Johannes Willms

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Johannes Willms (* 25. Mai 1948 in Würzburg; † 11. Juli 2022[1] in München) war ein deutscher Historiker und Kulturpublizist.[2]

Leben

Johannes Willms wurde als drittes und letztes Kind des Juristen und damaligen Amtsrichters Günther Willms und dessen Frau Anna, geb. Ungermann, in Würzburg geboren. Er wuchs zuerst in Arnstein/Unterfranken auf und dann in Ettlingen bei Karlsruhe, wo sein Vater von 1953 bis 1980 als Richter am Bundesgerichtshof amtierte. Nach dem Abitur 1968 am Bismarck-Gymnasium Karlsruhe studierte er Geschichte, Politikwissenschaften, Kunstgeschichte und Archäologie in Wien, Heidelberg und Sevilla. 1975 wurde er bei Reinhart Koselleck in Heidelberg mit einer Arbeit über Die Politik der officiers royaux auf den Etats Généraux promoviert.

Willms arbeitete als Pressereferent des Börsenverein des deutschen Buchhandels[3], anschließend als Journalist, zuerst für den Hessischen Rundfunk, seit 1978 für das ZDF, wo er von 1988 bis 1992 Redaktionsleiter des Magazins aspekte war und die Fernsehsendung Das Literarische Quartett konzipierte.[4] Anschließend war er von 1993 bis 2000 Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung, bis er als deren Frankreich-Korrespondent nach Paris ging. 2009 erhielt er den Prix de l’Académie de Berlin.

Über die Entstehung der Idee zum Literarischen Quartett sagte Willms: „Das war die übliche Sache: Ein Dichter wurde befragt oder schritt stumm um einen See herum, darunter wurde dann ein Text von ihm gelegt. Das wollten die Leute nicht mehr sehen, und da sagte ich: Das muss man aufmischen. Dann ging Reich-Ranicki, wurde bei der FAZ als Literaturchef verabschiedet, und da sagte ich: Das ist die Gelegenheit. Ich kannte ihn schon vorher, wir waren gewissermaßen Nachbarn, wohnten nur zwei Straßen entfernt voneinander in Frankfurt. Also ging ich mit einem Kollegen zusammen zu ihm…[5]

Willms trat neben seiner journalistischen Arbeit mit mehreren historischen Publikationen hervor, die wissenschaftlich fundiert sind und dennoch inhaltlich und stilistisch ein breites Publikum ansprechen. Schwerpunkt seiner Arbeit war die Geschichte Frankreichs.[6] Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt betrauten Willms für die von ihnen ab 2008 herausgegebene Buchreihe Die Deutschen und ihre Nachbarn mit dem Band über Frankreich.[7]

Willms war mit Evelyn Schels verheiratet.[3]

Johannes Willms starb in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 2022 in München nach kurzer Krankheit im Alter von 74 Jahren.[3]

Publikationen

Als Autor

  • Die Politik der officiers royaux auf den Etats Généraux 1576–1614 (Heidelberg, Univ., Diss., 1975).
  • Nationalismus ohne Nation. Deutsche Geschichte von 1789 bis 1914. Claassen, Düsseldorf 1983, ISBN 3-546-49695-7; Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-596-24350-5.
  • Paris. Hauptstadt Europas 1789–1914. C.H. Beck, München 1988, ISBN 3-406-33387-7.
    • Paris. Hauptstadt Europas 1800–1914. C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-42170-9 (um das erste Kapitel gekürzte Neuausgabe).
  • Bismarck – Dämon der Deutschen. Anmerkungen zu einer Legende. Kindler, München 1997, ISBN 3-463-40296-3.
    • Bismarck – Dämon der Deutschen. Anmerkungen zu einer Legende. DTV, München 2015, ISBN 978-3-423-34838-6 (um ein Vorwort ergänzte Neuausgabe).
  • Napoleon. Verbannung und Verklärung. Droemer, München 2000, ISBN 3-426-27210-5.
  • Die deutsche Krankheit. Eine kurze Geschichte der Gegenwart. Hanser, München 2001, ISBN 3-446-20078-9.
  • Gebrauchsanweisung für Frankreich. Piper, München 2005, ISBN 3-492-27544-3.
  • Napoleon. Eine Biographie. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52956-9; Pantheon, München 2007, ISBN 978-3-570-55029-8; Ausgabe C. H. Beck Wissen, C.H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73479-3.
  • Balzac. Eine Biographie. Diogenes, Zürich 2007, ISBN 978-3-257-06624-1.
  • St. Helena. Kleine Insel, großer Wahn. Mare, Hamburg 2007, ISBN 978-3-86648-060-5.
  • Napoléon III. Frankreichs letzter Kaiser. C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57151-0.
  • Frankreich (= Die Deutschen und ihre Nachbarn. Band 6). C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-57853-3.
  • Stendhal. Biographie. Hanser, München 2010, ISBN 978-3-446-23419-2.
  • Talleyrand. Virtuose der Macht 1754–1838. C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62145-1.
  • Tugend und Terror. Geschichte der Französischen Revolution. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66936-1.
  • Waterloo. Napoleons letzte Schlacht. C.H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-67659-8.
  • Mirabeau oder Die Morgenröte der Revolution. Eine Biographie. C.H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-70498-7.
  • Der General Charles de Gaulle und sein Jahrhundert. Biographie. C.H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-74130-2.
  • Der Mythos Napoleon. Verheißung – Verbannung – Verklärung. Klett-Cotta, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-608-96371-7.

Als Herausgeber

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Traueranzeige Johannes Willms. In: www.trauer.sueddeutsche.de, 16. Juli 2022, abgerufen am 16. Juli 2022.
  2. Kulturpublizist Johannes Willms gestorben, wdr.de, 12. Juli 2022, abgerufen am 12. Juli 2022.
  3. a b c Johannes Willms ist tot. In: Süddeutsche Zeitung. 12. Juli 2022, abgerufen am 12. Juli 2022.
  4. Erwähnt in der Vorstellung Willms’ in der Sendung Literaturclub des Schweizer Fernsehens vom 29. Juni 2010.
  5. Johannes Willms gestorben – er erfand das Literarische Quartett. Bayrischer Rundfunk, 12. Juli 2022, abgerufen am 13. Juli 2022.
  6. Claudius Seidl: Stil als universale Kategorie. Er kannte den Unterschied zwischen Geist und Esprit, denn er hatte beides: Zum Tod von Johannes Willms. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Juli 2022, S. 11.
  7. Kleine Chronik des Verlags C.H.Beck 1763–2013 München 2013, S. 104.