Quelltext der Seite Kabinett (Politik)

[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1984-0504-503, Berlin, Alte Reichskanzlei, Kabinett-Sitzungssaal.jpg|mini|Sitzungssaal des Kabinetts in der [[Reichskanzlei|Reichskanzlei, Berlin]] (um 1900)]]
[[Datei:Erste Sitzung Kabinett Bouffier II-01.jpg|mini|Erste Sitzung des [[Kabinett Bouffier II|Kabinetts Bouffier II]] im Kabinett des [[Hessischer Landtag|Hessischen Landtags]]]]
Als '''Kabinett''' wird in der [[Politik]] zumeist eine bestimmte [[Regierung]] eines ([[Gliedstaat|Bundes-]])[[Nationalstaat|Staates]] bezeichnet, genauer die '''Regierungsmannschaft''', also die jeweilige Besetzung des [[Regierungschef]]s und seiner [[Minister]] und weiterer hoher Staatsbeamter in ihrer Gesamtheit.<br />
Daneben, jedoch deutlich seltener, findet sich der Begriff ''Kabinett'' auch zur Bezeichnung sonstiger leitender Stäbe, nicht einer Regierung, auf höchster oder unterer Staatsebene oder an der Spitze einer hohen [[Behörde]] (dann in der Regel einer [[Bundesbehörde]]).

== Begriffsgeschichte und nationale Verwendung ==
Benannt ist das Kabinett nach der Kammer (''[[Zimmer #Kabinett|Kabinett]]'' ‚[Hinter-]Zimmer‘), in der einst ein Herrscher seine engsten Mitarbeiter empfing.<ref>präziser: Das ''cabinet'' ist in Schlössern ein Raum zwischen zwei Räumen, der keinen eigenen Eingang vom Flur her hat, also nur durch die Haupträume ''(chambre)'' zu erreichen ist. ''[http://www.zeno.org/Georges-1910/A/Kabinett?hl=kabinett Kabinett].'' In: Karl Ernst Georges: ''Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch.'' Hannover und Leipzig 1910 (Nachdruck Darmstadt 1999), Sp. 1409.<br /> vergleiche ''[[Antichambrieren]]'' (‚Vorsprechen, einen Bittgang machen‘) zum Aspekt des zugänglichen Vorraumes.</ref> Der ''Kabinettschef'' war dann der Verbindungsmann zum Herrscher, eine Funktion, die man heute als ''[[Ministerpräsident]]'' (‚Vorsitzender der Minister‘), ''Ministerratsvorsitzender, Premierminister'' (‚Erster der Minister‘), ''Regierungspräsident, [[Regierungschef]]'' oder ''[[Kanzler]]'' bezeichnet – ursprünglich war der Kanzler der Leiter der [[Kanzlei|Hofkanzlei]], also oberster Privatsekretär des Monarchen. Wie sich die Stellung dieses Postens zum Kabinett und dem Chef des Kabinetts beziehungsweise Ministerkollegiums entwickelt, hängt von der Entwicklung des [[Parlamentarismus]] und [[Politisches System|politischen Systems]] im jeweiligen Land ab.<ref>so war im England des 18.&nbsp;Jahrhunderts oft unklar, wer als Premierminister angesehen werden sollte, der ''First Lord of the Treasury'' (‚Erster Lord des Schatzamtes‘, Schatzkanzler), der ''Lord Privy Seal'' (Lordsiegelbewahrer), der ''Secretary of State'' (Staatssekretär) oder jemand anders, der als wichtigster Minister in der Regierung agierte. vgl. [[Liste der britischen Premierminister]]</ref> Eine solche Stellung als Kanzler und Kabinettschef hat beispielsweise noch der [[Regierung des Fürstentums Liechtenstein #Sonderstellung des Regierungschefs|Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein]], der als einziges Mitglied der Regierung vom Fürsten in Amt und Pflicht genommen wird.

