Schleswig-Holstein Musik Festival

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Sitz des Schleswig-Holstein Musik Festival (Lübeck)
Sitz des Schleswig-Holstein Musik Festival (Lübeck) (Foto: 2020)
Datei:SHMF-Tafel mit Logo 2012.jpg
Werbetafel des Schleswig-Holstein Musik Festivals 2012 – mit dem Logo des SHMF
Gut Emkendorf: Picknick bei einem Musikfest auf dem Lande (Foto: 2001)

Das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) ist eines der größten klassischen Musikfestivals Europas (193.000 Besucher 2019). Es findet seit 1986 jährlich in den Sommermonaten an vielen verschiedenen Spielorten in Schleswig-Holstein sowie im angrenzenden Niedersachsen, in Hamburg und im Süden Dänemarks statt. Neben den großen Konzerthäusern bespielt das Festival auch ungewöhnliche Spielstätten wie z. B. Gutshäuser, Scheunen, Kirchen, Schlossparkanlagen, Fährschiffe und Werftgebäude. Gründungsidee des SHMF war es, klassische Konzerte im gesamten Bundesland und besonders in ländlichen Regionen zu veranstalten. Die Musikfeste auf dem Lande sind das Herzstück des Festivals und bieten auf verschiedenen historischen Gutsanlagen in Schleswig-Holstein ein kombiniertes Programm aus Konzerten, Musikvermittlung für Kinder und kulinarischen Angeboten.

Von 1996 bis 2013 war das künstlerische Konzept des SHMF von jährlich wechselnden Länderschwerpunkten geprägt. Seit der Saison 2014 widmet das SHMF wechselnden Komponisten eine Retrospektive und lädt jedes Jahr einen herausragenden Künstler als sogenannten „Porträtkünstler“ ein, den Festivalsommer mit einer eigenen Konzertreihe und Workshops in Schleswig-Holstein zu verbringen. Seit 2002 wird auch das Jazzfestival JazzBaltica von der Stiftung Schleswig-Holstein Musik Festival getragen.

Gründung und Leitung

Der Pianist und Dirigent Justus Frantz, Gründer des Schleswig-Holstein Musik Festivals (Foto: 2006)

Das Festival wird von der 1995 gegründeten Stiftung Schleswig-Holstein Musik Festival ausgerichtet, die ihren Sitz bis 2019 im Schloss Rantzau in der Altstadt von Lübeck hatte.

1985 entwickelten Justus Frantz, Helmut Schmidt und Uwe Barschel gemeinsam die Idee eines länderübergreifenden Festivals in Schleswig-Holstein, um mehr kulturelles Leben in das ländliche Bundesland zu bringen. Innerhalb kurzer Zeit konnten für die Idee prominente Unterstützer wie Leonard Bernstein gewonnen werden. Dieser trug maßgeblich dazu bei, dass bereits 1986 zur ersten Ausgabe des Festivals renommierte Musiker wie Yehudi Menuhin, Anne-Sophie Mutter, Svjatoslav Richter oder Mstislaw Rostropowitsch auftraten.[1]

Die Intendanz hatte von der Gründung an neun Jahre lang Justus Frantz inne. Ihm folgte von 1996 bis 1998 Franz Willnauer. Gemeinsam mit Christoph Eschenbach als Künstlerischem Leiter leitete Rolf Beck 1999 bis 2002 das Festival, von 2002 bis 2013 war er alleiniger Intendant. Seit dem 1. Oktober 2013 leitet Christian Kuhnt das SHMF.[2] Das Jazzfestival JazzBaltica fand erstmals 1991 statt und gehört seit 2002 zum Schleswig-Holstein Musik Festival, wird also ebenfalls von der Stiftung getragen und organisiert.

Förderverein Schleswig-Holstein Musik Festival e. V.

Der Verein Schleswig-Holstein Musik Festival e. V. besteht seit der Gründung des Festivals 1985. In den ersten Jahren war er hauptverantwortlich für die Organisation des Festivals, für die heute die Stiftung zuständig ist. Der Verein vertritt nach wie vor maßgeblich die Grundidee des Festivals, Kultur in ländliche Regionen zu bringen: Von den aktuell über 7.500 Mitgliedern engagieren sich zahlreiche als ehrenamtliche Ortsbeiräte, die für die kulinarische Verpflegung der Künstler während der Konzerte zuständig sind und das Festival vor Ort in ihren Gemeinden vertreten. Auch in der Finanzierung des SHMF spielt der Verein durch Mitgliedsbeiträge und Spenden eine wichtige Rolle.

Sponsoren und Unterstützer

Das Schleswig-Holstein Musik Festival wird durch das Engagement der Wirtschaft in Schleswig-Holstein und Hamburg unterstützt. Medienpartner ist der Norddeutsche Rundfunk. Darüber hinaus wird das Festival von zahlreichen Konzertsponsoren und Produktpartnern sowohl finanziell wie durch Produktspenden unterstützt. Kleine und mittelständische Unternehmen können sich zudem als Mitglied der Unternehmerinitiative Wirtschaft & Musik als Sponsoren einbringen. Die weitere Finanzierung des Festivals setzt sich zusammen aus einem durch die Stiftung aufgebrachten Anteil, Förderung durch das Land Schleswig-Holstein und den Einnahmen aus Kartenverkäufen.

