Kanäle in Augsburg

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Fließschema-Diagramm der Augsburger Flüsse, Bäche und Kanäle

Die Kanäle in Augsburg sind ein Kernbestandteil von Augsburgs historischer Wasserwirtschaft. Sie versorgten vermutlich bereits seit dem 8. Jahrhundert die Stadt Augsburg mit Wasser aus den Flüssen Lech und Wertach, aus der Singold sowie kleineren Bächen. Schriftlich sicher belegt sind sie erstmals im Augsburger Stadtrecht von 1276.[1]

Die Stadt Augsburg wurde von den Römern am Nordende der Augsburger Hochterrasse zwischen den damals ungezähmten, verflochtenen Gebirgsflüssen Wertach und Lech erbaut. Der Platz war gut zu verteidigen, weil die Flüsse ihn vor Angriffen aus Westen, Norden und Osten natürlich schützten, und die knapp 20 Meter über den Flussniveaus liegende Hochterrasse bewahrte ihn zudem ausreichend vor Überschwemmungen. Durch die Stadt selbst jedoch zog damit kein natürlicher Wasserlauf, so dass hierfür Kanäle angelegt wurden. Die Kanalsysteme von Lech und Wertach verlaufen parallel zueinander und münden, kurz bevor sich die beiden Flüsse in der Wolfzahnau vereinen, jeweils in den Ursprungsfluss zurück.

Das Wasser verteilt sich im netzartigen Augsburger Kanalsystem im Freispiegel, d. h. der Schwerkraft frei folgend, ohne Antrieb durch irgendwelche Pumpen. Die Kanäle fließen überwiegend oberirdisch mit starkem Volumenstrom und sind im Stadtgebiet nur abschnittweise verdeckt oder überbaut. In den 1970er und 1980er Jahren wurden einige Kanäle in der Altstadt wieder aufgedeckt.

Teil des Kanalnetzes sind auch die im 16. Jahrhundert zur Befestigung der Stadt angelegten, wassergefüllten Stadtgräben. Im Augsburger Kanalnetz gibt es mehrere Wasserkreuzungen, etwa das Aquädukt am Roten Tor oder die Zirbelnuss-Kanal-Brücke beim Unteren Brunnenturm. Vor allem die Lechkanäle, die durch den unteren Altstadtkern geleitet wurden, der aus diesem Grund auch Lechviertel genannt wird, machen Augsburg zu einer Stadt der Brücken. Mit insgesamt 500 übertrifft sie in der Zahl ihrer Brückenbauwerke sogar Venedig – dabei ist allerdings jeder Steg eingerechnet, der zu einem Hauseingang führt. 44 Straßennamen im Stadtbereich haben einen direkten Bezug zum Augsburger Wasser.

Ein Teil der Lechkanäle ist als Baudenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragen.[2] 2019 wurden einige der Augsburger Kanäle im Rahmen des Augsburger Wassermanagement-Systems in das UNESCO-Welterbe aufgenommen[3]

Bedeutung

Die Stadtbäche und Kanäle dienten in vergangenen Jahrhunderten vielfachen Aufgaben:

Man hielt dabei stets das Trinkwasser aus den Quellen im Augsburger Stadtwald penibel getrennt vom Flusswasser der Kanäle, das nur als Brauchwasser diente.

Noch Anfang des 19. Jahrhunderts gab es 148 unterschlächtige Wasserräder im Stadtgebiet. Die Quellwasser herführenden Bäche, denen man seit 1848 kein Trinkwasser mehr entnimmt, münden nun im Stadtgebiet in die Lechkanäle. Die meisten der erwähnten Nutzungen sind inzwischen weggefallen, doch blieb das Augsburger Kanalnetz intakt und prägt noch immer das Stadtbild. 36 Wasserkraftwerke im Stadtgebiet Augsburgs nutzen die Kanäle zur Stromerzeugung (Stand 2013).[4]

Gesamtlängen nach Ursprung

  • Lechkanäle: Gesamtlänge 77,7 km
  • Wertachkanäle: Gesamtlänge 11,6 km
  • Bäche: Gesamtlänge 45,6 km