In der Anfangszeit der bürgerlich gestellten Regierungsmitglieder hatten oft nur einzelne, besonders hochrangige Minister tatsächlich das Recht, direkt beim Monarchen vorzusprechen, während andere Eingaben über die Kanzlei zu machen hatten. Das stammt aus der Zeit, in der das ''Geheime Kabinett'' (geheim: persönliches Zimmer des Fürsten) der Beratungsraum war, zu dem nur die ''[[Geheimrat|Geheimräte]]'' Zugang hatten.<ref>{{Meyers-1905|57|462||spezialkapitel=Geheimes Kabinett|kurz=ja}}</ref> Diese Priorität bezog sich auf diejenigen Angelegenheiten, die der Autokrat unmittelbar erledigt wissen wollte (Kabinettssachen), daher nannte man diese Minister auch die ''Kabinettsminister''. Ein solches Gremium war der ''[[Staatsrat (Österreich)|Österreichische Staats-/Reichsrat]]'' ab Maria Theresia. In den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten von Amerika]] beispielsweise ist heute entsprechend das ''[[United States Cabinet]]'' eine Runde des [[US-Präsident|Präsidenten]] nur mit den wichtigsten Ministern, aber auch einigen anderen führenden nichtministeriellen Beamten (etwa Stabschef, UN-Botschafter). Derzeit ist es aber üblich, dass alle Minister dem Kabinett angehören.

Im Französischen bezeichnete man die Regierungsmannschaft, den Rat der Minister, ursprünglich als das ''Ministerium'',<ref>So in der [[Französische Verfassung (1791)|Revolutionsverfassung 1791]] ein ''ministère'' von sechs Funktionen: ''Justice, Intérieur, Contributions et revenus publics, Marine, Guerre, Affaires étrangères'', vgl. [[:fr:Ministère français #Historique]]</ref> erst später geht der Ausdruck ''Ministerium'' auf das [[Ministerium #Portefeuille|Portefeuille]], also einen speziellen Zuständigkeitsbereich, beziehungsweise die [[Dienststelle]] (daher gibt es Minister ohne explizitem Ministerium, und [[Minister ohne Portefeuille]]), und dann auf die [[Beamtentum|Beamtenschaft]] eines bestimmten Ministers beziehungsweise die [[Behörde]] im Ganzen über, wie man das Wort [[Ministerium]] heute so verwendet – während ''[[Ministerrat]]'' zeitgenössisch auch auf die multilaterale Zusammenkunft von Ministern mit gemeinsamem Portefeuille angewandt wird, also facheinschlägige Gremien, nicht Institutionen einer Regierung.

Im französischen Sprachgebrauch, der auch in der [[Europäische Union|Europäischen Union]] verwendet wird, bezeichnet der Ausdruck ''Kabinett'' ''(cabinet)'' noch heute nicht die Regierung, sondern den Stab – also die engsten Mitarbeiter – eines Behördenleiters oder Politikers. Daher ist ein ''[[Kabinettschef]]'' die „rechte Hand“ eines Politikers oder leitenden Beamten. Entsprechend gibt es ein ''[[Cabinet du président de la République]]''<ref>[http://www.elysee.fr/president/la-presidence/le-fonctionnement-de-la-presidence/le-cabinet-du-president-de-la-republique/le-cabinet-du-president-de-la-republique.13214.html Le cabinet du président de la République], elysee.fr</ref> als Privatsekretariat des französischen Präsidenten, und in jedem französischen Ministerium ein ''Kabinett''. Und so haben alle [[Europäische Kommission|Kommissare]], aber auch der [[Präsident des Europäischen Parlaments]] und [[Generaldirektion|Generaldirektoren]] der Verwaltung der einzelnen EU-Institutionen Kabinette – die Institution mit der Funktion der Regierung (also das Kollegium der Ressortleiter) nennt sich ''[[Europäische Kommission|Kommission]].''

In [[Österreich]] wird ebenfalls nach französischer Art noch heute das Ministerkollegium ''Ministerrat'' (beziehungsweise [[Bundesregierung (Österreich)|[''Bundes''-]''Regierung'']]) genannt. Der [[Bundeskanzler (Österreich)|[''Bundes''-]''Kanzler'']] als Regierungschef gilt – im Sinne eines ''[[Primus inter pares]]'' (‚Erster unter Gleichen‘) – als Mitglied des Ministerrats, er kann – muss aber nicht – auch ein Ministerium leiten, desgleichen der Vizekanzler. Mit ''Kabinett'' wird hingegen die Stabsstelle des Bundeskanzlers, das ''[[Kabinett des Bundeskanzlers]]'', bzw. die Stabsstellen jedes einzelnen Ministers, die [[Kabinette der Bundesminister (Österreich)|''Kabinette der Bundesminister'']], bezeichnet. Jedes dieser Kabinette umfasst einen ''[[Kabinettschef]]'' und mehrere Kabinettsmitarbeiter, diese gehören weder zur Regierungsmannschaft noch zwingend zur [[Beamtenschaft]], es finden sich dort auch [[Diplomat]]en, [[Jurist]]en oder freie [[Politischer Berater|politische Berater]]. Zur Regierung zählen aber – nicht formell, doch de facto<ref>vgl. Abfrage in: [http://www.parlament.gv.at/WWER/BREG/REG/index.shtml?FUNK=ALLE&requestId=6352248379&LISTE=&RESS=ALLE&STEP=&listeId=16&ascDesc=ASC&SUCH=&feldRnr=3&FBEZ=FW_016&REG=0&pageNumber=1&xdocumentUri=%2FWWER%2FBREG%2FREG%2Findex.shtml&jsMode= Bundesregierungen seit 1920], parlament.gv.at → Wer ist Wer → Bundesregierung</ref> – auch die ''[[Staatssekretär]]e'', das sind zusätzliche Führungskräfte, die besondere Aufsicht, aber keine Weisung über Ministerialbeamte haben.

