Quelltext der Seite Karl Heinrich von Boetticher

[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1981-127-06A, Karl-Heinrich von Boetticher.jpg|miniatur|Karl Heinrich von Boetticher, 1880]]
'''Karl Heinrich Boetticher''', ab 1864 '''von Boetticher''' (* [[6. Januar]] [[1833]] in [[Stettin]]; † [[6. März]] [[1907]] in [[Naumburg (Saale)|Naumburg an der Saale]]) war ein [[Preußen|preußischer]] Beamter, deutscher [[Vizekanzler (Deutschland)|Vizekanzler]] und [[Politiker]].

== Leben ==
Karl-Heinrich von Boetticher wurde als dritter Sohn des Oberlandesgerichtspräsidenten [[Carl Wilhelm von Bötticher|Carl Wilhelm von Boetticher]] (1791–1868) und seiner Frau Henriette Wilhelmine geb. von [[Bodenhausen (Adelsgeschlecht)|Bodenhausen]] geboren. Er besuchte aufgrund wechselnder Verwaltungstätigkeiten seines Vaters Schulen in Stettin, [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] und [[Danzig]], bevor er sein Abitur in [[Potsdam]] ablegte. Von 1852 bis 1855 studierte er an der [[Julius-Maximilians-Universität Würzburg]] und der [[Humboldt-Universität Berlin|Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin]] Rechtswissenschaft. In Würzburg wurde er Mitglied des [[Corps Nassovia Würzburg|Corps Nassovia]].<ref>Kösener Corpslisten 1930, 142/138.</ref> Nach dem Studium diente er als [[Einjährig-Freiwilliger]] in der [[Preußische Armee|Preußischen Armee]]. 1860 wurde er [[Gerichtsassessor]], 1863 [[Regierungsassessor]]. 1864 kam er ans Handelsministerium. 1865 wurde er [[Stadtrat]] von [[Stralsund]] und 1869, im Jahr seiner Eheschließung mit Sophie Berg, [[Regierungsrat (Deutschland)|Regierungsrat]] im preußischen [[Innenministerium]].

1872 zum [[Charakter (Titel)|Geh. Regierungsrat]] ernannt, wurde er [[Landdrost]] in [[Landdrostei Hannover|Hannover]] und 1876 [[Regierungspräsident (Deutschland)|Regierungspräsident]] in [[Regierungsbezirk Schleswig|Schleswig]]. 1879 wurde er kurzzeitig zum [[Oberpräsident]]en der [[Provinz Schleswig-Holstein]] ernannt. Von September 1880 bis Juli 1897 war Boetticher [[Staatssekretär]] im [[Reichsamt des Innern]] und zugleich Staatsminister ohne Geschäftsbereich. Im Juni 1881 wurde er [[Vizekanzler (Deutschland)|Stellvertreter des Reichskanzlers]] und von August 1888 bis Juli 1897 auch Vizepräsident des Staatsministeriums. Als solcher war er maßgeblich an der Konzeption und parlamentarischen Durchsetzung der [[Sozialgesetzgebung|Sozialversicherungsgesetze]] Bismarcks beteiligt.<ref>Zu von Boettichers sozialpolitischer Tätigkeit vgl. ''[[Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914]].'' II.&nbsp;Abteilung: ''Von der Kaiserlichen Sozialbotschaft bis zu den Februarerlassen Wilhelms&nbsp;II. (1881–1890).'' Band&nbsp;1 bis&nbsp;7; ebenda, III.&nbsp;Abteilung: ''Ausbau und Differenzierung der Sozialpolitik seit Beginn des Neues Kurses (1890–1904).'' Band&nbsp;1 bis&nbsp;7.</ref> In dem 1889 aufbrechenden Streit zwischen Bismarck und Wilhelm&nbsp;II. um die Arbeiterschutzgesetze entschied sich Boetticher trotz innerer Gewissenskonflikte für eine Unterstützung der weitergehenden Ansichten des Kaisers und zog sich so den Zorn Bismarcks zu, der Boetticher im dritten Teil seiner ''Erinnerungen'' ein ganzes Kapitel zur Abrechnung widmet. Boettichers Sicht der Ereignisse sind umfangreich dokumentiert in Georg von Eppsteins ''Fürst Bismarcks Entlassung'', die er nach den hinterlassenen, aber bis dato unveröffentlichten Aufzeichnungen Boettichers in Berlin 1920 veröffentlichte.

