Quelltext der Seite Egon Krenz

[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1984-0704-400, Egon Krenz.jpg|mini|Egon Krenz, 1984
[[Datei:Signature of Egon Krenz.png|rahmenlos|rechts|Unterschrift von Egon Krenz]]]]
'''Egon Rudi Ernst Krenz'''<ref>''Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze.'' Walter de Gruyter, 2002, S. 645 ([http://books.google.de/books?id=8eAfAAAAQBAJ&lpg=PA891&ots=exa3LXuBun&dq=%22Egon%20Rudi%20Ernst%20Krenz%22&hl=de&pg=PA645#v=onepage&q=%22Egon%20Rudi%20Ernst%20Krenz%22&f=false books.google.de]).</ref> (* [[19. März]] [[1937]] in [[Kołobrzeg|Kolberg]], [[Provinz Pommern|Pommern]]) ist ein ehemaliger deutscher [[Politiker]] der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]]. Er war vom 18. Oktober bis zum 6. Dezember 1989 Nachfolger [[Erich Honecker]]s als [[Zentralkomitee#Generalsekretär|Generalsekretär des ZKs der SED]] sowie ab 24. Oktober bis zum selben Enddatum [[Staatsratsvorsitzender]] und Vorsitzender des [[Nationaler Verteidigungsrat der DDR|Nationalen Verteidigungsrates]] der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]. Bei seiner Fernsehrede aus diesem Anlass führte er den Begriff ''Wende'' in die DDR-Politik ein, der bis heute für die [[Wende und friedliche Revolution in der DDR|Endphase der DDR]] gebräuchlich ist, vor allem von ehemaligen Bürgerrechtlern in der DDR jedoch teils wegen dieser Herkunft abgelehnt wird. In den [[Mauerschützenprozesse]]n im Jahre 1997 wurde Krenz wegen [[Totschlag (Deutschland)|Totschlags]] zu sechseinhalb Jahren [[Freiheitsstrafe (Deutschland)|Freiheitsstrafe]] verurteilt, von denen er nach [[Haft]]antritt in der [[Justizvollzugsanstalt Moabit]] 1999 bis zu seiner Entlassung 2003 knapp vier Jahre verbüßte. Seit 1989 verfasst Krenz biographische und politische Schriften, die weitgehend seine persönliche Sicht auf die [[SED-Diktatur]] widerspiegeln.

== Kindheit, Ausbildung und Wehrdienst ==
Krenz wurde als Sohn eines Schneiders in Kolberg geboren, wo er 1943 eingeschult wurde. Er fungierte während der in seiner Heimatstadt 1943/44 stattfindenden Dreharbeiten zu dem Film [[Kolberg (Film)|Kolberg]] als Statist<ref>DIE ZEIT, Nr. 16-2020, Seite 20, ''"Alter Mann am Meer" Egon Krenz war so etwas wie der letzte Chef der DDR. Für die Mauertoten musste er ins Gefängnis.'' Interviewführer: Christoph Dieckmann</ref>. 1944 flüchtete seine Mutter mit ihm und seiner Schwester nach [[Ribnitz-Damgarten|Damgarten]]. Sein Vater fiel im Zweiten Weltkrieg.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.youtube.com/watch?v=-Wa2ZbaYt8A |titel=Zeugen des Jahrhunderts |autor= |hrsg=Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) |zugriff=2016-05-01  }}</ref> Krenz beendete in Damgarten 1953 die Schule. Im selben Jahr wurde er Mitglied der [[Freie Deutsche Jugend|Freien Deutschen Jugend]] (FDJ). Krenz brach eine [[Schlosser (Beruf)|Schlosserlehre]] im VEB [[Dieselmotorenwerk Rostock]] ab, studierte von 1953 bis 1957 am „[[Adolph Diesterweg|Diesterweg]]“-[[Institut für Lehrerbildung]] in [[Putbus]] auf [[Rügen]] und schloss mit dem Unterstufenlehrerdiplom ab. Am Lehrerbildungsinstitut war er Sekretär der FDJ-Grundorganisation und ab 1956 auch Mitglied der FDJ-Kreisleitung Rügen. 1955 wurde er Mitglied der SED. Von 1957 bis 1959 diente Krenz bei der [[Nationale Volksarmee|Nationalen Volksarmee]] (NVA) in [[Prora]] als [[Unteroffizier]] und übte FDJ-Funktionen auf [[Division (Militär)|Divisionsebene]] aus. 1958 war er Delegierter der Parteiorganisation der NVA zum V.&nbsp;[[Parteitag der SED]].

== Politische Karriere ==
=== Aufstieg in Jugendorganisation und Partei ===
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-N0610-0018, Gera, Egon Krenz, polnische Gastarbeiterin.jpg|mini|Egon Krenz 1974 im Gespräch mit polnischen [[Vertragsarbeiter]]innen]]
Krenz wurde 1959 zuerst 2., dann 1. Kreissekretär der FDJ im [[Kreis Rügen]]. Ab 1960 war er 1.&nbsp;Sekretär der Bezirksleitung [[Rostock]] der FDJ. 1961 wurde er Sekretär des Zentralrates der FDJ und war verantwortlich für die Arbeit des Jugendverbandes an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen. Von 1964 bis 1967 studierte Krenz an der [[Parteihochschule der KPdSU]] in [[Moskau]] und schloss als [[Gesellschaftswissenschaft|Diplomgesellschaftswissenschaftler]] ab. Anschließend, von 1967 bis 1974, war er Sekretär des Zentralrates der FDJ, verantwortlich für Agitation und Propaganda sowie für die Arbeit der FDJ an den Schulen. Gleichzeitig arbeitete er vom 8. Februar 1971 bis 9. Januar 1974 als Vorsitzender der [[Pionierorganisation Ernst Thälmann|Pionierorganisation „Ernst Thälmann“]]. Von 1974 bis 1983 hatte er die Funktion des Ersten Sekretärs des Zentralrates der FDJ inne.

