Günther Beckstein

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Günther Beckstein (2012)

Günther Beckstein (* 23. November 1943 in Hersbruck) ist ein deutscher Jurist und Politiker (CSU). Dem Bayerischen Landtag gehörte er von 1974 bis 2013 an. Von 1993 bis 2007 war er bayerischer Staatsminister des Innern und von 2007 bis 2008 bayerischer Ministerpräsident. Er war der erste evangelische Ministerpräsident des Freistaats Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg.

Leben

Ausbildung und Beruf

Beckstein wurde 1943 als Sohn eines Lehrerehepaares in Hersbruck geboren. Nach dem Abitur am Willstätter-Gymnasium in Nürnberg 1962 studierte Beckstein an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Ludwig-Maximilians-Universität München Jura. Seit 1971 betreibt Beckstein eine Rechtsanwaltskanzlei. 1975 wurde er in Erlangen mit der Dissertation Der Gewissenstäter im Strafrecht und Strafprozeßrecht im Fach Rechtswissenschaften promoviert.

Politische Karriere

Beckstein im Juni 2007 in Würzburg

Beckstein begann seine politische Karriere als Bezirksvorsitzender der Jungen Union Nürnberg-Fürth (1973–1978) und wurde anschließend stellvertretender Vorsitzender des CSU-Bezirksverbandes Nürnberg-Fürth-Schwabach. 1991 übernahm er dessen Vorsitz. Um sich auf das Amt des Ministerpräsidenten konzentrieren zu können, trat er 2008 nicht mehr erneut für den Vorsitz an; zu seinem Nachfolger wurde Markus Söder gewählt. 1974 wurde Beckstein in den Bayerischen Landtag gewählt, dem er bis 2013 ununterbrochen angehörte.[1]

Bei den Nürnberger Oberbürgermeisterwahlen 1987 trat Beckstein als Kandidat der CSU an; bei der Stichwahl am 8. November gewann der SPD-Kandidat Peter Schönlein.

Von Juli bis Oktober 1988 war Beckstein stellvertretender Vorsitzender der CSU-Fraktion und wechselte am 19. Oktober 1988 als Staatssekretär in das Bayerische Staatsministerium des Innern. Bis 1992 nahm er ebenfalls das Amt des Landesvorsitzenden des CSU-Arbeiterkreises Polizei wahr, für das er 1980 bestimmt worden war. Als Edmund Stoiber am 17. Juni 1993 zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, berief er Beckstein als Innenminister in sein Kabinett. Nach dem Rücktritt von Barbara Stamm ernannte Stoiber ihn 2001 zum stellvertretenden Ministerpräsidenten. Nach der Bundestagswahl 2005 gehörte er kurzzeitig bis zum 23. November 2005 dem 16. Deutschen Bundestag an und galt neben Erwin Huber als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Ministerpräsident Stoiber, der ein Ministeramt in Berlin anstrebte. Die Personalfrage sollte im November durch eine Kampfabstimmung in der CSU-Fraktion entschieden werden. Durch die Rückkehr Stoibers in die Landespolitik wurde diese Abstimmung obsolet. Im Dezember 2006 äußerte Beckstein, für ihn sei der Traum vom Amt des Ministerpräsidenten „abgehakt“.[2]

Nachdem am 18. Januar 2007 Ministerpräsident Edmund Stoiber angekündigt hatte, sein Amt im Herbst 2007 niederzulegen, verständigte sich die CSU-Landtagsfraktion im Juni 2007 auf Beckstein als Nachfolger. Am 29. September 2007 wählte ihn die CSU zum Anwärter auf das Amt sowie zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im September 2008. Am 9. Oktober 2007 wurde er mit 122 von 178 abgegebenen Stimmen vom Bayerischen Landtag zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Das Kabinett Beckstein bildete ab dem 16. Oktober 2007 die Staatsregierung Bayerns.

Seine erste offizielle Auslandsreise als Ministerpräsident führte den engagierten Protestanten Beckstein am 26. Oktober 2007 nach Rom zu Papst Benedikt XVI.[3]

Angesichts des Abschneidens der CSU bei der bayerischen Landtagswahl am 28. September 2008 mit dem schlechtesten Wahlergebnis seit 1954 erklärte Beckstein am 1. Oktober 2008, für die spätestens am 27. Oktober 2008 fällige Neuwahl des Ministerpräsidenten durch den Landtag nicht mehr zu kandidieren.[4] Becksteins Nachfolger als Ministerpräsident wurde Horst Seehofer. Bei der Landtagswahl 2013 trat Beckstein nicht mehr an. Beckstein vertrat den Stimmkreis Nürnberg-Nord (Mittelfranken) im Landtag.

