Friedrich Sello

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Friedrich Sello, spätestens 1814 Umbenennung in Friedrich Sellow, selten Frederick Sellow oder Frederico Sellow, in botanischen Schriften latinisiert Selovius (getauft 12. März 1789 in Potsdam; † Oktober 1831 im Rio Doce in Brasilien) war ein preußischer Gärtner, Pflanzenjäger und Naturforscher in Südamerika. Er war einer der ersten wissenschaftlichen Erforscher der Flora Brasiliens. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Sellow“; früher war auch das Kürzel „Sello“ in Gebrauch, welches aber zu Hermann Sello gehört.

Leben und Werk

Eigenes Werk – Landschaft bei Bahia
Flachlandtapir

Friedrich Sello war ein Spross der bekannten preußischen Hofgärtner-Dynastie Sello. Er wurde im Jahr 1789 in Potsdam geboren, als ältester Sohn des königlichen Hofgärtners im Marlygarten von Sanssouci, Carl Julius Samuel Sello und dessen Ehefrau Friederike Wilhelmine Albertine, geb. Lüder, ältester Tochter des königlichen Hofküchenmeisters Johann August Lüder.

Jugend und Ausbildung

Zunächst erlernte er bei seinem Verwandten Wilhelm Sello, Leiter der Baumschule des Königlichen Gartendirektors Johann Gottlob Schulze in Potsdam-Sanssouci, den Gärtnerberuf und war unter Carl Ludwig Willdenow (1765–1812) Gärtnergehilfe am Botanischen Garten in Berlin.

Im Anschluss studierte er ab 1810 Botanik in Paris und London. Er hörte Vorträge von Georges Cuvier und Jean-Baptiste Lamarck und arbeitet am Jardin des Plantes. Im folgenden Jahr reiste er mit Empfehlung und finanzieller Unterstützung von Alexander von Humboldt (1769–1859) in die Niederlande und nach England und kam mit den bedeutendsten Botanikern seiner Zeit zusammen.

Forschungsreisen durch Brasilien

Wegen des Krieges mit Frankreich war Sello daran gehindert, auf das europäische Festland zurückzukehren. Daher nahm er eine Einladung des russischen Konsuls Baron von Langsdorff (1774–1852), damals Diplomat in Rio de Janeiro, zur Teilnahme an einer wissenschaftlichen Expedition in Brasilien an. Nach ausführlichen Vorbereitungen und finanziert durch britische Botaniker, segelte er 1814 nach Rio de Janeiro (Ankunft 12. März). Seinen Familiennamen änderte er spätestens ab da in „Sellow“.

In Brasilien wurden er und seine Kollegen durch die portugiesische Kolonialregierung wohlwollend empfangen und bekamen bald sogar ein großzügiges jährliches Gehalt als beamteter Naturwissenschaftler. Sellow erlernte die portugiesische Sprache und führte zuerst kleinere Exkursionen in der Umgebung von Rio de Janeiro durch. Dabei begleitete er zunächst, von 1815 bis 1817, eine Expedition, die von dem deutschen Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied (1782–1867) angeführt wurde und der des Weiteren der Vogelkundler Georg Wilhelm Freyreiss (1789–1825) angehörte. Beide waren ebenfalls durch Langsdorff nach Brasilien gelangt. Sellow und Freyreiss begleiteten die Expedition von Prinz Maximilian nur auf einem Teilstück bis Caravelas (im heutigen Bundesstaat Bahia). Sellow sammelte viele Fundstücke, die er nach London schickte. Eine der Pflanzen, die er entdeckte, war der Feuersalbei, der als Sommerblume sehr bekannt geworden ist.