Von 1971 bis 1990 war Krenz Abgeordneter der [[Volkskammer]] der DDR, von 1971 bis 1981 außerdem Mitglied ihres Präsidiums. 1973 wurde er Mitglied des [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands#Zentralkomitee|Zentralkomitees]] (ZK) der SED. Von 1981 bis 1984 war Krenz Mitglied des [[Staatsrat der DDR|Staatsrates der DDR]]. 1983 wurde er zum Mitglied des [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands#Politbüro des Zentralkomitees|Politbüros]] und [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands#Sekretariat des Zentralkomitees|Sekretär des ZK]] der SED für Sicherheitsfragen, Jugend, Sport, Staats- u. Rechtsfragen gewählt. Mit der Ernennung zum Stellvertreter des [[Staatsratsvorsitzender|Vorsitzenden des Staatsrates]] wurde Krenz 1984 zum zweiten Mann hinter [[Erich Honecker]].

=== Friedliche Revolution ===
{{anker|Wendezeit}}
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1989-1024-035, Berlin, Staatsratsitzung, Egon Krenz.jpg|mini|Egon Krenz, Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und Mitglieder des Staatsrates bei der ersten Sitzung nach der 10. Volkskammertagung am 24. Oktober 1989]]
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1990-0122-022, Berlin, Egon Krenz beim Rundem Tisch.jpg|mini|Egon Krenz und [[Wolfgang Herger]] (vorn) am Runden Tisch, 22. Januar 1990]]

Krenz war im Mai 1989 als Leiter der Zentralen Wahlkommission für die Ergebnisfälschungen bei der [[Kommunalwahlen in der DDR 1989|Kommunalwahl]] mitverantwortlich.<ref>[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13497863.html ''Fliegende Urnen.''] In: ''[[Der Spiegel]]'', 12. März 1990; [https://www.mdr.de/damals/archiv/artikel86484.html ''Die unbegreifliche Wahlfälschung.''] In: ''MDR.de'', Heute im Osten, 2. Mai 2011; Annabelle Petschow: [https://www.hdg.de/lemo/kapitel/deutsche-einheit/wandel-im-osten/kommunalwahlen-in-der-ddr.html ''Kommunalwahlen in der DDR.''] In: ''[[Lebendiges Museum Online]]'', Stiftung [[Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland]], 26. Februar 2016.</ref> Zur [[Tian’anmen-Massaker|blutigen Niederschlagung des Studentenaufstandes auf dem Platz des himmlischen Friedens]] in [[Peking]] äußerte er, es sei „etwas getan worden, um die Ordnung wiederherzustellen“.<ref>Irmgard Zündorf: [http://www.hdg.de/lemo/biografie/egon-krenz.html  ''Biografie Egon Krenz.''] In: [[LeMO]]-Biografien, Stiftung [[Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland]], 15. Januar 2016. Siehe [[Bernd Schäfer (Historiker)|Bernd Schäfer]]: ''Egon Krenz und die chinesische Lösung.'' In: [[Martin Sabrow]] (Hrsg.): ''1989 und die Rolle der Gewalt.'' Wallstein, Göttingen 2012, S. 153–172 [https://books.google.de/books?id=Xlh4DwAAQBAJ&lpg=PA427&vq=Bernd%20Sch%C3%A4fer&hl=de&pg=PA153#v=snippet&q=Bernd%20Sch%C3%A4fer&f=false (Vorschau)].</ref> Die Furcht vor einer „chinesischen Lösung“ verschärfte sich in der DDR noch, als Krenz während der Anfänge der revolutionären Entwicklungen am 1. Oktober 1989 zum 40. Jahrestag der Gründung der VR China dorthin reiste. [[Manfred Görtemaker]] bezeichnete diese Reise als Signal für eine „politische Hilfestellung für ein undemokratisches, totalitäres Regime“.<ref>Manfred Görtemaker: [http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/deutsche-teilung-deutsche-einheit/43716/zusammenbruch-des-sed-regimes?p=all ''Zusammenbruch des SED-Regimes.''] In: Dossier: ''Der Weg zur Einheit.'' [[Informationen zur politischen Bildung]], Heft 250, 19. März 2009.</ref> Die blutige Niederschlagung des Studentenaufstandes wurde von Krenz dort offen unterstützt.<ref>https://www.welt.de/geschichte/article194512807/Tian-anmen-Massaker-Warum-die-SED-die-chinesische-Loesung-lobte.html</ref>

Danach setzte er sich jedoch als verantwortlicher ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen und Wortführer innerhalb der jüngeren Kräfte in der SED-Parteiführung für eine friedliche Reaktion der Sicherheitskräfte bei den [[Montagsdemonstrationen 1989/1990 in der DDR|Montagsdemonstrationen]] ein. Allerdings verbot erst der Befehl 9/89, den Krenz am 13. Oktober gemeinsam mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister [[Fritz Streletz]] an Honecker vorbei formulierte,<ref>Frank Schirrmacher: ''Wo ist Egon Krenz?'' In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]]'', 9. November 2009 ([http://www.faz.net/aktuell/politik/20-jahre-mauerfall/mauerfall-wo-ist-egon-krenz-1880759.html onlinetext von faz.net]).</ref> den Gebrauch von Schusswaffen bei Demonstrationen. Zuvor waren einige Einheiten der [[Nationale Volksarmee|Nationalen Volksarmee]] für den 6. bis 9. Oktober in „[[Gefechtsbereitschaft (NVA)#Friedliche Revolution und Öffnung der Mauer im Herbst 1989|erhöhte Gefechtsbereitschaft]]“ versetzt worden. Zu den für alles Weitere entscheidenden [[Friedliche Revolution (Leipzig)|Leipziger Ereignissen]] am 9. Oktober unterscheiden sich Krenz’ Darstellung und die Angaben der ''Leipziger Menschenrechtsgruppen 1989''<ref>IFM-Archiv Sachsen: ''9. Oktober 1989 * Tag der Entscheidung'': [http://d-nb.info/1001235134/34 Blatt9/ 1999], besonders S. 9.</ref> erheblich. Während ersterer mit Bezug auf sich selbst schreibt, dass die „Weichen für die Zurückhaltung der Einsatzkräfte […] in Berlin gestellt“ worden seien,<ref>E. Krenz 1990, S. 138.</ref> waren deren Leiter, der Polizeipräsident und der SED-Bezirksleitungschef von Leipzig während der Demonstration mit ihren Entscheidungen, die erst nachträglich von Krenz gebilligt wurden, weitgehend auf sich selbst gestellt. Was auch immer vorher in Berlin als umorientierende „Weichenstellung“ gelaufen sein mag,<ref>Krenz 2009, ''Der 9. Oktober''. S. 129–137 und 204&nbsp;f. Im vorangestellten „aktuellen Text“ dieser Auflage wird dazu auf S. 8 seine 1990er-Sicht auf die eigenen Aktivitäten bekräftigt, wobei er die Deutungshoheit für die Ereignisse 20 Jahre später wieder stärker beansprucht.</ref> war offenbar nicht bis zur Basis der NVA „durchgestellt“ worden.

