Sir Gawain and the Green Knight

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Sir Gawain and the Green Knight.

Sir Gawain and the Green Knight (englisch; mittelenglisch Sir Gawayn and þe grene knyʒt; deutsch „Sir Gawain und der grüne Ritter“) ist eine mittelenglische Ritterromanze in der Tradition der Artusepik.

Überlieferung

Handschrift

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Cotton Nero A.x.

Sir Gawain and the Green Knight (SGGK) ist, zusammen mit drei anderen mittelenglischen Texten, in einer einzigen Handschrift überliefert: Cotton Nero A.x. (Art. 3). Diese wird auf etwa 1400 datiert und gibt sich damit als Abschrift zu erkennen, da die Sprache, in der die Romanze verfasst wurde, älter ist. Seit 1753 befindet sie sich im British Museum.

Bei den weiteren Werken der Handschrift handelt es sich um die Gedichte Purity (manchmal auch als Cleanness bezeichnet), Patience und Pearl; alle drei – im Gegensatz zum weltlicheren Artusstoff, auf dem SGGK aufbaut – deutlich religiös basierte Texte. Die Handschrift aller vier Dichtungen lässt einen einzigen Schreiber erkennen. Werktitel werden nicht genannt, und die grafische Absetzung der vier Werke durch farbige Initialen (die erste über 14, die anderen über 8 Zeilen) war offenbar so uneindeutig, dass sie zunächst als ein einziges zusammengehöriges Werk unter dem Titel Poesia in lingua Veter Anglikaner katalogisiert wurden. Dazu mag beigetragen haben, dass auch im Text selbst kolorierte, allerdings etwas kleinere, Initialen auftreten.

Die Reihenfolge der Gedichte ist: Pearl, Purity, Patience, Sir Gawain and the Green Knight.

Ferner sind auch Illuminationen enthalten, welche – mit Ausnahme dreier in SGGK – dem jeweiligen Gedicht vorangestellt sind. Von den zwölf im gesamten Manuskript enthaltenen Illustrationen beziehen sich vier auf die Ritterromanze (eine vor Beginn und drei nach Ende des Gedichts). Folgende Szenen sind abgebildet:

  • Gawain mit Axt vor Arthur, und vor dem enthaupteten Grünen Ritter zu Pferde, welcher den Kopf in der Hand trägt – beide Szenen in einer Illustration (fol.90b)
  • Die Schlossherrin betritt das Schlafgemach Gawains (fol.125a)
  • Gawain zu Pferde bei der Grünen Kapelle mit dem Grünen Ritter (fol.125b)
  • Gawain vor Arthur, nach seiner Rückkehr nach Camelot (fol.126a)

Tolkien/Gordon weisen darauf hin, dass maßgebliche Charakteristika in der Illustration teilweise nicht ausgeführt sind, beispielsweise sind Haupt und Haar des Grünen Ritters nicht grün dargestellt.

Am Ende des Manuskripts – und damit auch am Ende von SGGK – findet sich von anderer Hand der Eintrag: „Hony soyt qui mal pence“.

Autor

Der Verfasser von SGGK wird vom Großteil der Forschung auch heute noch als unbekannt angesehen, obwohl es einige Versuche gegeben hat, ihn zu identifizieren – beispielsweise als Mitglied des Hofs Johns of Gaunt (1340–1399), oder dem Enguerrands de Coucy (1339–1397). Diese Ansätze blieben jedoch alle ohne größeren Einfluss.

Es lässt sich nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob der Autor dem Klerus oder einem weltlichen Stand angehörte. Sicher ist einzig, dass er über eine weitläufige Bildung, sowohl im religiösen wie auch im säkularen – vor allem höfischen – Bereich verfügte, und diese mit Stilsicherheit, aber auch Humor, in seinem Werk verarbeitete.

Ob der Verfasser von SGGK ebenso der Urheber der drei anderen Gedichte des Manuskripts war, ist nicht völlig geklärt, gilt aber aufgrund sprachlicher und stilistischer Gemeinsamkeiten der vier Werke als sehr wahrscheinlich. Daher wird er in der Forschung auch häufig als „Gawain-Poet“ oder „Pearl-Poet“ bezeichnet.

