Quelltext der Seite Borsäure

{{Infobox Chemikalie
| Strukturformel            = [[Datei:Structural formula of boric acid.svg|150px|Strukturformel von Borsäure]]
| Name                      = Borsäure
| Suchfunktion              = H3BO3
| Andere Namen              = * Orthoborsäure
* Borofax
* Trihydrogenborat

* {{E-Nummer|284|Abruf=2020-12-29}}

* {{INCI|Name=BORIC ACID |ID=32208 |Abruf=2020-02-26}} 
| Summenformel              = H<sub>3</sub>BO<sub>3</sub>
| CAS                       = * {{CASRN|10043-35-3}}
* {{CASRN|11113-50-1|Q72451064}} <small>(natürliche, rohe Borsäure)</small>
| EG-Nummer                 = 233-139-2
| ECHA-ID                   = 100.030.114
| PubChem                   = 7628
| ChemSpider                = 7346
| DrugBank                  = DB11326
| ATC-Code                  = {{ATC|S02|AA03}}
| Beschreibung              = weißes Pulver<ref name="Merck">{{Merck|100765|Name=Borsäure|Abruf=2011-01-19}}</ref>
| Molare Masse              = 61,83 g·[[mol]]<sup>−1</sup>
| Aggregat                  = fest
| Dichte                    = 1,49 g·cm<sup>−3</sup> (23 °C)<ref name="GESTIS">{{GESTIS|Name=Borsäure|ZVG=3640|CAS=10043-35-3|Abruf=2018-01-08}}</ref>
| Schmelzpunkt              = 171 [[Grad Celsius|°C]] (Zersetzung)<ref name=roempp>{{RömppOnline|ID=RD-02-02336|Name=Borsäure|Abruf=2014-04-19}}</ref>
| Siedepunkt                = 
| Dampfdruck                = 
| Löslichkeit               = löslich in Wasser (49,2 g·l<sup>−1</sup> bei&nbsp;20&nbsp;°C)<ref name="GESTIS" />
| CLH                       = {{CLH-ECHA|ID=100.030.114|Name=Boric acid|Abruf=2016-02-01}}
| Quelle GHS-Kz             = <ref name="GESTIS" />
| GHS-Piktogramme           = {{GHS-Piktogramme|08}}
| GHS-Signalwort            = Gefahr
| H                         = {{H-Sätze|360FD}}
| EUH                       = {{EUH-Sätze|-}}
| P                         = {{P-Sätze|201|280|308+313}}
| Quelle P                  = <ref name="GESTIS" />
| REACH                     = {{REACH|ECHA-ID=100.030.114|Artikel57=c|Abruf=2014-07-16}}
| MAK                       = [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|DFG]]/Schweiz: 10 mg·m<sup>−3</sup> (gemessen als [[einatembarer Staub]]/Aerosolanteil)<ref name=roempp /><ref>{{SUVA-MAK|CAS-Nummer=10043-35-3|Name=Borsäure|Abruf=2015-11-02}}</ref>
| ToxDaten                  = * {{ToxDaten |Typ=LD50 |Organismus=Ratte |Applikationsart=oral |Wert=2660 mg·kg<sup>−1</sup> |Bezeichnung= |Quelle=<ref name="Merck" /> }}
* {{ToxDaten |Typ=LC50 |Organismus=Ratte |Applikationsart=inh. |Wert=2,03 mg·l<sup>−1</sup> |Bezeichnung= |Quelle=<ref name="Merck" /> }}
* {{ToxDaten |Typ=LD50 |Organismus=Ratte |Applikationsart=dermal |Wert=>2000 mg·kg<sup>−1</sup> |Bezeichnung= |Quelle=<ref name="Merck" /> }}
| Standardbildungsenthalpie = −1094,3 kJ/mol<ref name="CRC90_5_6">{{CRC Handbook|Auflage=90|Titel=Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances|Kapitel=5|Startseite=6}}</ref>
}}

'''Borsäure''' (auch: ''Orthoborsäure'', ''Acidum boricum''), H<sub>3</sub>BO<sub>3</sub>, ist die einfachste [[Oxosäuren|Sauerstoffsäure]] des [[Bor]]s. Ihre [[Salze]] heißen [[Borate]].

