Quelltext der Seite Interministerieller Ausschuß für Ost-West-Filmfragen

Der '''Interministerielle Ausschuß für Ost-West-Filmfragen''', ursprünglich '''Interministerieller Filmprüfungsausschuß''',<ref name="BuTa-1963" /> war ein [[interministerieller Ausschuss]], der in der [[Bundesrepublik Deutschland]] von 1953 bis 1966/67 für die [[Zensur in der Bundesrepublik Deutschland|Zensur]] von ausländischen Filmen zuständig war.

== Geschichte ==
Bereits am 23. Januar und am 14. Februar 1951 gab es zwei Besprechungen, ''betr. Einfuhr von Filmen aus der Ostzone'' und ''betr. sowjetische Importfilme'', in welchen ein ''zentraler Ausschuss'' für den Import von Filmen aus sozialistischen Ländern empfohlen wurde. Dieser sollte nicht öffentlich bekannt gemacht werden.<ref name="Buchloh-221" />
Am 5. Januar 1953 trafen sich dann Vertreter des [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amtes]], des [[Bundeswirtschaftsministerium]]s, des [[Presse- und Informationsamt der Bundesregierung|Presse- und Informationsamtes]], des [[Bundesamt für Verfassungsschutz|Bundesamtes für Verfassungsschutz]] sowie des [[Bundesinnenministerium]]s, das das Treffen initiiert hatte, um den ''„Import von Filmen aus sowjetisch dirigierten Ländern“'' zu regeln. Einstimmig wurde die Gründung eines Ausschusses beschlossen, der nur Filme zulassen sollte, welche politisch unbedenklich waren. Dem Ausschuss saß das Wirtschaftsministerium vor.<ref name="bpb-18-12-2008" />
Am 8. Dezember 1953 begann der Ausschuss mit seiner Arbeit. Er ließ sich im Kino ''Stern'' in Bonn den sowjetischen Film [[Maximka]] vorführen und verbot danach den Import.<ref name="Buchloh-221" /> Im Mai 1954 wurden vier von 13 für die [[Mannheimer Kultur- und Dokumentarfilmwoche]] angemeldete Filme nicht zugelassen. Darüber hinaus genehmigte der Ausschuss die anderen Aufführungen nur unter der Bedingung, dass die [[DEFA]]-Abordnung nicht ausdrücklich begrüßt wurde.<ref name="bpb-18-12-2008" />
1955 beantragte die DEFA eine Drehgenehmigung für Westdeutschland, um einen Dokumentarfilm über berühmte Orgeln produzieren zu können. Die DEFA schlug dazu eine deutsche Gemeinschaftsarbeit vor. Der Ausschuss lehnte dies ab, da ein Präzedenzfall geschaffen werden könnte und zur ''unerwünschten und nicht immer kontrollierbaren Betätigung von DEFA-Aufnahmestäben''<ref name="BdI-1955" /> führen könnte. Auch weitere Versuche der DEFA, mit westdeutschen Filmproduzenten zu kooperieren, wurden vom ''Interministeriellen Ausschuß für Ost-West-Filmfragen'' unterbunden.<ref name="bpb-18-12-2008" />

Anfang 1967 wurde die Prüfung von Filmen an das [[Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle|Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft]] übertragen. Der Ausschuss für Ost-West-Filmfragen sollte nur noch in besonders umstrittenen Fragen tätig werden, was aber nicht geschah.<ref name="bpb-18-12-2008" /> Das Bundesamt bestritt 1967, dass es einen solchen Ausschuss überhaupt gab und bezeichnete die Treffen als Ressortbesprechungen.<ref name="Buchloh-232" /> Wann der Ausschuss aufgelöst wurde, kann nicht mehr exakt bestimmt werden, auch das Bundeswirtschaftsministerium konnte dies 1988 nicht feststellen.<ref name="Buchloh-226" />

== Rechtsgrundlage ==
Die Legalität des Ausschusses war umstritten. Er bestand bis 1961 faktisch ohne Gesetzesgrundlage. Gerechtfertigt wurde er mit dem Militärregierungsgesetz Nr. 53 vom September 1949, das aber nur wirtschaftliche Aspekte berücksichtigte, sowie ab Ende der 1950er Jahre mit § 93 [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuch]], der die Verbreitung von verfassungsfeindlichen Filmen unter Strafe stellte.

