Quelltext der Seite Fantasie in f-Moll für Klavier zu vier Händen

[[Datei:Franz Schubert c1827.jpg|miniatur|[[Franz Schubert]] 1827 (porträtiert von [[Anton Depauly]], 1828)]]
[[Datei:Caroline Esterhazy.tif|mini|160px|Karoline von Esterházy]]

Die '''Fantasie in f-Moll für Klavier zu vier Händen''' von [[Franz Schubert]], [[Deutsch-Verzeichnis|D]] 940 ([[Opus (Werk)|Op.]] posth. 103) gehört zu Schuberts bedeutendsten Kompositionen für mehrere Klavierspieler und zu seinen wichtigsten Klavierkompositionen überhaupt. Schubert komponierte das Werk im Jahr 1828, also in seinem letzten Lebensjahr, und widmete es seiner Schülerin, [[Caroline Esterházy|Karoline von Esterházy]], in die Schubert heimlich verliebt war.<ref name="Gibbs150">Gibbs, S.&nbsp;150–151.</ref>

== Geschichtliches ==
Schubert begann mit der Aufzeichnung der [[Fantasie (Kompositionsform)|Fantasie]] im Januar 1828 in [[Wien]].<ref name="Weekly71" /> Das Werk wurde im März desselben Jahres vollendet und im Mai [[Uraufführung|uraufgeführt]]. Schuberts Freund Eduard von Bauernfeld notierte in seinem Tagebuch am 9.&nbsp;Mai, dass [[Franz Schubert]] und [[Franz Lachner]] ein bemerkenswertes [[Zu vier Händen|Klavierduett]] aufgeführt hätten.<ref name="Weekly72">Weekly, S. 72.</ref>

Schubert starb im November des Jahres. Nach seinem Tod ließen seine Freunde und die Familie eine Anzahl seiner Werke drucken, darunter auch dieses Werk. Es erschien im Verlag von [[Anton Diabelli]]. Das Originalmanuskript ist im [[Österreichisches Staatsarchiv|Österreichischen Staatsarchiv]] archiviert.<ref name="Weekly71">Weekly, S. 71.</ref>

== Aufbau ==
[[Datei:Fantasia in F minor by Franz Schubert, D.940 (Op. posth. 103).ogg|mini|Gesamtaufnahme der Fantasie, Latsos Duo (17:17&nbsp;min., 2019)]]
[[Datei:20091104 Awadagin Pratt and student pianist Lucy Hattemer - Franz Schubert Fantasia in F minor, 1st and 4th movements.ogg|mini|Audio-Aufnahme des 1. und 4.&nbsp;Satzes der Fantasie, Awadagin Pratt und Lucy Hattemer (7:44&nbsp;min., 2009)]]

Die Fantasie besteht aus vier Sätzen, die thematisch miteinander verbunden sind und ohne Unterbrechung durchgespielt werden. Die Spieldauer beträgt etwa 20&nbsp;Minuten.

Die Sätze sind:
# Allegro molto moderato
# Largo
# Scherzo. Allegro vivace
# Finale. Allegro molto moderato

Eine analoge Grundstruktur mit vier miteinander verbundenen Sätzen hat auch Schuberts als ''[[Wanderer-Fantasie]]'' bekanntes Opus 15 (D. 760) in C-Dur, was stilistisch eine Brücke zwischen der traditionellen [[Sonatenform]] und der Form einer freien [[Tondichtung]]<ref name="Weekly72" /> schlägt. Die Struktur der zwei Fantasien ist sehr ähnlich: Allegro, langsam, scherzo, allegro mit [[Fuge (Musik)|Fuge]].<ref name="Frisch75">Frisch, S. 75.</ref> wie sie später u.&nbsp;a. [[Franz Liszt]] geschrieben hat. Die Form der Schubertschen f-Moll-Fantasie, mit ihrer relativ starren Struktur (strenger, beispielsweise, als die Klavierfantasien von [[Ludwig van Beethoven]] oder [[Wolfgang Amadeus Mozart]]), beeinflusste die Liszt’schen Kompositionen.<ref name="Gibbs161_2">Gibbs, S. 161–162.</ref>

[[Datei:SchubertFantasieFMinorAutograph.jpg|miniatur|Eine Seite des Schubertschen Originalmanuskripts]]

