Quelltext der Seite Fazilität

{{Begriffsklärungshinweis|Siehe auch: [[Brevitas et Facilitas]].}}
'''Fazilität''' (von {{laS|''facilitas''}} ‚Leichtigkeit‘; {{enS|facility}}) ist im [[Finanzwesen]] die Bezeichnung für die betraglich begrenzte Möglichkeit, [[Kredit]]e aufnehmen oder [[Bankguthaben|Guthaben]] [[Finanzprodukt|anlegen]] zu können.

== Allgemeines ==
Das Wort ist aus [[Facility]] entlehnt, das der [[Internationaler Währungsfonds|Internationale Währungsfonds]] (IWF) erstmals im Oktober 1952 für kurzfristige Kredite an seine Mitgliedstaaten benutzte. Konkret handelte es sich um Bereitschaftskreditvereinbarungen ([[Stand-by-Kredit|Stand-by-facilities]]).<ref>Georges Paillard, ''Wesen und Funktionen der Währungsreserven und Entwicklung des Währungsreservenbestandes der Schweizerischen Nationalbank'', 1964, S. 83</ref> Eine Stand-by-facility ist nach Artikel XXX (b) IWF-Übereinkommen<ref>[https://www.imf.org/external/pubs/ft/aa/#art20 IMF, ''Articles of Agreement of the International Monetary Fund, letztmals geändert am 28. April 2008'', Article XXX (b)]</ref> das Recht eines IWF-Mitgliedstaats, nach Beschluss des IWF auf dessen „General Resources Account“ mit einem bestimmten Kreditbetrag zuzugreifen. Es handelt sich streng genommen um ein [[Sonderziehungsrecht]], das die dem Mitgliedstaat zustehende Quote übersteigt.<ref>[https://books.google.de/books?id=Vx_fZcbjXI8C&pg=PA91&dq=Stand-by-Kredit&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=Stand-by-Kredit&f=false Alexander Szodruch, ''Staateninsolvenz und private Gläubiger'', 2008, S. 91]</ref> Diese Bereitschaftskreditvereinbarungen sind eines der Kreditinstrumente des IWF und erlauben einem IWF-Mitgliedstaat, im Bedarfsfall bei [[Zahlungsbilanz]]schwierigkeiten [[Devisen]] bis zu einem bestimmten Höchstbetrag abzurufen. 

== Weitere Fazilitäten des IWF ==
Im Laufe der Zeit richtete der IWF zusätzliche Fazilitäten ein.<ref>[https://books.google.de/books?id=6sbvBgAAQBAJ&pg=PA88&dq=fazilit%C3%A4t&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=fazilit%C3%A4t&f=false Rainer Tetzlaff, ''Weltbank und Währungsfonds — Gestalter der Bretton-Woods-Ära'', 1996, S. 87 ff.]</ref> Eine weitere „reguläre Fazilität“ ist die „Erweiterte IWF-Fazilität“ ({{enS|extended fund facility}}, EFF), die seit 1974 zur Behebung strukturbedingter Ungleichgewichte in [[Zahlungsbilanz]]en ([[Zahlungsbilanzdefizit]]e) dient. Über die regulären IWF-Fazilitäten hinaus gab es ab 1987 auch „konzessionäre Hilfen“ durch die ''Fazilität zur Kompensierung bei Exporterlösausfällen'' ({{enS|compensatory financing facility}}, CFF; 1963), die ''Systemtransformationsfazilität'' ({{enS|systemic transformation facility}}, STF; 1993), die ''Armutsbekämpfungs- und Wachstumsfazilität'' ({{enS|poverty reduction and growth facility}}, PRGF; 1999) und Sonderfazilitäten wie die ''Fazilität zur Stärkung von [[Währungsreserve]]n'' ({{enS|supplemental reserve facility}}, SRF; 1997) und die ''Vorsorgliche Kreditlinie'' ({{enS|contingent credit line}}, CCL; 1999).<ref>[https://www.imf.org/external/np/exr/facts/deu/glanced.htm IMF vom Juli 2000, ''Der IWF auf einen Blick'']</ref> 

== Kreditlinie ==
Den Begriff „Fazilität“ übernahm schließlich der [[Internationaler Kreditverkehr|internationale Kreditverkehr]], wo es die [[Revolving Credit Facility]], [[Stand-by-Kredit|Stand-by-Facility]], [[Roll-over-Kredit]]-Fazilität oder die [[Transferable Loan Facilities]] gibt, die in Deutschland als [[Anglizismus]] übernommen wurden. Im [[Deutsches Bankwesen|deutschen Bankwesen]] setzte sich allgemein im [[Kreditgeschäft]] mit [[Nichtbank]]en zunehmend als Alternativbegriff die [[Kreditlinie]] durch, wo sie bei [[Kontokorrentkredit|Kontokorrent-]], [[Dispositionskredit|Dispositions-]], [[Lombardkredit]]en oder [[Effektenlombardkredit]]en als Synonym gebraucht wird. Auch – ganz oder teilweise – nicht ausgenutzte [[Kreditzusage]]n werden als Kreditlinien bezeichnet. Die [[Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Kapitaladäquanzverordnung)|Kapitaladäquanzverordnung]] (englische Abkürzung CRR) verwendet abwechselnd den Begriff Kreditlinie oder Fazilität (Art. 166 Abs. 8a CRR, Art. 265 Abs. 3 CRR).