Im September 1961 wurde das [[Verbringungsgesetz]] verabschiedet, das die Einfuhr von Filmen aus bestimmten „[[Liste sozialistischer Staaten|sozialistischen]]“ Ländern genehmigungspflichtig machte.<ref name="bpb-18-12-2008" /> Dieses Gesetz wurde 1967 vor dem [[Bundesverfassungsgericht]] angegriffen. Das Gericht entschied fünf Jahre später, dass das Gesetz konform mit dem [[Grundgesetz]] sei. Dem Autor Stefan Buchloh zufolge hielt der Ausschuss sich aber nicht an die Grenzen, die das Gesetz festgelegt hatte. Keinem der betroffenen Filme könne eine ''aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegen die freiheitliche demokratische Grundhaltung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung'' nachgewiesen werden.<ref name="Buchloh-245" />

== Verbotene Filme ==
Der Ausschuss prüfte zwischen 1953 und 1966 etwa 3180 Filme, ca. 130 wurden verboten. Dazu gehörten:<ref name="bpb-18-12-2008" />
=== DDR ===
* [[Thomas Müntzer – Ein Film deutscher Geschichte]]
* [[Der Untertan (Film)|Der Untertan]] (1951)
* [[Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse]]
* [[Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse]]
* [[Der Rat der Götter]] (1950)
* [[Du und mancher Kamerad]]
* [[Der lachende Mann|Der lachende Mann – Bekenntnisse eines Mörders]]
* [[Das tapfere Schneiderlein (1956)|Das tapfere Schneiderlein]] (1956) wurde 1957 verboten, nach einer erneuten Prüfung wurde der Film 1958 doch zugelassen.
* [[Berlin – Ecke Schönhauser…]]
* Leipziger Messe 1954<ref name="Buchloh-226" />
* Das deutsche Turn- und Sportfest<ref name="Buchloh-226" />
* Vom Lebensweg des Jazz<ref name="Buchloh-226" />
* Träume von Morgen<ref name="Buchloh-226" />
* Vom Wendelstein zur Neuenburg<ref name="Buchloh-226" />
* Lebendes Eisen<ref name="Buchloh-226" />
* Wildhege und Wildpflege<ref name="Buchloh-226" />
* Sommer im Spreewald<ref name="Buchloh-226" />
* Vogelzugforschung auf Hiddensee<ref name="Buchloh-226" />
* [[Semmelweis – Retter der Mütter]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Der Teufelskreis (1956)|Der Teufelskreis]]<ref name="Buchloh-226" />
* Polterabend<ref name="Buchloh-226" />
* Grünes Gemüse<ref name="Buchloh-226" />
* [[Zwischenfall in Benderath]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Kein Hüsung]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Die Unbesiegbaren]]<ref name="Buchloh-226" />
* Ludwig van Beethoven von [[Max Jaap]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Genesung (Film)|Genesung]] (von [[Konrad Wolf]])<ref name="Buchloh-226" />
* [[Betrogen bis zum jüngsten Tag]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Corinna Schmidt]]<ref name="Buchloh-228" />
* [[Das Stacheltier: Fridericus Rex – Elfter Teil]] von [[Frank Beyer]]<ref name="Buchloh-228" />
* Kämpfende Kunst<ref name="Buchloh-232" />
* [[Ein Tagebuch für Anne Frank]]<ref name="Buchloh-232" />
* [[Kommando 52]]

