Mondkalender (Astrologie)

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Der Mondkalender (auch Lunar und Monatsregeln bzw. Zwölfmonatsregeln,[1] lateinisch regimina duodecim mensium[2]) ist die Kombination eines astronomischen Lunarkalenders mit einem Interpretationssystem, das sich aus der frühen Astronomie sowie der Iatroastrologie herleitet und heute noch in der Astrologie Verwendung findet.

Die Textgattung Lunare (von lateinisch luna, ‚Mond‘) wird von Christoph Weißer definiert als „Kurztexte, die zu den 30 Tagen (Lunationen) eines von Neumond zu Neumond zählenden Mond-Monats Prognosen (bis zum Ende des Mittelalters zum Beispiel Krankheitsprognosen)[3] bieten und demgemäß über eine konstante 30gliedrige Struktur verfügen“ und dem Komplex der Laienastrologie zuzuordnen sind.[4]

Vorläufer waren Mond-Omina in Mesopotamien und ähnliche Vorhersagen im alten Ägypten.[5] Mondwahrsagetexte, auch Mondbücher genannt, bezeichnen alle Texte bei denen Zukunftsprognosen mit dem Mond in Beziehung gebracht werden. Brévart unterteilt die entsprechenden Texttypen in Lunare, Zodiakalmondbücher, Mondbücher nach den 28 Mondstationen, Planetentraktate, Magische Zodiakalmondbücher und Spezialprognosen nach dem Mond.[6]

Schon seit Jahrhunderten finden bestimmte Mondperioden (zu- und abnehmend, auf- und absteigend) bei land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten Beachtung. Nach alter Überlieferung sollte man bestimmte Arbeiten stets zur „richtigen“ Zeit erledigen, da es je nach Anwendung sowohl „günstige“ wie auch „ungünstige“ Zeiträume gibt.

Seit etwa den 1980er Jahren erfährt die Beachtung dieser Zeitqualität über die im Handel erhältlichen Mond- oder Aussaatkalender zunehmenden Anklang. Diese Werke sind hinsichtlich der Beachtung der Mondkonstellationen teilweise sehr detailliert ausgearbeitet. Im Rahmen dieser neuen Renaissance werden diese Kalender auch in – über die ursprüngliche Verwendung hinausgehendem – anderem Zusammenhang benutzt.

Land- und forstbauliche Mondkalender

Die Wurzeln des agrarischen lunaren Kalenders liegen in mittelalterlichen Bauernkalendern, die zum Beispiel im Hundertjährigen Kalender aus dem mittleren 17. Jahrhundert überliefert sind. Diese waren an kalendertechnisch alten Lunarkalendern orientiert.

Folgende Mondperioden sind – je nach Volksglauben oder astrologischer Schule – für das Pflanzenwachstum relevant:

  1. Phasen der Zu- und Abnahme des Mondes, die eigentlichen Mondphasen (synodischer Mondrhythmus)
  2. Unterschiedliche Entfernung des Mondes zur Erde (Supermond und Lilith) (anomalistischer Mondrhythmus)
  3. Auf- und absteigender Mond, d. h. abwechselnd nördlich des Himmelsäquators – hochstehend – und südlich des Himmelsäquators – tiefstehend (tropischer Mondrhythmus)
  4. Mondstände in den Tierkreiszeichen (siderischer Mondrhythmus)

Beispiele für angebliche Zusammenhänge zwischen astrologischen Konzepten und Land- oder Forstwirtschaft:

  • Das Ernten und Einlagern von Getreide soll bei abnehmendem Mond geschehen. Das Getreide sei dann haltbarer und nicht so anfällig für Käfer- und Schimmelbefall. Die Aussaat von Halmfrüchten (Getreide) solle dagegen bei zunehmendem Mond erfolgen, und zwar bevorzugt dann, wenn der Mond in einem Feuerzeichen (Fruchtzeichen) stehe. Dies ermögliche rasches und sicheres Auflaufen, schnellen Bodenschluss und dadurch verringerte Erosionsanfälligkeit. (Andere Quellen verweisen in diesem Zusammenhang auf den auf- bzw. absteigenden Mond.)
  • Es wird behauptet, Holz, das die ersten acht Tage nach dem Dezember-Neumond im Tierkreiszeichen Wassermann geschlagen wird, verziehe sich als Bauholz nicht.

