Quelltext der Seite Leipziger Vokalquartett 1903

In Leipzig wurde 1903 ein gemischtes „'''Leipziger Vokalquartett'''“ gegründet. Mitglieder des Quartetts waren:
* Sopran Fräulein Berta Kruszynski
* Alt Fräulein Schellenberg, A. Linden
* Tenor Dr. Reinhardt
* Bass C. Schreiber

== Persönliches ==

Über die Altistin Fräulein Schellenberg und die Herren des Quartetts sind keine persönlichen Angaben bekannt. Es ist zu vermuten, dass die Sänger ihre gesangliche Schulung in einem der renommierten Chöre Leipzigs bekommen haben, aber aus wirtschaftlichen Gründen ihren Berufen nachgegangen sind.

Die Sopranistin des Quartetts Berta Kruszynski (* 26. Dezember 1878 in [[Bydgoszcz|Bromberg]] ([[Bydgoszcz]]), Provinz [[Posen]]; † Mai 1942 in Belzyce/ Nähe [[Lublin]], verschollen) studierte von April 1895 bis Juli 1899 Klavier, Gesang und Musiktheorie am ''Königlichen Conservatorium der Musik zu Leipzig'', der heutigen ''[[Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig|Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig]]''. Auf dem Abschlusszeugnis wurden ihr „schöne Anlagen zum [[Koloratursopran|Koloraturgesang]]“ bescheinigt.<ref>Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig, Bibliothek / Archiv, L3, 6728</ref>

Als Juden im [[Zeit des Nationalsozialismus|Nazi-Deutschland]] erleiden Berta Kruszynski und ihre jüngeren Schwestern Emma und Jenny die Repressalien des [[Holocaust]]. Bis zum Arbeitsverbot war Berta Kruszynski als Musik- und Klavierlehrerin tätig. Die Schwestern blieben unverheiratet. Am 10. Mai 1942 wurden sie in das [[Ghetto]] [[Bełżyce]] deportiert. Seitdem gelten sie als verschollen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die drei Schwestern im Vernichtungslager [[Lublin]] / [[Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek|Majdanek]] ermordet wurden.<ref>Ellen Bertram: ''Menschen ohne Grabstein. Gedenkbuch über für die Leipziger jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung''. Passage Verlag, Leipzig 2011, S. 442</ref>

Seit November 2018 halten drei [[Stolpersteine]] vor dem Leipziger Wohnhaus Körnerstraße 26, zweite Etage, die Erinnerung an das Schicksal der Schwestern wach. Der [[Stolpersteine|Stolperstein]] für Berta Kruszynski wurde vom Vokalensemble [[Ensemble Amarcord|amarcord]] angeregt und gestiftet.<ref>[https://stolpersteine-guide.de/map/biografie/2303/kruszynski-berta-emma-und-jenny Kruszynski Berta, Emma und Jenny.] stolpersteine-guide.de</ref>

== Geschichte ==

Dieses Quartett ist eine Besonderheit für die Stadt [[Leipzig]], es war das erste Gesangsquartett, das unter dem Namen ''[[Leipziger Vokalquartette|Leipziger Vokalquartett]]'' auftrat. Dem sollten im 20. Jahrhundert und ohne Wissen voneinander, noch mehrere Gründungen [[Leipziger Vokalquartette]] folgen. Es beginnt eine künstlerische Folge von Leipziger ''[[A cappella|A-cappella]]-Vokalquartetten,'' die bis in das 21. Jahrhundert hineinreicht und heute in der Weltklasse ([[Ensemble Amarcord|amarcord]], [[Calmus Ensemble Leipzig|Calmus]]) angekommen ist.

