Quelltext der Seite No-Communication-Theorem

Das '''No-Communication-Theorem''' ist ein Satz aus der [[Quanteninformationstheorie]], der besagt, dass [[Quantenmechanische Messung|Messungen]] an einem [[Quantenmechanik|quantenmechanischen]] Teilsystem nicht benutzt werden können, um Informationen zu einem anderen Teilsystem zu übertragen.<ref name="Hall1987">{{cite journal |author = M. J. W. Hall |year = 1988 |title = Imprecise measurements and non-locality in quantum mechanics |journal = Phys. Lett. A |volume = 125 |issue = 2–3 |pages = 89–91 |id = [[doi:10.1016/0375-9601(87)90127-7]]}}</ref><ref name="Ghirardi1988">{{cite journal |author = Giancarlo Ghirardi u. a. |year = 1988 |title = Experiments of the EPR Type Involving CP-Violation Do not Allow Faster-than-Light Communication between Distant Observers |journal = Europhys. Lett. |volume = 6 |issue = 2 |pages = 95–100 |url = http://stacks.iop.org/0295-5075/6/i=2/a=001}}</ref><ref name="Florig1997">{{cite journal |author = M. Florig, S. J. Summers |year = 1997 |title = On the statistical independence of algebras of observables |journal = J. Math. Phys. |volume = 38 |issue = 3 |pages = 1318–1328 |doi = 10.1063/1.531812}}</ref>
Dies gilt selbst dann, wenn sich das System in einem [[Quantenverschränkung|verschränkten Zustand]] befindet.
Mithilfe der Bellschen Ungleichung konnten Verletzungen des [[Lokalität (Physik)|lokalen]] [[Realismus (Philosophie)|Realismus]] gezeigt werden.
Das No-Communication-Theorem ist nun wichtig, um zu verstehen, dass diese nicht-lokalen Korrelationen dennoch nicht benutzt werden können, um überlichtschnell zu kommunizieren.
In Anlehnung an Einsteins Einwurf der „spukhaften Fernwirkung“ ([[Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|EPR-Paradoxon]]) könnte man das No-Communication-Theorem grob als „es gibt keine spukhafte Fern''kommunikation''“ zusammenfassen.
Die [[Kausalität]] wird durch diese Art von Messungen folglich nicht verletzt.

== Erklärung am Beispiel verschränkter Photonen ==
Als Beispiel betrachten wir als System ein Photonenpaar (oder Elektronenpaar), das in einem verschränkten Zustand präpariert wird&nbsp;– genauer gesagt im Singulett-Zustand <math>| \psi \rangle = \tfrac{1}{\sqrt{2}} \left( | \mathord\uparrow \mathord\downarrow \rangle - | \mathord\downarrow \mathord\uparrow \rangle \right)</math>.
Die beiden Teilchen werden nun zu zwei räumlich weit voneinander entfernten Beobachtern, Alice und Bob, geschickt.
Alice dreht ihren Detektor um den Winkel α und Bob um den Winkel β (zur z-Achse).
Die Wahrscheinlichkeiten der Messungen von |↑⟩ und |↓⟩ lassen sich mithilfe der Quantenmechanik zu folgenden Ergebnissen berechnen:<ref name="Bell1981">{{cite journal |author = John S. Bell |year = 1981 |title = Bertlmann’s socks and the nature of reality |journal = Le Journal de Physique Colloques |pages = C2-41–C2-62 |id = [[doi:10.1051/jphyscol:1981202]] |url = https://hal.archives-ouvertes.fr/jpa-00220688/document}} Gleichung (4).</ref>

{| class="wikitable"
|-
!                   !! Alice misst ↑ !! Alice misst ↓
|-
| '''Bob misst ↑''' || <math>p_{\uparrow\uparrow} = \frac{1}{2} \sin^2\left( \frac{\alpha - \beta}{2} \right)</math> || <math>p_{\downarrow\uparrow} = \frac{1}{2} \cos^2\left( \frac{\alpha - \beta}{2} \right)</math>
|-
| '''Bob misst ↓''' || <math>p_{\uparrow\downarrow} = \frac{1}{2} \cos^2\left( \frac{\alpha - \beta}{2} \right)</math> || <math>p_{\downarrow\downarrow} = \frac{1}{2} \sin^2\left( \frac{\alpha - \beta}{2} \right)</math>
|}
Bemerkt sei zu obiger Tabelle, dass die Wahrscheinlichkeiten natürlich nur vom Differenzwinkel α − β abhängen, weil es keine ausgezeichnete Raumrichtung gibt, und dass für die Summe aller Wahrscheinlichkeiten p<sub>↑↑</sub> + p<sub>↓↑</sub> + p<sub>↑↓</sub> + p<sub>↓↓</sub> = 1 gilt.
Diese Wahrscheinlichkeiten bestätigen sich sehr gut im Experiment, selbst wenn man die Detektorwinkel α und β erst wählt, während die Teilchen auseinanderfliegen.
Wenn die Teilchen weit genug voneinander entfernt sind, dann kann kein Signal, das sich mit Lichtgeschwindigkeit oder langsamer bewegt, Informationen (bzgl. Detektorwinkel oder Messergebnis) rechtzeitig zum anderen Teilsystem (oder zurück zur Quelle) kommunizieren.
So kann gezeigt werden, dass es Korrelationen zwischen den Messergebnissen bei Alice und Bob gibt, die sich nicht durch eine gemeinsame Vergangenheit des Photonenpaares erklären lassen.
Für Details hierzu siehe [[Bellsche Ungleichung]].

