Pseudobasilika
Die Pseudobasilika ist ebenso wie die Staffelhalle (Stufenhalle) eine vor allem in der Spätgotik verbreitete architektonische Mischform von Basilika und Hallenkirche. Das Mittelschiff ist dabei gegenüber den Seitenschiffen erhöht, jedoch meist weniger als bei der echten Basilika.
Ist das Mittelschiff mit Kreuzgewölben gedeckt, so liegen dessen Schildbögen vollständig oberhalb der Arkaden, sodass Seitenschiffsgewölbe und Mittelschiffsgewölbe zwei verschiedene Etagen bilden. So gibt es ausgeprägte Hochschiffswände, die jedoch keine Fensteröffnungen haben. Nach außen sind sie entweder völlig unter dem Dach verborgen, oder das Dach über dem Mittelschiff ist von den Schleppdächern der Seitenschiffe durch den obersten Teil der Hochschiffswände getrennt.
Hat das Mittelschiff ein längegerichtetes Tonnengewölbe, so sind die Hochschiffswände weniger ausgeprägt, obwohl sein Scheitel ebenso hoch liegt, als befänden sich hier Kreuzgewölbe.
Stark verbreitet ist die Bauform der Pseudobasilika in Gegenden mit überwiegend holzgedeckten Kirchenräumen. Über dem Mittelschiff gibt es dann entweder ein hölzernes Tonnengewölbe oder freie Sicht in den Dachstuhl. Die Seitenschiffe haben großenteils schräge Pultdecken. Gewähren alle Schiffe freie Sicht in die Dachstühle, so ist eine Abgrenzung zwischen Pseudobasilika und Spanien kaum möglich; gleichartige Konstruktionen vermitteln je nach Dachneigung und Gewichtigkeit der Arkaden eher den einen oder eher den anderen Eindruck.
Abgrenzung zur Staffelhalle
Bei Pseudobasiliken ragt das Mittelschiff ein Geschoss höher als die Seitenschiffe. Seine Gewölbe beginnen in Höhe der Scheitel der Seitenschiffsgewölbe oder noch höher. Im Gegensatz zur echten Basilika erhält das Mittelschiff aber kein Licht durch Fenster oberhalb der Seitenschiffe.
Bei Staffelhallen hingegen überlappen sich die Höhenbereiche der Mittelschiffs- und der Seitenschiffsgewölbe.
Manchmal ist die Zuordnung zu einer dieser ähnlichen Bauformen schwierig. Die Kämpfer der Mittelschiffsgewölbe können mit Kapitellen betont sein, die deutlich unterhalb der Höhe liegen, in der die Dienste die Senkrechte verlassen. Die Scheitelpunkte der Seitenschiffsgewölbe können deutlich höher liegen als die Scheitelpunkte der Arkadenbögen.
Basilika
- Stepped hall church.png
Staffel- = Stufenhalle
- Hall church central nave wider.png
Hallenkirche
- Longitudinal & travers barrel vaults.png
romanische Staffelhalle mit
Längstonne u. Quertonnen
Echte Pseudobasiliken sind wesentlich seltener als Stufenhallen. Manchmal ist das erhöhte Mittelschiff außen durch einen Knick in der Dachfläche erkennbar, oder die separaten Seitenschiffdächer enden direkt unter dem Dachtrauf des Hauptschiffes.
Pseudobasiliken werden manchmal auch als reduzierte Basiliken, seltener als Stutzbasiliken bezeichnet. Gelegentlich gliedern aufgemalte Fenster die Obergaden, so dass die Illusion einer echten Basilika entsteht. Diese Illusionsmalereien täuschen bisweilen reiche Maßwerkfigurationen vor (Stadtkirche Neustadt in Holstein).
Interpretation
Einige Kunsthistoriker interpretieren besonders die „reduzierten Basiliken“ als Resultate der beschränkten finanziellen Möglichkeiten der Bauherren oder als Ausdruck gewollter Bescheidenheit. Große Bauprojekte wie etwa der Wiener Stephansdom (Staffelkirche) deuten allerdings darauf hin, dass speziell der Bautypus der Stufenhalle von den mittelalterlichen Baumeistern und Stiftern durchaus hoch geschätzt wurde. Die Kunsthistoriker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts meinten hier oft, eine architektonische Unvollkommenheit solcher Sakralbauten erkennen zu können.
Beispiele
Santi Pietro e Paolo in Tortona
Heiliggeist-Kathedrale in Hradec Kralové
Listen
Literatur
- Norbert Nussbaum: Deutsche Kirchenbaukunst der Gotik. 2. völlig überarbeitete Neuauflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, ISBN 3-534-12542-8.
- Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst der Gotik. Architektur, Skulptur, Malerei. Fotografien von Achim Bednorz. Könemann im Tandem-Verlag, Königswinter 2004, ISBN 3-8331-1038-4.
- Matthias Untermann: Handbuch der mittelalterlichen Architektur. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-20963-7.
Weblinks
Einzelnachweise