Sprache

Dialekt

Der Text ist im mittelenglischen Dialekt der Nordwest-Midlands geschrieben, möglicherweise im Raum von Lancashire, und wird gewöhnlich auf das letzte Drittel des 14. Jahrhunderts datiert. Zusätzlich enthält er eine Vielzahl von Archaismen sowie Begriffe skandinavischen Ursprungs und stellt damit selbst Leser, die mit anderer mittelenglischer Dichtung, wie zum Beispiel Chaucers Werken, vertraut sind, nicht selten vor Probleme.

Metrik

SGGK ist eine Dichtung im Rahmen des „Alliterative Revivals“, des Wiederauflebens der traditionellen germanischen stabreimenden Dichtkunst in England, das sich Mitte des 14. Jahrhunderts vor allem im Nordwesten des Landes vollzog. Das Gedicht bedient sich der alliterativen Langzeile, die durch eine mittige Zäsur in zwei Kurzzeilen mit (gewöhnlich) je zwei Betonungen geteilt wird. Die betonten Silben „staben“ dabei miteinander: Sie weisen in ihrem Anlaut entweder denselben Konsonanten oder einen Vokal (jeglicher Art) auf.

In seiner Umsetzung der alliterativen Prinzipien verhält sich SGGK allerdings nicht völlig identisch zur ursprünglichen altenglischen Form: Der Dichter des mittelenglischen Werkes verwendet am Ende der in ihrer Länge variierenden Strophen einen endreimenden Abschluss, welcher als „bob and wheel“ bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um insgesamt fünf Zeilen, die erste eine einhebige Kurzzeile („bob“), die folgenden vier dreihebig („wheel“). Das Reimschema dieses Teils ist immer [a:baba]. In diesem Abschluss äußert sich häufig der Erzähler zusammenfassend zum Inhalt einer Strophe.

Inhalt

Zusammenfassung

Auf seiner Queste zur Grünen Kapelle, bei der ihm ein Schlagabtausch mit dem Grünen Ritter bevorsteht, den Gawain nicht zu überleben erwartet, kehrt er in Schloss Hautdesert ein.

Sein Aufenthalt dort ist geprägt von den drei Jagden des Schlossherrn, während derer dessen Frau Gawain dreimal zu verführen versucht. Zwar ist sie dabei erfolglos, doch ein kleiner Lapsus des Neffen Arthurs beweist spätestens im Duell mit dem Grünen Ritter seine menschliche Unvollkommenheit.

Aus dem Schlagabtausch geht Gawain für ihn überraschend fast völlig unverletzt hervor, macht sich jedoch fortan schwerste Vorwürfe, weil er dem ritterlichen Ideal nicht genügt zu haben glaubt. Bei seiner Rückkehr in Camelot muss der Neffe Arthurs schließlich feststellen, dass er mit seiner Selbstkritik alleine steht.

Die einzelnen Episoden

Die Herausforderung

Am Silvesterabend kommt ein riesenhafter, wild wirkender Ritter, der ebenso grün ist wie sein Ross, in Arthurs Halle geritten und fordert König und Tafelrunde spöttisch heraus: Wenn sie ihres großen Ruhmes würdig seien, so solle einer von ihnen die gigantische Axt nehmen, die er selbst mitgebracht habe, und einen Schlag gegen ihn führen. Überlebe er, der Grüne Ritter, dies, so würde er den Schlag genau ein Jahr später erwidern.

Arthur fährt erzürnt auf und schickt sich an, die Herausforderung selber anzunehmen. Da bittet Gawain, sein Neffe, darum, dies tun zu dürfen, was ihm gewährt wird. Und so schlägt der Verwandte Arthurs dem Grünen Ritter den Kopf ab. Der Riese jedoch fällt nicht tot zu Boden, sondern hebt nur sein Haupt auf, steigt, Kopf in der Hand, auf sein Pferd, und mahnt Gawain, nicht seinen Schwur zu vergessen, in einem Jahr zur Grünen Kapelle zu kommen, und dann dort den Vergeltungsschlag entgegenzunehmen. Daraufhin reitet er lachend fort.