Überblick

Name Ursprung Vorfluter Lage Länge Wassermenge
Einlaufkanal Lech (beim Hochablass) Hauptstadtbach (Abschnitt parallel zum Neubach), Neubach Spickel-Herrenbach ca. 45 m³/s
Hauptstadtbach (Abschnitt parallel zum Neubach) Einlaufkanal Eiskanal, Hauptstadtbach (Abschnitt nach dem Neubach) Spickel-Herrenbach ca. 18 m³/s
Eiskanal Hauptstadtbach Lech (nach dem Hochablass) Spickel-Herrenbach 660 m ca. 10 m³/s
Neubach Einlaufkanal Hauptstadtbach (Abschnitt nach dem Neubach) Spickel-Herrenbach ca. 17 m³/s
Hauptstadtbach (Abschnitt nach dem Neubach) Hauptstadtbach Kaufbach, Herrenbach Spickel-Herrenbach ca. 35 m³/s
Herrenbach Hauptstadtbach (Abschnitt nach dem Neubach) Hanreibach, Proviantbach Herrenbach 882 m ca. 21 m³/s
Proviantbach Herrenbach Vereinigter Stadt- und Proviantbach (Auslaufkanal) Spickel-Herrenbach 4400 m ca. 14 m³/s
Hanreibach Herrenbach Fichtelbach, Proviantbach Innenstadt 2300 m ca. 4 m³/s
Fichtelbach Hanreibach Hanreibach Innenstadt 1400 m ca. 4 m³/s
Kaufbach Hauptstadtbach (Abschnitt nach dem Neubach) Schwalllech, Sparrenlech Innenstadt ca. 14 m³/s
Schäfflerbach Kaufbach Stadtbach Innenstadt 3650 m ca. 6 m³/s
Schwalllech Kaufbach Mittlerer Lech, Hinterer Lech Innenstadt 1400 m
Sparrenlech Kaufbach Stadtbach Innenstadt 1400 m ca. 3 m³/s
Hinterer Lech Schwalllech Stadtbach Innenstadt 1400 m ca. 2 m³/s
Mittlerer Lech Schwalllech Stadtbach Innenstadt 1400 m ca. 4 m³/s
Lochbach Lech (Lechstaustufe 22) Wolfsbach, Vorderer Lech, ... Haunstetten, Innenstadt ca. 14,5 km ca. 3 m³/s
Wolfsbach Lochbach Kaufbach Innenstadt ca. 1 m³/s
Brunnenmeisterbach Lochbach Innerer Stadtgraben (beim Kräutergarten) Innenstadt
Vorderer Lech Lochbach Stadtbach (unterirdisch) Innenstadt 1260 m ca. 2 m³/s
Stadtbach Vorderer, Mittlerer und Hinterer Lech Vereinigter Stadt- und Proviantbach (Auslaufkanal) Innenstadt ca. 8 m³/s
Vereinigter Stadt- und Proviantbach (Auslaufkanal) Stadtbach, Proviantbach Wertach (Wehr), Lech (nach dem Wasserkraftwerk auf der Wolfzahnau) Wolfzahnau ca. 39 m³/s
Fabrikkanal Wertach Wertach, Wertachkanal Göggingen ca. 28,5 m³/s
Singold Quelle in Waal Fabrikkanal Inningen, Göggingen ca. 2 m³/s
Wertachkanal Fabrikkanal Holzbach, Wertach Göggingen ca. 28,5 m³/s
Holzbach Wertachkanal Senkelbach Innenstadt ca. 28,5 m³/s
Senkelbach Holzbach Wertach Oberhausen ca. 28,5 m³/s
Mühlbach Wertachkanal unterirdischer Schwemmkanal zur Wertach, Hettenbach Pfersee ca. 2 m³/s
Hettenbach Mühlbach Wertach Pfersee ca. 2 m³/s
Brunnenbach Quellen im Stadtwald Lochbach Innenstadt
Spitalbach verschiedene Kanäle im Siebentischwald Innerer Stadtgraben Innenstadt
Innerer Stadtgraben Spitalbach Äußerer Stadtgraben, Malvasierbach Innenstadt
Äußerer Stadtgraben Innerer Stadtgraben Malvasierbach Innenstadt
Malvasierbach Innerer Stadtgraben, Äußerer Stadtgraben Stadtbach Innenstadt 680 m

Lechkanäle

Die Lechkanäle trugen wesentlich dazu bei, dass sich Augsburg früh industrialisierte. Sie durchfließen die untere Altstadt im Ulrichs- und Lechviertel, die Jakobervorstadt und speisen auch den Inneren und den Äußeren Stadtgraben entlang der östlichen Stadtmauer. Mit der Ausdehnung der Stadt über die alte Befestigung hinaus wurden dazu neun Industriekanäle zwischen der Altstadt und dem Lech angelegt.

