Quelltext der Seite Öffentliche Verwaltung für das österreichische Rundspruchwesen

Die '''Öffentliche Verwaltung für das österreichische Rundspruchwesen''' war als [[Treuhänder]]in des in [[Österreich]] gelegenen Vermögens der [[Reichs-Rundfunk-Gesellschaft]] von 1945 bis 1957 [[Staatlicher Rundfunk|staatlicher]] [[Rundfunkveranstalter]] in Österreich, bis 1953 allerdings beschränkt auf den Ostteil des Landes. Aus ihr ging der [[Österreichischer Rundfunk|Österreichische Rundfunk]] hervor; aufgelöst wurde sie 1962.

Am 29. April 1945 nahm [[Radio Wien (1924)|Radio Wien]]<ref>Margareta Saary: [https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_R/Radio_Wien.xml ''Radio Wien''], in: [[Oesterreichisches Musiklexikon]] (2005)</ref> unter Leitung von [[Oskar Czeija]] mit Unterstützung der [[O5|Widerstandsgruppe O5]] seinen Betrieb wieder auf,<ref>Reinhard Schlögl: ''Oskar Czeija: Radio- und Fernsehpionier, Unternehmer, Abenteurer.'' Böhlau, Wien 2005, ISBN 3-205-77235-0, [https://books.google.de/books?id=TlHbAAAAMAAJ&q=Widerstandsgruppe S. 146]–[https://books.google.de/books?id=TlHbAAAAMAAJ&q=29+April+1945 155]</ref> nachdem die Sender der österreichischen [[Radio-Verkehrs-AG]] (RAVAG) 1938 der deutschen Reichs-Rundfunk-Gesellschaft eingegliedert worden waren. Veranstalter war jetzt nicht wieder die 1939 aufgelöste<ref>[[Österreich-Lexikon]]: [http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.r/r223183.htm ''RAVAG'']; Margareta Saary: [https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_R/Reichssender_Wien.xml ''Reichssender Wien''], in: [[Oesterreichisches Musiklexikon]] (2005)</ref> RAVAG, sondern die neu geschaffene ''Öffentlichen Verwaltung für das österreichische Rundspruchwesen'' (im Folgenden: Öffentliche Verwaltung), die allerdings teilweise auch unter der etablierten Bezeichnung RAVAG auftrat. ''Öffentliche Verwalter''<ref>Verwaltergesetze: [https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1945_9_0/1945_9_0.pdf StGBl. Nr. 9/1945], [https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1946_75_0/1946_75_0.pdf BGBl. Nr. 75/1946], [https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1946_157_0/1946_157_0.pdf#page=5 BGBl. Nr. 157/1946]</ref> waren Oskar Czeija (August–November 1945), [[Siegmund Guggenberger]] (November 1945–1954, [[Österreichische Volkspartei|ÖVP]]), [[Wilhelm Füchsl]] (zweiter Verwalter 1952–1957, [[Sozialistische Partei Österreichs|SPÖ]]) und [[Alfons Übelhör]] (1954–1957, ÖVP). Die Öffentliche Verwaltung unterstand zuerst dem [[Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau|Handelsministerium]], von 1946 bis 1956 dem Verkehrsministerium ([[Karl Waldbrunner]])<ref>Bundesgesetz vom 25. Juli 1946 über die Besorgung der Geschäfte der obersten Bundesverwaltung ([https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1946_120_0/1946_120_0.pdf BGBl. Nr. 120/1946]), § 2 Abs. 2</ref> und dann der [[Bundesregierung (Österreich)|Bundesregierung]].<ref>Bundesgesetz vom 11. Juli 1956 über die Errichtung eines Bundesministeriums für Landesverteidigung und über die Neuordnung des Wirkungsbereiches einiger Bundesministerien ([https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1956_134_0/1956_134_0.pdf BGBl. Nr. 134/1956]), § 3 Abs. 1 Z. 2</ref>