Gawains Reise

Es ist Allerheiligen, als Gawain sich rüstet. Sein Schild trägt außen das Pentagramm, Zeichen der fünf Tugenden und damit höfischer und christlich-ritterlicher Vollkommenheit; innen ist das Bild Marias aufgemalt. So zieht er aus, um die Grüne Kapelle zu finden, und niemand vom Hof Arthurs erwartet, ihn lebend wiederzusehen.

Gawains Weg, auf dem ihm der Winter weit härter zusetzt als die Gefahren durch Wölfe, Drachen und Wilde Männer, führt ihn in die West Midlands. Dort erreicht er am Heiligen Abend Schloss Hautdesert, wo er freundlich und ehrenvoll empfangen wird. Gawain verbringt an diesem Ort die Weihnachtstage, und als der Schlossherr, dem er von seinem Ziel erzählt, ihm erklärt, dass die Grüne Kapelle nur zwei Meilen entfernt vom Schloss liege, willigt er ein, bis zum Tag des Duells auf Hautdesert zu verweilen.

Der Handel mit dem Schlossherrn

Der Schlossherr bittet Gawain, sich am folgenden Tag auszuruhen und später mit seiner Frau zusammen zu speisen. Dann schlägt er, dessen Name dem Ritter immer noch unbekannt ist, diesem einen Tauschhandel vor: Was immer er selbst am folgenden Tag erjage, solle Gawain gehören, der dafür geben solle, was ihm in der gleichen Zeit der Zufall beschere. Der Ritter willigt ein.

Am nächsten Morgen, der Schlossherr ist bereits auf der Jagd, betritt dessen Frau Gawains Gemach. Ihn, den für seine Minnedienste bekannten Ritter der Tafelrunde, versucht sie zu verführen, doch Gawain gelingt es, sich dem zu widersetzen, ohne es dabei an höfischer Etikette mangeln zu lassen. So bleibt es bei einem Kuss, welchen er, den Regeln des Tauschgeschäfts treu, am Abend an den Schlossherrn weitergibt – ohne zu sagen, von wem er ihn bekam – und dafür dessen Jagdbeute, eine Hindin, erhält.

Auch der zweite Tag vergeht auf diese Weise: Wieder ein abgewendeter Verführungsversuch, diesmal zwei Küsse, und wieder der Tausch mit dem Schlossherrn gegen dessen Beute, einen Eber.

Am dritten Tag lässt die Dame weiterhin nicht ab und bemüht sich erneut. Gawain gibt ihrem Werben zwar nicht nach, verweigert ihr auch das gewünschte Liebeszeichen und will nicht einmal ihren Gürtel als Geschenk annehmen. Als die Dame dann aber von dessen Fähigkeit erzählt, einen Menschen vor dem Tode zu bewahren, willigt Gawain, im Gedanken an das bevorstehende Treffen mit dem Grünen Ritter, schließlich ein und nimmt an. Sie bittet ihn noch, das Geschenk vor allem vor ihrem Mann zu verbergen, was er ihr auch verspricht.

Danach geht Arthurs Neffe zur Schlosskapelle und lässt sich die Beichte abnehmen, um seiner Sünden ledig am folgenden Tag dem Grünen Ritter gegenübertreten zu können. Der Gürtel kommt dabei nicht zur Sprache.

Dem Schlossherrn gibt Gawain am Abend, in Einlösung des Tauschhandels, für dessen Beute – einen Fuchs – die drei Küsse, die er des Tags erhalten hat. Auch hier erwähnt er den Gürtel nicht.

Das Duell mit dem Grünen Ritter

Am nächsten Tag legt der Ritter der Tafelrunde Rüstung und Gürtel an und bricht mit einem Führer zur Kapelle auf. Dieser warnt ihn noch vor dem Grünen Ritter und bittet ihn zu fliehen, doch Gawain lehnt ab und erreicht schließlich die Kapelle, die sich als Erdhöhle oder gar Hügelgrab entpuppt und nichts mit einer christlichen Kapelle gemein hat.

