Quelltext der Seite Kandia (Süßwarenhersteller)

'''Kandia''' war ein [[Rumänien|rumänischer]] [[Süßware]]nhersteller aus [[Timișoara]], als [[Marke (Marketing)|Lebensmittelmarke]] ist der Name bis heute auf dem rumänischen Markt präsent. Die Firma stellte als erstes Unternehmen auf dem Gebiet des heutigen Rumänien [[Milchschokolade]] her und galt somit als älteste Schokoladenfabrik des Landes.<ref>[http://kandia.ro/lucruri-pe-care-nu-le-stiai-despre-kandia/ kandia.ro]</ref><ref>[http://www.adz.ro/artikel/artikel/zeugen-der-temeswarer-industriegeschichte/ Andreea Oance: Zeugen der Temeswarer Industriegeschichte, Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, 5. Dezember 2015]</ref> Weitere Produkte waren [[Bonbon]]s, [[Obstkonserve]]n und [[Marmelade]]n. 

== Geschichte ==
=== Anfänge ===
Das Unternehmen wurde 1890, zu Zeiten des [[Königreich Ungarn|Königreichs Ungarn]], im damaligen ''Temesvár'' gegründet. Es handelte sich anfänglich um eine [[Manufaktur]] mit je nach Quelle sechs bis acht beziehungsweise zehn bis fünfzehn Mitarbeitern, die der Familie des Unternehmers Mór (Moritz) Biedl gehörte.<ref>[http://archiv.nyugatijelen.com/2004/2004%20augusztus/aug.%2027%20pentek/j1.html archiv.nyugatijelen.com]</ref><ref name="Szekernyés">[https://hetiujszo.ro/szekernyes-janos-temesvar-kovei-655/ Szekernyés János – TEMESVÁR KÖVEI 655 auf hetiujszo.ro, abgerufen am 21. November 2020]</ref> 

Bereits 1895 nahm die Firma die [[industrie]]lle Fertigung auf und hieß fortan ''Orient Czukorka- és Chocoládéáru-gyár'', auch ''Csokoládéáru-gyár'' geschrieben, beziehungsweise deutsch ''Orient Canditen- und Chocoladewaren-Fabrik''. Der Hauptsitz befand sich im Stadtbezirk ''Gyárváros'', heute [[Fabric (Timișoara)|Fabric]], in der Fő utca Nummer 32, der heutigen Strada Dacilor. Weitere Niederlassungen waren in der Andrássy út Nummer 8, heute Bulevardul 3 August 1919 und in der Hunyadi utca 10, heute Bulevardul 16 Decembrie 1989.<ref name="Szekernyés" /> Später konnte das Unternehmen direkt neben der [[Bierfabrik in Timișoara|örtlichen Brauerei]] ein Grundstück auf der sogenannten Bräuhauswiese erwerben. Dieses Gelände an der heutigen ''Strada Iohan Heinrich Pestalozzi'' 22, die damals ''Sonazla Sor'' und zwischenzeitlich ''Strada Învățătorilor'' hieß,<ref>[http://www.agenda.ro/timisoaratemesvartemeschburgtemisvar-in-anul-1915-fabric-liceul-jean-louis-calderon/15293 agenda.ro]</ref> war 750 Quadratmeter groß. 

=== Börsengang ===
1909 erfolgte die Umwandlung in eine [[Aktiengesellschaft]], die sich ''Első Délmagyarországi Gőzczukorka- és Csokoládégyár'' beziehungsweise ''Erste Südungarische Dampfkanditen- und Schokoladenfabrik'' nannte und damals im Jahresdurchschnitt bereits 125 bis 130 Angestellte beschäftigte. Mit Hilfe einer 40 PS starken [[Dampfmaschine]] entstanden jährlich 9000 bis 10.000 Zentner Süßwaren. Diese exportierte das Unternehmen auch in die benachbarten [[Balkanhalbinsel|Balkan]]länder beziehungsweise ins damalige [[Österreich-Ungarn|österreich-ungarische]] [[Kondominium]] [[Bosnien-Herzegowina]].<ref>[http://www.banaterra.eu/magyar/G/gazdasag/ipartortenet/temesvar/gyarak/gyarak.htm banaterra.eu]</ref> Langjähriger [[Generaldirektor]] in jener Epoche war der [[Industrieller|Industrielle]], [[Privatbankier]] und [[Rotary International|Rotarier]]<ref>[http://www.rotarytm.ro/index.php?option=com_content&task=view&id=18&Itemid=36 rotarytm.ro]</ref> ''Zsigmond Szana'', dessen ''Temesvári Bank'' – ab 1919 ''Banca Timișoara'' – ab dem [[Börsengang]] als Haupteigner der Schokoladenfabrik fungierte.