Trotz des desolaten Gesundheitszustandes und der Wirklichkeitsvergessenheit [[Erich Honecker|Honeckers]], die große Gefahren in sich barg, wurde diesem erst Mitte Oktober 1989 durch das Politbüro der Rücktritt nahegelegt. Am 18. Oktober wurde der „Kronprinz“<ref>Krenz 2009, S. 172.</ref> Krenz sein Nachfolger als [[Generalsekretär]] des ZK der SED. Krenz war seinerzeit das jüngste Mitglied des SED-Politbüros.<ref name=":0">{{Internetquelle |url=https://www.abendblatt.de/archive/1989/pdf/19891019.pdf/ASV_HAB_19891019_HA_018.pdf |titel=Der SED-Benjamin errang die Spitze |werk=Hamburger Abendblatt |datum=1989-10-19 |abruf=2022-09-21}}</ref> In der Antrittsrede verwendete Krenz erstmals DDR-offiziell den [[Wende und friedliche Revolution in der DDR|Wende-Begriff]].<ref>Krenz 2009, S.&nbsp;164: Es deutet nichts darauf hin, dass bei der Wahl dieses Begriffs in der vorangegangenen Nacht dessen Verwendung auf dem ''[[Der Spiegel|Spiegel]]''-Cover zwei Tage zuvor oder im Aufruf der oppositionellen [[Vereinigte Linke (1989)|Vereinigten Linken]] vom 4. September 1989 eine Rolle gespielt hat. Eher könnte sein Gebrauch in der [[Wende (Bundesrepublik Deutschland)|Bundesrepublik]] anregend gewirkt haben, wo er Anfang der 1980er Jahre von [[Helmut Kohl]] in den Wahlkampf gegen die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] eingeführt wurde. Hierzu heißt es bei Eppelmann und Grünbaum (2004, S. 865): „Wer&nbsp;…, gerade auch im Hinblick auf das Jahr 1982, für die Ereignisse von 1989 den Begriff ‚Wende‘ benutzt, der degradiert den Sturz der SED-Herrschaft in der DDR zum bloßen Regierungswechsel.“</ref> Dabei war die Stabilisierung der SED-Herrschaft als Ziel klar vorgegeben: {{Zitat|Mit der heutigen Tagung werden wir eine Wende einleiten, werden wir vor allem die politische und ideologische Offensive wieder erlangen.|ref=<ref>''[[Neues Deutschland]]'', 19. Oktober 1989. – Im Originalton, allerdings ohne den brisanten zweiten Halbsatz: [http://1989.dra.de/ton-und-videoarchiv/hoerzitate.html Hörzitat Krenz zur „Wende“ (0‘05‘‘)] unter der Rubrik „DDR-Regierung“.</ref><ref>Krenz 2009. Dort wird auf S. 179 zur TV-Wiederholung dieser Rede ein Sender-Versehen bei der Anrede der DDR-Bürger als „Liebe Genossen“ vermutet, die ihm im Volk sehr verübelt wurde.</ref>}}

Krenz wurde am 24. Oktober 1989 außerdem Vorsitzender des Staatsrates und des [[Nationaler Verteidigungsrat der DDR|Nationalen Verteidigungsrates der DDR]]. Er verließ mit seiner Frau und seinem Sohn die Wohnsiedlung für die Mitglieder des SED-Politbüros [[Waldsiedlung (Bernau bei Berlin)|Waldsiedlung Wandlitz]] bei Berlin und wollte „damit ein Signal setzen“.<ref>Krenz 1990, S. 235.</ref>

Für den 1. November folgte er einer Einladung Gorbatschows nach Moskau. Auf einer Pressekonferenz in Moskau erteilte Krenz einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten eine Absage („Diese Frage steht nicht auf der Tagesordnung. Ich sehe keinen Tag, an dem sie kommen könnte“). Er sagte, es sei „nichts wiederzuvereinigen und nichts zu vereinigen.“ Dass die beiden deutschen Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen „Teil der Stabilität in Europa“ seien, sei „wichtiger als das Nachdenken über eine Wiedervereinigung“, so Krenz. Er kündigte auf der Pressekonferenz Reiseerleichterungen für die DDR-Bevölkerung an, die Grenzsicherung stellte er nicht in Frage („Die Mauer hat andere Gründe, als das Zusammenkommen der Menschen zu verhindern.“ (…) „Die Grenze zwischen den Staaten ist so und nicht anders.“)<ref>{{Internetquelle |url=https://www.abendblatt.de/archive/1989/pdf/19891102.pdf/ASV_HAB_19891102_HA_001.pdf |titel=Krenz: Keine Wiedervereinigung |werk=Hamburger Abendblatt |datum=1989-10-19 |abruf=2022-09-21}}</ref> Zu seinem Besuch bei Gorbatschow heißt es in dem Buch ''Endspiel'':<ref>Kowalczuk 2009, S. 447.</ref> „Egon Krenz heizte die Stimmung am 1. November nochmals an. Auf einer Pressekonferenz in Moskau […] sagte er, alles was sich in den letzten Tagen und Wochen positiv entwickelt habe, sei das Ergebnis von Politbüro und ZK der SED.“ Jedoch bezeichnete er dies in seinem Buch von 1990<ref>Krenz 1990, S. 150f. und S. 223.</ref> als einen „Fehler“:
{{Zitat
 |Text=Ich hatte davon gesprochen, dass meine Partei eine Wende eingeleitet hat. Ich wollte dabei aber sagen, dass wir in der Partei eine Wende eingeleitet hatten. So verstanden viele: Die Wende durch das Volk hatte es gar nicht gegeben. Die hatte allein die Partei ‚ganz oben‘ gemacht. Das hatte ich natürlich nicht gemeint, und dieser Ausrutscher tat mir leid.}}
Diese reuige Darstellung ist wenig bekannt. In seinem Jahre später publizierten tagebuchartigen Bericht<ref>Krenz, zuerst 1999. Der 2009 vorangestellte „aktuelle Text“ liest sich wie eine Rücknahme der 1990er Einsichten.</ref> stehen 15 Seiten zum 1. November, auf denen die Pressekonferenz (bei 100 Minuten Direktübertragung durch das DDR-Fernsehen) mit keinem Wort erwähnt ist.