=== Erster Satz ===
Das Stück beginnt mit einer lyrischen Melodie mit punktierten Rhythmen, die an den ungarischen Stil erinnern.<ref name="Einstein281" /> Das Thema wird schließlich von f-Moll zu F-Dur umgewandelt, kurz in F-Dur wiederholt und geht anschließend in ein ernstes zweites Thema über, bevor es zur Vorbereitung des zweiten Satzes in [[fis-Moll]] umgewandelt wird.<ref name="Henle">Sammlung Henle</ref>

=== Zweiter Satz ===
Der zweite Satz beginnt mit einem energischen, etwas turbulenten Fortissimo-Thema in fis-Moll. Obwohl mit „langsam und breit“ überschrieben (''largo''), gibt dies häufig zweifach-gepunktete erste Thema dem Satz viel Spannung. Schließlich weicht das erste Thema einem ruhigen und lyrischen zweiten Thema. Das erste Thema wird wiederholt und endet in einer Cis-Dur Dominantenfigur.<ref name="Henle" /> Schubert hatte kurz zuvor [[Niccolò Paganini|Paganinis]] [[2. Violinkonzert (Paganini)|2. Violinkonzert]] gehört, dessen zweiter Satz seine Themen inspirierte.<ref name="Einstein281">Einstein, S. 281.</ref>

=== Dritter Satz ===
Unmittelbar im Anschluss an das bewegte fis-Moll-Thema folgt mit dem ''scherzo'' ein heller lebhafter dritter Satz im selben Notenschlüssel. Wie in einem seiner [[Klaviertrio]]s kehrt das ''scherzo'' zuerst scheinbar zu fis-Moll zurück, endet aber dann, mit der Wiederholung, mit einem Übergang von A-Dur zu fis-Moll, um schließlich mit cis-Oktaven zu enden, was zum f-Moll des Finales führt, womit die Anfangstonart wieder hergestellt ist.<ref name="Henle" />

=== Finale ===
Das Finale steht in der gleichen Tonart wie der erste Satz, sodass es sich anbietet, den ersten und den vierten Satz zu vereinen. Der Schlusssatz beginnt mit einer Wiederholung des Hauptthemas des ersten Satzes, sowohl in f -Moll als auch in F-Dur, worauf sich eine Fuge über dessen Nebenthema anschließt. Die Fuge steigert sich zu einem [[Peripetie|Kulminationspunkt]], bevor sie abrupt auf einem C-Dur-Dominant-Akkord endet, statt sich entweder nach F-Dur oder f-Moll aufzulösen. Nach einem Takt Stille wird das erste Thema kurz wiederholt, worauf sich rasch Schlussakkorde entwickeln, die das zweite Thema echohaft wieder aufgreifen, bevor die Komposition mit acht ruhigen Endtakten ausklingt.<ref name="Henle" /> Frisch spricht von der „bemerkenswertesten Kadenz im gesamten Werk Schuberts“, weil er es fertigbringt, die zwei gegensätzlichen Themen der Fantasie in den acht Schlusstakten zu vereinen.<ref name="Frisch78">Frisch, S.&nbsp;78–79.</ref>

== Rezeption im Film ==
Die ''Fantasie'' ist die Grundlage für die Filmmusik in [[István Szabó]]s Film [[Ein Hauch von Sonnenschein]] aus dem Jahr 1999. Die Filmmusik von [[Maurice Jarre]] ist geschrieben für großes Sinfonieorchester. Eines der beiden Themen, die er vielfältig miteinander verknüpft bzw. variiert hat, stammt aus Schuberts Fantasie, das zweite, wie Michael Beckerman vermutet, von Jarre selbst, oder es ist ein Motiv aus einem Volkslied.<ref>Michael Beckerman: [https://www.nytimes.com/2000/07/23/movies/music-schubert-takes-a-hand-in-a-clever-film-score.html Schubert Takes a Hand In a Clever Film Score] The New York Times, 23. Juli 2000, abgerufen am 24. Mai 2022</ref> Es spielt das [[Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin]] unter der Leitung des Komponisten, die beiden Pianisten sind Márton Terts (* 1979) und Zsolt Czetner.

