Enkratiten

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Enkratiten (altgriechisch ἐγκράτεια „Enthaltsamkeit“) ist eine Bezeichnung für die Anhänger einer weitverbreiteten und vielgestalteten asketischen Richtung in der alten Kirche ab dem Ende des 2. Jahrhunderts bis zum Ende des 3. Jahrhunderts,[1] welche durch strenge Enthaltung des Genusses von Fleisch und Wein sowie sexuelle Enthaltsamkeit das Ziel der Vergeistigung anstrebte.[2] Häufig wurde Wein selbst beim Abendmahl durch Wasser ersetzt (Aquarier oder Hydroparastaten).[3]

Einordnung

Die Enkratiten formierten sich nicht als eine geschlossene häretische Bewegung oder Parteiung, sondern sind eine Sammlung verschiedener asketischer Strömungen und Gruppierungen innerhalb des sehr breiten Spektrums der Alten Kirche.[4] Bereits in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts um den syrischen Theologen Tatian († ca. 170 n. Chr.)[5] gab es eine strenge Ablehnung von antiker griechischer Kultur, die mit Sinnenlust und Amoral gleichgesetzt wurde.[6] Die These aus dem 19. Jahrhundert, Tatians Lehre sei der Ursprung der Enkratiten, gilt seit dem frühen 20. Jahrhundert als überholt.[3]

Aufgrund gleicher Askeseformen bei einigen gnostischen Gruppierungen, denen Materie als böses Prinzip galt, wurden die Enkratiten auch als Teil der Gnosis gesehen. Hinzu kommt eine ähnliche, sexualfeindliche Auslegung der Paradieserzählung (Gen 1-3 EU), die an den späteren Manichäismus und dessen Einfluss auf Augustinus erinnert. Als häresiologischer Terminus wurde Enkratiten fast ausschließlich von griechisch- bzw. lateinischsprachigen Theologen verwendet. In Syrien wurde die Haltung eher den Kirchenchristen zugesprochen, während gnostische Gruppierungen wie die Anhänger Bardaisans Askese ablehnten, so dass man davon ausgeht, dass das syrische Christentum in den ersten Jahrhunderten enkratitisch geprägt war. Wirkungsgeschichtliche Ausläufer waren die Messalianer, die wiederum das Mönchtum mitprägten.

Die Alte Kirche entwickelte sich im Laufe des 3. Jahrhunderts von einer Minderheit zu einer Massenbewegung. Dies führte frömmigkeitsgeschichtlich bei einigen Christen, die sich weiterhin als Gläubige von der Umwelt unterscheiden wollten, zu verstärkter Askese und Heiligungsbewegungen.[7]

Quellen und Inhalte

Das sich im 2. und 3. Jahrhundert entfaltende asketische Ideal von christlichen Gruppierungen, aus denen später Vorläufer des Mönchtums entstanden, wird in zwei anonym überlieferten Schriften belegt, den Thomasakten und der Schrift Über die Jungfräulichkeit, einer (vermutlich fiktiven) Briefsammlung.[8] Der letztere Text formuliert als Ziel der Askese der Christen ein engelgleiches Leben in möglichst großer Christus-Konformität.[2] Es wird eine Trennung gesehen zwischen wahren Gläubigen, die durch die strenge Askese erkennbar sind, und anderen Gläubigen, die nicht Christus nachfolgend seinen Lebenswandel übernehmen. Die Enkratiten hatten eine spezielle Auslegung der Schöpfungsgeschichte. Sexualität sei eine Folge des Sündenfalles, wie er in GenEU beschrieben wird, und mache den Menschen den Tieren gleich. Dieses Verständnis der biblischen Anthropologie führte zu stark ehekritischen Positionen, die von der Alten Kirche bekämpft wurden, gleichzeitig aber zur Ausbildung des Zölibats im beginnenden Mönchtum beitrugen.[8]

Einzelnachweise

  1. Christoph Markschies: Das antike Christentum. Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen. 2. Auflage. C.H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63514-4, S. 161
  2. a b Christoph Markschies: Das antike Christentum. Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen. 2. Auflage. München 2012, S. 162.
  3. a b Enkratīten. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 5, Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien 1906, S. 823–824.
  4. Christoph Markschies: Das antike Christentum. Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen. 2. Auflage. C.H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63514-4, S. 163.
  5. Friedrich Winkelmann: Geschichte des frühen Christentums. 4. Auflage. München (2007), S. 74.
  6. vgl. die Schrift Oratio ad Graecos Kp. 2, zitiert nach: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten. Band I. Aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt von Dr. Kaspar Julius (Aristides); Dr. Gerhard Rauschen (Justin, Diognet); Dr. R.C. Kukula (Tatian); P. Anselm Eberhard (Athenagoras). (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 12) München 1913; abgerufen am 7. März 2014 von BKV Universität Freiburg Schweiz.
  7. Bernd Moeller: Geschichte des Christentums in Grundzügen. 10. Auflage. Göttingen 2011, S. 66 f.
  8. a b Christoph Markschies: Das antike Christentum. Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen. 2. Auflage. C.H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63514-4, S. 162 f.