Es gibt zwei Lechanstiche. Der erste liegt weit im Süden von Augsburg, heute an der Lechstaustufe 22 – Unterbergen; dort fließt Lechwasser in den Lochbach ein. Ein Teilstück von ihm zwischen Haunstetten und Rotem Tor wird als Brunnenlech bezeichnet. Am Aquädukt am Roten Tor überquert der Lochbach gemeinsam mit dem Brunnenbach den Stadtgraben. Dabei wurde das Lechwasser des Lochbachs früher mit einer hölzernen Scheidewand penibel vom rechts davon fließenden Wasser des Brunnenbachs geschieden, weil dieses zur Trinkwasserversorgung Augsburgs diente. Im weiteren Verlauf wird der Lochbach Vorderer Lech genannt.

Ein zweiter Lechanstich befindet sich am Hochablass, an dem der Hauptstadtbach vom Lech abgeleitet wird. Dieser teilt sich anschließend in den Kaufbach und in den Herrenbach. Der Herrenbach versorgt das Textilviertel und teilt sich weiter in den Fichtelbach, Hanreibach und Proviantbach.

Der Kaufbach dagegen versorgt die östlich der Altstadt gelegenen Bäche mit Wasser, darunter Sparrenlech, Schwallech, Mittlerer Lech oder Hinterer Lech, die sich alle gemeinsam mit dem Vorderen Lech zum Stadtbach vereinen. Zwischen dem Kaufbach und dem Stadtbach verläuft der Schäfflerbach. In der Wolfzahnau vereinigt sich auch der Proviantbach mit dem Stadtbach zum Auslaufkanal, der zurück in den Lech mündet.

Mit Stand 2013 werden die Lechkanäle noch von 23 Kleinkraftwerken zur Energiegewinnung genutzt.

Der Ende des 19. Jahrhunderts gebaute, 20 km lange Lechkanal begleitet, anfangs im Abstand von weniger als hundert Metern, den Lech an seiner linken Seite. Er wird auf Höhe von Gersthofen, etwa 1,5 km nach der Einmündung der Wertach in den Lech in Augsburg, aus dem Lech ausgeleitet und erst viel weiter lechabwärts bei Ostendorf wieder zurück. Auf seinem Anfangsstück liegt er zwar dicht an der Augsburger Stadtgemarkung, deren Grenze hier dem linken Lechufer folgt, jedoch überall außerhalb. Er ist deshalb kein Augsburger Kanal.

Wertachkanäle

Im Gegensatz zum Lech speist die Wertach nur sehr wenige Kanäle in Augsburg, streng genommen sind es nur zwei. Die Wertachkanäle sind auch jünger als die Lechkanäle. Die westlich an Augsburg vorbeifließende Singold brach 1588 bei Göggingen in die Wertach ein, wodurch ihr Unterlauf trockenfiel. Im darauffolgenden Jahr wurde ein erster Anstich der Wertach geschaffen, der das Unterlaufbett der Singold wieder füllte. Aus diesem wurde der Kanal Senkelbach.[5] Sein Name erinnert noch an frühere Zeiten, in denen die Singold auch als Sinkel, Senkel, Senkelt und Sinkalt bezeichnet wurde.

1884 wurde in Göggingen der Fabrikkanal als rechter Abzweig von der Wertach angelegt, und seither mündet auch die Singold in diesen Kanal. Weiter flussabwärts wird der Fabrikkanal in Folge zum Wertachkanal, und über das kurze Verbindungsstück Holzbach speist er heute auch den Senkelbach.

Links von der Wertach, in Pfersee, zweigt etwa auf Höhe des Rosenaustadions der Mühlbach ab. Er trägt weiter abwärts in Oberhausen den Namen Hettenbach. Der früher ebenfalls von ihm gespeiste Hessenbach existiert heute nicht mehr.

