Quelltext der Seite Carnaubawachs

[[Datei:Carnauba.jpg|mini|rechts|Carnaubapalme (''Copernicia prunifera'')]]
[[Datei:Carnauba wax.jpg|mini|rechts|Carnaubawachs]]
[[Datei:Abdampfschale mit geschmolzenem Carnaubawachs.jpg|mini|rechts|Carnaubawachs, teilweise geschmolzen ]]
'''Carnaubawachs''' ({{laS|Cera Carnaubae}}), auch ''Brasilianisches Wachs'' oder ''Cearawachs'', stammt aus dem Blatt-[[Exsudation (Pflanze)|Exsudat]] der in [[Brasilien]] wachsenden [[Carnaubapalme]] (''Copernicia prunifera''). Es wird vor allem in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie, in Medikamenten und als Bestandteil in Autowachsen und Polituren verwendet.

== Gewinnung ==
Carnaubawachs wird von den beidseitig mit einer pulverförmigen [[Wachs]]schicht bedeckten Blättern gewonnen. Diese löst sich teilweise nach dem Trocknen der Blätter ab, der Rest wird durch Bürsten, Klopfen und Schaben von den längs gespaltenen Blättern abgelöst. Ein Blatt ergibt etwa 5 Gramm Carnaubawachs.<ref name="Duke">James A. Duke: ''CRC Handbook of Alternative Cash Crops.'' CRC Press, 1993, ISBN 978-0-849-33620-1, S.&nbsp;197.</ref> Eine ausgewachsene Palme hat ungefähr 35 Blätter, von denen in ein bis zwei Ernten pro Jahr 10 bis 20 Blätter geerntet werden.<ref name="Duke"/> Das Wachs wird anschließend geschmolzen und von den sich absetzenden Verunreinigungen befreit und abgesiebt.<ref>Hans Irion: ''Drogisten Lexikon.'' 2. Band: ''A–K'', Springer, 1955, ISBN 978-3-642-49508-3, S.&nbsp;268.</ref> Das Wachs kann mit [[Paraffin]] vermischt gebleicht werden.<ref>Fritz Ullman, Wilhelm Foerst: ''[[Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie|Encyklopädie der technischen Chemie.]]'' Band 18, 3. Auflage, Urban 1967, S.&nbsp;283 f.</ref>

Man kann auch die jungen Triebe und Blätter in Wasser auskochen und das Wachs abschöpfen.<ref>A. Rettenmeier: ''Lehrbuch für Drogisten.'' Teil 2, Drogenkunde II, 4. Auflage, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, 1955, S.&nbsp;205.</ref>

Der Name entstammt dem [[Brasilianisches Portugiesisch|brasilianisch-portugiesischen]] ''Carnahuba'' und dem [[Tupi-Sprache|Alt-Tupi]] ''karana'iwa''. Es wurde erstmals 1648 erwähnt.<ref>''[[Chemisches Zentralblatt|Pharmaceutisches Central-blatt]].'' für 1834. Fünfter Jahrgang, Erster Band: ''No. 1–30'', Leopold Voss, Leipzig 1834, S.&nbsp;332.</ref>
Das Wachs wurde in Brasilien seit 1810 in größerem Stil verwendet.<ref>Ghillean Prance, Mark Nesbitt: ''The Cultural History of Plants.'' Routledge, 2005, ISBN 0-415-92746-3, S.&nbsp;340.</ref> Es ist seit Mitte des 19.&nbsp;Jh. in Europa gebräuchlich, 1846<ref>[[Franz Heske]] (Hrsg.): ''Zeitschrift für Weltforstwirtschaft.'' Band 9, J. Neumann, 1942, S.&nbsp;215.</ref> wurde erstmals Wachs in größeren Mengen aus Brasilien exportiert und ab 1890 wurden die ersten Plantagen angelegt.

== Eigenschaften ==
Rohes Carnaubawachs besitzt eine helle gelbliche, grünliche, bis dunkelgraue Farbe, es ist von Luftbläschen durchsetzt, hart, spröde, leicht zerreibbar und fast geschmacklos. Es ist das härteste bekannte natürliche Wachs. Es hat etwa die Dichte von Wasser; ca.&nbsp;0,98 kg/l, sein hoher [[Schmelzpunkt]] von 80 bis 87&nbsp;°C hält es auch in warmen Räumen und bei Sonneneinstrahlung stabil. Gereinigtes Wachs ist hellgelb; gebleicht (mit [[Bleicherde]], [[Wasserstoffperoxid]]) ist es fast weiß. Weißes Wachs ist dagegen eine Mischung mit [[Ceresin]]. Es gibt drei Sorten: ''gelb'' oder ''mittelgelb'', ''fettgrau'' und ''kurantgrau''.

Es ist unlöslich in Wasser, löslich in [[Ether]], [[Benzol]], [[Xylol]], Benzin, [[Chloroform]], heißem Alkohol und heißem [[Terpentinöl]], es ist schwer [[Verseifung|verseifbar]].