''Der Untertan'' von [[Wolfgang Staudte]] durfte zunächst nur in studentischen Filmclubs vorgeführt werden. Daraufhin legte der [[West-Berlin]]er Filmproduzent [[Erich Mehl]] eine gekürzte Version vor, die aber ebenso keine Zulassung für kommerzielle Kinos erhielt. Daraufhin wandt sich Mehl an die westdeutsche Presse.<ref name="bpb-18-12-2008" /> Der Berliner [[Telegraf (Zeitung)|Telegraf]] veröffentlichte ein ''Plädoyer für den Untertan''. [[Der Kurier]] lobte den Film als ''avantgardistisch''. Der Radiosender [[RIAS]] kritisierte das Verbot als ''unerklärlich''.<ref name="spiegel-07-07-2014" /> Sieben Monate später, im November 1956, wurde eine stark gekürzte Fassung auch für das kommerzielle Kino erlaubt.<ref name="bpb-18-12-2008" /> Die Kürzung betrug 12&nbsp;Minuten und der Film war mit einem die Grundaussage des Films umkehrenden Vorspruch versehen worden, dass die Karriere des Diederich Heßling nur ein Einzelschicksal wäre.<ref name="filmlexikon" />

''Berlin – Ecke Schönhauser'' wurde im Herbst 1958 abgelehnt, obwohl der Film die Realität in der DDR sehr kritisch darstellte. Drei Wochen später wurde auch eine gekürzte Version, in der die Szene in einem westdeutschen [[Notaufnahmegesetz|Notaufnahmelager]] entfernt worden war, abgelehnt. Auch eine dritte Vorführung am 13. März 1959 vor 24 Beamten ermöglichte keine Freigabe, wobei Vertreter des Justiz- und des Wirtschaftsministeriums keine rechtliche Grundlage für ein Verbot sahen. Der Verleiher zog den Antrag auf Import zurück. Fünf Jahre später führte der [[Sozialistischer Deutscher Studentenbund|Sozialistische Deutsche Studentenbund]] den Film ohne Genehmigung auf. Der Film wurde daraufhin erneut dem Interministeriellen Ausschuß für Ost-West-Filmfragen vorgelegt und erhielt erneut keine Genehmigung.<ref name="bpb-18-12-2008" />

''[[Der lachende Mann|Der lachende Mann – Bekenntnisse eines Mörders]]'' wurde am 9. September 1966 vom Freiburger Versicherungswerber ''Helmut Soeder'' vor Freunden und Bekannten aufgeführt, nachdem er ihn auf der [[Leipziger Messe]] geschenkt bekommen hatte. Vor einer geplanten erneuten Vorführung forderte ihn die Kriminalpolizei auf, den Film dem Ausschuss vorzulegen, was Soeder verweigerte. Es kam zu einer [[Hausdurchsuchung]] wegen des Verdachts der landesverräterischen Beziehungen sowie zur Androhung eines Zwangsgeldes von 1000 DM. Er klagte dagegen vor dem [[Frankfurter Verwaltungsgericht]], das den Fall im Mai 1967 an das [[Bundesverfassungsgericht]] verwies. Am 25. April 1972 erklärte das Gericht mit acht von zehn Stimmen das Verbringungsgesetz für verfassungskonform.<ref name="spiegel-07-07-2014" />

=== Tschechoslowakei ===
* [[Atom am Scheideweg]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Das misslungen Püppchen]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Das höhere Prinzip]]<ref name="bpb-18-12-2008" />
* [[König Lavra]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Des Kaisers Bäcker]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Haschecks Erzählungen]]<ref name="Buchloh-226" />

=== Sowjetunion ===
* [[Der stille Don (1957, Teil 1)|Der stille Don]]
* [[Meister des usbekischen Tanzes]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Die Fahrt nach Sucheni]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Maximka]]<ref name="bpb-18-12-2008" />
* [[Jagd im Ozean]]<ref name="Buchloh-226"/>
* [[Insel der sieben Schiffe]]<ref name="Buchloh-226" />
* [[Alexander Newski (Film)|Alexander Newski]] (1938) von [[Sergei Michailowitsch Eisenstein|Sergei Eisenstein]] wurde nur für halböffentlichen Vorführungen mit einer um ein Drittel gekürzten Variante genehmigt. Diese verkehrte Aussagen des Films ins Gegenteil.<ref name="Buchloh-232" />