== Fazilitäten der Europäischen Zentralbank ==
Die Satzung des [[Europäisches System der Zentralbanken|Europäischen Systems der Zentralbanken]] (ESZB) sieht so genannte „Ständige Fazilitäten“ ({{enS|standing facility}}) vor, worunter im [[Eurosystem]] die [[Einlagefazilität]] und die [[Spitzenrefinanzierungsfazilität]] fallen.<ref>[https://books.google.de/books?id=oNznBQAAQBAJ&pg=PA153&dq=fazilit%C3%A4t&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=fazilit%C3%A4t&f=false Dietmar Dorn/Rainer Fischbach/Volker Letzner, ''Volkswirtschaftslehre 2: Volkswirtschaftstheorie und -politik'', 2010, S. 153 f.]</ref> Diese Fazilitäten stehen den [[Geschäftsbank]]en dauerhaft zur Verfügung und können bei Bedarf genutzt werden. Die ständigen Fazilitäten dienen dazu, Übernachtliquidität bereitzustellen oder zu absorbieren. Die Zinssätze der ständigen Fazilitäten bilden einen [[Zinskorridor]], innerhalb dessen sich der [[Tages- und Termingeldhandel|Tagesgeldzins]] auf dem [[Geldmarkt]] bewegt. Als [[Leitzins]] signalisieren sie den allgemeinen Kurs der [[Geldpolitik]]. Die ständigen Fazilitäten werden dezentral von den nationalen [[Zentralbank]]en verwaltet.<ref>Leitlinien der EZB, Ausgabe 2012, Kapitel 3, 1.3.2</ref>

Nach Art. 21.1 des Vertrags über die ESZB sind Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten der EZB oder des ESZB gegenüber [[EU-Mitgliedstaaten]], [[Gebietskörperschaft]]en oder [[öffentliches Unternehmen|öffentlichen Unternehmen]]/[[Kommunalunternehmen]] untersagt.

=== Einlagefazilität ===
{{Hauptartikel|Einlagefazilität}}
Geschäftsbanken können überschüssige [[Liquidität]] als [[Sichteinlage]]n ([[Bankguthaben]] außerhalb des [[Mindestreserve]]guthabens) unbeschränkt beim ESZB bis zum Beginn des nächsten Geschäftstages zum [[Zinssatz]] der [[Einlagefazilität]] ({{enS|deposit facility}}) anlegen ([[Tages- und Termingeldhandel|Tagesgeld]]). Die Anlage kann geschäftstäglich bis zum festgesetzten Zeitpunkt unter Verwendung des [[TARGET2]]-Kommunikationskanals beantragt werden. Die Einlage ist mit den aufgelaufenen Zinsen zu Beginn des auf die Anlage folgenden [[Geschäftstag]]es fällig und wird dem Konto, von dem die Einlage abgebucht wurde, wieder gutgeschrieben.

=== Spitzenrefinanzierungsfazilität ===
{{Hauptartikel|Spitzenrefinanzierungsfazilität}}
Das ESZB gewährt Geschäftsbanken bei [[Kapitalnachfrage|Kreditbedarf]] gegen [[notenbankfähige Sicherheiten]] einen Übernachtkredit ({{enS|overnight credit}}) bis zum Beginn des nächsten Geschäftstages zum [[Spitzenrefinanzierungssatz]]. Der Übernachtkredit kann geschäftstäglich bis zum festgesetzten Zeitpunkt über den TARGET2-Kommunikationskanal beantragt werden. Eine am Ende eines Geschäftstages bestehende [[Kontoüberziehung]] gilt als Antrag auf Inanspruchnahme eines Übernachtkredits in Höhe der Überziehung. Die Geschäftsbanken können sich jederzeit Liquidität im Rahmen der [[Beleihungsgrenze]] ihrer hinterlegten [[Kreditsicherheit]]en beschaffen und damit Liquiditätsengpässe vermeiden. Sinn und Zweck dieses Instrumentes ist vornehmlich die Liquiditätssicherung der Geschäftsbanken und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zur [[Mindestreserve]].
 
