Quelltext der Seite Degradation von Kunststoffen

[[Datei:Materialermüdung Skischuh Polyurethan.jpg|mini|Durch Materialermüdung gebrochene Hartschale eines [[Skischuh]]s]]
'''Degradation''' bezeichnet bei [[Kunststoff]]en deren Abbau oder Zerfall. Gemeint ist damit häufig die [[Alterung (Chemie)|Alterung]], verbunden mit [[Quellung]], [[Sprödigkeit|Versprödung]], [[Bruchmechanik|Rissbildung]] und [[Festigkeit]]s&shy;verlust.<ref>Wolfgang Seidel: ''Werkstofftechnik, Werkstoffe – Eigenschaften – Prüfung – Anwendung'', Hanser Verlag, München 2008, 7. Auflage, ISBN 978-3-446-40789-3, S. 243.</ref> Die Degradation ist üblicherweise ein unerwünschter Vorgang.

[[Materialermüdung|Degradation]] ist, insbesondere bei unsachgemäßer Entsorgung, von hoher Relevanz für die Umwelt. Teildegradierte Einzelpartikel oder [[Molekül|molekulare]] Haupt-, [[Zwischenprodukt|Zwischen-]] und [[Endprodukt]]e sowie „ausgeblutete“ [[Additiv|Zusatzstoffe]] sind in der Umwelt unerwünscht, dennoch treten sie in großer Menge u.&nbsp;a. als [[Mikroplastik]] und [[Nanoplastik]] weltweit auf, wobei sie nachweislich sowohl [[Ökosystem]]e als auch lebende Organismen, einschließlich Menschen und Tiere, schädigen.<ref>[https://cordis.europa.eu/article/id/198767-effect-of-plastic-particles-on-cell-membranes/de ''Wirkung von Kunststoffpartikeln auf Zellmembranen''] [[CORDIS]], aufgerufen am 19. Dezember 2021.</ref>

== Zerfallsarten ==
Der Zerfall erfolgt entweder chemisch, physikalisch oder durch eine Kombination beider Abbauarten.

=== Chemische Degradation ===
[[Datei:UV-geschaedigtes kunststoffgehaeuse.JPG|mini|Alter Ventilator mit doppelter Schädigung durch UV-Licht: Versprödung des Gehäuses und Vergilbung des Scharniers.]]
Die [[biologisch-chemische Beständigkeit]] von Kunststoffen kann durch einen chemisch induzierten Zerfall oder eine [[Zersetzung (Chemie)|Zersetzung]] durch Licht- oder Temperatureinflüsse verloren gehen. Der Zerfall erfolgt durch Zerbrechen von Molekülketten, teilweise durch [[Depolymerisation]]. Bei höheren Temperaturen entstehen [[Kettenbruch (Chemie)|Kettenbrüche]] durch [[Pyrolyse]] oder bei niedrigeren Temperaturen meist durch Einwirkung von freien Alkylradikalen (diese können durch thermische Energie, Strahlung, mechanische Energie bei Belastung oder durch den Einfluss von Metallionen entstehen), ausgehend von der Oberfläche oder homogen.<ref name="EhrensteinPongratz1"> Gottfried W. Ehrenstein, Sonja Pongratz: ''Beständigkeit von Kunststoffen'', Band 1, Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-21851-2.</ref> Eine Neigung zur Depolymerisation tritt bei schwachen C-C-Bindungen in der Polymerhauptkette auf,<ref name="Hepperle"> J.Hepperle: ''Schädigungsmechanismen bei Polymeren'', Polymeraufbereitung, 2002 – technischer Fortschritt zur Steigerung von Leistung und Produktqualität, VDI-Verlag, Düsseldorf 2002, zitiert bei: Ehrenstein, Pongratz: ''Beständigkeit von Kunststoffen'', Hanser Verlag, München 2007, ISBN 978-3-446-21851-2, S.&nbsp;38 ({{Google Buch |BuchID=5X1wnA8mQzAC |Seite=38}}).</ref> es kann dabei zu Änderungen des molekularen Aufbaus (Kettenabspaltungen und Molmassenabbau, [[Vernetzung (Chemie)|Kettenvernetzungen]] oder Kettenverzweigungen) kommen. Im makromolekularen Stoff ggf. vorhandene  funktionelle Gruppen können in andere umgewandelt werden, z. B. können Ester [[Hydrolyse|hydrolysieren]]. Auch eine Abspaltung von niedermolekularen Gruppen kann vorkommen.<ref name="EhrensteinPongratz1" /> Daneben sind auch [[Photochemie|photochemisch]] induzierte Reaktionen durch [[ultraviolettes Licht]] bekannt. Werden chemische Bindungen gespalten kommt es bei Polymeren zu einer Verringerung der Molmasse und/oder zur Bildung von niedermolekularen Abbauprodukten. Nach einer Kettenspaltung kann es zu einer Vernetzung oder zu Ringschluss (z. B. [[Metathese (Chemie)|Metathese]]<ref name="Kotzenburg">Sebastian Kotzenburg, Michael Maskus, Oskar Nuyken: ''Polymere – Synthese, Eigenschaften und Anwendungen'', Springer Spektrum, 2014, S.&nbsp;333,  ISBN 978-3-642-34772-6.</ref>) der Moleküle kommen.<ref>Ehrenstein, Pongratz: ''Beständigkeit von Kunststoffen'', Hanser Verlag, München 2007, ISBN 978-3-446-21851-2, S.&nbsp;38 ({{Google Buch |BuchID=5X1wnA8mQzAC |Seite=38}}).</ref>