Privates

Beckstein ist seit 1973 verheiratet und hat drei Kinder; mit seiner Frau Marga lebt er in Nürnberg-Langwasser. Er ist evangelisch-lutherischer Konfession und Mitglied der weder schlagenden noch farbentragenden Akademisch-Musikalischen Verbindung Fridericiana Erlangen im Sondershäuser Verband.

Beckstein ist nach Hörstürzen einseitig ertaubt und spricht auch öffentlich über seine Cochlea-Implantat-Versorgung.[5]

Darüber hinaus ist er Anhänger des 1. FC Nürnberg.[6]

Politische Positionen

Beckstein war auf Bundesebene bekannter als andere bayerische Staatsminister oder Innenminister anderer Bundesländer. Als Ursache dafür gilt, dass er nach dem Wechsel der Bundesregierung im Herbst 1998 (Gerhard Schröder (SPD) folgte Helmut Kohl) eine sehr harte Politik vertrat und der SPD Fahrlässigkeit in der Terrorismusbekämpfung sowie der Wahrung der inneren Sicherheit vorwarf.[7] Beckstein hatte ähnliche Ziele und Vorstellungen wie der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und wurde gelegentlich als „schwarzer Zwilling Schilys“ bezeichnet.[8] So setzte er sich gemeinsam mit Otto Schily für ein Verbot der NPD ein.[9][10] Beckstein stand allerdings für noch härtere Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung und in der Ausländerpolitik.[11]

Ausländerrecht und Terrorismusbekämpfung

Einige Kritiker warfen Günther Beckstein wegen der restriktiven Abschiebungspraxis Ausländerfeindlichkeit vor und befürchteten den Abbau von Grund- und Bürgerrechten. Nach Meinung seiner Anhänger hatte Beckstein als Innenminister Bayerns Erfolge vorzuweisen. Im Fall Mehmet veranlasste Beckstein im November 1998 medienwirksam die Abschiebung eines jugendlichen Intensivtäters. Die Maßnahme stellte sich später vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und dem Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig heraus.[12]

Zur Terrorismusabwehr forderte Beckstein eine schärfere Zuwanderungspolitik, die es der Regierung ermöglichen soll, hier lebende oder einreisende Ausländer bereits bei Verdacht auf Terrorgefahr sofort abzuschieben. Fünf der neun ausländerfeindlichen NSU-Morde an Migranten fanden in Bayern während Becksteins Amtszeit als Innenminister statt. Einige Kritiker behaupteten, sie wären zunächst nicht aufgeklärt worden, da die Beckstein unterstehende Polizei die Opfer teilweise fälschlich selbst dem kriminellen Milieu zurechnete und die rechtsterroristische Dimension der Taten durch Begriffe wie „Döner-Morde“ bzw. „Mordserie Bosporus“ bagatellisiert hätte.[13] Beckstein selbst befürwortete eine starke Verminderung der Zuwanderung.[14] Am 6. September 2007 forderte Beckstein in der Debatte um Online-Durchsuchungen, sogenannte Topgefährder in kleinen, gut zu überwachenden Kommunen zu internieren.[15]

Direkte Demokratie

Beckstein äußerte sich positiv über Bürgerbegehren, Bürgerentscheide und andere Formen direkter Demokratie auf allen politischen Entscheidungsebenen,[16][17] hat aber weder als Mitglied bzw. Chef der Staatsregierung noch als Parlamentarier entsprechende Initiativen ergriffen.

Innere Sicherheit

Beckstein trat zur Bewahrung oder Stärkung der inneren Sicherheit für ein vermehrtes Nutzen der Videoüberwachung, der Biometrie und der Genanalyse bei Straftätern ein. Bei der FDP traf Beckstein auf Widerstand, beispielsweise beim Einsatz der Bundeswehr im Innern. Bei geringfügigeren Straftaten und sogenannten Bagatelldelikten wie Vandalismus (Graffiti) oder Ladendiebstahl trat Beckstein ebenfalls für höhere Strafen ein.