Dort, wo das Staatsmodell englischer [[Usance]] folgt, bezeichnet ''Kabinett'' aber meist das gesamte Ministerkollegium (vgl. [[Westminster-System]]).

In [[Deutschland]] kommt das Wort ''Kabinett'' im [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] nicht vor. Es wird dennoch häufig verwendet und bezeichnet die Regierung ([[Bundeskabinett]],<ref>{{Webarchiv |url=https://www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/De/Kanzleramt/Kabinett/kabinett.html |text=Erklärung des Begriffs "Kabinett" in der Regierungsfibel auf bundeskanzlerin.de |wayback=20121223085524 |archiv-bot=2022-03-07 01:10:35 InternetArchiveBot}};<br />[[Volker Busse]], Hans Hofmann: ''Bundeskanzleramt und Bundesregierung. Aufgaben – Organisation – Arbeitsweise.'' 5., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8114-7734-6.<br />vgl. auch [http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0010/k/index.html Sitzungsprotokolle des Bundeskabinetts 1949–1964 beim Bundesarchiv]</ref> [[Landeskabinett]]).

In Monarchien wie in den [[Niederlande]]n ist die Verwendung ebenfalls gebräuchlich, da man damit die Regierung ohne den Monarchen bezeichnen kann, der oftmals zwar nominell der Regierung angehört, aber keine Tagespolitik betreibt. Außerdem ist dort das ''[[Kabinettssystem]]'' verbreitet, in dem die gesamte Regierung Entscheidungen treffen muss, nicht (auch) der Regierungschef oder einzelne Minister wie in Deutschland.

In der Schweiz findet bei einer Neuwahl keinerlei unmittelbare Umbildung des ''[[Bundesrat (Schweiz)|Bundesrats]]'', des Kollegiums der Departementsvorsteher, statt, sondern die Besetzung ist auf je vier Jahre fest befristet, die Regierung wird also laufend personell neu gestaltet.

In angelsächsischen wie auch nordischen politischen System ist auch die im Kontinentaleuropa strenge eins-zu-eins-Zuordnung Minister zu Ministerium nicht üblich, oft ist ein Ministerium (''Department'', also Regierungsabteilung) mit mehreren, gleichrangigen Ministern ausgestattet.

== Nomenklatur der Kabinette (Regierungen) ==
Kabinette werden heute typischerweise nach dem Regierungschef benannt, und bei Umbildungen – nach Neuwahlen, aber auch aus anderen Gründen – nummeriert, so amtierte das [[Kabinett Andreas Papandreou I|Kabinett ''Papandreou'']]&nbsp;I unter dem Ministerpräsidenten [[Andreas Papandreou]] von 1981, dem Wahlsieg und Amtsantritt, bis 1985. Papandreou amtierte noch eine weitere [[Legislaturperiode]] bis 1989 (Kabinett ''Papandreou''&nbsp;II), und wieder 1993–1996 (''Papandreou''&nbsp;III). Das seines Sohnes 2009–2011 nennt man entsprechend [[Kabinett Giorgos Andrea Papandreou|Kabinett ''Giorgos Papandreou'']] und fügt auch den älteren Kabinetten heute ein ''Andreas'' zwecks Unterscheidung bei.

Teilweise werden die Kabinette auch einfach nur durchnummeriert, z.&nbsp;B. in Kanada (siehe ''[[Liste der kanadischen Kabinette]]'').

== Literatur ==
* {{Meyers-1905|10|408|409|spezialkapitel=Kabinett|kapiteltext=Kabinett}}

== Einzelnachweise ==
<references />

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[[Kategorie:Kabinett| ]]
[[Kategorie:Leitungsorgan]]