Carnaubawachs ist unverdaulich und wird bei Verzehr (auch durch Tiere) auf natürlichem Wege wieder ausgeschieden. Es gilt als gesundheitlich unbedenklich und ist frei von Duftstoffen, was für Allergiker bedeutsam sein kann.

== Inhaltsstoffe ==
Carnaubawachs besteht zu etwa 85 % aus [[Carbonsäureester|Estern]] langkettiger [[Fettsäuren]] ([[Wachssäuren]]), [[Ständigkeit|ω]]-[[Hydroxycarbonsäuren]] und [[Aromaten|aromatischen]] Carbonsäuren wie [[Zimtsäure]]n. Als Alkoholkomponente kommen [[Fettalkohole]] (''Wachsalkohole'') und [[Diole]] vor. Daneben sind auch jeweils rund 2–3 % unveresterte Diole, langkettige Wachssäuren, wie [[Behensäure]], [[Carnaubasäure]], [[Cerotinsäure]], [[Lignocerinsäure]] oder [[Melissinsäure]], Wachsalkohole und auch [[Gesättigte Verbindungen|gesättigte]] [[Kohlenwasserstoffe]] vorhanden.<ref name=roempp>{{RömppOnline|ID=RD-03-00554|Name=Carnaubawachs|Abruf=2014-03-04}}</ref>

Es wird unter der [[CAS-Nummer|CAS-Nr.]] {{CASRN|8015-86-9}} geführt.

== Produktion und wirtschaftliche Bedeutung ==
Brasilien ist das einzige Land mit bedeutender Carnaubaproduktion. Der größte Teil der Produktion wird zu Pulver verarbeitet. Die brasilianische Erzeugung von Carnaubawachs-Pulver betrug rund 19.000 &nbsp;t im Jahr 2007. Innerhalb Brasiliens findet die Hauptproduktion im Bundesstaat [[Piauí]] statt (69,3 %). An zweiter Stelle kommt der Bundesstaat [[Ceará]] mit 28 %. Die Produktion von Carnaubawachs betrug dagegen nur rund 3.000&nbsp; t, wobei in diesem Fall Ceará der größte Erzeuger war mit 81,8 % der Produktion, gefolgt vom Bundesstaat [[Rio Grande do Norte]] mit 16,8 %.<ref>{{Webarchiv | url = http://www.ibge.gov.br/english/presidencia/noticias/noticia_visualiza.php?id_noticia=1270&id_pagina=1| wayback = 20130117094716 | text = Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística: ''Production of vegetable extraction and silviculture 2007''}}.</ref>

Im [[Semiarides Klima|semi-ariden]] Nordosten Brasiliens ist Carnaubawachs traditionell eines der wichtigsten Exportprodukte. Es haben sich jedoch bis heute keine intensiv bewirtschafteten Plantagen etabliert. Stattdessen werden natürliche Carnaubabestände in regelmäßigen Abständen beerntet ([[Extraktivismus]]). Dies liegt zum einen daran, dass eine neu angelegte Plantage etwa 20 Jahre brauchte, bis sie eine angemessene Produktion lieferte, so dass entsprechende Investitionen gescheut werden. Zum anderen liefert Carnauba gegenüber anderen Kulturen nur geringe Erlöse pro Hektar. Auf kargen Böden kommt Carnauba jedoch in hoher Dichte vor und aufgrund der relativ stabilen Weltmarktnachfrage nach Carnaubawachs war dieser Bestand zur Deckung der Nachfrage bisher ausreichend.<ref>S. Wunder: ''Value determinants of plant extractivism in Brazil.'' Texto para discussão No. 682, Institudo de Pesquisa Econômica Aplicada, 1999, {{ISSN|1415-4765}}, [https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=204469 pdf].</ref>

Um eine verantwortungsbewusste Carnauba-Wachsproduktion im Hinblick auf die sozialen Probleme sowie zum Schutz der biologischen Vielfalt in den Carnauba-Wachsproduktionsgebieten zu fördern, wurde 2018 die „Initiative für verantwortungsbewusstes Carnauba“ (englisch Initiative for Responsible Carnauba (IRC)) im Rahmen des Projekts „Private Business Action for Biodiversity“.<ref>[https://www.giz.de/en/worldwide/40693.html Promoting business action for biodiversity-friendly production and commercialisation], auf giz.de</ref><ref group="Anm">Das Vorhaben Private Business Action for Biodiversity wird im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt. Es ist Teil der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI).</ref> Es wurde zusammen mit [[Union for Ethical Biotrade]] (UEBT) gegründet. Neben der Stärkung der Arbeitnehmerrechte fokussiert sich die Initiative auch auf die Umsetzung von sogenannten BAPs – Biodiversity Actions Plans, die einen verantwortungsbewussten Anbau in den Carnauba-Wachsproduktionsgebieten fördern.