== Diskografie ==
Unzählige Aufnahmen, darunter:
* [[Alfred Brendel]] mit [[Evelyne Crochet]]  (Vox Box)
* [[Sviatoslav Richter]] mit [[Benjamin Britten]]  ([[Decca Records]])
* [[Evgeny Kissin]] mit [[James Levine]]  ([[RCA Victor]])
* [[Katia und Marielle Labèque]]  (KML Recordings)
* [[Justus Frantz]] mit  [[Christoph Eschenbach]]  ([[EMI]])
* [[Radu Lupu]] mit [[Murray Perahia]]  ([[Sony|Sony Classical]])
* [[Duo Tal & Groethuysen]] ([[Sony|Sony Classical]])
* [[Aloys Kontarsky|Aloys und Alfons Kontarsky]], [[Emil Gilels|Emil und Elena Gilels]], sowie [[Maria João Pires]] mit [[Ricardo Castro (Pianist)|Ricardo Castro]] (alle jeweils [[Deutsche Grammophon]])
* [[Jörg Demus]] und [[Paul Badura-Skoda]] (mehrfach, u.&nbsp;A. bei [[Westminster Records]], Auvidis Valois und Audax)
* Vitya Vronsky und Victor Babin  ([[Decca Records|US Decca]])
* [[Robert Casadesus|Robert und Gaby Casadesus]]  ([[Columbia Masterworks]])
* [[Alexandre Tharaud]] mit [[Zhu Xiao-Mei]]  ([[Harmonia Mundi]] Fr.)

== Literatur ==
* Franz Schubert: ''Werke für Klavier zu vier Händen'', Band III. Herausgeber Willi Kahl. G. Henle Verlag, München, OCLC 3681881.
* {{cite book|last=Einstein|first=Alfred|authorlink=Alfred Einstein|title=Schubert: A Musical Portrait|publisher=[[Oxford University Press]]|year=1951|location=[[New York City|New York]]|oclc=602553}}
* {{cite book|last=Weekly|first=Dallas A|last2=Arganbright |first2=Nancy| title=Schubert’s Music for Piano Four-Hands|publisher=Pro/Am Music Resources Inc|location=White Plains|year=1990|isbn=978-0-912483-55-9}}
* {{cite book|title=Schubert: Critical and Analytical Studies|first=Walter|last=Frisch (ed.)|publisher=University of Nebraska Press|year=1986|isbn=978-0-8032-6892-0}}
* {{cite book|title=The Life of Schubert|first=Christopher Howard|last=Gibbs|publisher=Cambridge University Press|year=2000|isbn=978-0-521-59512-4}}
* {{cite book|title=Nineteenth-century piano music|first=R. Larry|last=Todd|publisher=Taylor &amp; Francis|year=2004|isbn=978-0-415-96890-4}}
* {{cite book|title=Schubert studies|first=Brian|last= Newbould|publisher=Ashgate|year=1998|isbn=978-1-85928-253-3}}
* Elizabeth Norman McKay: ''Schubert’s string and piano duos in context''. In: Brian Newbould: ''Schubert studies''. Ashgate, 1998, S.&nbsp;62–111.

== Weblinks ==
{{Commonscat|D 940 – Fantasia in F minor for piano four-hands}}
* {{IMSLP2|id=Fantasie, D.940 (Op.103) (Schubert, Franz)|cname=Fantasie in f-Moll für Klavier zu vier Händen}}

'''Videos'''
* [https://www.youtube.com/watch?v=UyjzqPPXDcw Aufführung] von [[Lucas & Arthur Jussen]] im Seoul Arts Center 2014 (18:21 Min.)
* [https://www.youtube.com/watch?v=nAYMJycbPNw Aufführung] von Sivan Silver und Gil Garburg im Konzerthaus Berlin 2018 (21:59 Min.)
* [https://www.gresham.ac.uk/lectures-and-events/vienna-and-schubert-fantasy-in-f-minor-d-940 Musikgeschichtliche Vorlesung] von [[Christopher Hogwood]] über das Werk am [[Gresham College]] 2012 (englisch), ab 39:50 Darbietung von Alexandra Vaduva und Florian Mitrea (58:55 Min.)

== Einzelnachweise ==
<references />

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[[Kategorie:Klassik (Musik)]]
[[Kategorie:Werk von Franz Schubert]]
[[Kategorie:Klaviermusik]]
[[Kategorie:Musik 1828]]