Quelltext der Seite Mêdog

[[Datei:Location of Mêdog within Xizang (China).png|mini|Lage des Landkreises Mêdog (pink) und der Präfektur Nyingchi (gelb) in der Autonomen Region Tibet in China]]
[[Datei:Pemako.jpg|mini|Umgebung von Mêdog (Pemako)]]

'''Mêdog''' (''Metog Dzong'', [[Tibetische Sprache|tibetisch]]: {{lang|bo|མེ་ཏོག་རྫོང་}}, [[Umschrift nach Wylie]]: ''me tog rdzong''), auch '''Motuo''' ({{zh|c=墨脱县|p=Mòtuō Xiàn}}) oder historisch '''Pemako''' genannt, ist ein [[Kreis (China)|Landkreis]] im Südosten des Regierungsbezirks [[Nyingchi]], im [[Autonomes Gebiet Tibet|Autonomen Gebiet Tibet]] in der [[Volksrepublik China]]. Die Fläche beträgt 6.371 Quadratkilometer und die Einwohnerzahl 14.889 (Stand: Zensus 2020).<ref>[http://www.citypopulation.de/de/china/xizang/admin/l%C3%ADnzh%C4%AB_sh%C3%AC/540423__m%C3%B2tu%C5%8D_xi%C3%A0n/ citypopulation.de: MÒTUŌ XIÀN, Landkreis in Tibet], abgerufen am 8. Februar 2022</ref> Gemäß dem [[Volkszählung in der Volksrepublik China 2010/2011|Zensus von 2010/2011]] hatte der Kreis 10.963 Einwohner.<ref>[http://www.citypopulation.de/php/china-xizang-admin.php?adm2id=542624 ''City Population Mòtuō Xiàn'', Zensus 2010], abgerufen am 14. Februar 2018</ref> Neben [[Tibeter]]n leben in Mêdog verschiedene [[Völker Chinas|ethnische Minderheiten]], zum Beispiel [[Monba]]s, [[Tshangla]]s, [[Khampa]]s, [[Lhoba]]s. Die gebräuchliche Sprache vieler Einheimischer ist [[Takpa (Sprache)|Tapka]].<ref>Honglin He, Eikichi Tsukada: ''Recent Progresses of Active Fault Research in China.'' In: Journal of Geography. 112, Nr. 4, 2003, S. 489–520.</ref>

„Mêdog“ bedeutet „heimlicher Lotus“ und steht in der [[Tibetische Sprache|tibetischen Sprache]] für „Blüte“. Von den Einwohnern wird die Region auch als „die Insel auf dem [[Plateau]]“ bezeichnet und galt lange Zeit als die abgeschiedenste Gegend Chinas. Die durchschnittliche Höhenlage beträgt 1.200 Meter. Zum Westen, Norden und Osten stehen die Gebirgszüge des [[Himalaya]]s und [[Kangri Garpo]]s. Im Süden grenzt der Kreis an [[Indien]].

Der Hauptort und Sitz der Kreisverwaltung heißt ebenfalls Mêdog; die Stadt befindet sich in einem Tal an einer großen Biegung des Yarlung Tsangpo, dem Oberlauf des [[Brahmaputra]]s, umgeben von dem 7.782 Meter hohen [[Namjagbarwa]] und dem 4.296 Meter hohen Galongla.<ref name="german.china.org.cn" />

== Erreichbarkeit ==
[[Datei:Yarlung Zangbo River Bridge.jpg|mini|Brücke über den [[Brahmaputra|Yarlung Tsangpo]] in Mêdog; 2016]]

Mêdog war bis 2013 aufgrund mehrerer hochgelegener Bergketten der letzte [[Distrikt]] ohne festen Straßenzugang in China. Der einzige Weg in die abgeschiedene Region führte früher zu Fuß durch die Bergwelt des Himalayas entweder über den 4.296 Meter hohen Galongla oder den 4.000 Meter hohen Duoxiongla. Zudem mussten Schluchten über mehrere [[Seilrutsche]]n sowie einer 200 Meter langen [[Seilbrücke|Hängeseilbrücke]] überquert werden.

Eine erste, einfache Straße entlang der von dichtem [[Subtropischer Regenwald|subtropischem Regenwald]] bedeckten Hänge wurde in den 1970er Jahren gebaut. Diese konnte jedoch überwiegend nur im Sommer benutzt werden, da sie im Winter von Lawinen, Eis und Schnee, im Frühjahr und Herbst durch Geröll, hohe [[Monsunregen|Monsunniederschläge]] und starkes [[Bodenwasser]] blockiert war.<ref name="german.china.org.cn" /> Viele Einheimische lebten aufgrund der schlechten Verkehrsanbindung in ärmlichen Verhältnissen und verdienten ihren Unterhalt als Bergführer, [[Lastenträger]] oder [[Sherpa]]s. Allein die Route von Mêdog (Stadt) über den Galongla dauerte vier Tage, ohne Unterkunfts- oder Versorgungsmöglichkeit.<ref>George B. Schaller: ''Tibet Wild. A Naturalist's Journeys on the Roof of the World.'' Island Press, 2012, S. 227 f.</ref>

