Operation Schutzschild

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Operation Schutzschild
Teil von: Nahostkonflikt
Datum 29. März10. Mai 2002
Ort Palästinensische Autonomiegebiete
Casus Belli Diverse Angriffe palästinensischer Gruppen auf israelische Zivilisten
Ausgang Israelischer Sieg
Konfliktparteien

Israel Israel

Datei:Fatah Flag.svg Fatah

Flag of Hamas.svg Hamas
Islamischer Dschihad in Palästina
Coat of arms of the Palestinian National Authority Palästinensische Autonomiebehörde

Als Operation Schutzschild (hebräisch מִבְצָע חוֹמַת מָגֵן, Miwza Chomat Magen) wird eine militärische Operation der israelischen Armee im Westjordanland bezeichnet. Sie begann am 29. März 2002 und führte zur Wiederbesetzung der unter palästinensischen Autonomieverwaltung stehenden Städte. Ziel der Operation war es, weitere palästinensische Attentate zu verhindern. Sie fand während der Zweiten Intifada statt.

Vorgeschichte

Die Gespräche zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak und dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Jassir Arafat in Camp David endeten am 25. Juli 2000 ergebnislos. Daraufhin brach Ende September 2000 ein als Zweite Intifada bezeichneter gewaltsamer Konflikt zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften aus. Am 27. März 2002 wurden bei einem Selbstmordattentat zweiundzwanzig Menschen im Park Hotel in Netanja während des Sederabends, an dem 250 Gäste teilnahmen, getötet und weitere 140 verletzt.[1][2] Die Hamas übernahm die Verantwortung für den Anschlag. Der Attentäter war ein von Israel gesuchtes Hamas-Mitglied aus Tulkarem. Am 28. März 2002 erschoss ein Palästinenser eine vierköpfige jüdische Familie in Elon Moreh im Westjordanland, tags darauf wurden im Gazastreifen zwei Israelis erstochen und am Nachmittag des gleichen Tages sprengte sich eine Palästinenserin in Westjerusalem in die Luft und riss zwei Menschen mit in den Tod.[3]

In der auf den Anschlag von Netanja folgenden Nacht gab Premierminister Ariel Sharon und sein Sicherheitskabinett grünes Licht für die Operation Schutzschild.[4]

Beginn

Als Reaktion auf den Anschlag von Netanja besetzte die israelische Armee am 29. März 2002 Teile des Amtssitzes von Jassir Arafat zwischen Bir Zait und Ramallah. Zuvor hatte der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon erklärt, Jassir Arafat sei ein Feind Israels, weil er sich weigere, den Terrorismus zu bekämpfen. Deshalb solle er isoliert, aber nicht verletzt oder getötet werden. Die Muqataa wurde dabei teilweise zerstört[5] und Arafat in einem befestigten Gebäude festgesetzt. Bei Durchsuchungen in der Muqataa wurden Waffen gefunden, die den Palästinensern nach den Verträgen von Oslo verboten waren.[6]

Am 31. März sprengte sich in Haifa vor einem Restaurant ein Selbstmordattentäter in die Luft, tötete 14 und verletzte fast 50 Menschen. Zwei weitere Selbstmordattentate, in Efrata am gleichen und Tel Aviv am folgenden Tag, forderten nur Verletzte. Diese Anschläge ließen bei vielen Israelis die Besorgnis aufkommen, dass es nicht um die Befreiung von besetzten Gebieten gehe, sondern um die Zerstörung des Staates Israel.[7]

Weiterer Verlauf

Die israelische Armee besetzte am 1. April 2002 Tulkarem und Qalqiliya sowie einen Tag später Bethlehem. Beim Vorstoß auf die Geburtskirche stieß sie auf heftigen Widerstand. Es begann eine letztendlich 39 Tage dauernde Belagerung der Geburtskirche.

Am 3. April 2002 besetzte die israelische Armee Dschenin und Salfit. Nur ein Flüchtlingslager in der Nähe von Dschenin konnte nicht eingenommen werden und wurde belagert. Nablus wurde in der Nacht zum 4. April 2002 wieder besetzt. Es entbrannten heftige Kämpfe vor allem in der verwinkelten Altstadt und im Viertel Balata.[8]

Es wurden alle großen palästinensischen Städte außer Hebron und Jericho wieder besetzt.[9]

Bei Durchsuchungen in den besetzten Autonomiegebieten konnten viele gesuchte Terroristen festgenommen werden, darunter Marwan Barghuthi. Ferner wurden illegale Sprengstofflabore und Waffenlager entdeckt. Über die besetzten Autonomiegebiete wurden befristete Ausgangssperren verhängt.