Exzellenzförderung

Mit verschiedenen Initiativen von überregionaler Ausstrahlung engagiert sich das SHMF in der Förderung talentierter junger Musiker.

Schleswig-Holstein Festival Orchestra

Das Schleswig-Holstein Festival Orchestra wurde 1987 von Leonard Bernstein gegründet und versammelt jährlich etwa 120 internationale Musikstudenten im Alter von höchstens 26 Jahren, die bei weltweiten Probespielen in 30 Städten in Nord- und Südamerika, Asien, Europa sowie im Nahen Osten ausgewählt werden. Als Stipendium erhalten die Musiker neben Unterkunft und Verpflegung Kammermusik- und Stimmgruppenunterricht bei renommierten Hochschullehrern und Orchestermusikern. Principal Conductor ist seit 2004 Christoph Eschenbach. Darüber hinaus musizieren jedes Jahr namhafte Solisten und Dirigenten mit dem Klangkörper.

Meisterkurse

Im Rahmen von Meisterkursen haben junge Musiker aus aller Welt jedes Jahr die Möglichkeit, in den Räumlichkeiten der Musikhochschule Lübeck Unterricht bei Künstlern und Pädagogen zu erhalten. In Konzerten werden die Ergebnisse aus dem Einzel- oder Ensembleunterricht schließlich präsentiert.

Zusammenarbeit mit „Jugend musiziert“

Seit 2008 fördert das SHMF mit der Konzertreihe Meisterschüler – Meister Preisträger des Bundeswettbewerbs von „Jugend musiziert“. Sie treten im Festivalsommer gemeinsam mit international bekannten Instrumentalisten auf.

Auch der Förderpreis der Sparkassen-Finanzgruppe wird an Preisträger von „Jugend musiziert“ verliehen. Bei einem der fünf „Musikfeste auf dem Lande“ wird der mit 5.000 Euro dotierte Preis für jährlich wechselnde Instrumente ausgelobt. Daneben wird auch ein mit 500 Euro dotierter Publikumspreis vergeben.

„Leonard Bernstein Award“

Benannt nach dem Mitbegründer des SHMF wird seit 2002 jährlich der Leonard Bernstein Award an einen herausragenden jungen Musiker verliehen. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis ist international hoch angesehen und wird im Rahmen eines gemeinsamen Konzerts von Preisträger und Festivalorchester vergeben.

Preisträger des Leonard Bernstein Awards

Jahr Name Instrument
2002 Lang Lang Klavier
2003 Lisa Batiashvili Violine
2004 Erik Schumann Violine
2005 Jonathan Biss Klavier
2006 Alisa Weilerstein Violoncello
2007 Martin Grubinger Schlagwerk
2008 Anna Vinnitskaya Klavier
2009 Leonard Elschenbroich Violoncello
2010 Kit Armstrong Klavier
2011 David Aaron Carpenter Viola
2012 Cameron Carpenter Orgel
2013 Jan Lisiecki Klavier
2014 Christopher Park Klavier
2015 Krzysztof Urbański Dirigat
2016 Felix Klieser Horn
2017 Kian Soltani Violoncello
2018 Charles Yang Violine
2019 Emily D’Angelo Gesang
2020 Stathis Karapanos Flöte
2021 Isata Kanneh-Mason Klavier
2022 Sean Shibe Gitarre

Hindemith-Preis

Hauptartikel Hindemith-Preis (inklusive aller Preisträger)

Der Hindemith-Preis wird seit 1990 verliehen und zeichnet besonders talentierte junge Komponisten aus. Er ist mit 20.000 Euro dotiert und einem Kompositionsauftrag verbunden. Das neu entstandene Werk wird im Rahmen der darauffolgenden Festival-Saison uraufgeführt.

Musikvermittlung

Neben der Exzellenzförderung hat das SHMF auch verschiedene Initiativen der Musikvermittlung.

Der Festivalchor wird jährlich aus ca. 100 erfahrenen Laiensängern zusammengesetzt. Hierfür finden Vorsingen in der Region des Festivals statt. Unter der Leitung von Nicolas Fink studiert der Chor jedes Jahr mehrere Programme ein, die a cappella oder in Kooperation mit verschiedenen Orchestern im Rahmen des Festivals zur Aufführung kommen.

Seit 2015 gibt es außerdem das Format eines Wochenendworkshops mit 80 Kindern und Jugendlichen. Workshops leiteten bereits der Percussionist Martin Grubinger, der Jazzposaunist Nils Landgren, der Mandolinist Avi Avital und die Klarinettistin Sabine Meyer. Das Finale jeden Workshops bildet ein großes Abschlusskonzert in der ACO-Thormannhalle in Rendsburg-Büdelsdorf.