Verschiedene Methoden

Innerhalb des agrarbezogenen Mondglaubens gibt es erhebliche Unstimmigkeiten in der Methodik, die Tierkreiszeichen und Sternbilder mit dem siderischen Monat zu korrelieren: Auf der einen Seite stehen die Erfahrungen von Thun (2001), auf der anderen Seite Untersuchungen, die überwiegend die Thun’schen Versuchsergebnisse nicht nachvollziehen konnten. Spiess (1994) konnte in seinen mehrjährigen Versuchen die Thun’schen Aussaat-Empfehlungen zu lunaren Rhythmen nicht bestätigen. Er führt dies darauf zurück, dass Thun sich nach den Sternbildern, er selbst hingegen – wie auch Paungger & Poppe (1991) – sich nach den Tierkreiszeichen („Sternzeichen“) richtet. Zwischen Sternbildern und Tierkreiszeichen besteht aber derzeit ein Unterschied von etwa 30 Bogengraden (siehe Präzession, Zyklus der Präzession), was beim Mondumlauf einen Zeitunterschied von durchschnittlich 2,3 Tagen ausmacht.

Es gibt also derzeit zwei widersprüchliche vorherrschende Betrachtungsweisen: Thun orientiert sich an der indischen Astrologie (sog. „siderischer“ Tierkreis), Paungger & Poppe dagegen am Analogieprinzip der westlichen Astrologen und damit an den Tierkreiszeichen (sog. „tropischer“ Tierkreis).

Ein Beispiel aus dem Mondkalender 2001: Nach Paungger & Poppe stünde in Deutschland ein zunehmender Mond vom 4. April 20 Uhr bis 6. April 23 Uhr (also gut zwei Tage lang) im Zeichen Jungfrau, wogegen er nach Thun in dieser Zeit noch im Löwen stünde und erst am 6. April 12 Uhr in das Jungfrau-Zeichen einträte (bezogen auf mitteleuropäische Sommerzeit). Die jeweils empfohlenen Termine liegen bis zu drei Tage auseinander.

Auch gibt es in der Literatur unterschiedliche Ansichten über die Ausdehnung der Tierkreiszeichen (Gleichabständiges Modell, Konstellationsgrenzen), oder über die Qualität und Beurteilung der verschiedenen Perioden des Mondes.

Kritik

Da die Gezeiten im gleichen Rhythmus wie die Mondphasen schwanken, gibt es eine gesicherte Korrelation zwischen Mondphasen und den von den Gezeiten beeinflussten Rhythmen von Meereslebewesen. Zu einem eventuellen Einfluss des anomalistischen Mondrhythmus (Abstand des Mondes zur Erde) und den tropischen (auf- und absteigenden Mond) gibt es keine sichere Bestätigung. Untersuchungen an Phänologischen Kalendern lassen zwar eine Korrelation mit den synodischen Ereignissen im Jahreslauf zu, sind aber nicht signifikant. Die Einflüsse klimatischer und meteorologischer Faktoren sind deutlich ausgeprägter.

Duhamel du Monceau widerlegte in einer Studie zwischen 1732 und 1736 die These, im abnehmenden Mond geschlagenes Holz sei haltbarer als das zu anderen Mondphasen geschlagene. Auch Hermann Knuchel kommt in groß angelegten Versuchen in den 1920er-Jahren zu keinem anderen Ergebnis. Allgemein kann gesagt werden, dass Untersuchungen forsttechnischer Aspekte an Baumbeständen des Alpenraums und anderen von der modernen Forsttechnik geringfügiger beeinflussten Wäldern von deutlich höherer Aussagekraft sind. (Siehe hierzu den Artikel Mondholz).

Weitere vermeintliche Zusammenhänge prüften Ivan Kelly, James Rotton und Roger Culver anhand von über 100 Studien über allfällige Einflüsse der Mondphasen auf Verbrechen, Selbstmorde, Geisteskrankheiten, Umweltkatastrophen und der Geburtenrate.[7] Sie kommen zum Schluss, dass es keinerlei signifikante Korrelationen zwischen dem Vollmond und folgenden "Effekten" gibt:

  • Mordrate und Selbstmorde
  • Verkehrsunfälle, Notrufe an Polizei oder Feuerwehr
  • Gewalt in der Familie, Gewalt im Gefängnis
  • Überfälle, Entführungen
  • Schusswunden, Messerstechereien
  • Alkoholismus
  • Einweisungen in Nervenheilanstalten
  • Schlafwandeln
  • Lykanthropie, Vampirismus