Am 3. November unterzeichnete Krenz den Befehl 11/89 im Hinblick auf die für Berlin angekündigte [[Alexanderplatz-Demonstration|Großdemonstration]] am Folgetag.<ref>Schorlemmer 1990, S. 113f. aus der Rede des Wittenberger Pfarrers am 4. November auf dem [[Alexanderplatz-Demonstration|Alexanderplatz]]: „Trauen wir jedem eine Wende zu! … Denken wir daran, welche Befürchtungen der neue erste Mann auslöste und welche neue Bewegung mit ihm schon in Gang gekommen ist.“ Im Übrigen war der Befehl den Demonstranten nicht bekannt, die Leib und Leben riskierten, „die chinesische Angst im Bauch und die Sicherheitsmaschinerie vor Augen“. (Schorlemmer 1990, S. 130.)</ref> Darin hieß es:
{{Zitat|Die Anwendung der Schusswaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen ist grundsätzlich verboten.}}
Nach dem Mauerfall am 9. November, der ebenfalls ohne Blutvergießen erreicht werden konnte,<ref>Bei der Übernahme des [[Nationaler Verteidigungsrat der DDR|Verteidigungsrats]]-Vorsitzes am 24. Oktober konnte sich Krenz zum sofortigen Erlass eines Befehls gegen den Schusswaffen-Gebrauch offenbar noch nicht durchringen. Die Gefahr einer Eskalation war jedoch bei vielen vorangegangenen Meetings weit höher als bei der [[Alexanderplatz-Demonstration|Alexanderplatz-Kundgebung]]. Auch schlossen die „möglichen Demonstrationen“ im Befehl vom 3. November manche Grenzsituationen am 9. November nicht ohne Weiteres ein.</ref> nahm die Unsicherheit seines Agierens erheblich zu. Bei einer Tagung des „[[Demokratischer Block|Demokratischen Blocks]]“ am 11. November zur Vorbereitung des [[Kabinett Modrow|Kabinetts Modrow]] traf er erstmals mit dem neuen CDU-Vorsitzenden und späteren Ministerpräsidenten [[Lothar de Maizière]] zusammen.<ref>Krenz 2009, S. 325f.</ref> Seine vorformulierte „kleine Presseerklärung“ zur Tagung charakterisierte dieser als „Hofberichterstattung alten Stils“ und schlug gekürzte Titulierungen vor mit „Herr Generalsekretär Krenz“ ohne Staats- und Verteidigungsrat usw. Dazu Krenz mit Papier und Stift: „Können Sie mir das noch einmal sagen.“<ref>de Maizière 2010, S. 88–90: Er habe ihm dann seinen Text diktiert und von einem Nachbarn zugeflüstert bekommen: „Sehen Sie, so wird aus einem Generalsekretär ein Sekretär.“</ref>

Am 29. November<ref>''[[Neues Deutschland]]'', 30. November 1989.</ref> versuchte er, auf den Zug des Aufrufs „[[Für unser Land]]“ aufzuspringen.<ref>Krenz 2009, S. 397: „Hätte ich geahnt, welche Reaktion meine Unterschrift hervorruft, ich hätte darauf verzichtet.“</ref><ref>Krenz 1990, S. 238–240.</ref> Dieser enthielt das Plädoyer für eine vorerst<ref>[[Friedrich Schorlemmer]]: ''Träume und Alpträume: Einmischungen 1982 bis 1990.'' 1. Auflage. Verl. der Nation, Berlin 1990, ISBN 3-373-00420-9, S. 134: „…&nbsp;damit wir schließlich einmal Einheit in Frieden gewinnen.“ Als einer der 30 Erstunterzeichner des Aufrufs vom 26. November (zusammen mit zwei anderen wichtigen Kirchenvertretern) sagte [[Friedrich Schorlemmer]] dies in seiner Dankesrede zur Verleihung der [[Carl-von-Ossietzky-Medaille]] im Dezember 1989 in Berlin (West).</ref> eigenständige, sozialistische DDR.

Am 3. Dezember 1989 trat das Politbüro des ZK der SED (einschließlich Egon Krenz) nach massiven Protesten auch aus der Basis der Partei geschlossen zurück. Krenz gab nach siebenwöchiger Amtszeit am 6. Dezember den Vorsitz des Staatsrates an den [[Liberal-Demokratische Partei Deutschlands|LDPD]]-Politiker [[Manfred Gerlach]] ab. Im Januar 1990 legte er sein [[Volkskammer]]mandat nieder und wurde aus der inzwischen umbenannten SED-PDS unter [[Gregor Gysi]] ausgeschlossen.<ref>[https://www.rosalux.de/news/id/41485/ ''Ausschluss. Das Politbüro vor dem Parteigericht'']</ref> Mit dieser Aussage endet sein Buch aus dem gleichen Jahr.<ref>Krenz 1990, S. 246. Laut S. 198 wurden „die Druckmaschinen … bis zum Morgen nach der Wahlnacht“ am 19. März 1990 angehalten für den dann geschriebenen, niedergeschlagenen Kommentar zum unerwarteten Ergebnis.</ref>