Der chemische Abbau ist mit Änderung der physikalischen Eigenschaften (wie z. B. Zug- und Biegefestigkeit, Bruchdehnung, Schlagzähigkeit) verbunden.<ref name="EhrensteinPongratz1" />

==== Thermische Degradation ====
Chemische Degradation kann bei hohen Temperaturen, wie bei der Polymersynthese, [[Polymerentgasung]], [[Compoundierung]] oder [[Kunststoffverarbeitung|Verarbeitung]] auftreten, beschleunigt auftreten und dort zu Qualitätseinbußen beim fertigen Produkt führen. Man spricht dann auch von thermischer Degradation.<ref name="Hepperle"/>

=== Physikalische Degradation ===
Ein physikalisch induzierter Zerfall kann durch Wasseraufnahme (Quellung) oder Zerbrechen des Materials oder Herauslösen von Zusatzstoffen wie beispielsweise von [[Weichmacher]]n beginnen. So sind Weichmacher beispielsweise in [[Polyvinylchlorid|Weich-PVC]] nicht chemisch gebunden, sondern nur in das Material eingeschmolzen, sie können „bis zu über 50 % der Gesamtmasse“<ref name="UBA-Wien">[https://www.umweltbundesamt.at/pvcweichmacher Phthalate: PVC-Weichmacher mit Gesundheitsrisiko]; bei umweltbundesamt.at, zuletzt abgerufen im Februar 2020.</ref> ausmachen. Wegen der fehlenden chemischen Bindung können sie leicht aus so einer Folie herausgelöst werden,<ref name="DEU">''PHTHALATE, die nützlichen Weichmacher mit den unerwünschten Eigenschaften'' [https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3540.pdf (PDF-Datei)]; (Deutsches) Umweltbundesamt für Mensch und Natur, zuletzt abgerufen im Februar 2020.</ref> was auch die normale Versprödung von beispielsweise weichen PVC-[[Teichfolie]]n nach etwa 10 Jahren bewirkt.

Abwechselndes Schrumpfen und Quellen durch Bewitterung kann bei Kunststoffen zu Rissbildung führen, Niederschläge können zu [[Korrosion|Erosion]] führen. Bei einigen Kunststoffen ([[Thermoplaste]]) ist das unter Wärmeeinwirkung eintretende Schmelzen reversibel.<ref name="EhrensteinPongratz1" />

==== Recycling ====
Wiederholtes Recycling kann durch Scherkräfte und hohe thermische Belastung zum Abbau von Kunststoffen führen.<ref>Littek, Schneider, Huber, Schöppner:  ''Messung zum Materialabbau von Polypropylen'', Zeitschrift Kunmststofftechnik/ Journal of Plastics Technology, 8 (2012).</ref><ref>[http://www.vielgut.ch/IdeenProjekte/oelkers/degradation.htm Kunststoffe und ihre Degradationsmechanismen].</ref>