Da er seither von Preußen finanziert wurde, konnte Sellow an zahlreichen weiteren Expeditionen nach Südbrasilien und Uruguay in den folgenden elf Jahren teilnehmen. In diesen Expeditionen reiste er in bisher unerforschte Regionen des Landes (Flussniederung des Rio Doce, São Leopoldo (Rio Grande do Sul) u. a.), sammelte tausende Pflanzen, Samen, Proben tropischer Hölzer, Insekten und Mineralien und schickte sie an botanische Gärten in Brasilien, Portugal, England und Deutschland. Insgesamt sollen es sagenhafte ca. 12.000 Pflanzen bzw. Samen, 5.000 Vögel, 110.000 Insekten und 2.000 Mineralien und Gesteine sein. Unter den Samenproben südamerikanischer Blütenpflanzen waren zwei neue Arten, die heute äußerst populäre Sommerpflanzen sind, die Begonie (Begonia semperflorens) und die weiße Petunie (Petunia axillaris). In einer seiner ethnographischen Expeditionen, begleitete Sellow den Diplomaten Ignaz von Olfers (1793–1871), der später der erste Generaldirektor der Königlich-Preußischen Museen wurde.

Er verfasste auch den ersten Leitfaden für Einwanderer nach Brasilien.

Tod und Erinnerung

Im Oktober 1831 ertrank Sellow, nur 42 Jahre alt, bei der Durchquerung des Rio Doce, als sein Kanu gegen die Felsen des „Cachoeira Escura“ (Dunkler Wasserfall) prallte.

Seine vielseitige Begabung und sein reicher Beitrag zum botanischen Wissen über die brasilianische Flora blieben bis vor kurzem vergessen. Seit 1954 trägt die „Sellowia“, ein botanisches Journal, das in Itajaí (Bundesstaat Santa Catarina, Brasilien) herausgegeben wird, seinen Namen. Eine seinem Todesort nahegelegene brasilianische Bahnstation (Belo Oriente) der Linie Belo HorizonteVitória trägt seit 1961 ihm zu Ehren den Namen „Frederico Sellow“.[1]

Schriftlicher Nachlass

Sello war einer der wichtigsten Naturforscher seiner Epoche. Ein großer Teil seines Wirkens ist in seinem handschriftlichen Nachlass dokumentiert. Im Museum für Naturkunde in Berlin werden insgesamt 71 Reisetagebücher und 26 Exkursionsberichte aus den Jahren 1818 bis 1831 aufbewahrt. Seit 2011 widmet sich dort ein von der Fritz Thyssen Stiftung gefördertes Forschungsprojekt der Transkription der Manuskripte, um die Aufzeichnungen Friedrich Sellos zu entziffern.[2]

  • Hanns Zischler, Sabine Hackethal, Carsten Eckert und das Museum: Die Erkundung Brasiliens. Friedrich Sellows unvollendete Reise, Galiani, Berlin 2013, ISBN 978-3-86971-075-4.[3]

Nach Friedrich Sellow benannte Pflanzen und Tiere

Pflanzen (Auswahl)

Die Pflanzengattungen Selloa Spreng. aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae), Sellowia Roth ex Roem. & Schult. aus der Familie der Weiderichgewächse (Lythraceae) und Sellocharis Taub. aus der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae) sind ihm zu Ehren benannt.[4] Kunth, der wie Sprengel die Gattung Selloa beschrieb, erklärte seine Benennung in lateinisch so: „Genus dicatum viro amicissimo, C. Sello, peregrinatori germano, Brasiliam adhuc lustranti, qui herbaria hortosque botanicos plantis exquaesitis mirabiliter auxit.“

Bekannte, von Sello gesammelte oder nach Sello, zumindest ursprünglich, benannte Pflanzenarten:

Nach Sello benannten Pflanzen sind häufig schon an folgenden Namensbestandteilen erkennbar: selloi, sellovii, selloviana, sellovianum, sellovianus, sellowianum, sellowianus, sellowii, selloanus usw. Beachte: Einige sind aber nach einem anderen Mitglied der Gärtnerfamilie, Hermann Sello, benannt.