== Verurteilung und Haft ==
Nach 1991 wurde Egon Krenz als Zeuge in verschiedenen Strafverfahren gegen frühere Repräsentanten der DDR vernommen. 1992 bestritt er, in seiner Funktion als oberster Wahlleiter der DDR die systematischen Wahlfälschungen bemerkt zu haben. Dem widerspricht allerdings eine frühere Aussage Krenz’ auf der 12. [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands#Zentralkomitee|ZK]]-Tagung der SED im Dezember 1989. Dort sagte er über die Kommunalwahlen im Mai:

{{Zitat|Selbstverständlich ist mir klar und bewußt, auch aus heutiger Sicht, daß das erzielte Wahlergebnis mit der tatsächlichen politischen Situation im Lande weder damals noch heute übereingestimmt hat. Es gab aber keine andere Möglichkeit, ein anderes Wahlergebnis bekanntzugeben, weil es so entsprechend den Protokollen, die auch in den Kreisen existieren, zusammengestellt worden ist. Würden wir jetzt, wie das einige vorschlagen, diese Frage neu aufrollen, Genossen, ich habe die Furcht, dann räumen wir nicht nur Positionen, die wir noch besitzen, dann können wir ganz nach Hause gehen. Ich bitte, das nicht zu Protokoll zu nehmen.|ref=<ref>Zitiert nach: Hans-Hermann Hertle, [[Gerd-Rüdiger Stephan]] (Hrsg.): ''Das Ende der SED. Die letzten Tage des Zentralkomitees.'' Ch. Links Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-86153-143-7, S. 465f.</ref>}}

1993 stritt er die Verantwortung der früheren Mitglieder des DDR-Verteidigungsrates für die Verhältnisse an der innerdeutschen Grenze ab. Ab 1993 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Krenz wegen des Waffengebrauchs der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]-Grenztruppen gegen Flüchtlinge (Todesschüsse an der [[Innerdeutsche Grenze|innerdeutschen Grenze]]) und Anstiftung zur Wahlfälschung.

Die Berliner Staatsanwaltschaft erhob im Juni 1993 Anklage wegen „Totschlags und Mitverantwortung für das Grenzregime der DDR“. Egon Krenz bezeichnete die Anklage wegen der Todesfälle als „verfassungs- und völkerrechtswidrig“. Es kam zum sogenannten [[Mauerschützenprozesse#Politbüroprozess|Politbüroprozess]]. Auch im Februar 1996 sprach er der bundesdeutschen Justiz das Recht ab, über frühere Bürger der DDR zu Gericht zu sitzen. Im Juni 1997 bedauerte Krenz vor Gericht einerseits die Opfer an der innerdeutschen Grenze, wies jedoch andererseits seine Verantwortung zurück. Im August verurteilte eine große Strafkammer des [[Landgericht Berlin|Landgerichts Berlin]] Egon Krenz wegen [[Totschlag (Deutschland)|Totschlags]] in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Aufgrund einer Haftbeschwerde kam er im September nach 18 Tagen aus der Haft frei. Aus diesen Tagen stammt ein kontroverser und zeitgeschichtlich bedeutsamer Briefwechsel mit [[Friedrich Schorlemmer]], der gesagt hatte, Krenz solle froh sein, „in [[Justizvollzugsanstalt Moabit|Moabit]] und nicht in [[Haftanstalt Bautzen II|Bautzen]] zu sitzen“.<ref>Krenz 2009, S.&nbsp;453–465, Abschnitt ''Zwei Briefe und zwei Sichten''. – Das [[Haftanstalt Bautzen II|Stasigefängnis Bautzen II]] gilt als Inbegriff des DDR-Unrechtes und wurde ab 1993 zur [[Gedenkstätte Bautzen]] umfunktioniert.</ref> – Im November wurde das Verfahren wegen Wahlfälschung gegen ihn eingestellt.

Im November 1999 verwarf der [[Bundesgerichtshof]] die [[Revision (Recht)|Revision]] gegen das Urteil von 1997, das damit [[Rechtskraft (Deutschland)|rechtskräftig]] wurde. Egon Krenz bezeichnete das Urteil als „Kalten Krieg im Gerichtssaal“. Seine [[Verfassungsbeschwerde (Deutschland)|Verfassungsbeschwerde]] wurde vom [[Bundesverfassungsgericht]] am 11. Januar 2000 zurückgewiesen. Seine Haftstrafe musste er am 13. Januar in der Justizvollzugsanstalt [[Berlin]]-Hakenfelde antreten. Am 24. Januar wurde Egon Krenz in die [[Justizvollzugsanstalt Plötzensee]] verlegt. Am 22. März 2001 verwarf der [[Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte|Europäische Gerichtshof für Menschenrechte]] einstimmig die von Krenz eingelegte Menschenrechtsbeschwerde.<ref>[http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=697230&portal=hbkm&source=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649 Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22. März 2001]</ref>

Am 18. Dezember 2003 wurde Krenz – nach Verbüßung von nicht ganz vier Jahren – aufgrund eines Beschlusses des [[Kammergericht]]s vorzeitig aus der Haft entlassen, der Rest der Strafe wurde zur [[Bewährung (Deutschland)|Bewährung]] ausgesetzt. Er war schon länger Freigänger im [[Offener Vollzug|offenen Vollzug]] und musste nur noch nachts in die Haftanstalt. Tagsüber war Krenz am [[Flughafen Berlin-Tegel]] bei der Fluggesellschaft [[Germania (Fluggesellschaft)|Germania]] beschäftigt, für die er russische Texte ins Deutsche übersetzen sollte. Er wohnt seitdem im mecklenburgischen Ostseebad [[Dierhagen]].