==== Abbau in Meerwasser ====
[[Datei:Albatross chick plastic.jpg|mini|Kunststoffmüll aus dem Magen eines Albatros]]
Der Abbau von Kunststoffen in Meerwasser verläuft ähnlich (langsam) wie an der Luft, lediglich sprödere Materialien (wie beispielsweise expandiertes Polystyrol) werden mechanisch durch Wellengang und in der Brandung schneller in kleinere Teile zerrissen.<ref>Anthony L. Andrady (Herausgeber): ''Plastics and the Environment'', Verlag John Wiley & Sons, Hoboken, New Jersey, 2003, ISBN 0-471-09520-6, S.&nbsp;379 ({{Google Buch |BuchID=KZCNJ8qSWKYC |Seite=379}}).</ref>

=== Biologische Degradation ===

{{Mehrere Bilder|align= right|Richtung= horicontal|Kopfzeile= [[Mulchfolie]] aus bioabbaubarem [[Polylactide|PLA]]-Blend...|Breite= 200|center= 1|Bild1= Mulch Film made of PLA-Blend Bio-Flex.jpg|Untertitel1 = ... am Beginn der Nutzung|Bild2= Mulch film Bio-Flex biodegraded.JPG|Untertitel2= ... teilweise abgebaut}} Die meisten Kunststoffe sind nicht [[Biologische Abbaubarkeit|biologisch abbaubar]], mit Ausnahme der [[biologisch abbaubarer Kunststoff|biologisch abbaubaren Kunststoffe]]. Eine Degradation biologisch abbaubarer Kunststoffe ist meist ein erwünschter Vorgang bei einer Entsorgung. Die biologisch abbaubaren Kunststoffe gehören zu den [[Biologisch abbaubarer Werkstoff|biologisch abbaubaren Werkstoffen]] und umfassen verschiedene synthetische [[Biopolymer]]e wie [[biobasierter Kunststoff|bio-basierter Kunststoff]] und biologisch abbaubare Kunststoffe. Faktoren für den biologischen Abbau sind die Zugänglichkeit für [[Mikroorganismen]] und ihre [[Enzym]]e, die Durchfeuchtbarkeit und die [[Kompostierung|Kompostierbarkeit]] in feuchter Umgebung. Bei reinen [[Kohlenwasserstoff]]en erfolgt ein Abbau zu CO<sub>2</sub> und H<sub>2</sub>O. Der Zusatz von Stärke als Füllstoff zu herkömmlichen Kunststoffen führt nicht zur gewünschten vollständigen Abbaubarkeit des Kunststoffs.

In durch Aufsitzen von [[Algen]], [[Flechte]]n und [[Pilze]] entstehenden [[Biofilm]]en kann durch Freisetzung und Aufkonzentrierung [[Organische Säure|organischer Säuren]] [[Biokorrosion]] entstehen.<ref>Dietmar Stephan: ''Nanomaterialien im Bauwesen.'' S.&nbsp;134 ({{Google Buch|BuchID=AB50JLeP-rMC|Seite=134}}).</ref>

== Schutz vor Degradation ==
Ein teilweiser Schutz gegen eine Degradation wird durch verschiedene Methoden der [[Konservierung]] erreicht. Eine [[Beschichtung]] mit [[Lack]]en führt zu verminderter Korrosion. UV-absorbierende Beschichtungen und Farbstoffzusätze im Kunststoff vermindern Schäden durch UV-Licht.

== Literatur ==
* Ehrenstein, Pongratz: ''Beständigkeit von Kunststoffen'', Hanser Verlag, München 2007, ISBN 978-3-446-21851-2, S.&nbsp;38 ({{Google Buch | BuchID = 5X1wnA8mQzAC | Seite = 38 }}).
* Achim Pfeil und 19 Mitautoren: ''Biologisch abbaubare Kunststoffe'', expert-Verlag, Renningen-Malmsheim 1994, ISBN 3-8169-0963-9, S.&nbsp;81 ({{Google Buch | BuchID = BlucD2_5QUcC | Seite = 81 }}).

== Einzelnachweise ==
<references />

== Siehe auch ==
* [[Mazeration#Mazeration oder Holzkorrosion|Holzkorrosion]]

[[Kategorie:Makromolekulare Chemie]]
[[Kategorie:Kunststoffe]]
[[Kategorie:Korrosionsart nach Material|Kunststoffe]]
[[Kategorie:Ökotoxikologie]]