=== Umbenennung ===
Ab 1917 nannte sich das Unternehmen schließlich Kandia. Der Überlieferung nach stammte die neue Bezeichnung von ''Candia'' ab, der historischen [[Republik Venedig|venezianischen]] Bezeichnung der Insel [[Kreta]] beziehungsweise deren Inselhauptstadt [[Iraklio]]. Dieser Name wird sowohl in ungarischer als auch in deutscher Sprache ''Kandia'' geschrieben. Die Umbenennung ging auf Direktor Szana zurück, der auf seinen häufigen Reisen nach [[Griechenland]] die kretischen Süßwaren schätzen lernte.<ref>[http://www.evz.ro/made-in-timisoara-703300.html Made in Timișoara, Artikel vom 10. Januar 2006 auf www.evz.ro]</ref> Zugleich wurde damit aber auch eine Kontinuität zum vorhergehenden Namensbestandteil ''Dampfkanditen'' geschaffen. ''Kanditen'' beziehungsweise veraltet ''Canditen'' geschrieben ist ein [[Austriazismus]] für [[Kandieren|kandierte Früchte]] im Speziellen beziehungsweise Süßigkeiten im Allgemeinen.<ref>[https://www.duden.de/rechtschreibung/Kanditen Eintrag Kanditen auf duden.de]</ref> Als Beinamen wählte das Unternehmen die Bezeichnungen ''Cukorka-, csokoládé és konzervgyár'' beziehungsweise ''Zuckerwaren-, Schokoladen- und Konservenwerke'', in der rumänischen Zeit zusätzlich ''Fabrică de bonboane, ciocolată și conserve''. Ab 1918 besaß das Werk zudem einen direkten [[Gleisanschluss]] an den [[Straßenbahn Timișoara#Güterverkehr|Güterverkehr der Straßenbahn Timișoara]].

=== Umzug ===
Nachdem das [[Banat]] ab 1920 in Folge des [[Vertrag von Trianon|Vertrags von Trianon]] zu Rumänien gehörte, gelang es der Kandia im neuen Absatzgebiet [[Großrumänien]] – zu dem nun außer dem Banat auch [[Siebenbürgen]], [[Bessarabien]] und die [[Bukowina]] gehörten – zum Marktführer zu werden. Dadurch wurde die neue Produktionsstätte bereits nach wenigen Jahren zu klein, weshalb die Kandia 1924 ein weiteres Mal umzog. Neues Firmendomizil war der heutige Stadtbezirk [[Iosefin]], damals ''Principele Carol'' genannt. Dort ließ die Firma im Jahr zuvor auf dem Grundstück Strada Iancu Văcărescu 1–5, das heißt gut drei Kilometer südwestlich der bisherigen Produktionsstätte gelegen, ein neues vierstöckiges Gebäude errichten. Zum Zeitpunkt des Umzugs beschäftigte die Fabrik bereits 300 Arbeiter und 30 Angestellte.<ref>[https://web.archive.org/web/20141129011129/http://www.e-timisoara.info/stiri-locale/kandia-de-la-ciocolata-la-moloz.html ''Kandia, de la ciocolata la moloz'' auf www.e-timisoara.info, Artikel vom 8. Oktober 2009]</ref>

Den alten Unternehmenssitz in der Fabrikstadt übernahm die Farben- und Lackfabrik ''Leda'', die ihn aber schon 1936 an die Batteriefabrik ''Dura'' weiterreichte.<ref>[http://www.pressalert.ro/2014/11/timisoara-uitata-povestea-fabricilor-emblematice-pentru-economia-banateana-imagini-de-colectie-guban-elba-dura-filt-fabrica-de-zahar-galerie-foto/ ''TIMIȘOARA UITATĂ Povestea fabricilor emblematice pentru economia bănățeană, în imagini de colecție: Guban, Elba, Dura, Filt, Fabrica de zahăr'', Artikel vom 30. November 2014]</ref> 

1940 übernahm die schließlich ''Julius Meinl S.A.R.'' aus der rumänischen Hauptstadt [[Bukarest]], das heißt die rumänische Tochter der österreichischen [[Julius Meinl AG]], 25 Prozent der Kandia-Geschäftsanteile.<ref>[http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen8/firmadet80706.shtml Unternehmensgeschichte der Julius Meinl Aktiengesellschaft auf albert-gieseler.de]</ref> 