== Leugnung des Schießbefehls ==
Als 2007 der [[Schießbefehl]] an Angehörige einer [[Einsatzkompanie|Spezialeinheit]] des [[Ministerium für Staatssicherheit|Ministeriums für Staatssicherheit]] innerhalb der Grenztruppen, die „die Bewachung der Bewacher“ zu übernehmen hatten, erneut in den Medien publiziert wurde<ref>[http://www.zeit.de/online/2007/33/presseschau-schiessbefehl-ddr/komplettansicht zeit.de]</ref> („Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schusswaffe, auch dann nicht, wenn die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen, was sich die Verräter schon oft zunutze gemacht haben.“<ref>''[[s:Dienstanweisung an Angehörige der Spezialeinheit des MfS innerhalb der Grenztruppen der DDR (Schießbefehl)|Dienstanweisung an Angehörige der Spezialeinheit des MfS innerhalb der Grenztruppen der DDR (Schießbefehl)]]'' Wikisource.</ref>), leugnete Krenz erneut die Existenz der „Schießbefehle“: „Es hat einen Tötungsbefehl, oder wie Sie es nennen ‚Schießbefehl‘, nicht gegeben. Das weiß ich nicht aus Akten, das weiß ich aus eigenem Erleben. So ein Befehl hätte den Gesetzen der DDR auch widersprochen.“<ref>[https://www.welt.de/politik/article3491088/Warum-die-Leugner-des-Schiessbefehls-luegen.html welt.de]</ref><ref>[http://www.bild.de/BTO/news/2007/08/13/stasi-schie_C3_9Fbefehl/dokument-schande.html ''Die brutale Wahrheit über die DDR.''] In: ''[[Bild (Zeitung)|Bild]].'' 13. August 2007.</ref>

== Weitere Aktivitäten ==
Krenz war Ehrengast zum 125. Geburtstag [[Ernst Thälmann]]s am 16. April 2011 in [[Hamburg]]<ref name="ND.2011-04-18">[http://neues-deutschland.de/artikel/195716.auf-auf-zum-kampf.html ''„Auf, auf zum Kampf&nbsp;…“ – Geburtstagsfeier für Ernst Thälmann in Hamburg.''] In: ''[[Neues Deutschland]]'', 18. April 2011.</ref> und hielt eine Rede vor den knapp 100 überwiegend [[Kommunismus|kommunistischen]] Gästen.<ref>„Krenz hilft [[Gesine Lötzsch|Lötzsch]]“. [http://www.spiegel.de/thema/gesine_loetzsch/dossierarchiv-2.html Dossier.] In: [[Spiegel Online]], 23. April 2011</ref> Darin unterstrich er die Leistungen Thälmanns und beklagte gleichzeitig, dass dessen Verdienste heute nicht mehr gewürdigt werden.<ref>In: E. Cichon (Hrsg.) 2011</ref> Den Untergang der DDR betreffend, kritisierte er nicht die deutsche Einheit „an sich“, sondern die Art und Weise ihres Zustandekommens, und sagte, „…&nbsp;auch ich schaue mit Zorn auf die Verbrechen, die unter [[Falsche Flagge|falscher Flagge]] im Namen des Kommunismus verübt wurden“.<ref name="ND.2011-04-18" />

Im Gespräch mit [[Christoph Dieckmann (Journalist)|Christoph Dieckmann]] verteidigte Krenz die DDR im Frühjahr 2020 gegen den Vorhalt, sie habe Millionen Menschen die freie Welterkundung vorenthalten und bewirkt, dass sie „zwangsläufig unterhalb ihrer Talente und Träume“ lebten: Die DDR habe 40 Jahre lang eine Rolle gespielt, die sie sich nicht aussuchen konnte. Sie sei von ihrer Besatzungsmacht dankenswerterweise befreit worden, doch für das, was Deutsche in der Sowjetunion angerichtet hatten, auch mit politischen Forderungen überzogen worden. Während die Bundesrepublik vom [[Marshallplan]] profitierte, habe man in der DDR die [[Reparationen]] leisten müssen. Beide deutsche Staaten seien außenpolitisch nicht souverän gewesen.<ref>Christoph Dieckmann: ''Alter Mann am Meer. Egon Krenz war so etwas wie der letzte Chef der DDR. Für die Mauertoten musste er ins Gefängnis. Ein Hausbesuch.'' In: ''[[Die Zeit]].'' 8. April 2020, S. 20.</ref>

Krenz gehört zu den Autoren der ''Mitteilungen der [[Kommunistische Plattform|Kommunistischen Plattform]]'', die mit der [[Deutsche Kommunistische Partei|DKP]] und der [[Kommunistische Partei Deutschlands (1990)|1990 gegründeten KPD]] zusammenarbeitet.

2022 legte Krenz mit ''Aufbruch und Aufstieg. Erinnerungen'' den ersten Band seiner Memoiren vor. Der Historiker [[Ilko-Sascha Kowalczuk]] unterzog sie am Erscheinungstag einer ausführlichen Betrachtung unter dem Titel ''Geschichtsklitterungen''.<ref>https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/509804/geschichtsklitterungen/</ref>

== Rezeption ==
[[Datei:ConsMunich Faszination Kennedy - a German-American evening at BR (10867029306).jpg|mini|Egon Krenz in einer Sendung des [[Bayerischer Rundfunk|BR]] anlässlich des 50. Todestages von [[John F. Kennedy]], 2013]]
[[Saskia Handro]] bezeichnete 2009 als Krenz’ nachhaltigste ideologische Wortschöpfung die Rede von der [[Wende und friedliche Revolution in der DDR|Wende in der DDR]], deren Verhältnis zum Begriff ''Friedliche Revolution'' weiterhin ungeklärt und von einem Konsens weit entfernt sei.<ref>[[Saskia Handro]]: ''1989 und wir. Geschichtsdidaktische Reflexionen.'' In: ''[[Geschichte für heute|Geschichte für heute. Zeitschrift für historisch-politische Bildung]].'' Jg. 2, 2009, Heft 2, S.&nbsp;5–14, hier S.&nbsp;9–12.</ref> So schrieb der Bürgerrechtler [[Rainer Eppelmann]] im Rahmen der Analyse „Sind wir die Fans von Egon Krenz?“, der Gebrauch des Begriffs ''Wende'' deute darauf hin, „dass die ostdeutsche Revolution fundamental missverstanden wird.“<ref>Eppelmann und Grünbaum 2004, S. 865. Der Titel der Analyse lehnt sich an den Slogan „Wir sind die Fans von Egon Krenz“ aus Krenz’ Zeit als FDJ-Chef an, siehe Stefan Berg: [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/-a-607789.html ''DDR-Aufarbeitung.''] [[Spiegel Online]], 16. Februar 2009.</ref> Auch [[Lothar de Maizière]] wandte sich gegen den Begriff, weil „damit ein Begriff von Krenz aufgegriffen wird, statt sie [die Zeit des politischen Wandels 1989/90] als das zu bezeichnen, was sie wirklich war, nämlich die Zeit einer friedlichen Revolution“.<ref>Lothar de Maizière 2010, S. 52.</ref> Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls gab die Bundesregierung eine Erklärung ab, das Schlagwort der ''Wende'' sei kurz und griffig, aber „nicht überall willkommen“; Viele würden es „als sprachlichen Vereinnahmungsversuch“ betrachten.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/20Jahre/2009-10-20-wende-oder-wie.html |text=''„Wende“? „Friedliche Revolution“? „Mauerfall“?''|wayback=20130623211005}}. In: ''Bundesregierung.de'', 19. Oktober 2009.</ref> Auch wenn der Begriff der ''Wende'' in Politik und Sozialwissenschaft kaum gebräuchlich ist, wird er in der Alltagssprache häufig verwendet, laut Saskia Handro, weil viele Menschen unabhängig von ihrer Meinung zu Krenz „außerordentlich resistent gegen Umakzentuierungen sind“.<ref>Handro 2009, S. 11.</ref>