Zunächst hatte die Öffentlichen Verwaltung ihren Sitz in dem im sowjetischen [[Besetztes Nachkriegsösterreich#Besatzungssektoren in Wien|Sektor Wiens]] gelegenen [[Funkhaus Wien|Funkhaus]] und war zuständigkeitsmäßig auf die sowjetische [[Besetztes Nachkriegsösterreich|Besatzungszone]] bzw. die [[Post- und Telegraphenverwaltung|Post- und Telegraphendirektion]] für Wien, Niederösterreich und Burgenland beschränkt. 1947 hatte sie etwa 500 Angestellte,<ref>[https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vbn&datum=19471028&seite=2 ''Vorarlberger Nachrichten'', 28. Oktober 1947, S. 2]</ref> 1952 etwa 864.000 Rundfunkteilnehmer.<ref>''World Radio Handbook for Listeners'' 1953, S. 23–24</ref> Sie stand unter sowjetischer [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]]; zudem gab es von Juni 1946 bis Juni 1953 im Programm eine „Russische Stunde“. Die drei westlichen Besatzungsmächte errichteten demgegenüber eigene Rundfunksender und Sendergruppen, nämlich [[Rot-Weiß-Rot (Sender)|''Rot-Weiß-Rot'']] (USA/Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg, Juni 1945; 256.000 Teilnehmer 1952), ''[[Sendergruppe Alpenland|Alpenland]]'' (Großbritannien/Post- und Telegraphendirektionen für Steiermark und für Kärnten, August 1945; 292.000 Teilnehmer 1952) und ''[[Sendergruppe West|West]]'' (Frankreich/Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg, September 1945; 112.000 Teilnehmer 1952). Programmlich gab es bei den vier Sendergruppen keine Gemeinsamkeiten bis auf einzelne sogenannte Ringsendungen wie etwa die ''Stunde der Alliierten'' (November 1945–Mai 1949) oder ''Volkskunst aus Österreich''.

Programmdirektor von Radio Wien war ab Juni 1945 [[Rudolf Henz]]. Weihnachten 1945 begann Radio Wien mit der Einführung eines zweiten Programms. Zum 1.&nbsp;Juni 1949 wurde die [[Rundfunkabgabe|Rundfunkteilnehmergebühr]] von 3 auf 4,50 [[Österreichischer Schilling|S]] monatlich erhöht, wovon ein Schilling als sogenannter „Investitions-Schilling“ einem Fonds für den Ausbau des Sendernetzes in ganz Österreich zugeführt wurde. Die Verwaltung dieses Fonds oblag der Öffentlichen Verwaltung, wodurch sich Anfänge einer gesamtstaatlichen Zuständigkeit herausbildeten. 1951 erfolgte einer Erhöhung der Gebühr auf 7 S,<ref>Fernmeldegebührenverordnung 1951 ([https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1951_172_0/1951_172_0.pdf BGBl. Nr. 172/1951]), § 7</ref> davon 1,50 S für den Investitionsfonds.

Wesentliche Veränderungen brachten die Jahre 1953 und 1954: Am 19.&nbsp;Mai 1953 übersiedelte die Öffentliche Verwaltung vom sowjetischen in den britischen Sektor Wiens (Singrienergasse 21). In der Folge wurde die Bezeichnung „Österreichischer Rundfunk“ eingeführt. Anfang Juni endete die „Russische Stunde“ im zweiten Programm. Am 6.&nbsp;September begann über die Sender [[Sender Kahlenberg|Wien-Kahlenberg]] und Klagenfurt versuchsweise die Abstrahlung eines dritten Programms auf [[UKW-Rundfunk|UKW]] mit der Ansage „Radio Österreich“; auch die 1924 unter dem Titel „Radio Wien“ eingeführte Programmzeitschrift<ref>[https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=raw ''Radio Wien''] bei [[ANNO – AustriaN Newspapers Online|ANNO]]</ref> hieß nun so.<ref>{{ZDB-ID|2399654-7}}</ref> Im November endete die russische Zensur, es erfolgte die Aufnahme in die [[European Broadcasting Union|Union Europäischer Rundfunkanstalten]], und das zweite Programm wurde zusätzlich in der Steiermark und Kärnten, ab Dezember auch in Tirol verbreitet.

Im Januar 1954 wurden der Öffentlichen Verwaltung die britischen Einrichtungen der Sendergruppe Alpenland übergeben, im März die amerikanischen der Sendergruppe Rot-Weiß-Rot mit Ausnahme des Senders Wien-Wilhelminenberg.<ref>Walter Brummer: [http://www.wabweb.net/radio/sender/wilhelminenberg.htm ''Der Sender Wien-Wilhelminenberg'']</ref> Die französischen Einrichtungen der Sendergruppe West waren bereits im November 1946 formal an die Landesregierungen von Tirol und Vorarlberg gegangen (freilich unter Fortbestehen der französischen Zensur). Nun vertraten diese beiden Landesregierungen vor dem [[Verfassungsgerichtshof (Österreich)|Verfassungsgerichtshof]] die Ansicht, Rundfunk sei Ländersache, was der Gerichtshof jedoch mit Erkenntnis vom 5.&nbsp;Oktober 1954 verneinte,<ref>[[European Case Law Identifier|ECLI]]:AT:[https://www.ris.bka.gv.at/VfghEntscheidung.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFT_19541005_54K0II_5_00&IncludeSelf=True VFGH:1954:KII_5.1954]</ref> so dass Anfang Dezember 1954 auch die Rundfunkeinrichtungen in Westösterreich auf die Öffentliche Verwaltung übergingen. Am 27.&nbsp;Juli 1954 folgte nach Inkrafttreten des [[Österreichischer Staatsvertrag|Österreichischen Staatsvertrags]] schließlich auch der amerikanische Sender Wien-Wilhelminenberg,<ref>[http://dokufunk.org/broadcast/austria/index.php?CID=7131&ID=7062 Programm der letzten beiden Sendetage von Rot-Weiß-Rot]</ref> so dass alle Sender wieder unter österreichischer Verwaltung standen.