Der Grüne Ritter erscheint bald darauf, und Gawain nimmt seinen Helm ab, um den Axtschlag zu empfangen.

Beim ersten Schlag des Ritters zuckt er in Erwartung zusammen, und der grüne Riese hält inne und schilt ihn ob seiner Ängstlichkeit. Auch den zweiten Schlag führt sein Gegner nicht zu Ende, sondern stellt nur befriedigt fest, dass Gawain diesmal nicht zusammenschreckte. Dieser gerät in Wut und fordert seinen Gegner, endlich zuzuschlagen, was dieser dann auch befolgt. Trotz der Kraft des Schlags ritzt die Axtklinge Gawain jedoch nur die Haut. Als dieser nun, da er seine Verpflichtungen erfüllt weiß, zu den Waffen greift, hält der Grüne Ritter ihn auf und erklärt ihm seine Beweggründe:

Der erste und zweite Schlag wurde unterbrochen, da Gawain seinen Tauschvertrag auf dem Schloss am ersten und zweiten Tag ehrlich und treu erfüllt hatte. Nur am dritten Tag tat er dies nicht, und daher wurde der letzte Schlag ausgeführt.

Der Grüne Ritter berichtet ihm, dass er selbst, Bercilak, Herr von Hautdesert, die Verführungsversuche seiner Frau veranlasst habe, um Gawains Tugendhaftigkeit zu prüfen. Selbst dessen Fehlen am dritten Tag sieht er nicht als übermäßig verwerflich an, da Arthurs Neffe den Gürtel nicht aus Habgier oder Liebeswerben annahm, sondern aus dem menschlichsten aller Gründe – weil er sein Leben liebte. Gawain reagiert auf diese Erklärungen mit heftigen Selbstvorwürfen. Er klagt sich der Habsucht und Feigheit an, obwohl Bercilak ihm versichert, er sei nunmehr und durch sein Bekenntnis gereinigt und frei von jeglicher Schuld. Gawain jedoch erklärt, den Gürtel fortan immer zu tragen, als Zeichen seines Fehlens und der Schwäche des Fleisches.

Zuletzt legt Bercilak noch den Urheber seiner Herausforderung an Arthurs Hof offen: Es ist Morgan La Fay, die auf seinem Schloss wohnt und die Täuschung plante, um Königin Guinevere zu erschrecken.

Rückkehr an Arthurs Hof

Zurück auf Camelot erzählt Gawain von seinen Erlebnissen sowie seiner Schande – und findet sich unverstanden. Die Ritter lachen über das, was er als Schmach empfindet, und beschließen, sich alle einen grünen Gürtel zu beschaffen und diesen zu tragen – als Ehrenzeichen und zum Ruhme der Tafelrunde.

Forschung

SGGK ist ein sehr vielschichtiges Werk, das sich in seiner Zielsetzung nicht auf einen Konflikt, ja nicht einmal auf eine bestimmte Moral reduzieren lässt. Dies spiegelt sich auch in der Literatur zum Gedicht wider.

Quellen

Bei der Quellenfrage lassen sich grundsätzlich zwei Motivstränge unterscheiden: Enthauptung (oder Herausforderung) und Versuchung.

Für Herausforderung und Enthauptung stellt das mittelirische Werk Fled Bricrenn („Bricrius Fest“) die älteste Quelle dar (Handschrift ca. 1100, Erzählung selbst vermutlich 8. Jahrhundert), eine weitere das altfranzösische Livre de Caradoc („Buch von Caradoc“), welches, ebenfalls in der Artusthematik angesiedelt, die größten Gemeinsamkeiten mit SGGK aufweist.