Neue Medien

Beckstein verfolgte eine harte Linie gegenüber Gewalt darstellenden Computerspielen, die er u. a. als Auslöser von Gewalttaten wie Amokläufen betrachtete. Am 27. April 2007 erklärte Beckstein: „Von den Amokläufen von Erfurt bis Emsdetten zieht sich die blutige Spur der durch den Konsum solcher Computerspiele ausgelösten Gewalt“.[18] Besonders bekannt wurde in diesem Zusammenhang der von Beckstein mitgeprägte Begriff „Killerspiele“. Am 21. November 2006, unmittelbar nach dem Amoklauf von Emsdetten, wurde er auf der Webseite der ARD-Tagesschau mit folgenden Worten zitiert: „Killer-Spiele sollten in der Größenordnung von Kinderpornographie eingeordnet werden, damit es spürbare Strafen gibt.“ Das Hamburger Abendblatt zitierte ihn am 17. Januar 2007 mit den Worten: „Man kann nicht tatenlos zusehen, wenn immer wieder Jugendliche und junge Erwachsene nach dem Konsum von Killerspielen schwerste Gewalttaten begehen.“

Im Jahr 2009 äußerte Beckstein tatsachenwidrig, das Spiel Counter-Strike sei „von der US-Army entwickelt [worden], um die Gewaltschwelle bei den Soldaten herabzusetzen.“[19][20]

Legale und illegale Drogen

Während Beckstein bei illegalen Drogen stets für ein restriktives Vorgehen eintrat, wurde er hinsichtlich seiner uneindeutigen Position zum Autofahren unter Alkoholeinfluss kritisiert. So äußerte er während des Wahlkampfs für die Landtagswahl in Bayern 2008 bei einer Festzeltrede, dass Autofahren nach dem Genuss von zwei Maß Bier in sechs, sieben Stunden noch akzeptabel sei. Allerdings sagte er das in Zusammenhang mit der Feststellung, dass die Bierkrüge im Festzelt viel zu leer waren. Zitat: „Bei diesem Bier kann man zwei trinken und noch Auto fahren!“ Nach massiver Kritik an seiner Äußerung trat er daraufhin für vollständige Abstinenz beim Autofahren ein.[21]

Wirtschaftspolitik

Seine wirtschaftspolitische Kompetenz konnte Beckstein unter anderem als langjähriges Mitglied im Verwaltungsrat der Bayerischen Landesbank einbringen. Diesem Aufsichtsgremium gehörte er für den Freistaat Bayern als Haupteigentümer der Landesbank an. Mit Becksteins Zustimmung genehmigte es verschiedene unternehmerische Fehlentscheidungen des Landesbankvorstandes, die allein im Fall der Hypo Group Alpe Adria etwa 3,7 Milliarden Euro Verluste verursachten.[22]

Gesellschaftliche Ämter

Beckstein engagiert sich neben seiner politischen Arbeit in der evangelischen Kirche und im Bereich der evangelischen Jugendarbeit. Seit 1996 ist er berufenes Mitglied der Landessynode der Evangelischen Kirche in Bayern, 2009 kandidierte er für das Amt des Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, unterlag jedoch gegen Katrin Göring-Eckardt und wurde daraufhin mit großer Mehrheit zum Vizepräses gewählt. Im November 2013 zog er seine zweite Bewerbung für das Amt des Präses nach seinem Scheitern in zwei Wahlgängen zurück.

Beckstein ist außerdem Kuratoriumsmitglied von ProChrist, Mehr Demokratie, der Deutschen Stiftung Querschnittlähmung, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, des Konfuzius-Instituts Nürnberg-Erlangen und des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände Nürnberg. Er vertrat die Bayerische Staatsregierung im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Seit dem 13. März 2020 ist er Mitglied des Nationalen Begleitgremiums, welches die staatliche Suche nach einem Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle begleitet.[23]

Ehrungen und Auszeichnungen

Günther Beckstein auf der Leipziger Buchmesse am 19. März 2011

Veröffentlichungen

  • mit Steffen Kern: Worauf es ankommt. Hänssler Verlag 2006, ISBN 3-7751-4299-1.
  • Die zehn Gebote. Anspruch und Herausforderung. Hänssler Verlag 2011, ISBN 978-3-7751-5191-7.
  • mit Renate Künast: Schwarz vs.Grün. Ein Streitgespräch über Klima, Wachstum und eine gute Zukunft. Oekom Verlag 2021, ISBN 978-3-9623-8252-0.