Mitte Februar 1955 begann ein fremdsprachiges „Sonderprogramm“ auf [[Kurzwellenrundfunk|Kurzwelle]] für das Ausland (1985 [[Radio Österreich International]] genannt). Im Mai 1955 nahm der [[Geschichte des Fernsehens in Österreich|erste Fernsehsender]] den Versuchsbetrieb auf; ab 1.&nbsp;August folgte ein regelmäßiges Fernsehversuchsprogramm.

Im Dezember 1957 wurde die Österreichische Rundfunk [[Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Österreich)|Gesellschaft m.&nbsp;b.&nbsp;H.]] gegründet, die zum 1.&nbsp;Jänner 1958 die Programmverantwortung von der Öffentlichen Verwaltung übernahm. 1962 wurde die Öffentliche Verwaltung unter Übertragung aller verbliebenen Vermögenswerte auf die Österreichische Rundfunk Gesellschaft m.&nbsp;b.&nbsp;H. aufgelöst.<ref>Rundfunk-Rekonstruktionsgesetz ([https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1962_219_0/1962_219_0.pdf#page=7 BGBl. Nr. 219/1962]; [https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/IX/I/I_00739/imfname_330930.pdf NR: GP IX RV 739] mit Liegenschaftenverzeichnis)</ref>

Viele Sendungen, die im ersten Jahrzehnt nach dem Krieg in den verschiedenen Sendeketten der Besatzungsmächte entwickelt worden waren, wurden teilweise bis in die 1980er-Jahre fortgeführt. Darunter „[[Was gibt es Neues? (Hörfunksendung)|Was gibt es Neues?]]“ moderiert von [[Heinz Conrads]], „Das [[Traummännlein]] kommt“ sowie „Sport und Musik“. Die einzige heute noch bestehenden Sendungen aus der Zeit der Senderketten sind „[[Du holde Kunst]]“ und das „[[Salzburger Nachtstudio]]“.

== Literatur ==
* Öffentlicher Verwalter für das österreichische Rundspruchwesen: [https://worldradiohistory.com/INTERNATIONAL/Miscellaneous/Radio-Wien-25-Jahre-Osterreichhischer-Rundfunk-1949_80.pdf ''25 Jahre Österreichischer Rundfunk'' = ''Radio Wien'', Sonderheft] (1949)
* Öffentliche Verwaltung für das österreichische Rundspruchwesen: [https://worldradiohistory.com/INTERNATIONAL/Miscellaneous/Radio-Osterreich-30-Jahre_84.pdf ''30 Jahre Rundfunk in Österreich'' = ''Radio Österreich'' 1954, Heft 37] (mit Programm vom September 1954)
* Österreichische Rundfunk Gesellschaft m.&nbsp;b.&nbsp;H.: [https://worldradiohistory.com/INTERNATIONAL/Miscellaneous/40-Jahre-Rundfunk-in-Osterreich_186.pdf ''40 Jahre Rundfunk in Österreich''] (1964)
* [[Viktor Ergert]]: [https://austria-forum.org/web-books/50jahrerf02de1974isds ''50 Jahre Rundfunk in Österreich'', Band 2: ''1945–1955''] (Residenz Verlag 1975)
* Michael Liensberger (ORF): [https://science.orf.at/stories/3200700/ ''Radio im Österreich der Nachkriegszeit''] (2020)
* [https://www.ukwtv.de/history/rtv_pdf/rtv_1957_AUT_Radio_OESTERREICH.pdf ''Radio Österreich'' 1957, Heft 35] (Programm vom August 1957)

== Siehe auch ==
* [[Geschichte des Hörfunks in Österreich]]

== Einzelnachweise ==
<references />

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