Das Versuchungsszenario findet sich ebenfalls in der keltischen Literatur, nämlich im mittelkymrischen Mabinogion, wo in der Erzählung von Pwyll und Arawn (etwa 11. Jahrhundert) Pwyll, der Fürst von Dyfed, ein Jahr und einen Tag Gestalt und Reich mit Arawn, König von Annwn, tauscht und dabei auch mit dessen Frau in einem Bett schläft, ohne sie anzurühren (allerdings macht die Königin hier keinerlei Verführungsversuche).

Auch dieses Motiv ist nicht auf die keltische Literatur beschränkt, sondern tritt in ähnlicher Form im französischen Kulturkreis auf, hier beispielsweise in der anglonormannischen Romanze Yder, in der einerseits die Anweisung des Ehemanns zur Verführung enthalten ist, andererseits aber auch eine Warnung an den Ritter vor einer solchen Versuchung, und nicht zuletzt ebenfalls im Alten Testament.

Eine Vereinbarung, die Gewinne eines Tages zu teilen, findet sich im lateinischen Gedicht Miles Gloriosus, hier handelt es sich allerdings nicht um einen Austausch und dem Werk wird kein hoher Quellenwert für SGGK zugemessen.

Die Frage nach den Quellen ist in der jüngeren Forschung im Ganzen zugunsten von Deutungsproblemen einzelner Elemente wie auch des gesamten Textes in den Hintergrund getreten.

Interpretation

Kontrast: Höfische Welt – Christliche Lehre

Ein Grundkonflikt, der sich vor allem im Versuchungsszenario deutlich abbildet, ist der zwischen christlich-religiöser und höfischer Wertwelt: Der höfische Ritter Gawain, berühmt für seine Minnekunst, würde, gäbe er dem Werben der Schlossherrin nach, sich nicht nur gegen die Tugend der Keuschheit vergehen, sondern sich auch der Illoyalität, des Verrats, gegen den Burgherrn schuldig machen. Hier spielt der Dichter mit dem (nicht immer rühmlichen) Ruf Gawains als großem Liebhaber, den dieser Charakter in anderen Werken der Artusliteratur besitzt.

Eine wichtige Rolle in der Etablierung der Werte des Gedichts spielt auch die Schildbeschreibung. Das Pentagramm, „a syngne þat Salamon“ (Vers 625; ein Zeichen König Salomos), als Symbol der fünf Tugenden Freigebigkeit, Loyalität, Reinheit, Höfischheit, und, als höchste Tugend, Mitleid, bildet die ritterlichen Werte ab. Das Bild Marias auf der Innenseite des Schildes (Vers 649: „In þe inore half of his schelde hir ymage depaynted“) stellt einen Bezug zu den fünf Freuden der Himmelsköngin an ihrem Kinde her, aus denen Gawain all seinen Mut schöpft:

Þat alle his forsnes he feng at þe fyue joyez
Þat þe hende heuen-quene had of hir chylde (Vers 646–647).

Dennoch bleibt die Position des Dichters recht unklar. Ist sie wirklich so unbedingt christlich wie etwa Bloomfield meint? Steht der Verfasser eher hinter dem fröhlichen (Aus-)Lachen der Hofgesellschaft angesichts Gawains übertriebener Gewissensbisse – also eher auf der weltlich-höfischen Seite? Ist diese Darstellung des Unverständnisses für das spirituelle Dilemma eines Tiefgläubigen vielleicht eine implizite Kritik des Verfassers an der seiner Meinung nach zu hedonistischen Haltung dieser Zeit? Oder versteht die Hofgesellschaft das Dilemma viel besser, als es auf den ersten Blick scheint, und kritisiert durch ihren Beschluss nicht Gawain, sondern die Unbedingtheit eines für Sterbliche unerreichbaren Ideals (so Shoaf)?