=== Österreich ===
* [[Franz Schubert – Ein Leben in zwei Sätzen]] von [[Walter Kolm-Veltée]] wurde 1954 mit dem Hinweis, dass die Produktionsfirma Kredite der [[Sowjetische Militärbank|Sowjetischen Militärbank Wien]] erhalten habe, verboten.<ref name="Buchloh-226" />

=== Nordvietnam ===
* [[Zwei Soldaten]] wurde verboten, da er einen friedfertigen nordvietnamesischen Soldaten zeigte.<ref name="Buchloh-232" />
* [[Der Zaunkönig (Film)|Der Zaunkönig]] verbot man, da er einen südvietnamesischen Soldaten negativ darstellte, was volksverhetzend sei.<ref name="Buchloh-232" />
* [[Sie sind der Gewinner]], da er die wirtschaftliche Situation in Nordvietnam nicht korrekt darstellte.<ref name="Buchloh-232" />

== Verweise ==
=== Literatur ===
* Stefan Buchloh ''Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas''. Frankfurt 2002, S. 183–286.
* Roland Seim ''Zwischen Medienfreiheit und Zensureingriffen: Eine medien- und rechtssoziologische Untersuchung zensorischer Einflußnahmen auf bundesdeutsche Populärkultur''. Münster 1997, S. 161–173.

=== Fußnoten ===
<references>
<ref name="BdI-1955">
Der Bundesminister des Innern an den Bundesminister für Wirtschaft, z.Hd. von Herrn Schattenberg, 3. Mai 1955, in: BArch, B 102/34486, hier nach [http://www.bpb.de/apuz/32270/zensur-von-defa-filmen-in-der-bundesrepublik?p=all#footnodeid_9-9 Bundeszentrale für politische Bildung, ''Zensur von DEFA-Filmen in der Bundesrepublik'', 18. Dezember 2008]</ref>
<ref name="bpb-18-12-2008">
[http://www.bpb.de/apuz/32270/zensur-von-defa-filmen-in-der-bundesrepublik?p=all#footnodeid_9-9 Bundeszentrale für politische Bildung, ''Zensur von DEFA-Filmen in der Bundesrepublik'', 18. Dezember 2008]</ref>
<ref name="Buchloh-221">
Stefan Buchloh ''Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas''. Frankfurt 2002, S. 220–221</ref>
<ref name="Buchloh-226">
Stefan Buchloh ''Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas''. Frankfurt 2002, S. 224–226</ref>
<ref name="Buchloh-228">
Stefan Buchloh ''Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas''. Frankfurt 2002, S. 227–228</ref>
<ref name="Buchloh-232">
Stefan Buchloh ''Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas''. Frankfurt 2002, S. 231–232</ref>
<ref name="Buchloh-245">
Stefan Buchloh ''Pervers, jugendgefährdend, staatsfeindlich. Zensur in der Ära Adenauer als Spiegel des gesellschaftlichen Klimas''. Frankfurt 2002, S. 242–245</ref>
<ref name="BuTa-1963">
Deutscher Bundestag 4. Wahlperiode, ''Drucksache IV/1575: Antwort auf die kleine Anfrage der Fraktion der SPD  – Drucksache IV/1504 –'', Bonn 23. Oktober 1963. [http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/04/015/0401575.pdf Online] (PDF; 188,2&nbsp;kB)</ref>
<ref name="filmlexikon">
[http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5201 Lexikon der Filmbegriffe, ''Interministerieller Ausschuß für Ost/West-Filmfragen (IMA)'', 15. Juli 2011]</ref>
<ref name="spiegel-07-07-2014">
[http://www.spiegel.de/einestages/verbotene-filme-geheime-zensur-im-dienst-der-bundesregierung-a-973414.html Spiegel.de, ''Verbotene Filme in der Bundesrepublik – Die Zensur der Kalten Krieger'', 7. Juli 2014]</ref>
</references>

[[Kategorie:Mediengeschichte (Deutschland)]]
[[Kategorie:Geschichte der Zensur]]
[[Kategorie:Rechtsgeschichte]]
[[Kategorie:Gegründet 1953]]
[[Kategorie:Aufgelöst 1967]]
[[Kategorie:Deutschland im Kalten Krieg]]