Kernenergie in Finnland

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Kernkraftwerke in Finnland:
Red pog.svg In Betrieb
Purple pog.svg in Planung

Derzeit (Stand April 2021) werden in Finnland vier Reaktoren an zwei Standorten betrieben. Finnland nahm den ersten Reaktor 1977 in Betrieb. 1993 stoppte das damalige Kabinett Aho nach erheblichen öffentlichen Protesten die Planung für den Neubau von Kernkraftwerken vorübergehend. 2003 startete das Kabinett Vanhanen I unter Ministerpräsident Matti Vanhanen die Ausschreibung für einen weiteren Reaktor.

Liste der Kernreaktoren in Finnland

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Kernkraftwerk Olkiluoto

2005 wurde in Olkiluoto mit dem Bau eines dritten Blocks begonnen, dem ersten EPR von Areva NP. Der Bau sollte ursprünglich 2009 abgeschlossen sein, verzögerte sich aber zunächst bis mindestens 2015. Der finnische Energiekonzern TVO hatte mit dem Baukonsortium einen Festpreis von 3,2 Milliarden Euro vereinbart. Im Oktober 2011 wurden die Baukosten mit 6,6 Milliarden Euro beziffert.[1] Der Termin wurde erneut verschoben. Der Reaktor soll nun 2021[veraltet] in Betrieb gehen und sein Bau (Stand 2015) 9 Milliarden Euro kosten.[2][3]

Eine Ursache der Verzögerung war die Auftragsvergabe an 1500 Zulieferer aus 28 Ländern, um Kosten zu senken. Dabei wurden häufig Unternehmen beauftragt, die keine Erfahrung mit so einem Großprojekt wie Olkiluoto hatten. In bislang über 1500 Fällen kam es zu Abweichungen von den geltenden Sicherheitsbestimmungen, deren Abnahme die finnische Strahlenschutzbehörde STUK mehrfach verweigerte.

Die Verspätung bei der Fertigstellung wird erhebliche Zusatzkosten bringen. Schätzungen gehen davon aus, dass alleine eine dreijährige Verzögerung Stromimporte von 3 Milliarden Euro zur Folge hat. Finnland hat weltweit Platz 5 im höchsten Pro-Kopf-Stromverbrauch.[4]

Am Standort Olkiluoto sollte noch ein vierter Block entstehen. Die Leistung des Reaktors sollte zwischen 1000 Megawatt und 1800 Megawatt liegen. In die engere Auswahl kamen unter anderem ein EPR oder SWR1000 von Areva, ein Advanced Boiling Water Reactor von Toshiba, ein Economic Simplified Boiling Water Reactor (ESBWR) von Mitsubishi, ein koreanischer APR-1400 und ein russischer WWER-1200/491 (AES-2006). Es war geplant, den Reaktor zwischen 2016 und 2018 in Betrieb zu nehmen.[5] Da der zukünftige Betreiber TVO nicht garantieren konnte, dass der vierte Reaktor jemals fertiggestellt würde, lehnte die finnische Regierung (Kabinett Stubb) im September 2014 eine Verlängerung der Frist zur Beantragung einer Baugenehmigung ab.[6]

Kernkraftwerk Loviisa

Es gab zeitweise Planungen, Atomstroiexport solle am Standort Loviisa einen weiteren Reaktor vom Typ WWER-1000 als AES-91 errichten.[7]

Kernkraftwerk Hanhikivi

Im Dezember 2013 unterzeichneten das finnische Unternehmen Fennovoima und die Rosatom-Tochter Rusatom Overseas einen Vertrag für ein neues Kernkraftwerk Hanhikivi auf der Halbinsel Hanhikivi auf dem Gebiet der Gemeinde Pyhäjoki. Der Reaktor vom Typ WWER-1150 sollte als AES-2006 bis 2024 Die Kategorie:Wikipedia:Veraltet nach Dezember 2024 existiert noch nicht. Lege sie mit folgendem Text {{Zukunftskategorie|2024|12}} an. gebaut werden.[8]

Im September 2014 genehmigte die Regierung einen AKW-Neubau in Pyhäjoki. Hierauf verließen die Grünen die Regierung, was zu einer Regierungskrise führte. Nach der Parlamentswahl am 19. April 2015 kam das Kabinett Sipilä unter Juha Sipilä (Zentrum) an die Regierung. Die Koalition zerstritt sich; seit der Parlamentswahl 2019 regiert das Kabinett Marin unter Sanna Marin (SDP).