Andere Aspekte

Mythologische Ansätze

Weniger Bedeutung haben heutzutage naturmythologische Deutungen, die (wie beispielsweise die Speirs’) Vegetationsmythos und Wiedergeburt heranziehen, welche sich im Grünen Ritter und dem Schlagabtausch manifestieren sollen. Ähnliches gilt für Moormans Interpretation der Handlung als Passageritus. Dabei ist nicht abzustreiten, dass der Grüne Ritter Charakteristika besitzt, die er mit mythologischen Figuren teilt (durch seine Farbe und die Verbindung zur ungezähmten Natur erinnert er etwa an den keltischen „Grünen Mann“). Sehr fraglich ist jedoch, welchen Einfluss derartige Anklänge auf das Gedicht ausüben (zur Problematik „anthropologischer Ansätze“ in SGGK wie in der Literaturtheorie allgemein äußerte sich C. S. Lewis detailliert, wenn auch nicht ganz ohne Polemik).

Heldenprüfung

Moralische Fragen besitzen hingegen einen sehr hohen Stellenwert in der Romanze. Dass die Heldenprüfung als Situation ethischer Bewährung ein essentieller Bestandteil des Gedichts ist, wird heute daher auch nicht mehr angezweifelt. Ob sie aber die ausschließliche Zielsetzung des Verfassers darstellt, bleibt weiterhin in der Diskussion – nicht zuletzt scheint das Gedicht selbst die Unbedingtheit ethischer Werturteile mittels der Reaktion von Arthurs Gefolge auf Gawains Selbstbezichtigungen in Frage zu stellen; und auch Bercilak ist in diesem Punkt anderer Meinung als der Romanzenprotagonist.

Komik und Ironie

Die diversen humorvollen Elemente, die SGGK aufweist, darunter etwa die vielen Momente des Lachens, haben manche Wissenschaftler dazu geführt, die Ernsthaftigkeit des gesamten Werkes in Frage zu stellen. Anhänger dieser Deutung erkennen im Gedicht daher einen im Ganzen erheblich leichteren, nicht selten sogar ironischen Ton. Auch Bloomfield spricht dem Werk die Fähigkeit zu, Geistreichtum, Ironie und Religiosität zulasten keines der anderen Aspekte zu vereinen. Inwieweit eine vollkommen ironische oder komische Interpretation gerechtfertigt ist, bleibt allerdings fraglich.

Jagden und Verführungsszenario

Dass eine enge Verbindung zwischen Jagd- und Versuchungsequenzen besteht, haben viele Forscher angesprochen. Gawains Rolle wird dabei häufig mit der der Jagdbeute verglichen. Wichtig ist hierbei, dass der Ritter erst am dritten Tag dem „Jäger“ zum Opfer fällt, aber auch er – wie der Fuchs – zu einer Zeit, zu der die Gefahr bereits überstanden zu sein scheint.

Mit der Verbindung der Jagd- und Verführungsszenen als Ausdruck sozialer Konsequenzen für moralische Verfehlungen hat sich Barron beschäftigt und sieht die Jagdszenen als Umschreibungen der Strafe Gawains an, hätte dieser der Verführung nachgegeben – eine Strafe für Hochverrat. Dabei postuliert Barron auch die Nähe der Beschreibungen zu historischen Strafen für dieses Vergehen (wie etwa das Vierteilen).

Erzähltechnik

In seiner Erzählung setzt der Dichter, wie Alain Renoir 1958 herausarbeitete (s. #Literatur), dramatische Perspektivenwechsel ein, die Kamerafahrten im Film ähneln. Er beweist zudem in seinen Beschreibungen eine genaue Kenntnis der mittelalterlichen höfischen Lebenswirklichkeit bis ins Detail (etwa beim Aufbrechen des Wildes in den Jagdszenen), des Sprachgebrauchs, der Kleidung und der Architektur, ebenso wie der Geographie seines Landes, was zu dem außerordentlichen Realismus seiner Beschreibungen führt.

Stellenwert

Trotz seiner so offensichtlichen Andersartigkeit in Sprache, Metrik, Stil und Erzählart wird „Sir Gawain and the Green Knight“ in seinem literarischen Wert heute meist mit den Werken Chaucers verglichen. In seinem Facettenreichtum, der lebendigen, farbigen und detailreichen Sprache, der Verarbeitung unterschiedlichster literarischer Einflüsse und der abgerundeten, schattierten Charakter-, Landschafts- und Situationszeichnung, brauchen weder der unbekannte Verfasser noch die Romanze den Vergleich zu scheuen.