Zu Krenz’ 70. Geburtstag 2007 trugen Kinder aus der Kita [[Dierhagen]] diesem Lieder vor, was für mediale Empörung sorgte, da Krenz trotz seiner Mitverantwortung für den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze und seine Befürwortung des [[Tian’anmen-Massaker]]s mangelnde Einsicht zeige. Der parteilose Bürgermeister Dierhagens sprach von „[[Heckenschütze]]rei“, die Kita-Leiterin bezeichnete die Aufregung als „albern“; sie meinte: „Herr Krenz hat seine Strafe abgesessen und ist ein freundlicher Mensch.“<ref>J. Oberwittler: [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/-a-475714.html ''Heikles Geburtstagsständchen.''] [[Spiegel Online]], 9. April 2007.</ref> Zum 20. Jahrestag der Maueröffnung schrieb [[Frank Schirrmacher]] 2009 nach einem Gespräch mit Krenz, es sei „ein Gebot historischer und persönlicher Rechtschaffenheit, seine Rolle bei dem gewaltlosen Ende anzuerkennen. … Es gibt gewissermaßen keine ästhetisch-politische Kategorie für ihn.“<ref>[https://www.faz.net/aktuell/politik/20-jahre-mauerfall/mauerfall-wo-ist-egon-krenz-1880759.html ''Mauerfall: Wo ist Egon Krenz?''] In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]]'', 9. November 2009.</ref> Vor Krenz’ 75. Geburtstag am 19. März 2012 titelte die sächsische ''[[Freie Presse]]'' mit diesem Ereignis und schrieb, Krenz sehe sich „noch immer als Opfer“.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/DEUTSCHLAND/Der-vorletzte-DDR-Staatsratsvorsitzende-wird-75-artikel7931754.php |text=''Der vorletzte DDR-Staatsratsvorsitzende wird 75'' |wayback=20121226163255}}. In: ''Freie Presse'', 13. März 2012.</ref>

Einige Mitglieder der Partei [[Die Linke]], die [[Der Spiegel]] als „Krenz-Truppen“ bezeichnete, stellten 2009 den Antrag, Krenz (wieder) in die Partei aufzunehmen. Die Parteiführung konstatierte die unveränderte Gültigkeit seines Ausschlusses aus der SED/PDS vom 21. Januar 1990. Auch gab es eine Absprache des Bundesgeschäftsführers der Nachfolgepartei mit Krenz, dass dieser keinen Aufnahmeantrag stellen werde.<ref>[https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ddr-aufarbeitung-krenz-truppen-machen-mobil-a-607789.html ''Krenz-Truppen machen mobil.''] [[Spiegel Online]], 16. Februar 2009.</ref>

== Privates ==
Krenz war mit Erika Krenz, geborene Brusch (* 11. November 1939, † 4. März 2017), einer Lehrerin, verheiratet. Das Ehepaar bekam zwei Söhne.<ref>[https://trauer-anzeigen.de/traueranzeige/erika-krenz Traueranzeige Erika Krenz, Ostsee-Zeitung]</ref> Krenz betätigte sich sportlich im [[Jogging|Dauerlauf]] und im [[Wasserski]].<ref name=":0" />