== Vorkommen und Gewinnung ==
Freie Borsäure findet sich in den Wasserdampfquellen ([[Fumarole]]n) Mittelitaliens in der [[Toskana]]; aus diesen Quellen lässt sich die Säure durch Eindampfen in glänzende Plättchen gewinnen. Ebenfalls in der Toskana kommt die Borsäure als Mineral [[Sassolin]] vor. Große Bedeutung haben aber Alkali- und Erdalkalisalze wie beispielsweise das Mineral [[Kernit]] Na<sub>2</sub>[B<sub>4</sub>O<sub>6</sub> (OH)<sub>2</sub>] · 3 H<sub>2</sub>O. Ein ähnliches, selteneres Mineral ist [[Borax]], dieses enthält 8 bzw. 10 Äquivalente [[Kristallwasser]]. Jenes wird heutzutage aber überwiegend aus Kernit gewonnen. Durch Behandeln von Borax mit [[Salzsäure]] oder [[Schwefelsäure]] lässt sich Borsäure freisetzen.

== Eigenschaften ==
Reine Borsäure bildet schuppige, farblos-glänzende Kristalle, die bei schnellem Erhitzen in einem geschlossenen System einen Schmelzpunkt von 171&nbsp;°C haben. Diese bilden eine Schichtstruktur aus, bei der zwischen den einzelnen Borsäuremolekülen [[Wasserstoffbrückenbindung]]en ausgebildet werden. Der Abstand zweier Schichten beträgt 318 [[Pikometer|Pikometer (pm)]].

[[Datei:Boric-acid-layer-3D-balls.png|400px|[[Stäbchenmodell]] von Borsäure in einer Borsäure-Kristall-Lage]]

Sie löst sich anfangs nur schwer in [[Wasser]], aber mit steigender Konzentration beschleunigt sich dieser Vorgang. Die Lösung reagiert schwach sauer. Beim Erhitzen der Orthoborsäure spaltet sich Wasser ab, und es entsteht die in mehreren Modifikationen auftretende [[Metaborsäure]] HBO<sub>2</sub> und schließlich unter weiterer Wasserabspaltung [[Dibortrioxid]] (B<sub>2</sub>O<sub>3</sub>).

:<math>\mathrm{B(OH)_3 \longrightarrow \ HBO_2 + \ H_2O}</math>
:<math>\mathrm{2 \ HBO_2 \longrightarrow \ B_2O_3 + \ H_2O}</math>

Trotz ihrer drei [[Wasserstoff]]atome reagiert Borsäure in Wasser wie eine einprotonige Säure und reagiert zum Tetrahydroxoborat-Ion, B(OH)<sub>4</sub><sup>−</sup>. Hierbei verhält sie sich nicht wie eine [[Protonendonator|Brønsted-Säure]] als Protonendonator, sondern wie eine [[Lewis-Säure]] als Elektronenpaarakzeptor unter Bildung eines Adduktes mit einem Hydroxid-Ion:

:<math>\mathrm{B(OH)_3 + H_2O \rightleftharpoons [B(OH)_4]^- + H^+}</math>

Borsäure ist eine sehr schwache Säure (pK<sub>s</sub>&nbsp;=&nbsp;9,25). Durch Umsetzung mit mehrwertigen Alkoholen wie zum Beispiel [[Mannitol]] kann die Säurestärke erheblich gesteigert werden. Dies ist bedingt durch eine Verschiebung des Gleichgewichtes auf die rechte Seite hin zu einem Tetraoxoborat-Derivat infolge einer [[Veresterung]]:

[[Datei:Borsäure-Mannitol-Ester.svg|450px|Bildung von Borsäure-Mannitol-Ester]]

Diese Umsetzung wird zur alkalimetrischen Titration von Borsäure verwendet.

== Nachweis ==
[[Datei:Boratflamme.jpg|miniatur|Flamme des Borsäuretrimethylesters]]
Borsäure und ihre Salze, die Borate, bilden mit [[Methanol]] und der wasserentziehenden konzentrierten [[Schwefelsäure]] den flüchtigen [[Borsäuretrimethylester]], der mit grüner Flamme brennt und zum qualitativen Nachweis dient.<ref name="Jander-Blasius">{{BibISBN|9783777613888|Seite=368}}</ref>
:<math>\mathrm{H_3BO_3 + 3 \ CH_3OH \rightleftharpoons (CH_3)_3BO_3 + 3 \ H_2O}</math>

== Verwendung ==

Borsäure ist ein Zwischenprodukt zur Herstellung von [[Borosilikatglas]], [[Porzellan]], [[Emaille]]. Die Weltjahresproduktion von Borsäure beträgt über 2.000.000 [[Tonne (Einheit)|Tonnen]].<ref name=BMG>BMG Engineering AG: [https://www.ag.ch/media/kanton_aargau/bvu/dokumente_2/umwelt__natur___landschaft/bauen___umwelt_1/bauen_auf_altlasten_und_belasteten_standorten_1/Studie_zum_Umgang_mit_Bor_bei_der_Altlastenbeurteilung.pdf Studie vom 22.1.2013 zum Umgang mit Bor bei der Altlastenbeurteilung] im Auftrag des Kantons Aargau, Schweiz; abgerufen im September 2016</ref>