Ursprünglich außerhalb der Stadtgrenzen Augsburgs, liegen alle genannten Wertachkanäle inzwischen innerhalb des Augsburger Stadtgebiets. Die Wertachkanäle werden heute (Stand 2013) noch mit 11 Kleinkraftwerken zur Energiegewinnung genutzt.

Quellwasserbäche

Die Quellwasserbäche entspringen zahlreichen Grundwasserquellen im Augsburger Stadtwald im Süden der Stadt. Traditionell bezeichnet man sie auch als „Gießer“. Sie befinden sich zum Teil in Naturschutzgebieten. Teilweise fließen sie in natürlichen Bachbetten und teilweise werden sie in eigens gegrabenen Kanälen geleitet.

Sie führten jahrhundertelang Trinkwasser nach Augsburg. Am Wasserwerk am Roten Tor pumpte man seit dem Jahr 1416 das Wasser des Brunnenbachs in Wassertürme hoch, die dann die Brunnen der Stadt speisten. Die Nutzung der Quellwasserbäche für Trinkwasser endete im Jahr 1878 mit der Inbetriebnahme des Wasserwerks am Hochablass.

Die Bäche münden in den Lech, bzw. zunächst in Lechkanäle und über diese dann indirekt in den Lech.

Denkmalschutz

Ein Teil des Kanalsystems, das durch die vom Lech abgezweigten Kanäle Lochbach und Hauptstadtbach gespeist wird und dessen Kanäle auf der Niederterrasse des Lechs zwischen der Kernstadt auf der Hochterrasse im Westen und dem Lech im Osten verlaufen, ist unter der Bezeichnung „Kanäle im Lechviertel und in der Jakobervorstadt“ als Baudenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragen.[2] Im Einzelnen zählen dazu:

Der Augsburger Eiskanal steht mit dem ihn umgebenden modellierten Gelände und den darauf befindlichen Bauten als separates Baudenkmal unter Denkmalschutz.[6] Auch mehrere der an den Kanälen liegenden und ehemals oder auch heute noch ihr Wasser nutzenden historischen Bauten wie z. B. Wasserwerke und Wasserkraftwerke sind einzeln denkmalgeschützt.

Literatur

  • Anton Werner: Die Wasserkräfte der Stadt Augsburg im Dienste von Industrie und Gewerbe. Rieger Verlag, 1905.
  • Martin Kluger: Historische Wasserwirtschaft und Wasserkunst in Augsburg. Kanallandschaft, Wassertürme, Brunnenkunst und Wasserkraft. 2. Auflage. Context Verlag, Augsburg 2012, ISBN 978-3-939645-50-4.
  • Martin Kluger: Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg. 1. Auflage. Context Verlag, Augsburg 2013, ISBN 978-3-939645-72-6.

Weblinks

Commons: Lech- und Wertachkanäle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Im Augsburger Stadtrechtsbuch von 1276 sind vier namentlich belegte Kanäle verzeichnet. Siehe auch Martin Kluger: Historische Wasserwirtschaft und Wasserkunst in Augsburg: Kanallandschaft, Wassertürme, Brunnenkunst und Wasserkraft. Context Verlag, Augsburg 2012, ISBN 978-3-939645-50-4, S. 33. und Martin Kluger: Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg. 1. Auflage. Context Verlag, Augsburg 2013, ISBN 978-3-939645-72-6, S. 77.
  2. a b Denkmalliste für Augsburg (PDF) beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Abgerufen am 16. Oktober 2020 (Denkmalnummer D-7-61-000-1933)
  3. Lechkanäle als Teil des Augsburger Wassermanagementsystems. Abgerufen am 4. November 2020.
  4. Martin Kluger: Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg. 1. Auflage. Context Verlag, Augsburg 2013, ISBN 978-3-939645-72-6, S. 13.
  5. Martin Kluger: Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg. 1. Auflage. Context Verlag, Augsburg 2013, ISBN 978-3-939645-72-6, S. 12.
  6. Denkmalliste für Augsburg (PDF) beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Abgerufen am 16. Oktober 2020 (Denkmalnummer D-7-61-000-1467)