sich", bis die organische Chemie sie einen nach dem andern darzustellen anfing; damit wurde das "Ding an sich" ein Ding für uns, ...“[5]
Allumfassendes Abbild?

Nach Engels stehe „die Gesamtheit der Naturvorgänge in einem systematischen Zusammenhang“, „die Abfassung eines exakten Gedankenabbildes des Weltsystems, in dem wir leben, bleibt [jedoch] für uns sowohl wie für alle Zeiten eine Unmöglichkeit.“[6]

Ideologische Verkehrungen und die Möglichkeit der Aufhebung

Das Verhältnis von Abbild und Gegenstand erscheinen in der Ideologie verkehrt
  • „Es ist dies nur eine andere Wendung der alten beliebten, ideologischen, sonst auch aprioristisch genannten Methode, die Eigenschaften eines Gegenstandes nicht aus dem Gegenstand selbst zu erkennen, sondern sie aus dem Begriff des Gegenstandes beweisend abzuleiten. Erst macht man sich aus dem Gegenstand den Begriff des Gegenstandes; dann dreht man den Spieß um und mißt den Gegenstand an seinem Abbild, dem Begriff. Nicht der Begriff soll sich nun nach dem Gegenstand, der Gegenstand soll sich nach dem Begriff richten.“ ebenda 89
Beschränktheit des Abbildes
  • „Das Gehirn der Privatproduzenten spiegelt diesen doppelten gesellschaftlichen Charakter ihrer Privatarbeiten nur wider in den Formen, welche im praktischen Verkehr, im Produktenaustausch erscheinen - den gesellschaftlich nützlichen Charakter ihrer Privatarbeiten also in der Form, daß das Arbeitsprodukt nützlich sein muß, und zwar für andre - den gesellschaftlichen Charakter der Gleichheit der verschiedenartigen Arbeiten in der Form des gemeinsamen Wertcharakters dieser materiell verschiednen Dinge, der Arbeitsprodukte. Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es.“ Marx, Kapital, MEW 23: 88
Aufhebung der Verkehrung
  • „Diese wirkliche Befangenheit spiegelt sich ideell wider in den alten Natur- und Volksreligionen. Der religiöse Widerschein der wirklichen Welt kann überhaupt nur verschwinden, sobald die Verhältnisse des praktischen Werkeltagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur darstellen. Die Gestalt des gesellschaftlichen Lebensprozesses, d.h. des materiellen Produktionsprozesses, streift nur ihren mystischen Nebelschleier ab, sobald sie als Produkt frei vergesellschafteter Menschen unter deren bewußter planmäßiger Kontrolle steht. Dazu ist jedoch eine materielle Grundlage der Gesellschaft erheischt oder eine Reihe materieller Existenzbedingungen, welch selbst wieder das naturwüchsige Produkt einer langen und qualvollen Entwicklungsgeschichte sind.“ Marx, Kapital, MEW 23: 94

Quellen

Einzelnachweise
  1. Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW 21, 281f.
  2. Engels, Dialektik der Natur, Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, MEW 20, 451
  3. Engels, Dialektik der Natur, Naturwissenschaft und Philosophie, MEW 20, 475.
    Vgl. auch Engels, Dialektik der Natur, Dialektik, MEW 20,481
  4. Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW 21, 292f.
  5. a b Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, MEW 21, 275
  6. Engels, Anti-Dühring, MEW 20: 34

Diskussionen zur Widerspiegelungstheorie

Wenn jemand eine Uni-Bibliothek in der Nähe hat: von 1973 bis 1975 gab es in der Zeitschrift "das Argument" eine ausführliche Diskussion zum Thema unter Beteiligung u.a. von Haug, Metscher, Tomberg, Sandkühler. Die Hefte haben als Titel "Zur Streitfragen materialistischer Dialektik" (oder ähnlich). Zeitgleich gab es auch Diskussionen in Prokla und ich glaube auch in Marximus Digest und Marxistische Blätter. Struve 21:52, 1. Aug. 2007 (CEST)

wichtige Lexikonartikel zum Thema

  • André Tosel: Widerspiegelung in: Kritisches Wörterbuch des Marxismus (Argument-Verlag)
  • Artikel "Widerspiegelungsbeziehung", "Widerspiegelungsprozeß" und "Widerspiegelungstheorie" in Buhr/Klaus: Philosophisches Wörterbuch (Bibliographisches Institut Leipzig, 1976). Struve 22:20, 1. Aug. 2007 (CEST)

Falls es notwendig ist es kund zu tun: Bitte habt keine Scheu, euer Material in den Artikel einzubauen, nur weil ich ihn mal begonnen habe. Wenn ich Zeit finde, werde ich mich gerne versuchen tiefer einzuarbeiten, aber befürchte, so schnell nichts beitragen zu können. Danke für euer Engagement. Schöne Grüße, -- andrax 00:29, 3. Aug. 2007 (CEST)

Meine Wissen zum Thema ist leider etwas begrenzt, ich könnte nur Artikel mehr oder weniger gut zusammen fassen. Daher warte ich lieber erstmal ab, ob sich nicht jemand besser auskennt. Struve 23:17, 6. Aug. 2007 (CEST)

Wo bleibt Lukács?!

Ich kenne mich nicht gut genug aus, um ohne aufwändige zusätzliche Recherche eine fundierte Ergänzung zu schreiben, aber ich weiß, dass György Lukács als der zentrale Theoretiker der Widerspiegelung gilt, an dem sich auch spätere Theoretiker gerieben, haben. Jürgen Link hat ganz tolle Sachen geschrieben, aber wie kann man seine Kritik nachvollziehen, wenn nicht einmal das dargestellt wird, was er seiner Kritik unterzieht.

So mangelt es dem Artikel an Neutralität, und er ist unbedingt überarbeitungsbedürftig: Mehr Vorgeschichte, mehr Quellen, wahrscheinlich auch Gegenpositionen zu Link.