Im Sommer 2013 wurde die ''Motuo-Autobahn'' von [[Bomê]] nach Mêdog (Stadt) fertiggestellt, welche die bis dahin letzte isolierte Region Tibets erschließt. Seitdem sind alle Städte, Kreise und Gemeinden in China an das nationale Straßennetz angeschlossen. Die 117 Kilometer lange Straße führt durch einen drei Kilometer langen Tunnel durch den Berg Galongla und liegt 3.700 Meter über dem Meeresspiegel.<ref>[http://german.china.org.cn/china/2015-08/12/content_36284851.htm ''Tibets Verkehrsnetz wird immer dichter''; China Internet Information Center, 12. August 2015], abgerufen am 14. Februar 2018</ref><ref name="german.china.org.cn" />

Der nächstgelegene Flughafen ist der in einer Höhe von 2.949 Metern liegende [[Flughafen Nyingchi-Mainling|Nyingchi Airport]].

== Geschichte ==
[[Datei:西藏林芝-雅鲁藏布 - panoramio.jpg|mini|Ausläufer der [[Dihangschluchten]] am Zusammenfluss des Lhayue Chu mit dem Yarlung Tsangpo; 2010]]
[[Datei:雅鲁藏布江边的田野 - panoramio.jpg|mini|Felder am Yarlung Tsangpo; 2011]]
[[Datei:西藏林芝-老虎嘴 - panoramio.jpg|mini|Oberlauf des Yarlung Tsangpo; 2010]]

Die Mehrzahl der in der Region lebenden Urvölker war bis ins 20. Jahrhundert hinein ohne Schrift. Zahlreiche archäologische Funde weisen auf ein reiches kulturelles Erbe und auf eine sehr frühe Besiedlung der fruchtbaren Täler hin. Das Gebiet blieb lange Zeit von Territorialkämpfen umliegender Staaten verschont und geriet erst im späten 17. Jahrhundert in die Machtsphäre der tibetischen [[Gelug]]. Die schwer erreichbare und mysteriöse Berglandschaft galt den [[Buddhismus|Buddhisten]] fortan als heilig. Der Kreis wurde als Verwaltungseinheit [[Tibet]] zugeordnet und über Jahrhunderte direkt von dem rund 800 Kilometer entfernten [[Lhasa]] aus geleitet.

Zu dieser tibetischen [[Hochland (Landschaft)|Hochlandregion]] zählten ursprünglich große Teile des heutigen indischen Bundesstaates [[Arunachal Pradesh]], historisch ''Unteres Pemako'' genannt. Im Zuge des [[Britischer Tibetfeldzug|britischen Tibetfeldzugs]] annektierte Großbritannien ab 1903 in der Region ein Gebiet von rund 80.000 km² und gliederte dieses 1914 auf Grundlage der von China nicht anerkannten [[Shimla-Konvention]] in die Kronkolonie [[Britisch-Indien]] ein. Allerdings waren die Gebiete aufgrund der Unzugänglichkeit und den fast 100 abgeschieden lebenden Volksstämmen kaum zu kontrollieren, so dass die tibetischen Klosterbezirke ([[Dzong]]) unverändert unter der Verwaltung Lhasas standen.

Nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 bemühte sich die indische Regierung um eine offizielle Eingliederung des Gebiets nach Indien. In der Folge entbrannte 1962 der [[Indisch-Chinesischer Grenzkrieg|indisch-chinesische Grenzkrieg]], in dessen Verlauf chinesische Truppen bis in die [[Assam]]-Ebene vordrangen, sich dann aber wieder zurückzogen. 1972 erhielt das Gebiet von Indien den Status eines Unionsterritoriums. Arunachal Pradesh ist offiziell seit dem 20. Februar 1987 ein eigenständiger indischer Bundesstaat. Nach wie vor wird der Grenzverlauf von der Volksrepublik China sowie der [[Republik China (Taiwan)]] ''de jure'' nicht anerkannt. Nach der Verwaltungsgliederung Chinas gehören Teile von Arunachal Pradesh zum Kreis Mêdog des Autonomen Gebiets Tibet. Das umstrittene Gebiet wird in China ''Zàngnán'' (藏南), „Südliches Tibet“, genannt.<ref>[https://www.terralaya.com/de/destinations-indien-nordosten-arunachal-pradesh.php ''Arunachal Pradesh''; Terralaya Travels], abgerufen am 14. Februar 2018</ref><ref>Junsheng Nie, Brian K. Horton, Gregory D. Hoke: ''Uplift Mechanisms and the History of the Tibetan Plateau.'' Geological Society of America, 2014, S. 24 f.</ref>