Betrachten wir die Wahrscheinlichkeit für Alice, |↑> zu messen, so erhalten wir:
:<math>p^A_\uparrow = p_{\uparrow\uparrow} + p_{\uparrow\downarrow} = \frac{1}{2} \sin^2\left( \frac{\alpha - \beta}{2} \right) + \frac{1}{2} \cos^2\left( \frac{\alpha - \beta}{2} \right) = \frac{1}{2}</math>
Für fast alle Winkel ist also Alice’ Messergebnis [[Stochastisch unabhängige Ereignisse|(stochastisch) abhängig]] von Bobs Messergebnis, d.&nbsp;h., die Messergebnisse sind [[Korrelation|korreliert]]:
:<math>p^A_\uparrow \cdot p^B_\uparrow \neq p_{\uparrow\uparrow}</math>
Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit <math>p^A_\uparrow</math> unabhängig von β (also keine Funktion von β), d.&nbsp;h., Alice merkt nichts, wenn Bob seinen Detektor dreht.
Da weder Alice noch Bob sich aussuchen können, ob sie jeweils |↑⟩ oder |↓⟩ messen, erscheinen die Ergebnisse für beide völlig zufällig (je mit Wahrscheinlichkeit ½) und die Korrelationen werden ihnen erst auffallen, wenn sie sich nach dem Experiment wieder treffen, um ihre Aufzeichnungen zu vergleichen.
Keiner von beiden kann folglich irgendeine Messung an seinem Teilsystem zur Kommunikation mit dem anderen Teilsystem nutzen.
Dies ist die Essenz des No-Communication-Theorems.

== Allgemeiner Beweis ==
Ein allgemeinerer Beweis betrachtet einen quantenmechanischen Zustand ψ über einem [[Hilbertraum]] H aus zwei Teilsystemen <math>H = H_A \otimes H_B</math>, die jeweils Alice bzw. Bob zugänglich sind.
Weiterhin seien Ω<sup>(A)</sup> und Ω<sup>(B)</sup> Observablen, die nur auf H<sub>A</sub> bzw. H<sub>B</sub> wirken und entsprechende Eigenwerte λ<sub>n</sub> haben:
:<math>\Omega^{(A)} | n^{(A)} \rangle = \lambda_n^{(A)} | n^{(A)} \rangle</math> und analog für Ω<sup>(B)</sup>
Weil Alice’ Observable Ω<sup>(A)</sup> nicht auf Bobs Teilsystem wirkt, kann man die Wirkung auf das Gesamtsystem beschreiben als <math>\Omega_A = \Omega^{(A)} \otimes I^{(B)}</math>, wobei I<sup>(B)</sup> die Einheitsmatrix (bzw. die identischen Abbildung) ist.
Eine Messung von Ω<sub>A</sub> lässt nun das Gesamtsystem in einen Eigenzustand von Ω<sub>A</sub> kollabieren.
Berechnet man für diesen Eigenzustand mittels [[Bornsche Regel|Bornscher Regel]] die Wahrscheinlichkeiten, für Bob die Messwerte <math>\lambda_n^{(B)}</math> zu erhalten, dann sind diese die gleichen wie für den ursprünglichen Zustand ψ.
Dies heißt, dass Bob aus der Statistik seiner Messwerte keinen Unterschied erkennen kann, ob Alice gemessen hat oder nicht.
Details dieser Rechnung finden sich im Artikel [[Quantenverschränkung#Mathematische Betrachtung|Quantenverschränkung]].

