Westliche Haferkornschnecke

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Westliche Haferkornschnecke

Westliche Haferkornschnecke (Chondrina avenacea)

Systematik
Ordnung: Lungenschnecken (Pulmonata)
Unterordnung: Landlungenschnecken (Stylommatophora)
Überfamilie: Pupilloidea
Familie: Kornschnecken (Chondrinidae)
Gattung: Chondrina
Art: Westliche Haferkornschnecke
Wissenschaftlicher Name
Chondrina avenacea
(Bruguière, 1792)

Die Westliche Haferkornschnecke[1] (Chondrina avenacea), auch nur Haferkornschnecke[2], Gemeine Haferkornschnecke[3] oder nur Haferkorn genannt, ist eine landlebende Schneckenart aus der Familie der Kornschnecken (Chondrinidae). Sie lebt ausschließlich von endolithischen Algen, dazu wird die Oberfläche von Kalkfelsen einschließlich der darin lebenden Algen und Flechten abgeschabt.

Merkmale

Das rechtsgewundene Gehäuse ist relativ klein; es ist 6 bis 8 mm hoch und misst 2,3 bis 2,5 mm in der Dicke. Es ist zylindrisch-konisch und weist sieben bis acht Windungen auf. Die Naht ist deutlich ausgebildet, die letzte Windung nimmt etwa ein Drittel der Gehäusehöhe ein. Die Mündung ist elliptisch, der weiße Mundsaum ist nur wenig erweitert und auch kaum zurückgebogen. Der Mundrand ist verhältnismäßig dünn und in der Parietalregion der Mündung unterbrochen. Innen an der Mündung ist das Gehäuse gelblich bis rotbraun gefärbt. In die Mündung ragen meist acht, kräftige „Zähne“ hinein; drei Palatalzähne, wobei der obere etwas schwächer ausgebildet ist oder auch fehlen kann, ein weit vorne sitzender Angularzahn und ein tiefer in der Mündung sitzender Parietalzahn und zwei Columellarzähne.

Das Gehäuse ist dunkelgrau bis rotbraun gefärbt und zeigt auf der weitgehend glatten, nicht glänzenden Oberfläche eine variable Streifung. Sie kann grob bis fein sein, auch die Abstände der Streifen variieren stark. Das Gehäuse ist sehr häufig von Gesteinsstaub oder Flechtenresten bedeckt.

Die Tiere sind Zwitter. Im Genitalapparat legt sich der Samenleiter (Vas deferens) nahe der Mündung des Penis in das Atrium dicht dem Penis an, Penis und Samenleiter sind durch eine Gewebehülle umschlossen. Der Samenleiter verlässt das Gewebe nach kurzer Strecke und dringt in den Epiphallus ein. Dieser ist durch eine starke Einschnürung im Bereich der 180°-Schleife vom Penis abgesetzt. Es ist kein Blindsack vorhanden. Der Penisretaktormuskel setzt nahe der Umbiegung von Penis/Epiphallus an. Im weiblichen Trakt ist der freie Eileiter (Ovidukt) sehr kurz, die Vagina dagegen sehr lang. Die Spermathek ist ein langer Schlauch, der sich dem Eisamenleiter anlegt, aber nicht bis zur Albumindrüse reicht. Das Reservoir (Blase) ist länglich-keulenförmig, ohne Divertikulum.[4]

Ähnliche Arten

Bei der Feingerippten Haferschnecke (Chondrina arcadica) ist der letzte Umgang nicht vergrößert. Im Vergleich hat diese Art gleichmäßig und stark gewölbte Windungen, und die Nähte sind etwas tiefer. Außerdem ist das Gehäuse der Feingerippten Haferkornschnecke ein wenig kleiner und mehr konisch geformt.

Verbreitung der Haferkornschnecke in Europa (nach Welter-Schultes[5])

Geografische Verbreitung und Lebensraum

Die Westliche Haferkornschnecke ist in Mitteleuropa weit verbreitet, jedoch sehr zerstreut und streng gebunden an die Gebiete, in denen Kalk oder Dolomit an der Oberfläche ansteht. Sie kommt von der spanischen Mittelmeerküste (etwa Höhe Valencia), Süd- und Ostfrankreich, mit kleineren Vorkommen in Südbelgien, über die Schweiz, Süddeutschland, Österreich, Norditalien[6] bis nach Tschechien und isoliert in Bulgarien[7] vor. In Deutschland liegt das nördlichste Vorkommen in Thüringen (Hörselberge bei Eisenach).

Die Westliche Haferkornschnecke ist streng an Kalkstein oder Dolomit gebunden. Sie besiedelt die sonnenbeschienenen Seiten von Felsen und Felswänden. Die Tiere sind nur bei hoher Luftfeuchte, Regenwetter oder auf nassen Oberflächen aktiv. Bei Trockenheit ziehen sie sich in die Gehäuse zurück, heften aber das Gehäuse durch getrockneten Schleim fest an das Gestein. Auf diese Weise können sie beim Gesteinsabbau verschleppt werden. Extreme Trockenheit verbringen sie im Detritus und Gesteinsschutt unter den Felsen. Im Gebirge steigt sie bis auf eine Höhe von 1800 m über NN an. Gelegentlich kommen die Westliche Haferkornschnecke und die Feingerippte Haferkornschnecke (Chondrina arcadica) sympatrisch vor.