== Emissions-Fazilitäten ==
Es gibt Fazilitäten (Kreditlinien), die Kreditinstitute als [[Underwriter (Kreditwesen)|Underwriter]] ihren – mit erstklassiger Bonität versehenen – Firmenkunden zwecks [[Emission (Wirtschaft)|Emission]] von nicht börsenfähigen [[Geldmarktpapier]]en ({{enS|notes}}) zur Verfügung stellen. Diese Papiere besitzen eine [[Laufzeit (Wirtschaft)|Laufzeit]] von 6 Monaten und können durch verschiedene Emissionsformen auf den Geldmarkt gebracht werden. Die Kreditlinie der ''Revolving Underwriting Facility'' (RUF) steht dem Firmenkunden für eine revolvierende Ausnutzung zur Verfügung, die hiervon abgeleitete ''Note Issuance Facility'' (NIF) kann nur einmalig genutzt werden.<ref>[https://books.google.de/books?id=aRo_CwAAQBAJ&pg=PA291&lpg=PA291&dq=geldmarkt+Note+Issuance+Facility&source=bl&ots=dSWg60vFnL&sig=Mcf0U62B0s3WuaX0UsyNVKufdPI&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwj_8riPrsbNAhWKIpoKHRxsDi0Q6AEIOjAD#v=onepage&q=geldmarkt%20Note%20Issuance%20Facility&f=false Guido Eilenberger, ''Lexikon der Finanzinnovationen'', 1996, S. 291]</ref> Weitere, modifizierte Formen sind die ''Transferable Revolving Underwriting Facility'' (TRUF) und Varianten wie ''Prime Underwriting Facility'' (PUF) oder ''Global Revolving Underwriting Facility'' (GRUF).<ref>[https://books.google.de/books?id=RpkYCgAAQBAJ&pg=PA140&dq=fazilit%C3%A4t&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=fazilit%C3%A4t&f=false Adam Reining, ''Lexikon der Außenwirtschaft'', 2003, S. 140]</ref>

== Sonstige Fazilitäten ==
In {{Art.|143|AEUV|dejure}} Abs. 2 [[Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union|AEUV]] ist vorgesehen, dass [[Mitgliedstaaten der Europäischen Union|EU-Mitgliedstaaten]] mit [[Zahlungsbilanz]]&shy;schwierigkeiten Beistand durch die Gemeinschaft erhalten können. In Konkretisierung dieser Bestimmung wurde die ''Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten'' als Verordnung (EG) Nr. 332/2002 vom 18. Februar 2002 erlassen,<ref>{{EUR-Lex-Rechtsakt|reihe=L|jahr=2009|amtsblattnummer=128|anfangsseite=1|endseite=2|format=PDF|titel=eur-lex.europa.eu: Verordnung (EG) Nr. 431/2009 des Rates vom 18. Mai 2009}}</ref> die eine auf 12 Milliarden Euro begrenzte Darlehens-Fazilität für Mitgliedstaaten vorsieht, die nicht den [[Euro]] als nationale Währung eingeführt haben. Der zuständige [[Rat für Wirtschaft und Finanzen]] (ECOFIN) beschloss 2009 wegen der [[Finanzkrise ab 2007]] zweimal die Obergrenze des Fonds von 12 auf insgesamt 50 Milliarden Euro anzuheben. Ziel der Fazilität ist es, jedem Land der [[Eurozone]] in Krisenzeiten finanzielle Hilfe zu gewähren. Profitiert haben bisher davon [[Lettland]] (3,1 Milliarden Euro), [[Ungarn]] (6,5 Milliarden Euro) und [[Rumänien]] (5 Milliarden Euro).

Die im Juni 2010 gegründete [[Europäische Finanzstabilisierungsfazilität]] (EFSF) ist eine [[Aktiengesellschaft]] ({{frS|société anonyme}}) nach luxemburgischem Recht mit Sitz in der [[Luxemburg (Stadt)|Stadt Luxemburg]] und diente als provisorischer vorläufiger Stabilisierungsmechanismus; sie ist im Juli 2013 in den [[Europäischer Stabilitätsmechanismus|Europäischen Stabilitätsmechanismus]] (ESM) als einzige Institution für die finanzielle Unterstützung von Mitgliedstaaten des Euroraums übergegangen und Teil des [[Euro-Rettungsschirm]]s. 

Kreditfazilitäten werden auch die Zusagen von [[Regierung]]en oder [[Internationale Organisation|internationalen Organisationen]] (beispielsweise [[Entwicklungsbank]]en) genannt, die in bestimmten Fällen begrenzte Finanzhilfen ([[finanzielle Fördermittel]]) oder Kredite zur Verfügung stellen, etwa zur Bewältigung von [[Naturkatastrophe]]n oder in [[Krise]]nfällen.

== Weblinks ==
{{Wiktionary}}

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Rechtshinweis}}

{{SORTIERUNG:Fazilitat}}
[[Kategorie:Geldpolitik]]
[[Kategorie:Finanzmarktgeschäft]]
[[Kategorie:Kreditgeschäft]]
[[Kategorie:Finanzierung]]
[[Kategorie:Staatsverschuldung]]
[[Kategorie:Bankwesen]]
[[Kategorie:Betriebswirtschaftslehre]]
[[Kategorie:Volkswirtschaftslehre]]