[[Datei:DRK Borsalbe.jpg|mini|Borsalbe aus den 1930er Jahren]]
In der Medizin wurde Borsäure als wässrige Lösung (''Borwasser'') und Salbe (''Borsalbe'') als mildes [[Desinfektionsmittel]]<ref>Bassermann; in: ''Das neue große farbige Lexikon''; 1988, ISBN 3-8094-0002-5, S. 640.</ref> verwendet. Seit dem Rückruf borsäurehaltiger Medikamente 1984 durch das damalige Bundesgesundheitsamt ist Borsäure sowie deren Ester und Salze nur noch für die Pufferung und Isotonisierung von Augentropfen sowie zur Verwendung in homöopathischen Verdünnungen zugelassen.<ref>[http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=amk_47_1999 Stellungnahme der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker] vom 23. November 1999, abgerufen am 22. November 2010.</ref><br/>
3%ige Borsäurelösung (Borwasser) kann bei Verätzungen durch Laugen verwendet werden. Sie wirkt selbst nicht ätzend und kann Laugen neutralisieren.

In der Lebensmittelindustrie wird Borsäure als [[Konservierungsmittel]] mit der Bezeichnung E 284 verwendet.

Borsäure wird in [[Desinfektionsmittel]]n, als [[Bleichmittel]] in Spülmitteln sowie als [[Fungizid]] und [[Insektizid]] (z.&nbsp;B. zur Bekämpfung von [[Flöhe]]n und [[Kakerlaken]]) verwendet.<ref name=BMG/><ref>Das [https://books.google.de/books?id=Fnz.&nbsp;B.AAQBAJ&pg=RA1-PA246&lpg=RA1-PA246&ots=N1Ds8Lt0Fe&focus=viewport&dq=bors%C3%A4ure+gegen+fl%C3%B6he#v=onepage&q=bors%C3%A4ure%20gegen%20fl%C3%B6he&f=false Biochemische Taschenbuch], 1956 von H.M. Rauen, empfiehlt eine Mischung von 10 % [[Pyrethrum]], 40 % Borsäure und 50 % [[Kaolin]] in alle Ritzen zu blasen, in denen sich [[Kakerlaken]] aufhalten könnten, Springer-Verlag, 2013.</ref><ref>Chiara Noli, Fabia Scarampella, Stefano Toma - [https://books.google.de/books?id=A0UuBQAAQBAJ&pg=PT959&lpg=PT959&dq=bors%C3%A4ure+gegen+fl%C3%B6he&source=bl&ots=FBVYzX5dCd&sig=aAbZwhBdTJ6Cu2TveJeParj-vkE&hl=en&sa=X&ved=0ahUKEwjtj6aPuK7PAhVFORoKHQYpAmgQ6AEIpwEwEg#v=onepage&q=bors%C3%A4ure%20gegen%20fl%C3%B6he&f=false Praktische Dermatologie bei Hund und Katze: Klinik - Diagnose - Therapie ...]: "Borsäure und deren salzige Verbindungen führen zu Löchern in der Parasitenhüllen und damit zu einem Absterben durch Dehydration", Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH, 2014</ref>

Im Baubereich werden Borsäure sowie [[Borax]] und andere [[Borate]] (Borsalze) zum vorbeugenden [[Holzschutz]], in [[Beizen]] sowie als [[Flammschutzmittel]] und zur Prävention von Schimmel und Schädlingsbefall bei organischen Dämmstoffen eingesetzt. Beispielsweise war bei [[Einblasdämmstoff|Zellulosedämmstoffen]] ein 8%iger Zusatz üblich, der aber aufgrund neuerer Richtlinien auf 5,5 % begrenzt werden muss.<ref>[http://isofloc.com/assets/Downloads/SDB/20151127-Sicherheitsdatenblatt-silencio-CH-D-de.pdf Datenblatt 1] und {{Webarchiv|url=http://isofloc.ch/assets/Produkte/Zellulosefasern/20160208-TDB-isoflocLM-BUeT-de-mail.pdf |wayback=20160913133958 |text=Datenblatt 2}} Isofloc Zellulosedämmstoff</ref>

In [[Druckwasserreaktor]]en wird gelöste Borsäure als [[Neutronenabsorber]] zur Regelung der Kettenreaktion verwendet. Sie beruht auf dem großen Absorptions-[[Wirkungsquerschnitt]] des in natürlichem Bor zu 20 % enthaltenen Isotops <sup>10</sup>B für thermische Neutronen. Hierbei erfolgt die [[Kernreaktion]]

:<math> \mathrm{ {^{10}_{\ 5}B} + {^{1}_{0}n} \rightarrow {^{7}_{3}Li} + {^{4}_{2}He} }</math>.

