Gruppenpuzzle

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Schematische Darstellung der drei zentralen Phasen beim Gruppenpuzzle (von oben nach unten): Aufteilung der Stammgruppen in Expertengruppen und wieder ein Zurückführen in die Stammgruppen.

Das Gruppenpuzzle (auch: Jigsaw-Methode, englisch Jigsaw Teaching Technique) ist eine Form der Gruppenarbeit und gehört zu den Methoden des Kooperativen Lernens. Sie wurde im Jahr 1971 in den USA von Elliot Aronson entwickelt.

Überblick

Beim Gruppenpuzzle werden die Mitglieder einer Klasse oder eines Seminars in Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe bearbeitet das Gesamtthema, jedoch jedes Mitglied in Einzelarbeit einen anderen Teil. Dann treffen sich alle „Experten“ eines Teilgebiets, um ihre Ergebnisse abzugleichen. Anschließend kehren die Experten in ihre Stammgruppe zurück, um dort nun den anderen Gruppenmitgliedern ihr Spezialgebiet vorzutragen. Abschließend wird das Gesamtthema bei allen Gruppenmitgliedern geprüft. Im ersten Schritt ist selbständiges Erarbeiten des Stoffes erforderlich. In den Expertengruppen werden Qualitätsunterschiede der individuellen Arbeit ausgeglichen. In der dritten Phase müssen die Gruppenmitglieder dem Vortragenden aufmerksam zuhören, ihn ermutigen und unterstützen. Dadurch wird verhindert, dass die anderen Gruppenmitglieder als Konkurrenten wahrgenommen werden.

Vorgehensweise

Datei:Gruppenpuzzle Methode Erklaerung.webm

Das Video rechts erklärt das Vorgehen beim Gruppenpuzzle.

Vorbereitung:

  • Das Gesamtthema wird in mehrere gleich große Teile unterteilt.

Durchführung:

  1. Es werden Stammgruppen gebildet, wobei die Anzahl der Gruppenmitglieder der Anzahl der zu bearbeitenden Teilthemen entspricht.
  2. Jedes Gruppenmitglied erhält oder wählt ein Teilthema zur Bearbeitung. Es wird somit zum Experten für diesen Themenbereich.
  3. Es treffen sich alle Experten mit demselben Teilthema.
  4. In den Expertengruppen wird sich das Thema angeeignet, dann wird sich dazu ausgetauscht und Fragen werden geklärt.
  5. Anschließend treffen sich alle wieder in den eingangs gebildeten Stammgruppen.
  6. In den Stammgruppen befindet sich nun je ein Experte pro Teilthema. Alle Experten teilen den Gruppenmitgliedern ihre Erkenntnisse über ihr Thema mit.[1]

Geschichte

Zur Überwindung von Vorurteilen zwischen Mitgliedern unterschiedlicher sozialer Gruppen hatte der Psychologe Elliot Aronson in den 1950er-Jahren die sogenannte „Kontakthypothese“ vorgeschlagen. Im direkten Umgang mit Mitgliedern anderer Gruppen sollten positive Erfahrungen gemacht werden, die im Widerspruch zu den bisherigen Vorurteilen stünden. Die Kontakthypothese postulierte, dass sich durch Begegnungen (Kontakt) bereits Vorurteile abbauen ließen. Nach der Aufhebung der Rassentrennung an US-amerikanischen Schulen im Jahr 1954 im Kontext der Desegregation kam es allerdings zu massiven rassistischen Ausschreitungen. Dies zeigte, dass allein der Kontakt von Mitgliedern verschiedener Gruppen – wie dies in den USA in den folgenden Jahrzehnten im Rahmen des Busing umgesetzt wurde[2] – nicht ausreicht, um das Ziel des Vorurteilabbaus zu erreichen.

Der Sozialpsychologe Muzafer Sherif wies im Robber’s-Cave-Experiment nach, dass gemeinsame Ziele (im Gegensatz zu konkurrierenden oder inkompatiblen Zielen wie etwa bei Wettkampfspielen) geeignet sind, zur Konfliktreduktion beizutragen. Darauf und auf anderen sozialpsychologischen Erkenntnissen aufbauend zeigte sich, dass die Kontakthypothese unter den folgenden drei Bedingungen zur längerfristigen Reduktion von Vorurteilen beiträgt:

  1. Es muss ein gemeinsames Ziel verfolgt werden.
  2. Um dieses Ziel zu erreichen, muss ein sozialer Austausch in positiver Interdependenz stattfinden, d. h. die einzelnen Gruppenmitglieder müssen aufeinander angewiesen sein.
  3. Es bedarf einer individuellen Verantwortlichkeit, d. h. Einzelne dürfen sich dem sozialen Austausch nicht entziehen dürfen.

Aronson wurde im Jahr 1971 im Schuldistrikt Austin (Texas) beauftragt, ein Konzept gegen die feindselige Stimmung in den Klassenzimmern, die sich aus den rassistischen Vorurteilen ergeben hatte, zu lösen. Er entwickelte eine Form des Kooperativen Lernens, das die drei oben genannten Bedingungen (gemeinsames Ziel, positive Interdependenz und individuelle Verantwortlichkeit) explizit berücksichtigt: das Gruppenpuzzle.

  1. Das gemeinsame Ziel ist das Verstehen des gesamten Lernstoffs.
  2. Es findet ein intensiver soziale Austausch statt, in der die Mitschüler vor allem in der dritten Phase (in positiver Interdependenz) aufeinander angewiesen sind.
  3. Die individuelle Verantwortlichkeit stellt sich doppelt dar: Einerseits fordern die Mitschüler in der dritten Phase das Expertenwissen von einem selbst ein. Andererseits muss den anderen Aufmerksamkeit geschenkt werden, weil deren Wissen für das eigene Verständnis des gesamten Lernstoffs benötigt wird.[3]

Vorteile und Probleme

Vorteile der Methode können sein:

Probleme, die bei dieser Methode auftauchen können:

  • Die Schnittstellen zwischen kollektiver Arbeitsphase und individuellen Lernschritten müssen gut geplant werden, damit keine Unruhe aufkommt und möglichst wenig Zeit ineffizient verstreicht.
  • Nicht alle Schüler arbeiten gleich schnell: Es sollten also Zusatzmaterialien für die Schnellen vorbereitet werden und zur Verfügung stehen.

Literatur

  • E. Aronson (1978). The jigsaw classroom. Beverly Hills: Sage
  • E. Aronson, S. Patnoe (1997). Cooperation in the classroom: The jigsaw method. New York: Longman
  • E. Aronson (2000). Nobody left to hate. New York: Henry Holt

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Sabine Bethke, Dirk Neumann, Uwe Hauser, Stefanie Wendeburg: Medienbildung – Umsetzung bewährter Methoden des kooperativen Lernens mit digitalen Medien. Hrsg.: Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (= Kooperatives Lernen mit digitalen Medien). 2. Auflage. Hildesheim 2019 (nibis.de [PDF]).
  2. Anke Ortlepp: Getrennte Klassenzimmer. In: bpb.de. Bundeszentrale für politische Bildung, 12. November 2021, abgerufen am 22. März 2022.