Belagerung der Muqataa von Ramallah

Infanterie und Panzer der israelischen Armee drangen am 29. März 2002 in Ramallah und am 2. April 2002 in die Muqataa ein, den Amtssitz von Jassir Arafat. Arafat wurde gestattet Zuflucht in einigen Zimmern des Gebäudes zu nehmen, zusammen mit einigen Beratern, Sicherheitspersonal und Journalisten. Mit dabei waren auch zahlreiche von Israel gesuchte palästinensische Terroristen, darunter auch die Mörder von Israels Tourismusminister Rechaw’am Ze’ewi. Arafat wurde diplomatisch isoliert und seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die israelische Armee besetzte die Stadt nach mehreren Stunden Straßenkampf, in dem rund 30 Palästinenser getötet wurden. Ramallah wurde dann unter eine Ausgangssperre gestellt. Bei Durchsuchungen wurden mehr als 700 Menschen verhaftet, darunter am 14. April 2002 mit Marwan Barghuthi der Kommandeur der Tanzim-Miliz im Westjordanland. Barghuthi wurde später in Israel angeklagt und zu fünfmal lebenslanger Haft verurteilt. Die Muqataa wurde bei den Kämpfen teilweise zerstört.[10]

Kämpfe in Dschenin

Bei der Besetzung von Dschenin am 2. April 2002 kam es im westlich vom Stadtzentrum liegenden Flüchtlingslager zu heftigen Kämpfen, die beinahe 11 Tage andauerten.[11] Die Häuser des Flüchtlingslagers wurden mit gepanzerten Bulldozern zum Einsturz gebracht, weil sie in der Regel mit Sprengfallen und mit Minen ausgestattet waren. Dabei explodierten die angebrachten Bomben und verursachten weitere Zerstörung. Palästinensische Kämpfer behaupteten später, sie hätten zwischen 1000 und 2000 Sprengfallen und Bomben ausgelegt. Beim langsamen Vormarsch wurden die Bodentruppen von Hubschraubern unterstützt. Den Bewohnern wurde die Möglichkeit gegeben, die umkämpfte Gegend zu verlassen.[12]

Etwa 200 Palästinenser ergaben sich am 11. April 2002 ab 7 Uhr Ortszeit, nachdem ihnen die Munition ausgegangen war.[13]

Bei den Kämpfen in Dschenin kamen 52, nach anderen Quellen 56 Palästinenser, davon nach israelischen Angaben nur 5 Zivilisten, und 23 israelische Soldaten ums Leben, weitere 50 wurden verletzt. Eine von den UN durchgeführte Untersuchung der Ereignisse stellte fest, dass es anders als zuvor behauptet zu keinem Massaker unter der Zivilbevölkerung gekommen war. Auch Human Rights Watch und die Vereinten Nationen fanden keine Hinweise für ein Massaker.[14]

Kämpfe in Nablus

Fallschirmjäger rückten von Westen auf Nablus vor, Einheiten der Golani-Brigade vom Süden und das Yiftach-Bataillon aus dem Osten. Die Golani-Brigade wurde in der Altstadt in schwere Kämpfe verwickelt. Am 4. April 2002 ergaben sich die letzten palästinensischen Kämpfer. Einige andere, denen die Flucht durch die Berge nach Tubas und Taluza gelungen war, wurden in den kommenden Monaten festgenommen. Ein israelischer Soldat, Generalmajor Assaf Assoulin, wurde getötet. Etwa 70 palästinensische Kämpfer fanden den Tod und über 100 wurden festgenommen.[15]

Am 9. April 2002 zerstörte die israelische Luftwaffe zwei Seifenfabriken, in denen auch illegale Bomben hergestellt wurden.

Belagerung der Bethlehemer Geburtskirche

Bei dem israelischen Einmarsch in Bethlehem am 2. April 2002 verschanzten sich ca. 20 palästinensische Terroristen und rund 170 palästinensische Polizisten in der Geburtskirche. Dort hielten sie ca. 60 christliche Geistliche, Mönche, Priester und Nonnen fest. Die israelische Armee begann mit der Belagerung der Geburtskirche.

Die bewaffneten Terroristen randalierten in der Kirche, stahlen Gegenstände aus Gold und zerstörten christliche Symbole im Inneren der Kirche. Führende Kirchenvertreter forderten Israel zur Zurückhaltung auf. Aus Respekt vor der Kirche stürmte die israelische Armee das Gebäude nicht.[16]

Sechs Terroristen wurden von Scharfschützen der israelischen Armee während der Belagerung getötet. Am 10. Mai 2002, nach 39 Tagen, endete die Belagerung, nachdem sich europäische Staaten bereit erklärten, die 13 gesuchten Terroristen aufzunehmen und diese nicht wegen der Ermordung von Zivilisten in Israel vor Gericht zu stellen. Diese wurden nach Zypern ausgewiesen und leben seitdem unbehelligt in sechs europäischen Ländern, Italien, Spanien, Österreich, Griechenland, Luxemburg und Irland.

Nach Ende der Belagerung der Geburtskirche untersuchte die israelische Armee das Kirchengebäude nach Waffen und Sprengsätzen. Dabei wurden 40 versteckte Sprengladungen in der Kirche gefunden.[17]

Beendigung

Nach Beendigung der Kämpfe zogen sich die israelischen Truppen aus allen Teilen der Autonomiegebieten wieder zurück. Patrouillen und Ausgangssperren sollten die Lage weiter beruhigen.