Lebensweise

Die Haferkornschnecke ernährt sich von endolithischen Flechten, Algen und auch Detritus. Die Tiere raspeln mit Hilfe ihrer Radula die oberste dünne Gesteinsschicht einschließlich der darin bohrenden Algen und Flechten ab. Sie fressen keine grünen, höheren Pflanzen. Die Tiere sind nach etwa drei bis fünf Jahren ausgewachsen und erreichen ein Maximalalter von zehn Jahren. Zwischen 1 und 90 % der Individuen einer Population sind aphallisch, haben keinen Penis, sondern nur die weiblichen Geschlechtsteile ausgebildet. In den Geschlechtsdrüsen werden aber männliche und weibliche Geschlechtszellen produziert. Es ist aber nicht bekannt, ob bei diesen Individuen Selbstbefruchtung vorkommt.

Taxonomie

Das Taxon wurde bereits 1792 von Jean-Guillaume Bruguière in der Form Bulimus avenaceus beschrieben.[8] Die Art ist allgemein als gültiges Taxon akzeptiert.[7][9][10] Die Art wird derzeit in sechs Unterarten gegliedert:[9][10]

  • Chondrina avenacea avenacea (Bruguière, 1792)
  • Chondrina avenacea istriana Ehrmann, 1931, Slowenien
  • Chondrina avenacea latilabris (Stossich, 1895), Norditalien
  • Chondrina avenacea lepta (Westerlund, 1887), Slowenien
  • Chondrina avenacea lessinica (Adami, 1885), Norditalien
  • Chondrina avenacea veneta H. Nordsieck, 1962, Veneto

Gefährdung

Nach Vollrath Wiese ist das Ausmaß der Gefährdung unbekannt.[11] Auf das Gesamtverbreitungsgebiet gesegen ist die Art nicht gefährdet.[12]

Literatur

  • Ewald Frömming: Biologie der mitteleuropäischen Landgastropoden. 404 S., Duncker & Humblot, Berlin 1954
  • Edmund Gittenberger: Beiträge zur Kenntnis der Pupillacea: III. Chondrininae. Zoologische Verhandelingen, 127(1): 3-267, 1973 ISSN 0024-1652 PDF.
  • Michael P. Kerney, R. A. D. Cameron, Jürgen H. Jungbluth: Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas. 384 S., Paul Parey, Hamburg & Berlin 1983, ISBN 3-490-17918-8, S. 114/15

Einzelnachweise

  1. Jürgen H. Jungbluth und Dietrich von Knorre: Trivialnamen der Land- und Süßwassermollusken Deutschlands (Gastropoda et Bivalvia). Mollusca, 26(1): 105-156, Dresden 2008 ISSN 1864-5127, S. 117 (als Chondrina arcadica clienta).
  2. Klaus Bogon: Landschnecken Biologie, Ökologie, Biotopschutz. 404 S., Natur Verlag, Augsburg 1990, ISBN 3-89440-002-1, S. 128/29.
  3. Peter Reischütz: Weichtiere (Schnecken und Muscheln) Vorarlbergs. Artenliste und Vorschlag einer Roten Liste. Nachrichtenblatt der Ersten Vorarlberger Malakologischen Gesellschaft, 1: 4-10, 1993 PDF
  4. Alexandru V. Grossu: Gastropoda Romaniae 2 Subclasa Pulmonata I Ordo Basommatophora II Ordo Stylommatophora Suprafamiliile: Succineacea, Cochlicopacea, Pupillacea. 443 S., Bukarest 1987, S. 330–336.
  5. Francisco W. Welter Schultes: European non-marine molluscs, a guide for species identification = Bestimmungsbuch für europäische Land- und Süsswassermollusken. A1-A3 S., 679 S., Q1-Q78 S., Göttingen, Planet Poster Ed., 2012 ISBN 3-933922-75-5, ISBN 978-3-933922-75-5 (S. 160)
  6. Valerio Ketmaier, Folco Giusti und Adalgisa Caccone: Molecular phylogeny and historical biogeography of the land snail genus Solatopupa (Pulmonata) in the peri-Tyrrhenian area. Molecular Phylogenetics and Evolution, 39: 439-451, 2006 doi:10.1016/j.ympev.2005.12.008
  7. a b Species summary for Chondrina avenacea. In: Animal Base. Uni Göttingen, 25. Juni 2009, abgerufen am 8. Juni 2010.
  8. Jean-Guillaume Bruguière: Encyclopédie méthodique. Histoire naturelle des vers. Tome premier. [ABE-CON]. S.I-XVIII (= 1-18), S. 1-757, Panckoucke, Paris, 1792 Online bei Biodiversity Heritage Library, S. 355.
  9. a b Fauna Europaea: Chondrina avenacea (Bruguiere 1792)
  10. a b MolluscaBase: Chondrina avenacea (Bruguière, 1792)
  11. Vollrath Wiese: Die Landschnecken Deutschlands. 352 S., Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2014, ISBN 978-3-494-01551-4 (S. 88)
  12. Chondrina avenacea in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2013.1. Eingestellt von: Pall-Gergely, B., 2011. Abgerufen am 8. Juli 2018.