Tiere

Siehe auch

Stammtafel der Gärtnerfamilie Sello (Auszug)

Literatur

  • Sabine Hackethal, Carsten Eckert, Hanns Zischler (Hrsgg.): Die Erkundung Brasiliens. Friedrich Sellows unvollendete Reise. Verlag Galiani bei Kiepenheuer & Witsch, Berlin 2013, ISBN 9783869710754.
  • Sabine Hackethal: Friedrich Sellow (1789–1831). Skizzen einer unvollendeten Reise durch Südamerika. In: Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz. Beiheft 17, 1995, S. 229–246 (Im Heft weitere Artikel über die Reisen von Max zu Wied-Neuwied)
  • Anita Hermannstädter: Frühe Ethnographie in Brasilien 1815–1831. Die Sammlung Friedrich Sellow und Ignaz von Olfers. Eine Berlin-Brandenburgische Kooperation. In: Gregor Wolff (Hrsg.): Die Berliner und Brandenburger Lateinamerikaforschung in Geschichte und Gegenwart. Personen und Institutionen [Kolloquium in Berlin vom 25. bis 28. Oktober 2000], Berlin 2001, S. 311–328
  • Internationale Gesellschaft der Notokakteen-Freunde e. V. (Hrsg.): Die Reisen von Friedrich Sellow. In: INTERNOTO. Heft 1, 1985, S. 11
  • Levy Rocha: Wied, Freyreiss e Sellow no Espírito Santo. In: Revista do Instituto Histórico e Geográfico Brasileiro. Band 297, 1972, S. 56–67, Rio de Janeiro 1973. (Ein Aufsatz über die Expedition von Sellow mit George Wilhelm Freyreiss und Wied.)
  • Christian Samuel Weiss: Über das südliche Ende des Gebirgszuges von Brasilien in der Provinz S. Pedro do Sul und der Banda oriental oder dem Staate von Monte Video. Nach den Sammlungen des Herrn Fr. Sellow (nach einem Vortrag in der Akademie der Wissenschaften am 9. August 1827. und 5. Juni 1828), (In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1827), Dümmler, Berlin 1830
  • José Newton Cardoso Marchiori und Miguel Antão Durlo: Friedrich Sellow e sua contribuição para as ciências naturais. In: Revista Ciência & Ambiente 16: Paleontologia na América Do Sul. (Hrsg.: Delmar Bressan, Pascal Acot, Alvaro Mones, José Marchiori, Miguel Antão Durlo, César Schultz, Rubén Cúneo, Michael Holz, Claiton Scherer Laureen Alves, Margot Guerra-Sommer), Editora da UFSM, Rio Grande do Sul, 1998
  • José Fernando Pacheco und Bret M. Whitney: A tribute to naturalist Friedrich Sellow (1789–1831). Recounting his passage through Bahia and the unfortunate fate of his ornithological collection. In: Actualidades Ornithológicas. Band 100, März/April 2001, S. 6ff.
  • Carlos de Paula Couto: Sobre os vertebrados fósseis da coleção Sellow, do Uruguai, [Brazil] Departamento Nacional da Produção Mineral. Divisão de Geologia e Mineralogia. Boletim n. 125., 1–14 + 9 estampas. Rio de Janeiro 1948.
  • Guillermo Gustavo Herter und Balduino Rambo S. J.: Nas pegadas dos naturalistas Sellow e Saint-Hilaire (Estudios botánicos en la región uruguaya; 18), Basilea 1953; (Übers. = Wilhelm Gustav Franz Herter: Auf den Spuren der Naturforscher Sellow und Saint-Hilaire. In: Botanische Jahrbücher. Band 74, Stuttgart 1945, Heft 1, S. 119–149)
  • Eduard d'Alton: Über die von [dem verstorbenen] Herrn Sellow aus der Banda oriental mitgebrachten fossilen Panzerfragmente, (Memoires de l'Academie royale des sciences et belles-lettres = Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin, 1833), Berlin 1834/1835
  • Bot. Jahrb. Syst. Band 17, 1893, S. 177–198.
  • Bot. Jahrb. Syst. Band 74, 1945, S. 119–149.
  • Fl. Brasil. Band 1, Heft 1, 1906, S. 105–116.
  • Zool. Jahrb. (Syst.). Band 77, 1948, S. 401–425.
  • Jan-Peter Frahm und Jens Eggers: Lexikon deutschsprachiger Bryologen. Books on Demand GmbH, Norderstedt 2001, ISBN 3-8311-0986-9, S. 488
  • Sellowia: anais botânicos do Herbário „Barbosa Rodrigues“, ISSN 0375-1651 0374-5015
  • Sabine Hackethal: Sellow, Friedrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 225 f. (Digitalisat).