Das Vokalquartett konzertierte nur etwa zwei Jahre. Es sind nur zwei Konzerte des ''Leipziger Vokalquartett'', am 25. Oktober 1903 und am 29. Januar 1905 dokumentiert. Im Januarkonzert, im gerade renovierten Saal des ''[[Hôtel de Prusse|Hotel de Prusse]]'', übernahm den Altpart A. Linden. 4. Die junge Konzertsängerin ''Berta Kruszynski'' gab auch mindestens zwei Soloabende, ein damals neues, noch kaum gepflegtes [[Kammermusik]]tformat.<ref>Programmheft Gewandhaus zu Leipzig, Großes Konzert am 7. April 2016, S. 32</ref> Dabei wurde ihr eine „prächtige Stimme bescheinigt, die aber noch einiger Schulung bedarf“ und dass die „Dame stimmlich begabt ist“.<ref>''Neue Zeitschrift für Musik'', Leipzig 1905, S. 184</ref>

== Repertoire ==

Tonträger oder historische Programmzettel sind nicht nachzuweisen.

Das gemischte ''Leipziger Vokalquartett'' trat im Konzert Oktober 1903 mit einem „bemerkenswerten Programm [auf],das ausschließlich Perlen wenig gekannter Quartettliteratur bot, nämlich Werke von [[Giovanni Pierluigi da Palestrina|Palästrina]], [[Jacobus Gallus|Handl]], [[Daniel Friderici|Friederici]], [[Ignazio Donati|Donati]], [[Francesco Antonio Vallotti|Valotti]], [[Wolfgang Amadeus Mozart|Mozart]], [[Felix Mendelssohn Bartholdy|Mendelssohn]], [[Robert Schumann|Schumann]], Becker und [[Heinrich von Herzogenberg|Herzogenberg]]“, enthielt.<ref name="nzfm-s561">''Neue Zeitschrift für Musik'', 1903, S. 561.</ref>

Am 29. Januar 1905 brachte das Soloquartett ''[[A cappella|A-cappella]]-Gesänge'' unter anderem von [[Davide Perez|D. Perez]] (''Tenebrae factae sunt''), [[Johann Sebastian Bach|J. S. Bach]] (''Komm süßer Tod''), [[Hans Leo Haßler|Haßler]], [[Orlando di Lasso|Lasso]] (''Matona mia cara'') und [[Hugo Wolf]]s ''Weil jetzo alles stille ist'' und die ''Neuen Liebeslieder'' von [[Johannes Brahms|Brahms]] zu Gehör.<ref name="NeueZeitschrift_Musik_S561">''Neue Zeitschrift für Musik'', 1905, S. 142</ref>

Das ist ein beachtliches Repertoire, das sich dieses semiprofessionelle Vokalquartett erarbeitet hat.

== Pressestimmen ==
Die Leipziger Musikkritik ging damals nicht pfleglich mit dieser neuen Gesangsformation um.

* „Die Intonation der Sopranistin Frl. Kruszynski ist nicht immer zuverlässig, Herrn Dr. Reinhardts dünner Tenor klingt bisweilen gequetscht und Herr C.&nbsp;Schreiber hat sein Organ –&nbsp;eines Bass-Bariton von angenehmer Färbung&nbsp;– nicht immer in der Gewalt, wie das starke Tremolieren zeigte. Gesanglich Gutes zeigte die Altistin Fräulein Schellenberg, deren deutliche Aussprache besonders zu rühmen ist.“<ref name="nzfm-s561" />
* „Trotz mancher Unzulänglichkeiten verdient das Quartett wegen des von ihm gepflegten Kunstzweiges freundliche Aufmunterung. M. S.“

== Literatur ==
* Günter Sonne: ''Musikstadt Leipzig. Über die Leipziger Vokalquartette''. Sax Verlag, Markkleeberg, 2017 ISBN 978-3-86729-193-4
* Ellen Bertram: ''Menschen ohne Grabstein. Gedenkbuch über für die Leipziger jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung''. Passage Verlag, Leipzig 2011, ISBN 978-3-938543-93-1

== Einzelnachweise ==
<references />

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[[Kategorie:Holocaust]]
[[Kategorie:Musikgruppe (Leipzig)]]
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