Weblinks

 Wikinews: Günther Beckstein – in den Nachrichten
Commons: Günther Beckstein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. siehe Liste der Mitglieder des Bayerischen Landtags (8. Wahlperiode) usw. bis Liste der Mitglieder des Bayerischen Landtags (16. Wahlperiode)
  2. "Günther, sei ned so wehleidig und jammer ned". In: taz.de. 23. Dezember 2006, abgerufen am 12. Februar 2015.
  3. Beckstein reist zum Papst - Ökumene wohl im Blickpunkt. Münchner Merkur. Abgerufen am 14. Februar 2017.
  4. Günther Beckstein, CSU. WDR. Archiviert vom Original am 15. Februar 2017. Abgerufen am 14. Februar 2017.
  5. „Ich bin sozusagen ein Lorbeerbaum.“ - Interview mit Günther Beckstein über gutes Hören mit Cochlea-Implantat und Hörgerät. In: martin-schaarschmidt.de. Abgerufen am 12. Februar 2015.
  6. Günther Becksteins Herz gehört dem Club auf mittelbayerische.de, vom 5. August 2017, abgerufen am 31. Mai 2020
  7. Beckstein kritisiert Schilys Anti-Terror-Pläne. In: handelsblatt.com. 28. September 2004, abgerufen am 12. Februar 2015.
  8. Angreifer statt Ausputzer. In: taz.de. 10. August 2002, abgerufen am 12. Februar 2015.
  9. Rp Online: Grünen Sachkenntnis abgesprochen: NPD-Verbot: Schily setzt auf Fortsetzung. In: rp-online.de. 11. Juli 2002, abgerufen am 12. Februar 2015.
  10. Kampf gegen Rechts als Streitfall – Politik. In: merkur-online.de. 6. April 2009, abgerufen am 12. Februar 2015.
  11. Matthias Gebauer: Visa-Skandal: Grüne werfen Beckstein Täuschung vor. In: Spiegel Online. 25. Februar 2005, abgerufen am 12. Februar 2015.
  12. Beckstein zum Fall Mehmet: "Ein Exempel statuieren". In: sueddeutsche.de. 24. April 2013, abgerufen am 12. Februar 2015.
  13. Beckstein: "Wir gingen weiter als der Rechtsstaat erlaubt". Münchner Merkur. 15. November 2011. Abgerufen am 14. Februar 2017.
  14. Wahlkampf mit Zuwanderung: Stoiber greift zum Nothammer. In: Spiegel Online. 15. September 2002, abgerufen am 12. Februar 2015.
  15. Stefan Krempl: SPD will "letztes Gespräch" über verdeckte Online-Durchsuchungen führen – heise online. In: heise.de. 6. September 2007, abgerufen am 12. Februar 2015.
  16. Beckstein plädiert für mehr bundesweite Volksentscheide. In: abendblatt.de. 6. März 2012, abgerufen am 12. Februar 2015.
  17. Günther Beckstein: Festschrift: 20 Jahre Mehr Demokratie. Mehr Demokratie. Abgerufen am 14. Februar 2017.
  18. Stefan Krempl: Beckstein hält an Verbot von "Killerspielen" fest – heise online. In: heise.de. 27. April 2007, abgerufen am 12. Februar 2015.
  19. Michael Obermeier: Günther Beckstein - »US-Armee entwickelte Counter-Strike«. Webedia Gaming. 6. Oktober 2005. Abgerufen am 14. Februar 2017.
  20. Peter Mühlbauer: Antiamerikanische Verschwörungstheorie in der CSU. In: heise.de. 26. September 2009, abgerufen am 12. Februar 2015.
  21. Beckstein rät nach Bierpatzer zur Abstinenz. Der Spiegel, 17. September 2008, abgerufen am 29. Januar 2010.
  22. Streit über Milliardendesaster: BayernLB verschont Beckstein und Huber. In: Spiegel Online. 20. Dezember 2010, abgerufen am 12. Februar 2015.
  23. Bundesrat.de: Wahl von Mitgliedern des Nationalen Begleitgremiums gemäß § 8 Absatz 3 des Standortauswahlgesetzes
  24. Miryam Gümbel: Israels Partner und Freund. Jüdische Allgemeine. 20. Juli 2006. Abgerufen am 14. Februar 2017.
  25. Ehrensenatoren (Memento vom 21. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
  26. a b Günther Beckstein. Referenten Agentur Bertelsmann. Abgerufen am 14. Februar 2017.
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