Lutz Kroth

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Lutz Kroth, geb. Reinecke, (* 18. März 1942[1] in Magdeburg[2]) ist ein deutscher Verleger und ein Mitbegründer von Zweitausendeins.[3]

Leben und Wirken

Lutz Kroths Vorfahren waren Buchhändler. Sein Vater Friedrich Reinecke[4] gründete 1910 in Magdeburg[5] ein Buchhandelsgeschäft namens Central-Buchhandlung und Antiquariat Friedrich Reinecke, Verlag, Kunst- und Musikalienhandlung.[6] Im Jahr der Gründung der DDR 1949[6] verließ die Familie Magdeburg, zog nach Sarstedt in Westdeutschland und führte dort wieder eine Buchhandlung.[7] Auch Reineckes Eltern waren Buchhändler.[2]

Reinecke absolvierte ebenfalls eine Lehre zum Buchhändler. Er gewann 1960 ein vom Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld initiiertes Preisausschreiben für das am besten gestaltete Schaufenster einer Buchhandlung.[8] Der Preis war ein Besuch bei einem Suhrkamp-Autor, und Reinecke wählte Hans Magnus Enzensberger in Norwegen aus. Anschließend wurde er von Unseld in seinem Vertrieb eingestellt. Während der Frankfurter Buchmesse 1968 fand eine Demonstration der APO gegen die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an Léopold Sédar Senghor statt.[9] Reinecke, seinerzeit Vertriebsleiter, verließ den Suhrkamp-Messestand, nahm an der Demonstration teil und wurde daraufhin von Unseld entlassen.[10]

Anschließend arbeitete Reinecke zunächst bei der Satire-Zeitschrift pardon. Hier wurde er Assistent von Hans A. Nikel. Gemeinsam mit Walter Treumann – damaliger Geschäftsführer beim pardon-Verlag Bärmeier & Nikel – entwickelte er ab 1969[11] eine Merchandising-Abteilung, einen pardon-shop.[12] Als sich der pardon-Verlag 1971 auflöste, gliederten Reinecke und Treumann den Versand als ein eigenständiges Unternehmen aus;[13] es entstand der Buchversand Zweitausendeins. Mit dem Auf- und Weiterverkauf von Restauflagen gelang es, die Buchpreisbindung stark zu unterbieten.[10][10]

Ende der 1970er Jahre veränderten sich die Inhalte des Programms von Zweitausendeins.[14][15] Reinecke heiratete 1983 in zweiter Ehe die Fotografin Eva Kroth,[16] deren Familiennamen er annahm.[8][17][18][19] Seine Frau, die er bereits 1977 kennengelernt hatte, wirkte auch bei der Programmgestaltung mit.[20] Neue Schwerpunkte im Sortiment bildeten Titel aus den Bereichen Ökologie, Feminismus, Selbsthilfe und Esoterik.[21] Auch die Anti-AKW-Bewegungen, die Grünen und Greenpeace wurden publizistisch unterstützt.[22] 1997 erwirtschaftete Zweitausendeins sechzig Prozent des Jahresumsatzes von 110 Millionen DM über den Versand und vierzig Prozent über die damals noch elf eigenen Läden.[23]

Nach dem Verkauf von Zweitausendeins 2006 aus Altersgründen an die Brüder Kölmel (Kinowelt) übte Kroth vorübergehend eine Beratertätigkeit aus.[2] 2008 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Das Ehepaar lebt seit den 1990er Jahren in der Holsteinischen Schweiz im Kreis Plön.[24][25] Kroth hat zwei Kinder;[26] sein Sohn aus seiner ersten Ehe mit Ehefrau Dorle ist ebenfalls in der Buchhandelsbranche tätig.[27][28][29]