Weitere Verwendungen des Mondkalenders

Neben der ursprünglichen[8] Verwendung von Mondkalender und Monatsregimen (lateinisch regimen duodecim mensium) im agrarischen, diätetischen[9][10][11] und medizinischen[12][13][14][15] Bereich,[16][17][18] werden heute astrologisch orientierte Mondkalender in unterschiedlichen Lebensbereichen benutzt: Wann sollen Haare und Nägel geschnitten werden, oder wann ist der beste Termin für geschäftliche Entscheidungen, Feiern oder magische Rituale?

Diese Verwendung im sozio-kulturellen Kontext findet sich im Grenzgebiet zwischen Esoterik und Pseudowissenschaft, Mode und Aberglaube. Im Rahmen der kosmobiologischen Empfängnisverhütung wird der Mondkalender zur angeblichen Bestimmung der fruchtbaren Tage der Frau genutzt. Die unterschiedlichen Interpretationssysteme, die in Mondkalendern verwendet werden, lassen einen breiten Spielraum für widersprüchliche, persönlich gefärbte und zumeist unwissenschaftliche, widerlegte Aussagen.

Siehe auch

Literatur

  • Gottfried Briemle: Der Unterschied zwischen Sternzeichen und Sternbildern. In: Oberösterreichischer Volkskalender 2002. Verlag Oberösterr. Bauernbund, Linz, 2002, S. 71–78.
  • Gundolf Keil: Randnotizen zum „Stockholmer Arzneibuch“. In: Studia neophilologica. Band 44, Nr. 2, 1972, S. 238–262, hier: S. 242–247.
  • Gundolf Keil: Die Grazer frühmittelhochdeutschen Monatsregeln und ihre Quelle. In: Gundolf Keil, Rainer Rudolf, Wolfram Schmitt, Hans Josef Vermeer (Hrsg.): Fachliteratur des Mittelalters. Festschrift Gerhard Eis. Metzler, Stuttgart 1968, S. 131–146.
  • Gundolf Keil: Eine lateinische Fassung von Meister Alexanders Monatsregeln. Bairische Gesundheitsregeln aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. In: Ostbairische Grenzmarken. Band 4, 19160, S. 123–138. Auch in: Medizin im mittelalterlichen Abendland. Hrsg. von Gerhard Baader und Gundolf Keil, Darmstadt 1982 (= Wege der Forschung. Band 363), S. 228–259.
  • Agi Lindgren: Eine altschwedische Fassung von „Meister Alexanders Monatsregeln“. In: „gelêrter der arzeniê, ouch apotêker“. Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte. Festschrift zum 70. Geburtstag von Willem F. Daems. Hrsg. von Gundolf Keil, Horst Wellm Verlag, Pattensen/Hannover 1982 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 24), ISBN 3-921456-35-5, S. 201–321.
  • J. Paungger, T. Poppe: Vom richtigen Zeitpunkt. Die Anwendung des Mondkalenders im täglichen Leben. Hugendubel-Verlag, München, 1993.
  • Ortrun Riha: Die „Utrechter Monatsregeln“: Untersuchungen zur Textgeschichte. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 3, 1985, S. 61–76.
  • H. Spiess: Chronobiologische Untersuchungen mit besonderer Berücksichtigung lunarer Rhythmen im biologisch-dynamischen Pflanzenbau. In: Schr. R. f. Biologisch-Dynamische Forschung. Band 3, Darmstadt 1994.
  • M. Thun, M. K. Thun: Aussaattage. M. Thun-Verlag, Biedenkopf, 2001.
  • K.-P. Endres, W. Schad: Biologie des Mondes. Mondperiodik und Lebensrhythmen. S. Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig, 1997.
  • Christoph Weißer: Das Krankheitslunar aus medizinischer Sicht. Ein Beitrag zur iatromathematisch-astrologischen Fachliteratur des Mittelalters. In: Sudhoffs Archiv. Band 65, 1981, S. 390–400.
  • Christoph Weißer: Studien zum mittelalterlichen Krankheitslunar. Ein Beitrag zur Geschichte laienastrologischer Fachprosa. (Medizinische Dissertation Würzburg). Königshausen & Neumann, Würzburg 1982 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 21).
  • H. Groschwitz: Mondzeiten. Zu Genese und Praxis moderner Mondkalender. Waxmann-Verlag, Münster 2008 (= Regensburger Schriften zur Volkskunde/Vergleichenden Kulturwissenschaft, 18).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karin Häfner: Studien zu den mittelniederdeutschen Zwölfmonatsregeln (Medizinische Dissertation Würzburg). Königshausen & Neumann, Würzburg 1975 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 3).