Boetticher blieb auch nach Bismarcks Sturz 1890 in seinen Ämtern und unterstützte den [[Neuer Kurs (Deutsches Reich)|Neuen Kurs]], besonders auf dem Gebiet der Handelspolitik. In dieser Eigenschaft war er am 31.&nbsp;Mai 1895 zur [[Grundsteinlegung]] des [[Elbe-Lübeck-Kanal|Elbe-Trave-Kanals]] mit anderen in [[Lübeck]]. Nach Schlägen mit einem silbernen Hammer durch den präsidierenden Bürgermeister, [[Heinrich Theodor Behn]], schlug der königlich preußische Gesandte mit den Worten „Auch ich bitte um Gottes Segen für dieses Werk als ein neues Band durch uralte Freundschaft verbundenen, im neuen deutschen Reiche unauflöslich miteinander vereinten Nachbaren Lübeck und Preußen.“, gefolgt von dem [[Staatsminister (Deutschland)| Staatsminister]] mit den Worten „Für Kaiser und Reich, für Lübecks Glück und Herrlichkeit“ schlug der [[Kommandierender General| Kommandierende General]] des [[IX. Armee-Korps (Deutsches Kaiserreich)|IX.&nbsp;Armee-Korps]] in [[Bezirk Altona|Altona]], [[Alfred von Waldersee]], mit „Navigare necesse est, vivere non necesse est.“ den Granitstein.<ref> ''Die Grundsteinlegung des Elbe-Trave-Kanals.'' In: ''[[Lübeckische Blätter]]''; 37.&nbsp;Jg., Nummer&nbsp;44, Ausgabe vom 2.&nbsp;Juni 1895, S. 297–301. </ref> Am 1.&nbsp;November 1896 eröffnete er den [[Geestemünde]]r [[Fischereihafen (Bremerhaven)|Fischereihafen]].

[[Datei:Berlin, Schoeneberg, Kolonnenstrasse, Alter Zwoelf-Apostel-Friedhof, Grab Karl Heinrich von Boetticher.jpg|mini|hochkant|Grabdenkmal von Boetticher auf dem [[Alter Zwölf-Apostel-Kirchhof|Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof]] in [[Berlin-Schöneberg]]]]
Als Regierungsvertreter im Reichstag unterließ Boetticher es, eine Beleidigung des Kaisers durch einen linksliberalen Politiker zurückzuweisen und beim Abschluss einer Sitzung das „Kaiserhoch“ auszubringen. Darüber bei Kaiser Wilhelm&nbsp;II. in Ungnade gefallen, wurde er 1897 nach 17&nbsp;Jahren aus der Regierung entlassen und 1898 auf den Posten des Oberpräsidenten der [[Provinz Sachsen]] versetzt, wo er bis 1906 wirkte. Er war [[Domherr]] des [[Naumburger Dom]]s.

Von 1866 bis 1870 und 1882 bis 1893 war er als Abgeordneter der [[Konservative Partei (Preußen)|Konservativen Partei]] und auch als Fraktionsloser Mitglied des [[Preußisches Abgeordnetenhaus|Preußischen Abgeordnetenhauses]]. 1878/79 saß er für die [[Freikonservative Partei]] (RFKP) im [[Reichstag (Deutsches Kaiserreich)]]. 1901 wurde er in das [[Preußisches Herrenhaus|Preußische Herrenhaus]] berufen.

Karl Heinrich von Boetticher starb 1907 im Alter von 74&nbsp;Jahren in Naumburg an der Saale. Sein Grab befindet sich auf dem [[Alter Zwölf-Apostel-Kirchhof|Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof]] in [[Berlin-Schöneberg]]. Der hohe Grabstein aus schwarzem Granit trägt ein Reliefmedaillon aus Bronze mit dem Porträt des Toten.<ref>Hans-Jürgen Mende: ''Lexikon Berliner Begräbnisstätten''. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S.&nbsp;749.</ref>