Auch in der Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche engagiert sich das SHMF: Neben Familienkonzerten und den Kindermusikwerkstätten bei den „Musikfesten auf dem Lande“ gibt es seit 2003 auch die Kindermusikfeste, die nicht nur Konzerte für Kinder bieten, sondern auch ein Rahmenprogramm zum Mitmachen.

2017 fanden erstmals Konzerte unter dem Titel Zoom statt. Hier wird ein Werk unter Moderation des Dirigenten vom Schleswig-Holstein Festival Orchestra zweimal hintereinander gespielt: Beim ersten Mal verteilt sich das Orchester im Publikum. Indem die Zuhörer direkt neben einzelnen Orchestermusikern sitzen und das Stück neu wahrnehmen können, sollen sie ein besonderes Konzerterlebnis genießen können. Anschließend wird das Werk noch einmal auf der Bühne gespielt, sodass das Publikum die zuvor gehörte Einzelstimme nun mit dem Gesamtklang in Verbindung setzen kann.

Programmatische Schwerpunkte

Seit 1996 gibt es beim SHMF programmatische Schwerpunkte, die einen Bogen über das ganze Festival spannen. Bis einschließlich 2013 waren es einzelne Länder, die vom Festival in den Vordergrund gerückt wurden. Dabei traten Künstler aus den entsprechenden Ländern auf, und neben dem klassischen Repertoire standen auch Konzerte mit traditioneller Musik auf dem Programm.

Mit der Intendanz von Christian Kuhnt im Jahr 2013 wurde der bisherige Länderschwerpunkt durch eine Komponisten-Retrospektive und den sogenannten Porträtkünstler ersetzt.

Länderschwerpunkte (bis 2013)

Jahr Länderschwerpunkt
1996 Österreich
1997 Norwegen
1998 Italien
1999 Frankreich
2000 USA
2001 Finnland
2002 Spanien/Lateinamerika
2003 Großbritannien
2004 Tschechien
2005 Japan
2006 Niederlande
2007 Ungarn
2008 Russland
2009 Deutschland
2010 Polen
2011 Türkei
2012 China
2013 Baltische Staaten

Komponistenretrospektive und Künstlerporträt (ab 2014)

Jahr Komponisten-Retrospektive Porträtkünstler
2014 Felix Mendelssohn Bartholdy Sol Gabetta
2015 Peter Tschaikowsky Martin Grubinger
2016 Joseph Haydn András Schiff
2017 Maurice Ravel Avi Avital
2018 Robert Schumann Sabine Meyer
2019 Johann Sebastian Bach Janine Jansen
2020 Carl Nielsen Xavier de Maistre
2021 Franz Schubert Hélène Grimaud
2022 Johannes Brahms Omer Meir Wellber
2023 Daniel Hope

Spielorte und Spielstätten

Jedes Jahr finden Konzerte des SHMF an mehr als 60 Orten und in über 100 Spielstätten statt, was das Festival zu einem der größten Festivals Europas macht.

Literatur

  • Alexander Bernstein, Christian Kuhnt (Hrsg.): Leonard Bernstein. I fell in love with Schleswig-Holstein. Wachholtz Verlag, Kiel/Hamburg 2018, ISBN 978-3-529-05198-2.
  • Axel Nickolaus: SHFO. Schleswig Holstein Festival Orchester 1989–2014. Portofolia Verlag, Kiel 2014, ISBN 978-3-945638-01-9.
  • Ulrike Ohl: Da ist Musik drin. Die Spielstätten des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Wachholtz, Neumünster/Hamburg 2014, ISBN 978-3-529-06306-0.
  • Axel Nickolaus, Michael Ruff u. a.: Schleswig-Holstein Musik-Festival. Das Fest zwischen den Meeren. Fotoband. Murmann, Hamburg 2006, ISBN 3-938017-53-8.
  • Schleswig-Holstein Musik Festival (Hrsg.): Das Schleswig-Holstein Musik Festival. Ein Land greift in die Saiten. Edition Braus, Heidelberg 1990, ISBN 3-925835-89-X.
  • Justus Frantz (Hrsg.): Unterwegs. Das Orchester des Schleswig-Holstein Musikfestivals. Eine poetische Bilderreise mit Leonard Bernstein und Sergiu Celibidache. Hamburg 1988.
  • Werner Burkhardt, Beatrice Kolster, u. a.: Sinfonien in Herrenhäusern und Scheunen. Das Schleswig-Holstein Musik Festival. Rasch und Röhring Verlag, Hamburg 1988, ISBN 3-89136-196-3.

Weblinks

Commons: Schleswig-Holstein Musik Festival – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Beatrice Kolster: Die Geschichte eines Erfolges. In: Werner Burkhardt, Beatrice Kolster, u. a.: Sinfonien in Herrenhäusern und Scheunen. Das Schleswig-Holstein Musik Festival. Rasch und Röhring Verlag, Hamburg 1988, S. 128–138, hier: S. 129.
  2. Joachim Mischke: Kuhnt bleibt SHMF-Chef bis 2022. (abendblatt.de [abgerufen am 11. Oktober 2018]).