So wurde bereits am 9. April 2002 der Rückzug aus Tulkarm und Kalkilya abgeschlossen[18] und am 18. April 2002 begann der Rückzug aus Dschenin und Nablus.[19]

Am 20. August 2002 wurde nach einem Abkommen Bethlehem und der Gazastreifen wieder der palästinensischen Polizei übergeben.[20]

Opfer

Während der Kämpfe wurden 30 israelische Soldaten getötet und 127 verwundet. Auf palästinensischer Seite gab es nach Angaben der UN 497 Tote und 1.447 Verletzte.[21] Die israelische regierungskritische Organisation B'Tselem gab dagegen 240 durch israelische Sicherheitskräfte Getötete an.[22][23]

Ergebnisse

Die israelische Armee konnte zahlreiche illegale Werkstätten für Waffen und Labore für Sprengstoff zerstören. Auch wurden viele Waffen, die nach den Vertrag von Oslo nicht erlaubt, darunter Mörsergranaten, Granatwerfer, panzerbrechende Waffen, automatische Gewehre, Sprengsätze für Selbstmordanschläge und selbstgebaute Kassem-II-Raketen beschlagnahmt.

Etwa 7000 Palästinenser wurden festgenommen,[24][25] darunter 396 gesuchte Verdächtige.

Die Terroranschläge konnten zwar eingedämmt, aber nicht vollständig unterbunden werden. Eine weitere erhebliche Reduzierung der Anschläge konnte erst mit dem Bau der Sperranlage erreicht werden. Der erste Bauabschnitt, ein 110 km langes Teilstück zwischen Kfar Qasem und Kfar Salem wurde am 16. Juni 2002 begonnen.

Filme

  • Im April 2002 produzierte Mohammad Bakri den Dokumentarfilm Jenin, Jenin, um eine palästinensische Sichtweise über die Schlacht von Jenin zu zeigen. In dem Dokumentarfilm wird behauptet, dass es ein Massaker an Zivilisten in Jenin gegeben hat.
  • Der französisch-jüdische Filmemacher Pierre Rehov drehte auch einen Dokumentarfilm über die Ereignisse in Jenin. Sein Film, The Road to Jenin wendet sich gegen den Vorwurf eines Massakers und gegen die Vorwürfe im Film von Mohammad Bakri. Nach einer Überprüfung hat Bakri seinen Film um 25 Minuten gekürzt.
  • Der Dokumentarfilm Arnas Kinder von Juliano Mer-Chamis und Danniel Danniel (2004) zeigt das Leben einiger junger Palästinenser, die in Dschenin aufwuchsen und bei den Kämpfen ums Leben kamen.[26][27]

Einzelnachweise

  1. Artikel auf www.n-tv.de
  2. Newsletter der Israelischen Botschaft in Berlin [1]
  3. Kölner Stadt-Anzeiger vom 30/31. März 2002, S. 1, 3.
  4. [2] in Jewish Virtual Library, englisch, abgerufen am 16. Juli 2018.
  5. Kölner Stadt-Anzeiger vom 30./31. März 2002 Seite 1 und 3
  6. Neue Zürcher Zeitung vom 2. April 2002 Seite 3
  7. Neue Zürcher Zeitung vom 2. April 2002 Seite 3
  8. Neue Zürcher Zeitung vom 5. April 2002, S. 3.
  9. [3] in Jewish Virtual Library, englisch, abgerufen am 16. Juli 2018
  10. [4] in Jewish Virtual Library, englisch, abgerufen am 16. Juli 2018
  11. [5] in Deutschlandfunk.de vom 26. März 2012, abgerufen am 16. Juli 2018
  12. [6] in Jewish Virtual Library, englisch, abgerufen am 17. Juli 2018
  13. Kölner Stadt-Anzeiger vom 11. April 2002, S. 7.
  14. [7] in Jewish Virtual Library, englisch, abgerufen am 17. Juli 2018
  15. [8] in Jewish Virtual Library, englisch, abgerufen am 17. Juli 2018
  16. Children to be released from Church of the Nativity. In: CNN, 24. April 2002. , englisch
  17. Church of Nativity a Mess, but Suffers Little Permanent Damage. In: Fox News, 10. Mai 2002. Archiviert vom Original am 5. Februar 2007  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.foxnews.com. Abgerufen am 15. Juli 2018. , englisch
  18. Israelische Armee zieht sich aus Tulkarm und Kalkilya zurück. In: Israelnetz.de. 9. April 2002, abgerufen am 25. Oktober 2019.
  19. Ben-Eliezer kündigt Truppenrückzug an-Teilrückzug bereits erfolgt. Israelnetz.de, 19. April 2002, abgerufen am 12. November 2019.
  20. Kölner Stadt-Anzeiger vom 21. August 2002 Seite 7
  21. [9] Pressemeldung der Vereinten Nationen, englisch
  22. [10] in B'Tselem.org, englisch
  23. [11] in Jewish Virtual Library, englisch, abgerufen am 16. Juli 2018
  24. [12] Angaben der UN, englisch
  25. [13] in Jewish Virtual Library.org, englisch
  26. Arnas Kinder, programm.ARD.de.
  27. Uri Avnery: Der palästinensische Romeo. Das Palästina Portal.