Auszeichnungen

Literatur

  • Mathias Bröckers: Zweitausendeins. Der Versand. 40 Jahre danach. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-86150-999-8
  • Christoph Nettersheim: „Neckermann für Intellektuelle?“ Die Geschichte des Verlags- und Versandunternehmens Zweitausendeins. Hochschulschrift, Universität Mainz, 1999[32]
  • Uwe Sonnenberg: Von Marx zum Maulwurf: Linker Buchhandel in Westdeutschland in den 1970er Jahren. Wallstein, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-2934-8, S. 287–290[33]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bundesanzeiger: Kroth, Lutz. In: Genios, 6. Juli 2012, aufgerufen am 28. Oktober 2019.
  2. a b c Peter Unfried: Betr.: Lutz Kroth. In: taz, 23. Dezember 2006.
  3. Vor 25 Jahren hat Lutz Kroth den Verlag 2001 gegründet. Längst fühlt er sich nicht mehr der Revolution, sondern den Kreisen im Korn verpflichtet: Drei Frische als Verleger | ZEIT ONLINE. 16. Mai 2017, abgerufen am 28. Oktober 2019.
  4. Guido Heinrich: Reinecke, Friedrich Karl Eduard. In: Universität Magdeburg, 4. März 2005, aufgerufen am 28. Oktober 2019.
  5. Fotos der Central-Buchhandlung: Magdeburg vor 1945 – Breiter Weg 135 und Großansicht: Magdeburg – Breiter Weg 135. In: Flickr, aufgerufen am 28. Oktober 2019.
  6. a b Bestand: Central-Buchhandlung und Antiquariat Friedrich Reinecke, Verlag, Kunst- und Musikalienhandlung, Magdeburg. In: Staatsarchiv Leipzig, aufgerufen am 28. Oktober 2019.
  7. Datensatz: Brief von Margarete Buber-Neumann an Central-Buchhandlung Friedrich Reinecke <Sarstedt> . In: Kalliope-Verbund.
  8. a b Willi Winkler: Drei Frische [sic!] als Verleger. (Memento vom 16. Mai 2017 im Internet Archive). In: Die Zeit, 14. Oktober 1994.
  9. red.hanau: Tumulte auf der Buchmesse, der Straße und im Gerichtssaal 1968. Die Friedenspreisverleihung an Léopold Senghor 1968. In: linksnavigator.de / Swing, No. 155, 4. November 2008.
    Foto von Eberhard Seeliger: Frankfurt am Main, APO-Protest gegen die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Léopold Sédar Senghor. In: Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
  10. a b c Peter Unfried, Mathias Bröckers: Ich sitze am Ufer eines Flusses und warte. In: die tageszeitung, 23. Dezember 2006, Interview mit Lutz Kroth.
  11. Sonnenberg, Von Marx zum Maulwurf, S. 287.
  12. Oliver Kobold und Jochen Wobser: Nur bei uns. Wie Zweitausendeins die Gegenkultur verlegte. In: SWR2, Radio-Feature, 10. März 2019, (PDF; 324 kB).
  13. Bröckers, Zweitausendeins, S. 5.
  14. Bröckers, Zweitausendeins, S. 59.
  15. Wolfgang Frömberg: März Verlag. Von der Praxis über die Politik zur dritten Wurzel aus P. In: Intro, 2004, publiziert am 29. Oktober 2007, ein Gespräch mit dem Verleger Jörg Schröder.
  16. Bundesanzeiger: Kroth, Lutz. In: Genios, 6. Juli 2012, aufgerufen am 28. Oktober 2019.
  17. Besprechung von Sabine Rosenbladt: Die Photographin Eva Kroth: Ansichten von Frauen. (Memento vom 19. Januar 2017 im Internet Archive). In: Zeitmagazin, 2. Dezember 1977.
  18. Günther Stockinger: Triumph in der Nische. In: Spiegel special, 1. Oktober 1996, Nr. 10, und als (PDF; 4,36 MB).
  19. Bröckers, Zweitausendeins, S. 59.
  20. Manuel Hessling: 2001+8 = pfft. In: revierflaneur.de, 3. Februar 2010.
  21. Bröckers, Zweitausendeins, S. 62.
  22. Bröckers, Zweitausendeins, S. 62 f.
  23. Peter Kliemann: Homöopathie für den Hund. In: Die Welt, 28. Oktober 1997.
  24. Fünf engagierte Schleswig-Holsteiner mit Verdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.@1@2Vorlage:Toter Link/www.engagiert-in-sh.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Landesportal Schleswig-Holstein, 26. November 2008.
  25. Bröckers, Zweitausendeins, S. 64.
  26. Peter Unfried: Betr.: Lutz Kroth. In: taz, 23. Dezember 2006.
  27. Generationswechsel bei Zweitausendeins: Robert Egelhofer, Fabian Reinecke, Frank Seibel und Dr. Till Tolkemitt übernehmen Geschäftsführung / Lutz Kroth zieht sich aus dem Tagesgeschäft zurück. In: BuchMarkt, 10. Oktober 2005.
  28. Wolfgang Frömberg: März Verlag. Von der Praxis über die Politik zur dritten Wurzel aus P. In: Intro, 2004, publiziert am 29. Oktober 2007, ein Gespräch mit dem Verleger Jörg Schröder.
  29. Fabian Reinecke macht Vertrieb und Marketing für Verlagshaus Römerweg. In: BuchMarkt, 15. Juni 2015.
  30. Hr2-Bestenliste: Die Hörbücher des Jahres 2004. In: BuchMarkt, 25. November 2004.
  31. Fünf engagierte Schleswig-Holsteiner mit Verdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.@1@2Vorlage:Toter Link/www.engagiert-in-sh.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Landesportal Schleswig-Holstein, 26. November 2008.
  32. Christoph Nettersheim: "Neckermann für Intellektuelle"? : die Geschichte des Verlags- und Versandunternehmens Zweitausendeins. [o. J.], 1999 (bsz-bw.de [abgerufen am 29. Oktober 2019]).
  33. Uwe Sonnenberg: Von Marx zum Maulwurf: Linker Buchhandel in Westdeutschland in den 1970er Jahren. Wallstein Verlag, 2016, ISBN 978-3-8353-2934-8 (google.de [abgerufen am 29. Oktober 2019]).