Ein noch allgemeinerer Beweis<ref name="Peres2004">{{cite journal |author = A. Peres, D. Terno |title = Quantum Information and Relativity Theory |journal = Rev. Mod. Phys. |volume = 76 |pages = 93–123 |year = 2004 |arxiv = quant-ph/0212023|doi=10.1103/RevModPhys.76.93}}</ref> betrachtet nicht nur reine quantenmechanische Zustände, sondern sogar Ensembles von Zuständen, die mit einem [[Dichteoperator]] <math>\hat{\rho}</math> dargestellt werden können.
Jede lokale Operation (inkl. Messung), die Alice auf ihrem Teilsystem durchführen kann, lässt sich demnach algebraisch wie folgt darstellen:
:<math>P(\hat{\rho}) = \sum_k (A_k \otimes I^{(B)})^* \ \hat{\rho} \ (A_k \otimes I^{(B)})</math>
mit
:<math>\sum_k A_k \, A_k^* = I^{(A)}</math>

Nun möchte man zeigen, dass Bob statistisch nicht unterscheiden kann, ob Alice die Operation <math>P(\hat{\rho})</math> ausgeführt hat oder nicht.
Weil alle möglichen Messergebnisse und Wahrscheinlichkeiten für Bobs Oberservablen sich mittels [[Spur (Mathematik)|Spur]]-Bildung von <math>\hat{\rho}</math> errechnen lassen, muss man hierzu <math>\operatorname{Spur}_{H_A}(P(\hat{\rho})) = \operatorname{Spur}_{H_A}(\hat{\rho})</math> zeigen.
Es handelt sich um eine [[Partialspur]] <math>\operatorname{Spur}_{H_A}</math>, weil nur über den Unterraum H<sub>A</sub> summiert wird.
Für Details dieser eher technischen Rechnung sei auf die Quelle<ref name="Peres2004" /> verwiesen, wo auch der Einfluss einer relativistischen Betrachtung diskutiert wird.

== Bemerkungen ==
* Auch in der [[Quantenfeldtheorie]] lässt sich das No-Communication-Theorem unter der Voraussetzung zeigen, dass Alice und Bob [[Lichtkegel|raumartig]] getrennt sind.<ref name="Eberhard1989">{{cite journal |author = Phillippe H. Eberhard, Ronald R. Ross |year = 1989 |title = Quantum field theory cannot provide faster than light communication |journal = Foundations of Physics Letters |volume = 2 |issue = 2 |pages = 127–149 |id = [[doi:10.1007/BF00696109]]}}</ref>
* Wenn das [[No-Cloning-Theorem]] nicht gälte, wäre überlichtschnelle Kommunikation möglich. Dies soll wie oben am Beispiel des Singulett-Zustands <math>| \psi \rangle = \tfrac{1}{\sqrt{2}} \left( | \mathord\uparrow \mathord\downarrow \rangle - | \mathord\downarrow \mathord\uparrow \rangle \right)</math> gezeigt werden: Wenn Alice eine „0“ senden will, führt sie eine Messung durch. Wenn sie eine „1“ senden will, misst sie nicht. Wenn sie misst, verschwindet die Superposition und die Wellenfunktion kollabiert in einen Eigenzustand, also entweder <math>|\mathord\uparrow \mathord\downarrow \rangle</math> oder <math>|\mathord\downarrow \mathord\uparrow \rangle</math>. Bob fertigt danach viele Kopien dieses Zustands an und misst seinerseits. Wenn er immer das gleiche Ergebnis (immer ↑ oder immer ↓) erhält, hatte er die bereits kollabierte Wellenfunktion und weiß, dass Alice eine „0“ senden wollte. Misst er ↑ oder ↓ je mit Wahrscheinlichkeit ½, dann wollte Alice eine „1“ senden.
* Wenn die Bornsche Regel nicht gälte, wäre überlichtschnelle Kommunikation möglich.<ref name="Zurek">{{cite journal |author = Wojciech Hubert Zurek |year = 2003 |title = Environment-assisted invariance, entanglement, and probabilities in quantum physics |journal = Physical Review Letters |volume = 90 |issue = 12 |pages = 120404 |arxiv = quant-ph/0211037 |id = [[doi:10.1103/PhysRevLett.90.120404]]}}</ref>
* Wenn <math>P(\hat{\rho})</math> auch nichtlokale Wechselwirkung zwischen A und B erlaubt, dann ist obiger Beweis nicht gültig. Dies kann aber behoben werden, wenn gewisse Kommutatorrelationen angenommen werden.<ref name="Peacock1999">{{cite journal |last1 = Peacock |first1 = K. A. |last2 = Hepburn |first2 = B. |title=Begging the Signaling Question: Quantum Signaling and the Dynamics of Multiparticle Systems |journal = Proceedings of the Meeting of the Society of Exact Philosophy |year = 1999| arxiv = quant-ph/9906036}}</ref>

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Quantenphysik]]