Mehr als 20 Unternehmen (Stand August 2020) sind seit dem Gründungsjahr 2018 der Initiative beigetreten. Darunter Hersteller, Lieferanten sowie bekannte „Brands“, die gemeinsam Sozial-, Rückverfolgbarkeits- und Biodiversitätsstandards für den Sektor etablieren. Aktivitäten der Initiative sind u.&nbsp;a. ein mit der&nbsp;NGO Associação Caatinga&nbsp;entwickeltes "Handbuch über gute Praktiken"<ref>[https://www.acaatinga.org.br/wp-content/uploads/Carnauba_production_chain_good_practices_manual.pdf Carnauba Production Chain Good Practices Manual] (PDF; 11&nbsp;MB), auf acaatinga.org.br</ref> für den Sektor und 12 Lernvideos, die per WhatsApp und YouTube Feldarbeiter erreichen sollen, um sie über ihre Rechte zu informieren.

== Verwendung ==
Carnaubawachs wird oft mit anderen Wachsen gemischt verwendet. Es findet vor allem in der Lebensmittel- und der Kosmetikindustrie sowie in Medikamenten Verwendung, unter anderem als:

* natürliches Trenn- und [[Überzugsmittel]] für z.&nbsp; B. [[Kaugummi]]s oder [[Gummibär]]en ([[Lebensmittelzusatzstoff]] E&nbsp;903). Carnaubawachs hat dabei ähnliche Funktionen wie [[Bienenwachs]] (E&nbsp;901) oder [[Schellack]] (E&nbsp;904).
* konservierende Beschichtung von [[Citrusfrüchte]]n
* Poliermittel beim [[Dragée|Dragieren]], als Konsistenzgeber in Salben, Cremes und anderen halbfesten Arzneimitteln, als Weichmacher in der Pflasterherstellung
* Konsistenzgeber in kosmetischen Produkten ({{INCI|Name=COPERNICIA CERIFERA CERA |ID=55683 |Abruf=2021-09-19}})

Auch in Pflegemitteln für Gebrauchsgegenstände wird Carnaubawachs verwendet:
* zur Oberflächenbehandlung von Möbeln, Holzböden, Bodenfliesen und Musikinstrumenten
* in Autopolituren und Autowachsen
* als Poliermittel für [[Baumheide|Bruyère]]-Pfeifenköpfe
* als Bestandteil von [[Schuhcreme]]
* in Kombination mit Bienenwachs als [[Didgeridoo]]-Mundstück
* in [[Firnis]]sen

In der Lackindustrie werden [[Mikronisierung|mikronisiertes]] Carnaubawachspulver oder Carnaubadispersionen (in organischen Lösemitteln [[Suspension (Chemie)|suspendiertes]] oder in Wasser [[Emulsion|emulgiertes]] Carnaubawachs) als Oberflächenadditiv eingesetzt, um die Kratzbeständigkeit zu verbessern und den Reibungswiderstand der Oberfläche herabzusetzen.

[[Durchschreibepapier|Kohlepapier]] wird mit Carnaubawachs hergestellt.<ref>Werner Baumann, Herberg-Liedtke: ''Papierchemikalien.'' Band&nbsp;II, Springer, 1994, ISBN 978-3-540-56269-6, S.&nbsp;514.</ref> Frühe [[Schallplatte]]n bestanden aus einer Wachsmischung, die Carnaubawachs enthielt;<ref>Andre Millard: ''America on Record: A History of Recorded Sound.'' Second Edition, Cambridge University Press, 2005, ISBN 978-0-521-83515-2, S.&nbsp;45&nbsp;f.</ref> später wurden ''Master-Recordings'' (Erstaufzeichnung) auf einer speziellen, dicken Carnaubawachs-Scheibe aufgezeichnet.<ref>Charles L. Granata: ''Sessions with Sinatra.'' 1999, Chicago Review Press, 2004, ISBN 978-1-61374-281-5 (Reprint), S.&nbsp;26.</ref>

== Siehe auch ==
* [[Quindio-Wachspalme]] (''Ceroxylon quindiuense'')
* ''[[Copernicia hospita]]''

== Weblinks ==
{{Wiktionary|carnauba wax}}
* [https://materialarchiv.ch/detail/1509/Carnaubawachs#/detail/1509/carnaubawachs ''Carnaubawachs''] auf materialarchiv.ch, abgerufen am 8. März 2017
* [https://www.acaatinga.org.br/wp-content/uploads/Carnauba_production_chain_good_practices_manual.pdf ''Carnauba Handbuch''] für gute Praktiken im Sektor (verfügbar auf Englisch und Portugiesisch)
* [https://www.ethicalbiotrade.org/initiative-for-responsible-carnauba Initiative for Responsible Carnauba – IRC]

== Literatur ==
* Roy A. Bowers: ''A study of carnauba.'' 1940, {{OCLC|49363182}}.

== Anmerkungen ==
<references group="Anm"/>

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Pflanzenprodukt]]
[[Kategorie:Wachsart]]
[[Kategorie:Biowerkstoff]]
[[Kategorie:Pharmazeutischer Hilfsstoff]]
[[Kategorie:Lebensmittelzusatzstoff (EU)]]
[[Kategorie:Kosmetischer Inhaltsstoff]]