Nachwirkung in Literatur und Film

Eduard Stucken verarbeitete SGGK zu dem Drama Gawân. Ein Mysterium, das 1901 im Druck erschien und 1907 in München uraufgeführt wurde.

Im Walt-Disney-Klassiker Die Schöne und das Biest war ursprünglich eine Szene eingeplant, in welcher die Protagonistin Belle die Schlossbibliothek des Biestes erforscht und eine Ausgabe von SGGK entdeckt. Diese Szene wurde jedoch gestrichen, für die Blu-ray-Veröffentlichung in der Diamond Edition aber aus Schwarz-Weiß-Skizzen zusammengeschnitten und nachsynchronisiert.

Die Ich-Erzählerin in Alice Munros Kurzgeschichte Wenlock Edge von 2005 schreibt für ihr Studium eine Hausarbeit zu Sir Gawain – und sie ähnelt Gawain: Sie schätzt die Situation, in der sie sich befindet, falsch ein, macht Kompromisse und ist beschämt, als sie die Wahrheit herausfindet, so Joanna Luft in einer literaturwissenschaftlichen Analyse von 2010. Erzähltechnisch baut Munro ihr Werk in miteinander verschränkten Behältern (emboîtement) auf und arbeitet mit zwei Arten von Emboîtement: mit einem des Raumes und mit einem der Ereignisse. Auch in Munros Wenlock Edge offenbart das emboîtement Verräterisches ebenso wie Komplizenhaftes in dem Beziehungsarrangement, in das sich die Hauptfigur selbst verwickelt hat.[1]

Sowohl in Camelot – Der Fluch des goldenen Schwertes aus dem Jahr 1984 als auch in der modernen Interpretation The Green Knight (2021) wird die Geschichte des Grünen Ritters filmisch festgehalten.

Literatur

  • R.A. Shoaf: The Poem as Green Girdle. Commercium in Sir Gawain and the Green Knight. University of Florida monographs. Humanities no. 55, 1984
  • Alfred Schopf: Die Gestalt Gawains bei Chrétien, Wolfram von Eschenbach und in „Sir Gawain and the Green Knight“. In: Karl Heinz Göller (Hrsg.): Spätmittelalterliche Artusliteratur, Symposion Bonn 1982. Paderborn 1984 (= Beiträge zur englischen und amerikanischen Literatur. Band 3), S. 85–104.
  • Barron, W.R.J. Trawthe and Treason. The Sins of Gawain Reconsidered. Manchester: Manchester UP, 1980.
  • Howard, Donald R.; Zacher, Christian (eds.). Critical Studies of Sir Gawain and the Green Knight. Notre Dame: University of Notre Dame Press, 1968.
  • Burrow, J.A. A Reading of Sir Gawain and the Green Knight. New York: Barnes and Noble, 1966.
  • Alain Renoir: Descriptive Technique in Sir Gawain and the Green Knight. Orbis Litterarum Volume 13, Issue 2 December 1958, pp. 126–132. onlinelibrary.wiley.com

Quellen

  • en:s:Sir Gawain and the Green Knight – Originaltext bei en.wikisource
  • Markus, Manfred (ed. and trans.). Sir Gawain and the Green Knight. Sir Gawain und der Grüne Ritter. Stuttgart: Reclam, 1974.
  • Tolkien, J.R.R.; Gordon, E.V.; Davis, Norman (eds.). Sir Gawain and the Green Knight. 2nd Ed. Oxford: Clarendon, 1967.
  • Tolkien, J.R.R.(trans.); Tolkien, Christopher (ed.). Sir Gawain and the Green Knight. Pearl. Sir Orfeo. London: Allen & Unwin, 1975.

Einzelnachweise

  1. Joanna Luft: Boxed In : Alice Munro’s “Wenlock Edge” and Sir Gawain and the Green Knight. In: Studies in Canadian Literature / Études en littérature canadienne (SCL/ÉLC), Volume 35, Number 1 (2010).

Weblinks