Mêdog zählt seit 2012 zu den bedeutendsten Hochgebirgs-[[Teeanbaugebiete]]n im Himalaya.<ref>{{Webarchiv|url=http://german.tibet.cn/reise/bilder/1495069459835.shtml |wayback=20180216084657 |text=''Tibet: Bauern ernten Tee in Mêdog''; germantibetcn, 18. Mai 2017}}, abgerufen am 14. Februar 2018</ref> Die Region entwickelt sich aufgrund der üppigen Vegetation, ihrer reichen Flora und Fauna, unter Naturliebhabern zu einem beliebten Reiseziel. [[Bergsteigen|Bergsteiger]] und [[Rucksacktourismus|Backpacker]] bevorzugen zur An- und Abreise unverändert die alte Route nach Mêdog über die Berge. Sie gilt als sehr anstrengend und riskant. Individual- und Gruppenreisen sind problemlos möglich, es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Wanderreisen in das Gebiet von Mêdog nur von geübten und trainierten Personen durchgeführt werden können (Stand 2018).<ref>{{Webarchiv|url=http://www.china-guide.de/china-wanderreisen.html |wayback=20180216025820 |text=China Wanderreisen; China-Reisefuehrer 2018}}, abgerufen am 14. Februar 2018</ref><ref name="german.china.org.cn">[http://german.china.org.cn/travel/txt/2010-12/16/content_21558078.htm ''Tibet: Tunnel durch den Berg Galongla eröffnet''; China Internet Information Center, 16. Dezember 2010], abgerufen am 14. Februar 2018</ref>

Im Kreis Mêdog befinden sich das [[Rinchenpung-Kloster]] sowie die [[Dihangschluchten]]. Die Schönheit der tiefen und langen Schluchten, ihre Abgeschiedenheit und Rätselhaftigkeit dienten vermutlich dem berühmten ''[[Shangri-La]]'' im Buch ''[[Der verlorene Horizont|Lost Horizon]]'' von [[James Hilton]] als Vorlage für ein „reines und verborgenes Land“, sowohl geografisch wie spirituell-religiös.<ref>{{Webarchiv|url=http://eosweb.larc.nasa.gov/HPDOCS/misr/misr_html/yarlang_tsangpo.html |wayback=20071123092127 |text=''Yarlung Tsangpo River in China.'' Satellitenfoto und Daten}}</ref>

== Mêdog-Verwerfungszone ==
Der Kreis liegt in einem seismisch aktiven Gebiet, der Mêdog-Verwerfungszone (Motuo-Verwerfung) ({{zh|v=墨脱断裂带|kurz=1}}). Sie gehört zu einem System von geologischen [[Verwerfung (Geologie)|Verwerfung]]en, die infolge der Kollision der [[Indische Platte|Indischen]] mit der [[Eurasische Platte|Eurasischen Platte]] aktiv sind. Seit 1900 fanden in Mêdog mehrere mit dieser Aktivität verbundene [[Erdbeben]] statt, zwei davon mit einer [[Magnitude (Erdbeben)|Magnitude]] höher als 7.<ref name="Honglin_He">{{cite journal| url=http://www.geog.or.jp/journal/back/pdf112-4/p489-520.pdf| author=Honglin He und Eikichi Tsukada| title=Recent Progresses of Active Fault Research in China| journal=Journal of Geography| volume=112| issue=4| pages=489–520| year=2003| language=en| accessdate=2008-05-21| archiveurl=https://web.archive.org/web/20051222200420/http://www.geog.or.jp/journal/back/pdf112-4/p489-520.pdf| archivedate=2005-12-22| offline=yes}}</ref>

Das [[Medog-Erdbeben]] von 1950 hatte eine Magnitude von 8,6 und verursachte den Tod von 1.526 Menschen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.ngdc.noaa.gov/nndc/struts/results?eq_0=3950&t=101650&s=13&d=22,26,13,12&nd=display |titel=Significant Earthquake: 1950-08-15 India-China |hrsg=[[NOAA]] |zugriff=2010-03-04}}</ref>

== Administrative Gliederung ==
Auf Gemeindeebene setzt sich der Kreis aus einer [[Großgemeinde (China)|Großgemeinde]], sechs [[Gemeinde (China)|Gemeinden]] und einer [[Nationalitätengemeinde]] zusammen. Diese sind:
* Großgemeinde [[Mêdog (Großgemeinde)|Mêdog]] (墨脱镇), Hauptort, Sitz der Kreisverwaltung;
* Gemeinde [[Baibung]] (背崩乡);
* Gemeinde [[Bangxin]] (旁辛乡);
* Gemeinde [[Dexing (Mêdog)|Dexing]] (德兴乡);
* Gemeinde [[Gadê (Mêdog)|Gadê]] (甘登乡);
* Gemeinde [[Godang]] (格当乡);
* Gemeinde [[Qarasa]] (加热萨乡);
* Gemeinde [[Dagmo]] der [[Lhoba]] (达木珞巴族乡).

== Einzelnachweise ==
<references />

== Weblinks ==
* [http://www.xzqh.org/quhua/54xz/2624mt.htm Infoseite] - Chinesisch
* [http://www.ggl.ulaval.ca/fileadmin/docs/geoscope/v8n2.pdf Géoscope, vol. 8 n° 2], S. 5–11 (PDF; 563&nbsp;kB)
* [http://www.kepu.net.cn/english/canyon/realmost/index.html A Real Most of the World] (Chinesische Wissenschaftsakademie)
* [http://news.xinhuanet.com/english/2009-04/20/content_11222275.htm xinhuanet.com: China starts building highway to its last county without paved road]

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