Der Bauauftrag sollte an eine Tochterfirma des staatlichen russischen Atomkonzerns Rosatom gehen, der auch Betreiber und größter Anteilseigner werden sollte. Ursprünglich war die deutsche E.ON als Betreiber vorgesehen; diese zog sich aber aus dem Projekt zurück und verkaufte ihre Anteile an Rosatom. Laut einer Umfrage im Sommer 2014 – inzwischen hatte Russland die Krim besetzt und annektiert – waren 2014 zwei Drittel der Bevölkerung gegen eine russische Beteiligung an dem Projekt.[9] Im Januar 2017 entschied ein Gericht, dass ein Anteilseigner von Fennovoima seine Anteile verkaufen darf. Der Anteil von Investoren aus der EU muss aufgrund eines Regierungsbeschlusses über 60 Prozent liegen, daher kann der Ausstieg von Kesko für das Projekt zu einem Problem werden. Auch der Metallkonzern Boliden will sich aus dem Projekt zurückziehen.[10]

Im Januar 2016 wurde mit Ausschachtungsarbeiten für das Fundament des Kernkraftwerks Hanhikivi begonnen. Die Errichtungskosten wurden damals auf 6,7 Milliarden Euro geschätzt.[11]

Nach weiteren Verzögerungen wurde mit Stand April 2021 die Baugenehmigung für die Gebäude für 2022 erwartet; die Montage des Reaktors sollte 2023 beginnen und der kommerzielle Betrieb 2029. Die Gesamtbaukosten wurden zu diesem Zeitpunkt mit 7,0 bis 7,5 Milliarden Euro angegeben.[12][13] Nach dem Russischen Überfall auf die Ukraine 2022 im Februar 2022 erklärte die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin, dass das Projekt, an dem Rosatom auch eine russische Minderheitsbeteiligung hält, nicht fortgesetzt würde.[14] Am 2. Mai 2022 erklärte Fennovoima, dass der Vertrag mit der Rosatom wegen signifikanter Pflichtverletzungen und erheblicher Verzögerungen gekündigt wurden sei.[15][16] Die Rosatom-Tochter Raos Projekt Oy schrieb am 6. Mai 2022, diese Kündigung sei nicht wirtschaftlich, sondern »politisch motiviert«. Rosatom sei weiter bereit, den Reaktorblock zu bauen. Man werde auf juristischem Wege Schadenersatz verlangen.[17]

Endlager Olkiluoto

Das Endlager Olkiluoto soll so erweitert werden, dass es auch für hochradioaktive Abfälle genutzt werden kann. Bis 1996 hat Finnland Atommüll nach Russland exportiert; dies ist mittlerweile verboten.[5]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Start für finnischen Atomreaktor erneut verschoben. In: Handelsblatt. 12. Oktober 2011, abgerufen am 14. Oktober 2011.
  2. Allererster Atomreaktor Finnlands schließt für immer. In: Industriemagazin. 29. Juni 2015, abgerufen am 30. Juni 2015.
  3. Kommerzielle Inbetriebnahme von Olkiluoto-3. Nuklearforum Schweiz, abgerufen am 16. September 2019.
  4. Atomkraft in Finnland. (Memento des Originals vom 7. Dezember 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.global2000.at Auf: global2000.at.
  5. a b Nuclear Power in Finland. Auf: world-nuclear.org, Stand Oktober 2010.
  6. yle.fi: Government rejects TVO request to re-apply for nuclear licence. YLE News, 25. September 2014.
  7. Atomenergoprojekt – Тендер ФИН5 АЭС Ловииза (Memento vom 9. März 2008 im Internet Archive) (russisch)
  8. Finland's Fennovoima signs reactor deal with Rosatom. reuters.com vom 21. Dezember 2015, abgerufen am 24. August 2016.
  9. Russland baut ein neues AKW. taz vom 18. September 2014.
  10. Finnland verliert weitere Investoren für Atomkraftwerk. iwr.de vom 23. Januar 2017.
  11. Impact of Hanhikivi 1 licensing delay remains unclear. www.world-nuclear-news.org (WNN), 17. Oktober 2017, abgerufen am 23. Dezember 2017 (englisch).
  12. Fennovoima nuclear power plant construction hit by further delays, increased costs YLE News vom 28. April 2021 (englisch).
  13. siehe auch Hanhikivi-1: Baubeginn auf 2023 verschoben
  14. Marin: Finland to break energy reliance on Russia “as soon as possible”. In: Helsinki Times, 2. März 2022. Abgerufen am 6. März 2022.
  15. Fennovoima has terminated the contract for the delivery of the Hanhikivi 1 nuclear power plant with Rosatom. Abgerufen am 3. Mai 2022 (englisch).
  16. https://www.n-tv.de/ticker/Finnisches-Konsortium-kuendigt-Vertrag-mit-Rosatom-auf-article23303836.html
  17. spiegel.de: Meldung von 9:50 Uhr