== Veröffentlichungen ==
* ''Die Aufgaben der FDJ-Grundorganisationen an den Oberschulen.'' Berlin 1972.
* ''Zur Jugendpolitik der SED. Auf dem Weg zum XI. Parteitag der SED.'' Berlin 1985.
* ''Rede auf der 9. Tagung des ZK der SED, 18. Oktober 1989.'' In: ''Beginn der Wende und Erneuerung.'' [[Karl Dietz Verlag Berlin|Dietz Verlag]], Berlin 1989, ISBN 3-320-01539-7.
* ''Das Wohl des Volkes ist unser elementarer Leitsatz. Erklärung des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR vom 24. Oktober 1989 vor der Volkskammer der DDR.'' [[Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik]], Berlin 1989, ISBN 3-329-00688-9.
* ''Wenn Mauern fallen. Die friedliche Revolution. Vorgeschichte – Ablauf – Auswirkungen.'' Unter Mitarbeit von Hartmut König und Gunter Rettner. Paul Neff Verlag, Wien 1990, ISBN 3-7014-0301-5.
* ''Herbst ’89. Mit einem aktuellen Text.'' [[Edition Ost|edition ost]], Berlin 2009, ISBN 978-3-360-01806-9. (1. Auflage 1999)
* ''Widerworte. Aus Briefen und Zeugnissen 1990 bis 2005.'' edition ost, Berlin 2006, ISBN 3-360-01071-X.
* ''Exklusivinterview mit Genossen Egon Krenz. Wir stehen fest an der Seite Kubas.'' In: ''RotFuchs.'' [http://www.rotfuchs.net/zeitung/archiv/2007/RF03-07.pdf rotfuchs.net] (PDF)
* ''Gefängnis-Notizen.'' edition ost, Berlin 2009, ISBN 978-3-360-01801-4.
* ''Deutsche Jubiläen und Lehren der Geschichte.'' In: ''STOPP NATO! 60 Jahre Nato. 60 Jahre Bedrohung des Friedens.'' Verlag Wiljo Heinen, Berlin 2009, ISBN 978-3-939828-38-9.
* ''Er hätte uns gescholten.'' In: ''„Aber ich glaube an den Triumph der Wahrheit“: Ernst Thälmann zum 125. Geburtstag.'' Eberhard Czichon (Hrsg.), mit Beiträgen von [[Margot Honecker]] und anderen. Heinen Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-939828-66-2.
* Als Herausgeber: ''Walter Ulbricht. Zeitzeugen erinnern sich.'' Verlag [[Das Neue Berlin]], Berlin 2013, ISBN 978-3-360-02160-1.
* ''Zeuge des Jahrhunderts''. In: ''Horst Sindermann. Vor Tageslicht. Autobiografie.'' edition ost, Berlin 2015, ISBN 978-3-360-01871-7, S.&nbsp;7–30.
* ''„Ich will hier nicht das letzte Wort“ – [[Heinz Rudolf Kunze]] und Egon Krenz im Gespräch''. Interview-Buch. 158 Seiten, Berlin 2016, ISBN 978-3-355-01845-6
* ''China. Wie ich es sehe.'' [[Edition Ost|edition ost]], Berlin 2018, ISBN 978-3-360-01885-4.
* ''Wir und die Russen. Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau im Herbst ’89''. edition ost, Berlin 2019, ISBN 978-3-360-01888-5.
* ''Komm mir nicht mit Rechtsstaat: [[Friedrich Wolff (Rechtsanwalt)|Friedrich Wolff]] und Egon Krenz im Gespräch'', [[Edition Ost|edition ost]], Berlin 2021, ISBN 978-3-360-01895-3.
* ''Aufbruch und Aufstieg. Erinnerungen'', Verlag Edition Ost, Berlin 2022, ISBN 978-3-360-02805-1.

== Literatur ==
* [[Rainer Eppelmann]], [[Robert Grünbaum]]: ''Sind wir die Fans von Egon Krenz? Die Revolution war keine „Wende“.'' In: ''Deutschland Archiv.'' 5/2004, S.&nbsp;864–869, {{ISSN|0012-1428}}.
* [[Saskia Handro]]: ''1989 und wir. Geschichtsdidaktische Reflexionen.'' In: ''[[Geschichte für heute|Geschichte für heute. Zeitschrift für historisch-politische Bildung]].'' Jg. 2/2009, Heft 2, ''Zwanzig Jahre Friedliche Revolution'', S. 5–14.
* [[Ilko-Sascha Kowalczuk]]: ''Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR''. C.H. Beck Verlag, München 2009, ISBN 978-3-406-58357-5.
* [[Lothar de Maizière]]: ''„Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen.“ Meine Geschichte der deutschen Einheit.'' Verlag Herder, Freiburg u.&nbsp;a. 2010, ISBN 978-3-451-30355-5.
* {{WWW-DDR|id=egon-krenz|lemma=Krenz, Egon|autor=[[Helmut Müller-Enbergs]]|band=1|idNum=1899}}
* [[Beate Rudolf]]: ''Streletz, Kessler and Krenz v. Germany.'' App. Nos. 34044/96, 35532/97, & 44801/98.49 ILM 811 (2001), and K.-H. W. v. Germany. App. No. 37201/97. 49 ILM 773 (2001). In: ''The American Journal of International Law.'' 95/4 (Okt. 2001), S. 904–910.
* [[Friedrich Schorlemmer]]: ''Träume und Alpträume: Einmischungen 1982 bis 1990.'' 1. Auflage. Verl. der Nation, Berlin 1990, ISBN 3-373-00420-9 (vollst. Taschenbuchausg. Droemer Knaur Verl. München 1993, ISBN 3-426-80006-3).

== Filme ==
* Mario Sporn und [[Thomas Grimm (Filmemacher)|Thomas Grimm]]. ''Die 50 Tage des Egon Krenz'', ZDF-History, 45 min, 2016.
* ''[https://www.youtube.com/watch?v=-Wa2ZbaYt8A Egon Krenz im Interview.]'' mit Jakob Augstein. Interview über das politische Leben im Dienste der DDR, ''Zeugen des Jahrhunderts'' am 1. Mai 2016 im ZDF, 218 Minuten

== Weblinks ==
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* {{DNB-Portal|118943154}}
* {{Perlentaucher|egon-krenz}}
* {{DHM-HdG|Bio=egon-krenz|Titel=Egon Krenz}}
* {{Munzinger|00000013868|Egon Krenz|14. August 2020}}
* [http://dejure.org/gesetze/rechtsprechung/Egon_Krenz.html Rechtsprechungsnachweis Egon Krenz] bei dejure.de
* Barbara Nolte: [https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/besuch-beim-ex-ddr-staatschef-egon-krenz-noch-vier-wochen-vorher-applaudierten-sie-mir/24701300-all.html ''Besuch beim Ex-DDR-Staatschef Egon Krenz. „Noch vier Wochen vorher applaudierten sie mir“.''] In: ''[[Tagesspiegel]]'', 29. Juli 2019.
* {{IMDb}}
* [https://www.deutschlandfunkkultur.de/buchpremiere-frueherer-ddr-staatschef-krenz-stellt-erinnerungen-vor-dlf-kultur-ba7fbf5b-100.html Früherer DDR-Staatschef Krenz stellt Erinnerungen vor], Podcast vom [[Deutschlandfunk Kultur]], 8. Juli 2022

== Anmerkungen und Einzelnachweise ==
<references />

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|NAME=Krenz, Egon
|ALTERNATIVNAMEN=Krenz, Egon Rudi Ernst (vollständiger Name)
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Politiker (SED), MdV, kurzzeitig SED-Generalsekretär sowie Staatsratsvorsitzender der DDR
|GEBURTSDATUM=19. März 1937
|GEBURTSORT=[[Kołobrzeg|Kolberg]], Pommern
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|STERBEORT=
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