Archive und Quellen

  • Der „International Plant Names Index“ (IPNI), in dem zurzeit allerdings erst ein kleiner Bruchteil der in Harvard vorhandenen Arten erfasst ist, weist 11 nach „Sellow“ benannte Arten aus (Stand April 2006) [1], sowie 171 verschiedene nachweislich von ihm gesammelte Arten [2].
  • Der Nachlass von Friedrich Sello, incl. vieler zoologischer Präparate, völkerkundlicher Zeichnungen und seiner Reiseaufzeichnungen in 70 Notiz- und Skizzenheften, befindet sich heute im Naturkundemuseums Berlin („Historische Arbeitsstelle“, avifaunistische Präparate im „Institut für Systematische Zoologie“). Aufgearbeitet wurde dieses Material bisher – außer 1823 von Heinrich Lichtenstein in relativ unbefriedigender Art – fast nicht.
  • Teile der Sammlungen von Sellow befinden sich auch im Ethnologischen Museum in Berlin.
  • Der „Harvard University Herbaria – Index of Botanists“ weist für Berlin ca. 10.000 (allerdings weitgehend zerstörte) Herbarbelege von Friedrich Sello nach, mit Hinweisen auf weitere Bestände in weltweit drei Dutzend Herbarien [3].
  • In der „Botanischen Staatssammlung der Universität München“ werden mehrere Belege aus Aufsammlungen von Friedrich Sello aufbewahrt. Ein Teil davon (unbekannte Anzahl von Gefäßpflanzen-Belegen aus Österreich-Ungarn und Brasilien) stammt aus dem 1849 angekauften privaten Herbar von Zuccarini (* 1797; † 1848; 2. Konservator an Herbar und Garten), der sie wohl direkt von seinem Zeitgenossen Sello bekam. Ein weiterer Teil (7 Belege aus Brasilien; Zugang 1891) stammt aus dem Botanischen Museum / Botanischen Garten Berlin-Dahlem. Quelle: Collectors Index Herbarium [4]
  • Das „Pringle Herbarium“ der „University of Vermont's Research Plant Collection“ hat aus einem Duplikat-Austausch mit dem Herbarium des Botanischen Gartens in Berlin-Dahlem mehrere tausend Blütenpflanzen-Belege erhalten. Dieser Bestand ist heute von großer Bedeutung, da der Bestand in Dahlem im Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde.
  • Das Naturhistorische Museum Wien, 1. Zoologische Abteilung – Vogelsammlung, besitzt Präparate aus Sammlungen von Friedrich Sello
  • 1834 bis 1849 veröffentlichte Sir Joseph Paxton in seinem mehrbändigen Magazine of Botany unter anderem auch einige Darstellungen nach Friedrich Sellow benannter Pflanzen.
  • Das „Darwin Correspondence Project“ listet Friedrich Sellow als mit Charles Darwin korrespondierende Person [5].

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Bahnstation „Frederico Sellow“ auf der Website Estações Ferroviárias do Brasil, portugiesisch, abgerufen am 14. April 2013
  2. Transkriptionsbeispiel der Reiseberichte Friedrich Sellos@1@2Vorlage:Toter Link/www.naturkundemuseum-berlin.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf der Website des Museum für Naturkunde in Berlin
  3. Der zweite Entdecker Brasiliens in Die Welt vom 28. September 2013, Seite 8
  4. Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen – Erweiterte Edition. Teil I und II. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018, ISBN 978-3-946292-26-5 doi:10.3372/epolist2018.