Irène Schweizer

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Irène Schweizer im Kölner Loft, 2014

Irène Schweizer (* 2. Juni 1941 in Schaffhausen) ist eine Schweizer Pianistin und Schlagzeugerin, die zu den Begründern des europäischen Free Jazz zählt. In ihrer eigenständigen, seit den frühen 1960er Jahren konsequent entwickelten Arbeit geht es um «eine frei improvisierende Spielweise, die Geräusche, perkussive Elemente, schnelle, teils mit den Armen angeschlagene Clusters und konventionellere Pianotechniken miteinander verbindet».[1] Sie gilt als «Europas erfahrenste Jazzpianistin»[2].

Leben und Wirken

Schweizer lernte als Kind Handorgel, befasste sich dann im Alter von zwölf Jahren zunächst autodidaktisch mit Klavier und Schlagzeug, bevor sie Unterricht bei einem Privatlehrer nahm. Als Vierzehnjährige spielte sie als Schlagzeugerin in einer Dixielandband. Nach Besuch einer Handelsschule verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt als Sekretärin. 1958 wandte sie sich dem Modern Jazz zu und trat bis 1961 alljährlich mit den Modern Jazz Preachers beim Amateurfestival in Zürich auf, 1960 als Siegerin. Begegnungen mit Abdullah Ibrahim und den Blue Notes um Chris McGregor (im legendären Jazzcafé Africana in Zürich) und mit Cecil Taylor (1966) führten sie zum Free Jazz. Insbesondere mit ihrem Trio, dem seit 1963 der Schlagzeuger Mani Neumeier und der Bassist Uli Trepte (beide später bei Guru Guru), seit 1968 dann der Schlagzeuger Pierre Favre und der Bassist Peter Kowald angehörten, spielte sie auf vielen Festivals. Nach einer Epoche des Suchens, in der sie u. a. im Trio mit Buschi Niebergall und Allen Blairman auftrat, arbeitete sie ab 1973 mit dem Saxofonisten Rüdiger Carl zusammen, z. T. abermals zum Trio ergänzt mit dem südafrikanischen Schlagzeuger Louis Moholo. Seit 1976, als sie beim Jazz Festival Willisau einen spektakulären Erfolg feierte (Musical Monsters), gibt sie auch Solo-Konzerte.

Schweizer liebt einerseits die völlig freie Improvisation, andrerseits finden sich in ihrer Musik auch Anklänge an traditionellere Formen und Kompositionen von Klassikern wie Thelonious Monk und Duke Ellington sowie an die südafrikanische Musik. Neben ihrer musikalischen Tätigkeit war sie schon früh als Feministin aktiv. Daher war sie um 1980 auch in der Feminist Improvising Group aktiv; das Trio Les Diaboliques mit Joëlle Léandre und Maggie Nicols reflektiert dies noch heute. In den 1990er Jahren arbeitete sie auch mit Marilyn Crispell, dem London Jazz Composers’ Orchestra und Co Streiff, dann auch im Trio mit Makaya Ntshoko und Omri Ziegele. Daneben ist sie in der Schweizer Jazzszene wichtig als Organisatorin. So ist sie an der Entstehung des Taktlos Festivals (Zürich) und des Labels Intakt Records wesentlich beteiligt. Ihr letztes, in Zusammenarbeit mit dem Schlagzeuger Hamid Drake entstandene Album Celebration «legt einmal mehr Zeugnis ab von ihrem energischen und eigenständigen Personalstil».[3]

Schweizer wohnt in Zürich-Aussersihl und hat sich bei den Nationalratswahlen 2007 als Kandidatin für die Alternative Liste aufstellen lassen.[4]

Preise und Auszeichnungen

Schweizer erhielt 1990 den Kulturpreis der Stadt Schaffhausen und 1991 den Kunstpreis der Stadt Zürich. Die Schweizer Regisseurin Gitta Gsell dokumentierte das Leben der Jazzmusikerin in einem abendfüllenden Film.[5] 2013 wurde sie mit dem «Nachtigall 2013», dem Sonderpreis der deutschen Schallplattenkritik, ausgezeichnet. In der Laudatio wird «künstlerische und persönliche Integrität, ihr freundliches Wesen, ihre kreative Unruhe, ihr Organisationstalent, ihre Vielseitigkeit und ihre Präsenz in den verschiedensten Verbindungen und natürlich, über allem, ihre Entwicklung als Pianistin» gelobt; diese Eigenschaften «machten sie zu einer der spannendsten Figuren des Jazz».[6] 2018 wurde sie sowohl mit dem Kulturpreis des Kantons Zürich 2018 als auch mit dem mit 100.000 Franken dotierten Schweizer Grand Prix Musik ausgezeichnet.[7]

Werke

Einen guten Einblick resp. Überblick in Irène Schweizers Schaffen geben die CDs

  • Irène Schweizer Portrait Intakt CD 105 / 2005
  • Irène Schweizer – Hamid Drake, Celebration Intakt 2020

Literatur

  • Lislot Frei: Schweizer Irène. In: Bruno Spoerri (Hrsg.): Biografisches Lexikon des Schweizer Jazz CD-Beilage zu: Spoerri, Bruno (Hrsg.): Jazz in der Schweiz. Geschichte und Geschichten. Chronos-Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0739-6
  • Christian Broecking Dieses unbändige Gefühl der Freiheit. Irène Schweizer – Jazz, Avantgarde, Politik. Creative People Books, Berlin 2016, ISBN 978-3-938763-44-5[8]

Filme

Weblinks

Commons: Irène Schweizer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. zit. nach Martin Kunzler: Jazz-Lexikon. Band 2: M–Z (= rororo-Sachbuch. Bd. 16513). 2. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2004, ISBN 3-499-16513-9.
  2. Prisca Ketterer Fräulein Schweizer erreicht den Gipfel, Die Zeit, 12. Mai 2005
  3. Florian Bissig: Sie war die erste Frau und lange auch die einzige. Irène Schweizer, die Grande Dame des hiesigen Jazz, wird achtzig Jahre alt. In: NZZ. Zürich 2. Juni 2021.https://www.nzz.ch/amp/feuilleton/irene-schweizer-die-grande-dame-des-schweizer-jazz-wird-achtzig-ld.1627399
  4. Ulrich Stock: Irène Schweizer: Das Üben einfach mal lassen. In: Die Zeit. 24. Mai 2016, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 26. Mai 2016]).
  5. Ulrich Stock Die erste Frau am Klavier WoZ, 6. Oktober 2005
  6. Irène Schweizer ist «Nachtigall 2013» in Schweizer Musikzeitung 2013
  7. Irène Schweizer erhält Schweizer Musikpreis, Basler Zeitung 8. Mai 2018
  8. Christoph Wagner: Eine Biografie über Irène Schweizer: Für die Siegerin ein Herrenhemd. In: Neue Zürcher Zeitung. Abgerufen am 26. Mai 2016.
  9. https://www.swissfilms.ch/de/film_search/filmdetails/-/id_person/AC2D2B281F084C09B5626D8386E8876A, abgerufen am 2. Juni 2021.