=== Verstaatlichung ===
Nach der [[Verstaatlichung]] in Folge des [[Nationalisierungsgesetz vom 11. Juni 1948 in Rumänien|Nationalisierungsgesetzes vom 11. Juni 1948]] stieg die Zahl der Angestellten in der sozialistischen Zeit auf 1500 Personen, darunter überwiegend Frauen.<ref>[http://www.pressalert.ro/2015/06/fabrica-de-ciocolata-kandia-unul-dintre-simbolurile-prosperitatii-timisoarei-va-disparea-cum-fost-devalizata-si-pe-mainile-cui-ajuns/ pressalert.ro/]</ref> Ursächlich hierfür waren nicht zuletzt einige Fusionen. So fungierte beispielsweise nach 1950 die, schon 1885 gegründete, ehemalige Bonbonfabrik in [[Vinga]] als Unterabteilung der Kandia in Timișoara.<ref>[http://ploaiadecuvinte.blogspot.de/2012/04/gustul-inconfundabil-al-ciocolatei.html ''Gustul inconfundabil al ciocolatei Vinga'' auf ploaiadecuvinte.blogspot.de]</ref> Am Hauptsitz in Timișoara waren in Hochzeiten bis zu 800 Menschen beschäftigt. 

1964 führte die Kandia den [[Schokoriegel]] ''ROM'' ein, der auf den Landesnamen România anspielt und traditionell in den Staatsfarben blau, gelb und rot verpackt wird, heute eine der ältesten Marken des Landes.<ref>[http://www.wall-street.ro/articol/Marketing-PR/93279/Ciocolata-Rom-isi-pune-pe-ambalaj-steagul-american-ca-sa-porneasca-o-dezbatere-despre-valorile-romanesti.html wall-street.ro]</ref> 1979 folgte der Kuchenriegel Măgura. Weitere Marken waren „Ambasador“, „Anca“, „Ideal“ oder „Jucăriile mele“.

=== Niedergang und Abwicklung ===
Die [[Rumänische Revolution 1989|Rumänische Revolution von 1989]] beendete die [[Planwirtschaft]], leitete aber letztlich den wirtschaftlichen Niedergang der Schokoladenfabrik ein, auch wenn sie mit 600 bis 700 Angestellten noch in den 1990er Jahren zu den 500 größten Unternehmen Osteuropas gehörte.<ref>[http://www.top500.de/details/286/kandia_s_a_romania.php top500.de]</ref> Nach der [[Privatisierung|Reprivatisierung]] des Unternehmens zum 5. November 1998 übernahm schließlich 2003 die Bukarester Schokoladenfabrik ''Excelent'', ehemals ''Regina Maria'', die wiederum großteils der [[Julius Meinl]] AG gehörte, 60 Prozent der Kandia-Aktien. Mit der bald darauf folgenden Fusion der beiden Unternehmen endete aus Rentabilitätsgründen im August 2004 letztlich nach 114 Jahren die Produktion am Standort Timișoara. Die neu entstandene Firma ''Kandia-Excelent'' stellte ihre Waren fortan nur noch in der Hauptstadt her. Die zuletzt 200 Mitarbeiter in Timișoara verloren damit ihre Arbeit.<ref>[http://www.hotnews.ro/stiri-arhiva-1259330-fabrica-ciocolata-kandia-inchis.htm ''Fabrica de ciocolata Kandia s-a inchis'', Evenimentul Zilei vom 27. August 2004]</ref> Es entstand der führende rumänische Süßwarenhersteller mit 850 Mitarbeitern und einem Marktanteil von mehr als 20 Prozent, den Meinl aber schon 2007 an den [[Cadbury plc|Cadbury Schweppes]]-Konzern weiterverkaufte.<ref>[http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20070608_OTS0141/meinl-bank-sweet-deal-statt-boersegang-kandia-excelent-geht-an-cadbury-schweppes Meinl Bank: "Sweet Deal" statt Börsegang – Kandia Excelent geht an Cadbury Schweppes]</ref>

== Weblinks ==
*[http://www.kandia-dulce.ro/ Offizielle Webseite kandia-dulce.ro]
*[http://www.primariatm.ro/pdf.php?class=monitorul&identificator=2586 ''Kandia, vagoane pline de bomboane si ciocolata'', Dokumentation auf primariatm.ro]
*[http://www.citadinul.ro/ciocolata-kandia-o-poveste-complicata/ ''Ciocolata Kandia, o poveste complicată'', Dokumentation auf citadinul.ro]

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Unternehmen (Timișoara)]]
[[Kategorie:Lebensmittelhersteller (Rumänien)]]
[[Kategorie:Ehemaliges Unternehmen (Rumänien)]]
[[Kategorie:Gegründet 1890]]