Borsäure wird zur Berechnung des [[Kohlenstoffdioxid]]-Gehaltes in erdgeschichtlichen Zeiten benutzt.
Wenn sich der pH-Wert ins [[Alkalische Lösung|Alkalische]] verändert, wandelt sich die Borsäure in Borat, das Salz der Borsäure, um. Dabei kommt es zu einer [[Isotopenfraktionierung]], da <sup>10</sup>Bor bevorzugt in das Borat eingebaut wird. Da [[Foraminiferen]] (fossile als auch rezente Einzeller) und andere Schalentiere Borat für den Aufbau ihrer Schale benötigen, kann anhand des Isotopen-Verhältnisses festgestellt werden, welcher [[pH-Wert]] zu welchem Zeitpunkt der Erdgeschichte in diesem Gebiet vorlag. Da die Schalen solcher Einzeller als auch Muscheln etc. den Hauptteil des marinen Sediments stellen, können von dort einfach Sedimentkerne entnommen und im Labor auf die beiden Bor-Isotope untersucht werden. Solche Ergebnisse korrelieren hervorragend mit den in Eiskernen eingeschlossenen Luftblasen.

Bei der Verbrennung von [[Borsäuretrimethylester]] entsteht eine grüne Flamme, die Borsäureester anderer [[Alkohole]] zeigen bei der Verbrennung einen grünen Flammensaum. Diese Eigenschaft wird zur Identifizierung von Methanol genutzt (Schulversuch)<ref>''Fokus Chemie, Einführungsphase'', S. 22, Cornelsen-Verlag 2010.</ref> und in der [[Pyrotechnik]], um beispielsweise die Flammen von Feuerstäben, [[Poi]] oder Feuerschalen zu färben.

In als Spielzeug verkauftem [[Slime (Spielzeug)|Slime]] wurden bis zu 1,3 % Borsäure nachgewiesen.<ref>Stellungnahme des BfR (früher BgVV) vom 3. März 1995: [http://www.bfr.bund.de/cm/216/borsaeuregehalte_in_slimys_zu_hoch.pdf Borsäuregehalt in Slime zu hoch] (PDF; 27&nbsp;kB). Stand 8. Oktober 2008.</ref> Mit dem Borsäuregehalt steigt die Viskosität der schleimigen Masse. Bei Herstellung ist auf konstant niedrigen Gehalt zu achten, da ab einer täglichen Aufnahme von 0,57&nbsp;mg/kg Körpergewicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung gerechnet werden müsse.<ref name=":0">BfR (früher BgVV): [http://www.bfr.bund.de/cm/216/borsaeure_in_huepfknete.pdf Borsäure in Hüpfknete] (PDF; 50&nbsp;kB) - Gesundheitliche Bewertung Nr. 014/2005 des BfR vom 27. Oktober 2004. Stand 8. Oktober 2008.</ref>

== Gefahrstofflisten ==
Im Juni 2010 wurde Borsäure durch die [[Europäische Chemikalienagentur|ECHA]] auf die Kandidatenliste für [[SVHC]] (''substance of very high concern'') aufgenommen. Nach Inkrafttreten der [[Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP)|CLP-Verordnung]] und der REACH-Änderungs-VO 790/2009/EG wurde Borsäure als [[reproduktionstoxisch]] gekennzeichnet. Auch Gemische, die freie Borsäure in einer Konzentration von 5,5 % oder mehr enthalten, sind nach der GHS-Verordnung als reproduktionstoxisch zu kennzeichnen.

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Navigationsleiste Erdmetallhydroxide}}

{{Normdaten|TYP=s|GND=4146369-9}}

{{SORTIERUNG:Borsaure}}
[[Kategorie:Borverbindung]]
[[Kategorie:Anorganische Säure]]
[[Kategorie:Lebensmittelkonservierungsstoff]]
[[Kategorie:Pharmazeutischer Hilfsstoff]]
[[Kategorie:Sauerstoffverbindung]]
[[Kategorie:Lebensmittelzusatzstoff (EU)]]
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 30]]