  2. Gundolf Keil: Monatsregeln (Zwölfmonatsregeln, regimina duodecim mensium). In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1003 f.
  3. Christoph Weißer: Krankheitslunar. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 804.
  4. Christoph Weißer: Lunar. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 870 f.
  5. Christoph Weißer: Lunare. In: Verfasserlexikon. 2. Aufl., Band 5, Sp. 1054–1062.
  6. Francis B. Brévart: Mondwahrsagetexte. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 6, Sp. 674–681.
  7. Kuffner-Sternwarte: Studien widerlegen behauptete Mondeinflüsse
  8. Frank-Dieter Groenke: Die frühmittelalterlichen lateinischen Monatskalendarien. Text - Übersetzung - Kommentar. Medizinische Dissertation FU Berlin 1986.
  9. Rainer Reiche: Einige lateinische Monatsdiätetiken aus Wiener und St. Galler Handschriften. In: Sudhoffs Archiv. Band 57, 1973, S. 113–141.
  10. Hans-Rudolf Fehlmann: Diätetische Monatsregeln in einem „Handbuch der Heilkunde“ aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. In: Orbis pictus. Kultur- und pharmaziehistorische Studien. Festschrift Wolfgang-Hagen Hein. Hrsg. von Werner Dressendörfer und Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Frankfurt am Main 1985, S. 103–117.
  11. Ortrun Riha: Die diätetischen Vorschriften der mittelalterlichen Monatsregeln. In: Licht der Natur. Medizin in Fachliteratur und Dichtung. Festschrift für Gundolf Keil zum 60. Geburtstag (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Nr. 585). Kümmerle, Göppingen 1994, ISBN 3-87452-829-4, S. 339–364.
  12. Gerhard Eis: Meister Alexanders Monatsregeln. In: Lychnos. Band 19, 1950, S. 104–136.
  13. Ortrun Riha: ‚Meister Alexanders Monatsregeln‘. Untersuchungen zu einem spätmittelalterlichen Regimen duodecim mensium mit kritischer Textausgabe. Pattensen, jetzt Würzburg 1985 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 30) ISBN 3-921456-41-X.
  14. Christoph Weißer: Zur Kompilationstechnik spätmittelalterlicher Lunar-Autoren. Versuch einer Analyse am Beispiel des Sammellunars aus der Augsburger Handschrift 2° Cod. 67. In: Dominik Groß und Monika Reininger (Hrsg.): Medizin in Geschichte, Philologie und Ethnologie: Festschrift für Gundolf Keil. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, S. 177–186
  15. Christoph Weißer: Mittelalterliche Krankheitsprognostik: Zwei bisher unveröffentlichte Darmstädter Lunartexte. Ein Zwischenbericht zum Stand der Forschung. In: Würzburger Fachprosa-Studien. Beiträge zur mittelalterlichen Medizin-, Pharmazie- und Standesgeschichte aus dem Würzburger medizinhistorischen Institut, [Festschrift] Michael Holler zum 60. Geburtstag. Königshausen & Neumann, Würzburg 1995 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 38), ISBN 3-8260-1113-9, S. 79–97.
  16. Karl Sudhoff: Medizinische Monatsregeln für Aderlaß, Schröpfen, Baden, Arzneigebrauch und Auswahl der Speisen und Getränke aus einer Pariser Handschrift des 14. Jahrhunderts. In: Sudhoffs Archiv. Band 2, 1909, S. 136–139.
  17. Gundolf Keil: Kasseler Monatsregeln. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 4, Sp. 1050 f. (zu einem Sammel-Zodialogium aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts).
  18. Johanna Maria van Winter: Middelnederlandse voedings- en gezondheidsregels per maand en per seizoen: geleerde raadgevingen voor een ongeleerd publiek. In: Geneeskunde in nederlandstalige teksten tot 1600. Koninklijke Academie voor Geneeskunde van België, Brüssel 2012 (2013), ISBN 978-90-75273-29-8, S. 169–218.