== Familie ==
Boetticher heiratete am 27. Oktober 1869 in [[Stralsund]] ''Sophie Marie Louise Berg'' (* 14. September 1851, † 18. Februar 1939), eine Tochter des Bankbuchhalters Ernst Heinrich Christian Berg und der Julie Albertine Johanna Schultz. Das Paar hatte mehrere Kinder:
* Maria Johanna Mathilde (* 7. Mai 1873) ∞ 1904 Gustav Seydel, Oberverwaltungsgerichtsrat
* Sophie Marie Louise (* 12. Dezember 1874) ∞ 1892 Leberecht Karl Robert Paul Hubert [[Eberstein (fränkisches Adelsgeschlecht)|von Eberstein]], Major a.&nbsp;D. und Besitzer des Rittergutes [[Schloss Genshagen|Genshagen]] (* 20. Februar 1869; † 1955)
* Hans Hugo Joachim (* 8. Oktober 1878; † 4. April 1918), Hauptmann, gefallen bei Courtoire
* Marie Armgard Erika Johanna (* 1. Juli 1880)

== Ehrungen ==
[[Datei:Gedenktafel Domplatz (Naumburg) Heinrich von Boetticher im DOM.jpg|mini|hochkant|Gedenktafel im [[Naumburger Dom]], Domplatz, in [[Naumburg (Saale)]]]]
Karl-Heinrich von Boetticher war [[Ehrenbürger]] [[Liste der Ehrenbürger von Bremerhaven|von Bremerhaven (1885)]], [[Liste der Ehrenbürger von Stralsund| in Stralsund (1890)]] und [[Liste der Ehrenbürger von Magdeburg| in Magdeburg (1902)]].

Der Berliner Bildhauer [[Hans Weddo von Glümer]] schuf eine Büste des ''Staatsministers von Bötticher'', die im Reichsamt des Innern aufgestellt wurde. Im [[Naumburger Dom]] erinnert eine Gedenktafel an den einstigen Domherrn Boetticher.

Für seine Verdienste erhielt er am 10.&nbsp;März 1890 den [[Schwarzer Adlerorden|Schwarzen Adlerorden]], die höchste Auszeichnung des Königreiches Preußen.<ref>Hermann Hengst: ''Die Ritter des Schwarzen Adlerordens''. Verlag Alexander Duncker, Berlin 1901, S.&nbsp;85.</ref>

== Einzelnachweise ==
<references />

== Literatur ==
* Eckhard Hansen, [[Florian Tennstedt]] (Hrsg.) u.&nbsp;a.: ''[[Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945]].'' Band 1: ''Sozialpolitiker im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1918.'' Kassel University Press, Kassel 2010, ISBN 978-3-86219-038-6, S. 20 f. ([http://www.uni-kassel.de/upress/online/frei/978-3-86219-038-6.volltext.frei.pdf Online], PDF; 2,2&nbsp;MB).
* {{NDB|2|413|414|Boetticher, Heinrich von|Heinrich Otto Meisner|135552850}}
* [http://preussenprotokolle.bbaw.de/bilder/PDFBand61 ''Acta Borussica.'' Band 6/I (1867–1878)]
* [http://preussenprotokolle.bbaw.de/bilder/PDFBand62 ''Acta Borussica.'' Band 6/II (1867–1878)]
* [http://preussenprotokolle.bbaw.de/bilder/Band%207.pdf ''Acta Borussica.'' Band 7 (1879–1890)] (PDF-Datei; 2,83 MB)
* ''[[Allgemeines Künstlerlexikon]].'' Band 14, S. 269.
* Gothaisches genealogisches Taschenbuch der briefadeligen Häuser, 1913, [https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/periodical/pageview/1235039 S.90f]

== Weblinks ==
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{{Wikisource|Verordnung, betreffend die Inkraftsetzung des Gesetzes über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung|Verordnung, betreffend die Inkraftsetzung des Gesetzes über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung (1886)}}
* {{DNB-Portal|116226587}}
* {{ReichstagDB|116226587|von Boetticher, Carl Heinrich}}
* {{Biorabk|Karl Heinrich von Boetticher|242}}
* [https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/direktlink/5615b37c-edf5-4d26-85e7-d462fadaa800/ Nachlass Bundesarchiv N 1025]

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|ALTERNATIVNAMEN=Boetticher, Karl Heinrich (Geburtsname)
|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Beamter und Politiker, MdR
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